Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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2023 27 Nov

Unendlicher Aufstieg

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Sage noch einer, es gebe keinen Spacerock mehr. Schon mit dem ersten Track, „Tiny Galaxies“, wird man darüber aufgeklärt, dass es ihn sehr wohl noch gibt. Der ist allerdings eine eher freundliche Einführung in das kosmische Donnerwetter, das später folgt.

Mit Daevid Allens Pot Head Pixies und ihren fliegenden Teekannen hat das alles nicht mehr viel zu tun. Live spielt die Gruppe dieses Repertoire zwar noch immer (und ja, wie ihr Livealbum Pulsing Signals von 2022 zeigt, können sie das auch), aber es zeigt sich, dass Gitarrist und Sänger Kavus Torabi mehr und mehr die Regie übernommen hat. Und der ist mit seinen Mannen (Dave Sturt, bass; Cheb Nettles, drums; Fabio Golfetti, guitar, vocals; Ian East, sax; keyboards sind auf diesem Album nicht dabei) mittlerweile näher an Zappa als an Allen.

Das kann, bei Licht betrachtet, kaum anders sein und setzt eine Entwicklung konsequent fort, die sich bereits auf den vorigen Alben andeutete. Musikalisch sind die Jungs topfit, aber die Geisteshaltung ist eine andere als bei den (auch schon diversen) Ur-Gong-Besetzungen. Daevid Allens freundlich-ausgeflippter Humor sorgte dort stets für eine gewisse Leichtigkeit, und auch, wenn er manchmal recht böse Texte schreiben konnte, blieb Gong doch eine Gruppe, die den Hörer teils rockig, teils jazzig in hohe Höhen trug, ihn aber auch stets wieder sanft absetzte. Kavus hat diesen Humor nicht, auch seine Stimme bringt einen anderen Charakter ein als Daevids immer leicht ironischer Ton — was nicht heißen soll, dass diese Platte eine todernste Angelegenheit wäre oder etwas Verbissenes an sich hätte. Das hat sie nicht, aber sie kommt mit sehr viel mehr Power daher und bläst den Hörer eher um als dass sie ihn trägt.

Ob Unending Ascending einen Platz in meiner Jahresbestenliste bekommt, weiß ich noch nicht genau; die Platte erschließt sich nicht bei einmaligem Hören. Handwerklich jedenfalls ist das Ganze exzellent gespielt, greift frühere Stilmittel immerhin gelegentlich auf, liebt offenkundig ungerade Taktarten, folgt keiner Mode und keinem Trend, ist hervorragend produziert und trotz manchmal etwas länglich-anstrengender Passagen alles in allem absolut hörenswert.

Wer zu den ersten Bestellern gehört, bekommt obendrein eine numerierte Druckgrafik mitgeliefert, gezeichnet und handsigniert von Kavus. Auch die ziemlich ist spacig, aber nun ja: passt schon.
 
 

 

2023 19 Nov

Effingers

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Da liegt er nun vor mir, der 900-Seiten-Klotz — bewältigt, jedenfalls, was das Lesen betrifft. Vor einigen Monaten hatte ich hier mit großer Begeisterung auf Gabriele Tergits Käsebier erobert den Kurfürstendamm hingewiesen. Da wurde Effingers natürlich zum Pflichtprogramm — obwohl man auf dem Cover bereits vom „Literarischen Quartett“ mit „Sogstoff! Lesen! Wirklich!“ angeblökt wird und mir die Buchrückseite in Großbuchstaben „Drei jüdische Familien und das Berlin zwischen den Weltkriegen: Die sensationelle Wiederentdeckung eines Jahrhundertromans“ entgegenschleudert. Da ist ja wirklich alles drin, was momentan Kasse verspricht.

Effingers hat solche an Kinoreklame erinnernde PR nicht nötig. Das kann man schon daran sehen, dass die Autorin mit dem Manuskript durch mehr als 20 Verlage ziehen musste, um das Werk endlich publiziert zu bekommen — sowas muss nicht, aber kann manchmal ein Qualitätssiegel sein, und hier ist es eines. Immer wieder wird in Rezensionen hervorgehoben, als Vergleich könne überhaupt nur Thomas Manns Buddenbrooks herangezogen werden.

