Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: Juni 2019

2019 28 Jun

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In diesem Jahr wimmelt es vor 50-Jahre-Jubiläen. Ich kann eines hinzufügen, das weltweit so viel Beachtung findet, wie die 50. Geburtstage aller Helmbrechtser. Es interessiert nur jene, die dabei gewesen sind. Vor 50 Jahren – während meines Studiums – leitete ich die Kurrende der ESG München. Vor 50 Jahren waren wir auf Tournee im Frankenwald, mit Auftritten in Presseck, Kronach und Helmbrechts. Letzte Woche trafen sich viele Überlebende dieses seit langem nicht mehr existierenden Chores in Presseck. Es wurde gesungen, wir wanderten den schönsten Weg des Frankenwaldes und besuchten Probstzella, eine Ortschaft, von der ich immerhin weiß, dass man durchfahren kann. Vom Haus des Volkes hatte ich bis vor wenigen Tagen nie gehört.

 
 
 

 
 
 

Das Haus des Volkes in Probstzella (Thüringen) wurde 1925 bis 1927 im Auftrag des Industriellen Franz Itting von Alfred Arndt und Ernst Gebhardt als Hotel und kulturelles Zentrum erbaut. Die Inneneinrichtung wurde vollständig von Künstlern des Bauhauses Dessau gestaltet, es handelt sich um das größte in Thüringen realisierte Bauhaus-Ensemble.

 
 
 


 
 

 
 

 

Whatever you now find weird, ugly, uncomfortable and nasty about a new medium will surely become its signature. CD distortion, the jitteriness of digital video, the crap sound of 8-bit – all of these will be cherished and emulated as soon as they can be avoided. It’s the sound of failure: so much modern art is the sound of things going out of control, of a medium pushing to its limits and breaking apart. The distorted guitar sound is the sound of something too loud for the medium supposed to carry it. The blues singer with the cracked voice is the sound of an emotional cry too powerful for the throat that releases it. The excitement of grainy film, of bleached-out black and white, is the excitement of witnessing events too momentous for the medium assigned to record them.”

(Brian Eno)

 

Selbst manch grosser Erfolg, wie die Erfüllung des durchkalkulierten Menschheitstraums der Mondlandung, trägt in sich die Spuren der Auflösung und des Verlusts einer Utopie. Und in diesem Sinne sind sämtliche Empfehlungen für den Juli sogenannte „Grenzsprenger“. Man könnte auch sagen: mitunter gnadenlose Kost. Die natürlich die Spuren und Grooves hinreissender Schönheit in sich tragen kann, die überwältigen, verzaubern, schockieren, verstören kann, ohne dass man weiss, wie und wann welche emotionalen Erschütterungen die Oberhand gewinnen. Keine Frage, wenn Stories und Klänge und Bilder zum Zerreissen gespannt sind, wenn Visionen kippen und korrumpiert werden, ist das Scheitern allgegenwärtig. Es gibt nie einfache Lösungen, aber die wunderbare, das Lächeln zelebrierende, Paradoxie des Widerstandes. Unbeirrbar sein im Angesicht grassierender Idiotie! „We are stardust / we are golden“.

2019 26 Jun

„ … ground control to major neil … “

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2019 26 Jun

Get on out of the Rain

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So klinge ich – so werde ich sein, wenn ich sein werde. Ich bin das Aufschäumen, der Klangblock, die befreite Figur, ich bin die schöne, die kühne Stelle, ich bin der Sprung in den höchsten Ton; die Welt klingt nach mir, wenn ich mich zeige, wie ich mir versprochen bin. (aus: „Blasen“, von Peter Sloterdijk)

 
50 Jahre ECM, vor 50 Jahren Apollo 11. In 50 Jahren ECM auf dem Mond?
 
Bleiben wir auf mother earth, bleiben wir bei den Musikern, die mit dem Gimmick bekannt wurden, ihre Gitarren auf dem Boden zu zerschlagen. Für Gregor – yes, The Who. Vor ziemlich genau 50 Jahren machten The Who die Oper salonfähig. Die Zuhörer saßen nicht in roten Plüschsesseln, sondern im Dreck von Woodstock und lauschten der Rockoper Tommy – ein Meisterwerk.