Da liegt die Latte wirklich sehr hoch. Aber der Vergleich liegt nahe, denn beides sind über mehrere Generationen reichende Familienchroniken, noch dazu von vergleichbarem Umfang. Wir erleben die Achterbahnfahrten der verzweigten jüdischen Familien Effinger, Goldschmidt und Oppner über vier Generationen hinweg, zwischen 1878 und 1948. Wir lesen von Bankgründungen, dem Aufbau einer Autofabrik, den wunderbaren, riesigen Familiensitzen mit 180 Zimmern, aber auch dem Leben in der Provinz, den Todesfällen, den Geburten. Was Gabriele Tergit schon im Käsebier meisterhaft beherrschte, das wiederholt sie hier: Dialoge, Gespräche, die den Eindruck vermitteln, sie müsse unter dem Tisch gesessen und gelauscht haben. Während es ihr im Käsebier allerdings gelungen ist, mit solchen Dialogszenen die Handlung voranzutreiben, ziehen sie sich hier manchmal arg in die Länge. Immer wieder sitzen wir am Familienesstisch oder auf geschäftlichen Empfängen, und die Gespräche nehmen kein Ende. Aber unwichtig ist das alles nicht, denn dabei erfahren wir, was bei wohlhabenden Familien so alles passiert, und vor allem, wie sich das im Laufe der Jahre ändert.

Während noch zu Beginn ein wesentliches Thema ist, dass die Tochter schon 20 und immer noch nicht verheiratet ist (oder vielmehr: noch immer nicht geheiratet wurde — man achte auf den feinsinnigen Unterschied; Tergit liebt so etwas), einer der Söhne nach England zieht, dort großen Erfolg hat und fast zum Lord wird, bis — aber das sei hier nicht verraten. Ein anderer Sohn unterschlägt Geld im väterlichen Bankhaus — und wird zur Strafe nach Amerika geschickt, wie man das so macht, um den Skandal zu vermeiden. Ein weiterer Sohn (namens James) lebt von Papas Geld und ist nicht nur unverschämt gutaussehend und der Liebling aller Frauen, sondern er ist überhaupt so etwas wie der Gustav Gans der Familie. Die allerdings wirft ihm Nichtstun vor — denn sein Studium der Kunstgeschichte wird unter Geschäftsleuten nicht für voll genommen. Tergit gönnt ihm einen frühen Tod.

Frauen und das Studium, auch das ist ein wesentliches Thema des Buches, denn, wie gesagt: als die eigentliche Bestimmung der Frau wird in den Familien die Heirat gesehen, und das Studium bestenfalls als ein Weg dorthin. Der Erste Weltkrieg schlägt tiefe Wunden. Der Papa bringt seine Bank immer mehr in Schwierigkeiten, weil er eisern an seinen Geschäftsmethoden festhält. Schon 1920 im Münchener Zirkus-Krone-Bau hält ein junger Mann einen Vortrag, in dem er mit Hilfe von Statisten im Publikum erklärt, weshalb „der Jude“ an allem schuld ist und damit sein Publikum in den Bann schlägt — man muss nicht erwähnen, wer der Mann ist, man friert beim Lesen. Die Hyperinflation der 1920er Jahre wirft alles durcheinander und ruiniert vieles. Dass plötzlich Familien in den Stammsitz der Effingers eingewiesen werden, sorgt für Verstörung und Verbitterung — wie soll man denn jetzt seine Empfänge abhalten?