Der kleine, stämmige Roger Daltrey sang gegen Tod und Teufel an. Und doch verlor er viel zu bald zwei seiner Bandmitglieder, Keith Moon am Schlagzeug, John Entwistle am Bass. Allein den hoch überragenden Pete Townsend konnte er am Leben halten. Tommy war ein großer  Wurf. Ich wage den Vergleich mit Goethes Die Leiden des jungen Werther. Dieser Briefroman traf in die Herzen einer ganzen Generation. Ebenso magisch wirkte Tommy. Millionen pilgerten zu den Konzerten. Millionen demonstrierten gegen den Vietnamkrieg.

Das war vor 50 Jahren. Daltrey erfüllte sich jetzt ganz in der Nähe von Woodstock seinen Traum. Er trat mit seiner Band und einem ordentlichen Symphonieorchester auf und nannte das ganze: „Tommy-Orchestra“. So heisst auch das neu veröffentlichte Album.

Noch in diesem Jahr soll es ein neu eingespieltes Album mit Pete Townsend geben.
 
Zudem hat er einen zeitlosen, neuen Song geschrieben:

 

„Get On Out of the Rain“

 

When will we all start gettin‘ together

Learnin‘ to live and love one another

Hey hey hey hey hey

When will the people stop fightin‘ each other

Learn to forgive and help another

Hey hey hey hey hey

2019 26 Jun

2 Tagesnotizen

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Ob man musiziert, fotografiert, Bilder malt oder Texte schreibt, es gibt einen Moment der Abstandnahme und Rückschau, der für sich schon lustvoll ist. Am Nachmittag war C zu Besuch und ich erzählte ihr, dass die Kunst ihres Onkels (der mein Freund war) mir ganz anders erscheint jetzt, da er nicht mehr lebt: mit kühlerem Blick, aus der Distanz. Klar, die Ateliergespräche fehlen, das Heissblut auch, die Leidenschaft, das Schwelgen und der Streit. „It needs blood for a new erection“ singt Aldous Harding und M übersetzt es feinsinnig: es braucht Blut für die Neukonstruktion. Auch Wolfgang Rihm schreibt ja seine Stücke für die Lebenden, nicht für die Toten.

Fotografieren und Fahrradfahren, das macht Spass, ein bisschen ist es auch wie Jagen. Man verfolgt das Wildbrett (in diesem Falle das Motiv) nicht aktiv und ist doch ständig innerlich auf der Lauer, es könnte plötzlich etwas auftauchen. Dann fährt man, wie jüngst zu Pfingsten dort, wo man jeden Tag langradelt, dreht sich zufällig um und staunt: „Das ist doch hier und jetzt wie von de Chirico gemalt: ein leerer Platz, geometrische Architektur, Schattenwurf, hoher Sonnenstand!“ Fehlt nur das Mädchen mit dem wehenden Faltrock auf einem Einrad.

 
 


 