Das alles sind nur kleine Blitzlichter aus einem riesigen Handlungspanorama, an dem es im Prinzip nur eines zu kritisieren gibt: Das Buch ist einfach zu lang. Darin unterscheidet sich Tergit dann doch von Thomas Mann: Während ich beim Lesen zunehmend die Übersicht verlor, wer wer ist und zu wem gehört, wer wo lebt und was macht, ist bei den Buddenbrooks immer klar, wo in der Handlung man sich befindet. Auch sind nicht alle Zeitsprünge ohne weiteres nachvollziehbar. (Dafür muss man sich bei Mann erstmal durch die ersten mindestens 50 Seiten kämpfen, weil da wirklich jeder Knick in jedem Sofakissen beschrieben wird, während man bei Tergit sofort in der Geschichte „drin“ ist.)

Gabriele Tergit hat einen trockenen, sehr markanten Humor, sie trifft den Ton (die unterschiedlichen „Töne“ der verschiedenen Epochen), sie verfügt über die Fähigkeit, Komik in der Tragik zu entdecken, ohne ihre Protagonisten jemals vorzuführen. Welche Katastrophen auch passieren, sie versinkt nie in Mitleid, sondern bleibt Chronistin, und das macht es um so eindrücklicher. Sie wiederholt, was sie auch schon im Käsebier gemacht hat: Sie schildert sachlich, aber mit unbestechlichem Blick, wie sich in der Zeit der Weimarer Republik der Antisemitismus einschleicht, eher witzelnd zunächst, dann aber auf Resonanz treffend. Immer offener, immer abgefeimter wird er zum Judenhass und zum Alltag. Und die Familien werden immer mehr isoliert und drangsaliert — und schließlich abgeholt. Tergit übertreibt hier keine Sekunde; wer Victor Klemperers Tagebücher gelesen hat, weiß, wie das funktionierte, und sie selbst und ihre Familie hat es ja am eigenen Leib erlebt.

Man wundert sich schlussendlich nicht über die Schwierigkeiten, die Tergit mit den Verlagen hatte. Das wollte in den 1950ern einfach keiner hören. Als das Buch schließlich erschienen war, nahmen keine 40 Buchhandlungen es ins Programm auf.

Und es hilft nichts, man muss es aussprechen, auch wenn es einen würgt: Vieles in Effingers klingt verdammt aktuell. Im letzten Viertel des Buches drängte sich mir immer häufiger Georg Kreislers resignierte Stimme aus seinem Chanson „Weg zur Arbeit“ in den Hinterkopf: Es hat sich nichts geändert.

2023 15 Nov

Kronos over Pittsburgh

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Das Kronos Quartet existiert seit 50 Jahren und feiert dieses Ereignis mit einer Tournee unter dem Titel Five Decades. Ich kenne und schätze dieses Ensemble seit den wohl frühen 1980ern, live gesehen hatte ich es bisher aber nie, obwohl die Gruppe bestimmt auch irgendwann mal in Hamburg war. Die Besetzung des Quartetts war über die Jahrzehnte weitgehend stabil — David Harrington (Violine), John Sherba (Violine), Hank Dutt (Viola) waren immer dabei, lediglich das Cello wechselte ein paarmal, derzeit ist Paul Wiancko der Cellist. Über das Können der vier muss man kein Wort verlieren, über ihre Offenheit gegenüber fast jeder Stilrichtung ebenfalls nicht — Staunen genügt. Dass Kronos elektronisch verstärkt spielt, mag für Puristen ein Stein des Anstoßes sein, da aber in viele der Stücke auch voraufgezeichnete Zuspielungen eingeblendet werden, ist das notwendig.

Kronos ist angetreten mit dem Anspruch, ausschließlich Werke des 20. Jahrhunderts zu spielen, inzwischen ist auch das 21. dazugekommen. Dabei greift das Ensemble nicht nur vorhandene Werke auf, sondern gibt auch selbst Kompositionen in Auftrag — um die tausend sind es bis heute. Zeitweilig hat sich dabei eine Kompositionsweise herauskristallisiert (fast könnte man von einer Masche sprechen, aber das wäre bösartig), die Werke von meist um die 20 Minuten Dauer hervorbringt, die unmittelbar auf die Spezifika von Kronos und das CD-Format zugeschnitten sind. So hat sich das Kronos Quartet zum Jubiläum ausgedacht, 50 (!) Kompositionen in Auftrag zu geben, sie einzuspielen und sie frei zugänglich zu machen — hier kann man sie hören; wer will, kann dort auch die Noten herunterladen.

Einige der Werke gehören zum derzeitigen Tourprogramm, wobei das aber wechselt. Wenn ich es richtig sehe, spielt Kronos jeden Abend ein anderes Programm, lediglich zwei Kompositionen scheinen fest dabei zu sein. Im PNC Theatre/Pittsburgh Playhouse (einem architektonisch gewagten, aber akustisch sehr schönen Kammermusiksaal mit wohl ca. 400 Plätzen, der zur Point Park University gehört und den ich bis dato nicht kannte) war dies das Programm:

 

Ein kurzes Video über die Geschichte des Quartetts

Severiano Briseño (arr. Osvaldo Golijov): El Sinaloense (The Man from Sinaloa)

Peni Candra Rini (arr. Jacob Garchik): Maduswara

George Crumb: God-music from Black Angels

Aleksandra Vrebalov: Gold Came From Space

Nicole Lizée: Death to Kosmische

Laurie Anderson (arr. Jacob Garchik): Flow

Stacy Garrop: Glorious Mahalia
I. Hold on
II. Stave in the ground
III. Are you being treated right
IV. Sometime I feel like a motherless child
V. This world will make you think
featuring the recorded voices of Mahalia Jackson and Studs Terkel

 

Als Zugabe gab’s einen alten Reißer des Quartetts: Jimi Hendrix‘ Purple Haze, gefolgt von einer sehr getragenen zweiten Zugabe, deren Komponist mir akustisch leider entgangen ist.

George Crumbs Werk dürfte schon deshalb dabei gewesen sein, weil das Stück David Harrington im Radio seinerzeit so umgehauen hat, dass er beschloss, selbst ein Streichquartett ins Leben zu rufen. Es wurde also zur Urzelle von Kronos. Das Stück gibt dem Ensemble auch die Gelegenheit, seinen Spieltrieb auszulassen: Der hier gespielte Satz God Music wird von dreien der Musiker auf wassergefüllten, perfekt gestimmten Weingläsern gespielt, begleitet lediglich vom Cello. In Maduswara gab es heftige Percussion; in Death To Kosmische kamen ein Stylophone und das gute alte Omnichord wieder zu Ehren; Laurie Andersons Flow stammt aus ihrem Lolabelle-Requiem und ist ein extrem leises Stück, das auf Obertönen basiert — da hätte man die berühmte Stecknadel fallen hören können, aber dankenswerterweise fiel keine. Vielleicht nicht ganz so originell, aber gleichwohl faszinierend ist Glorious Mahalia, in dem das Quartett ein Gespräch zwischen Mahalia Jackson und dem Schriftsteller Studs Terkel musikalisch kommentiert bzw. ein solistisch vorgetragenes Spiritual begleitet.

Schön, nun auch das Kronos Quartet einmal in Aktion gesehen zu haben. Obwohl es ständig tourt, gibt es die Gelegenheit nicht allzu oft.

 

 

 
Harald Mönkedieck hat für Bremen Zwei einen dreiteiligen Musiktrip durch die USA unternommen, insbesondere durch den Süden. Hat mir außerordentlich gut gefallen, und deshalb hier der Tipp: Alle drei Teile sind hier nachzuhören — ein Jahr lang.
 

2023 18 Okt

Bye bye …

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… Carla Bley.

 
 

2023 5 Okt

Let there be more light

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I think I’ve never seen such an ocean of cellphone flashlights before:

 
 

 
 

Yesterday night at Pittsburgh’s sold-out Pavilion at Star Lake: 22.000 fans, lighting up Lana Del Rey during her final song.

Did You Know That There’s A Tunnel Under Ocean Blvd. 