Es kann ja immer etwas dazwischen kommen, aber momentan sieht es so aus, dass meine nächste Ausgabe der der Radionacht Klanghorizonte im Deutschlandfunk eine spezielle wird: „Produced by Manfred Eicher – fünf Jahrzehnte ECM in fünf Stunden“. Das Tempo dieser Reise durch die Dekaden wird trotz der „mission impossible“ kein eiliges sein. Ob ich Manfred Eicher noch treffen werde im Vorfeld, ist unklar. Auf jeden Fall konnte ich zwei Musiker für die Sendung gewinnen, die seit ziemlich früher Zeit auf unterschiedliche Art mit dem Label verbunden sind. Steve Tibbetts wählt jeweils eine seiner Lieblingsplatten aus den „Siebzigern“, „Achtzigern“ und „Neunzigern“ aus, Jon Balke macht das mit den „Neunzigern“, „Nullern“, und „Zehnern“. Beide werden etwas zu diesen Werken erzählen, Steve wird sich dazu wohl in seinem Studio in St. Paul ein paar ruhige Minuten nehmen, Jon ist derzeit in Kompositionsarbeiten versunken, wird aber spätestens in Venedig, wo er demnächst auftritt, morgens auf einem Hotelbalkon, genug Musse haben, seine kleinen Stories beizusteuern. Das alles in der Nacht von Freitag auf Samstag, im Deutschlandfunk, am 17. August. Vielleicht kommt auch noch der eineoder andere Überraschungsgast hinzu. Natürlich wird von beiden auch etwas zu hören sein, spätestens in der letzten Stunde – Jon Balkes „WARP“ (2016) und Steve Tibbetts‘ „LIFE OF“ (2018) sind zwei fantastische Alben.

2019 24 Jun

Kunst in der Natur

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Musik Produktion Schwarzwald (Teil 5)

 

Im September letzten Jahres wurde in Villingen richtig groß gefeiert, das MPS-Studio wurde 50 Jahre alt. Der Techník-Chef von SABA, Hans Georg Brunner-Schwer, hatte 1968 den Schritt gewagt vom Privat-Studio in seinem Wohnhaus hin zu einem großen professionellen Studio.

Zum Jubel-Fest am 7. September 2018 wurde eine fette Doppel-Langspielplatte herausgebracht: Junges Forum 65, Unreleased Tapes From The MPS Studio, mit dabei: Benny Baily, Rolf Kühn, Hans Koller, Stuff Smith, Jimmy Woode, Tubby Hayes, Roger Guérin, George Gruntz, Leo Wright, Erich Kleinschuster, Michael Hausser and others. Es handelt sich um Aufnahmen, die während des 40. NDR-Jazzworkshops am 1. und 2.Juli 1965 in der Vestlandhalle in Recklinghausen gemacht und bisher nicht veröffentlicht wurden (warum nicht? – das ist auch Michael Laages, der die Liner-Notes schrieb, ein Rätsel).

 
 

 
 

Angefangen hatte alles 1961 mit der Entwicklung des SABAmobils (siehe Foto), das 1963 als bahnbrechende Sensation auf dem Markt kam. Das SABAmobil war ein Vorläufer eines Kassettenrecorders, eigentlich eine Kombination aus Kassettengerät und Autoradio.

 
 

 
 

Für die speziell entwickelten Kassetten nahm H.G. Brunner-Schwer die Musik selbst auf. Das war streng genommen der Beginn der SABA-Musikproduktion. Von Beginn an mit dabei Wolfgang Dauner, Albert Mangelsdorf, Hans Koller, Horst Jankowski und bald auch – 1963 – Oscar Peterson. Aber erst 1968 kam es zur Gründung des MPS-Labels. Immerhin umfasste der SABA-Jazz-Katalog zu diesem Zeitpunkt bereits 80 Titel.

Dem Familienunternehmen SABA allerdings ging es damals gar nicht gut, nur große Firmen, wie etwa der Konkurrent GRUNDIG, hatten noch Chancen auf Selbstständigkeit. SABA war auf den Einstieg des amerikanischen GTE – Konzerns angewiesen, die Musikproduktion wurde allerdings ausgegliedert, sie war für GTE nicht von Interesse.

Wer sich für die wunderbaren SABA-Geräte aus dieser Zeit interessiert, der mag das Franziskaner-Museum in Villingen aufsuchen – hier findet man eine kleine Auswahl sehr schöner SABA-Geräte – oder besser gleich ins nahe Villingen gelegene St. Georgen reisen und das Deutsche Phono-Museum aufsuchen. Hier findet man nicht nur alles über die Erfindung und Ursprünge der mechanischen Schallaufzeichnung – man kann etwa ein Modell des mechanisch zu betätigenden Edison-Phonographen (1880) bewundern, sondern kann auch die Blütezeit des Grammophons in all seinen Ausprägungen nachvollziehen, die Geburt des Radios und des Plattenspielers erleben (Perpetuum Ebner / DUAL), die Entwicklung der ersten Tonbandgeräte verfolgen –  von SABA bis REVOX – hin zu High-Fidelity und HIGH END.