 

2023 15 Sep

Feuer unterm Dach

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Er sei ein Extremist der Desillusionierung, sagt Peter Sloterdijk über sich. In diesem Punkt lässt er sich auch in diesem 80-seitigen Büchelchen nicht lumpen. Das Buch besteht in der ersten Hälfte aus einem Vortrag, den Sloterdijk im Oktober 2022 so bei einem Public-Science-Festival in Luzern gehalten hat. Der Vortrag geht in der zweiten Hälfte des Buchs weiter, ist aber um einige (manchmal recht freidrehende) Passagen erweitert.

Die wenig überraschende Grundidee des Buches besteht darin, dass der „Stoffwechsel des Menschen mit der Natur“ wesentlich von der Nutzung des Feuers bestimmt wurde, was kein großes Problem darstellte, solange es sich um „1 zu 1“-Feuer handelte, also etwa brennende Bäume, die nur einmal verbrannt werden konnten. Bedenklich wurde die Sache, als die Menschen in Brand zu setzen begannen, was Sloterdijk „die unterirdischen Wälder“ nennt — die in Erdöl, Kohle in all ihren Ausformungen, Torf etc. konzentrierte Energie. Deren Nutzung, so der Autor, sei heute, im Angesicht der Klimakatastrophe, zu unserem großen Verhängnis geworden. Prometheus würde sich heute wünschen, uns die Gabe des Feuers verweigert zu haben.

Das ist nun nicht so wahnsinnig überraschend, wenngleich wie immer sehr weit ausholend und mit viel historischem Background vorgetragen. Interessant sind aber einige Nebengleise, die Sloterdijk hier eröffnet — manchmal in Nebensätzen, manchmal sogar in Fußnoten. So zitiert er etwa Georg Herweghs Zeilen „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will“ herbei, um am Beispiel der „Modernisierungstragödie“ in der Textilwirtschaft, als die Märkte mit Produkten der Maschinenwebstühle die Handweberei in Weltgegenden von Indien bis Schlesien verdrängten“, einen Denkfehler des marxistischen Arbeitsbegriffs aufzuzeigen: Denn in der Tat sind die Arbeiter sehr wohl in der Lage, die Arbeitsprozesse zum Stoppen zu bringen, doch sind sie — anders als von Marx postuliert — niemals diejenigen gewesen, die die Räder in Gang gehalten haben. Das, so Sloterdijk, hat seit dem Beginn der Industrialisierung in Wirklichkeit das Feuer der brennenden unterirdischen Wälder besorgt, beziehungsweise die aus ihm gewonnene Energie.

In einer anderen, durchaus überraschenden These kritisiert Sloterdijk den Versuch von (ebenfalls marxistischen) Theoretikern, moderne Ingenieursintelligenz einfach durch ihre Kennzeichnung als „geistige Arbeit“ der „proletarischen Sphäre anzugliedern“. Die Tätigkeit des Erfindens lasse sich ebenso wie die künstlerische nicht in den Bereich der „Arbeit überhaupt“ einschließen.

Das sind schon interessante Thesen, die einige Überlegungen auslösen. Dass sich Sloterdijk dabei in zunehmend alarmierendem Tonfall der geistigen Welt Bruno Latours und dessen „Gaia“-Konzept nähert, liegt einerseits nahe und überrascht andererseits doch. Und darauf, dass mögliche Auswege aufgezeigt werden, wartet man in diesem Buch vergeblich. Patentrezepte gibt’s nicht. Hätte ich auch nicht erwartet.

 

Die aktuelle Ausstellung im Warhol Museum: The Scepter Studio Sessions, die Aufnahme der LP The Velvet Underground & Nico.

 

 

Außer einigen Filmen und Fotos ist allerdings nicht viel zu sehen. Immerhin aber die originalen Tonbänder — selbstverständlich, wie sich’s gehört, in Mono, plus die dazugehörigen Schachteln und zwei originale Blätter von Lou Reed mit Gitarrengriffen.

 

 
 

 
 

 

Und natürlich das Cover in allen möglichen Varianten,

 

 

und ein bisschen Kitsch drumherum:

 

 

Die Ausstellung in Pittsburgh läuft noch bis Mitte September.

 

2023 26 Jul

Nicht vergessen:

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DLF, 27. Juli, 21.05 JazzFacts Klanghorizonte
Jazz, Electronica und Pop abseits des Mainstreams.
Am Mikrofon: Michael Engelbrecht

 

2023 16 Jul

Ferne Ziele

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Da liegt dieser Klotz nun also vor mir: Ferne Ziele, ein Coffeetable-Buch mit fast 800 Seiten. Man muss es tatsächlich vor sich auf den Tisch legen, das Buch ist zu schwergewichtig, um es über längere Zeit zum Lesen in der Hand zu halten.

 
 

 
 

Schwergewichtig ist dieses Werk aber nicht nur physisch. Bernd Kistenmacher, geb. 1960, gehört zur „Zweiten Generation“ der Musiker, die gemeinhin der „Berliner Schule für elektronische Musik“ zugerechnet werden. Die Erste Generation kennen wir noch alle: Tangerine Dream, Klaus Schulze, Manuel Göttsching, Ash Ra Tempel, Agitation Free, Mythos und ein paar weitere. Auch Bernds eigene Karriere reicht schon weit zurück, man kennt ihn nicht nur als Musiker, sondern auch als Labelbetreiber, als Instrumententester für Fachzeitschriften und auch als Videoblogger. Im Dezember 2020 enthüllte er eine von ihm und dem Filmkomponisten Hans Zimmer gestiftete Gedenktafel für das Berliner „Beat-Studio“, in dem die „Berliner Schule“ ihren Ursprung hatte.

Ferne Ziele ist Kistenmachers erstes Buch, und was für eines! Jahre der Recherche und der Interviews finden hier ihren Niederschlag. Nach ein paar autobiografischen Seiten über Bernds Kindheit und Jugend im damaligen West-Berlin beschreibt er, wie seine Liebe zur elektronischen Musik erwachte — mit Kraftwerks „Ruckzuck“, na klar, und später dann Klaus Schulzes „Floating“ von der LP Moondawn, unglaublicherweise gespielt im SFB (vom NDR kannten wir sowas in der norddeutschen Tiefebene nicht) — und dann war nichts mehr zu retten, Bernd war verloren.

Gut so. Denn diese Liebe gab und gibt ihm die Möglichkeit, alle möglichen Leute, die zur Berliner Schule beigetragen haben, zu kennen und zu befragen — nicht weniger als 16 an der Zahl. Es wird die Geschichte des Beat-Studios geschildert, das unter der Federführung des Schweizer Komponisten Thomas Kessler im Keller einer Berliner Schule den Start dieser Sparte elektronischer Musik erst möglich machte. Die Rundfunkleute Winfrid Trenkler, Olaf Leitner und Walter Bachauer werden portraitiert. Man erfährt, was ein Synthesizer damals war, woher sie kamen, welche Ingenieure und Techniker daran mitgewirkt haben, diese Instrumente zu verändern, bühnentauglich zu machen oder weiterzuentwickeln, Toningenieure, die ihre Kunst einsetzten, das Ganze in hörbares Vinyl zu bannen — Dieter Dierks, Eberhard Panne, Wolfgang Palm seien hier nur als drei Beispiele genannt.

Das alles liest sich sehr lebendig, wenngleich man sich insbesondere bei den Interviews gelegentlich eine redigierende Hand gewünscht hätte. Das ist aber auch schon so ziemlich alles, was es an Ferne Ziele auszusetzen gibt. Ich kenne kein vergleichbares Werk.

Das Buch sollte prinzipiell in jeder Buchhandlung zu bekommen sein, in jedem Fall aber HIER bei Bernd Kistenmacher selbst.

 

Bernd Kistenmacher:
Ferne Ziele – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik
788 Seiten
ISBN 978-3-00-075096-0

 

Kleine Offenlegung: Das Buch enthält ein Kapitel, das aus meinem Buch Der Sound der Jahre übernommen ist. Ich bin an den Verkäufen von Ferne Ziele aber nicht beteiligt.

 


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