 
 

 
 

Es gilt die ersten „Disco-Lichtspiele“ über Grammophon (1920!) zu bewundern, man kann Jukeboxen, SABA-Geräte, die ganze DUAL- und PE-Entwicklung bestaunen, bis hin zur Gegenwart und dem erfreulichen Neustart der Plattenspielerproduktion von PE und THORENS in St.Georgen.

 

Zurück in Villingen:

 

2010 erhielt das MPS-Studio vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg den Titel „Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung“. Der Förderverein MPS-Studio Villingen e.V. bemüht sich um die Erhaltung des Studios und führt auch wieder Tonaufnahmen durch. Das sind doch mal gute Nachrichten!

Und hier kann man die Lichtmaschine aus dem Jahre 1920 in Aktion erleben:  DSCN7905

Als der Pianist Richard Beirach im Juni 1977 im Tonstudio Bauer in Ludwigsburg die erste Soloplatte seines Lebens aufnahm, betrat er bereits historisch wertvolles Terrain. Angetrieben von den visionären Ideen des Produzenten Manfred Eicher hatte das Label ECM seit Beginn jenes Jahrzehnts rasch seinen Ruf gefestigt, die Jazzlandschaft musikalisch radikal zu erweitern. Das Kölner Konzert von Keith Jarrett war eine künstlerische wie kommerzielle Sensation und sicherte jedem jungen ECM-Künstler unmittelbare Aufmerksamkeit. Die Produktionstage der Soloaufnahme „Hubris“ und der Einspielung „Elm“, einem Trio mit dem Bassisten George Mraz und Schlagzeuger Jack DeJohnette, wurden für Richard Beirach einschneidende Lebenserfahrungen – musikalisch wie privat.

 
 
 
 

 
 
 
 

 

2019 23 Jun

Die Späher am Atlantik

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„Also“, sprach Plinius, „hier ist nun das Ende der Welt. Möge Platon zufrieden sein, dass ich den Null Meridian durch seine elysischen Gefilde lege. Ob er „Atlantis“ hier vermuten will, bleibe sein Geheimnis.“

 

Wahrhaftig wurde ein achtes Eiland Ende des 19. Jahrhunderts von drei Herreńos gesichtet. Sie waren über goldene Ilix Wiesen und durch bis zu 15 Meter hohe Baumheiden gewandert, vorbei an riesigen Gagelbäumen und genossen die Melodie der Stille. Von unbekümmerter Sorglosigkeit getragen, gingen sie in den friedvollen Pinienwälder hinein.

 
 
 


 
 
 

Als sie auf die öden Lavafelder trafen, erfasste sie ein Rausch, hervorgerufen von der Urgewalt und plutonischen Inferiorität des erstarrten Magmas. Die reine, weiche Luft des Passatwindes, vermischt mit den radioaktiven Strahlen der Mineralien, versetzte die drei Wanderer in eine traumhafte Benommenheit, die sie vorübergehend zu einer unsicheren Fröhlichkeit veranlasste. Der eine Wanderer zeigte in Richtung Leuchtturm und machte die beiden Anderen auf die „Wunderinsel“ San Borondón aufmerksam. Die Männer spähten mit den Händen über den zusammen gekniffenen Augen hinaus auf den Atlantik. Der Eine begann zu zittern und bat darum, den Rückweg anzutreten. Sicher zuhause eingetroffen, setzten sich die Männer noch auf ein Glas Elysar-Wein zusammen und hörten der fernen Stimme von Dona Valentina la de Sabinosa (1889-1976) zu.

 
 
 


 


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