Manafonistas

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Like a complete unknown ( USA 2024 ) von  James Mangold

 

Das Zitat ist übrigens von Ludwig II, man könnte es aber auch über das Bob Dylan – Biopic schreiben; der Titel wurde von daher gut gewählt. Wer sich erhoffte Näheres über das Folk-Rock – Idol zu erfahren wurde getäuscht, der outcome des Filmes war diesbezüglich gleich null. Dylan sehen wir in seinem immergleichen Habitus, Wuschelkopf, permanent gegen den Strich gebürstet wie der ganze Kerl eben auch, Sonnenbrille und sich permanent eine Zigarette oder Tüte ansteckend, immer ein bisschen lakonisch, undurchschaubar, unberührbar, manchmal kaltherzig – insbesondere zu den Frauen denen etwas an ihm lag, dann wieder mit einem grossen Herz für den dahinsiechenden Woody Guthrie, den die Ärzte auch noch von dem abschneiden was ihn am Leben erhält – die Musik seiner Freunde. Dazwischen Songs für die Ewigkeit mit den Stimmen der Schauspieler die ihre Sache sehr gut machen. Joan Baez wird insgesamt zu wenig Raum eingeräumt, das Drehbuch reduziert sie zu stark auf den Part der wartenden Frau anstatt sie als eigenständige Künstlerpersönlichkeit zu präsentieren. More rust than diamonds. 

 

 

Die Auftritte und Konzerte wechseln in rascher Folge und man beginnt sich zu fragen warum man nicht einfach eine Doku mit dem sicher reichlich vorhandenen Material gedreht hat – wozu dieser Spielfilm mit nachgestellten Situationen? Trotzdem ist der Streifen ein Genuss für die Fanbase und das Bedürfnis den Maestro näher kennenzulernen bei mir ohnehin gering ausgeprägt – manchen Dingen und Menschen sollte man ihr Geheimnis belassen. Wer den Dingen auf den Grund gehen will hat sie schon verloren – sprach der weise Gandalf. Und Bob würde dazu anfügen: Hört meine Lieder, nirgendwo könnt ihr mich besser kennenlernen und das Rätselvolle, in der Schwebe bleibende, Vieldeutige und nicht immer ganz Verstehbare ist ein Teil des Lebens und ein Teil von mir. It ain’t me you’re lookin‘ for….ein Titel der viele Beziehungskatastrophen in der Erinnerung wieder aufploppen lässt – welcher Lyriker schafft das schon? Und damit lassen wir es gut sein.

P.S. Trotzdem bekomme ich jetzt Lust mir I’m not there mit Cate Blanchet als Dylan anzugucken, da wimmelts sicher von Interpretationsversuchen. Hoffentlich geht der nicht so ins Auge wie Ein Mann wie Eva, als Eva Mattes den Fassbinder gab. Was übrigens nicht an der Eva lag sondern am Drehbuch.

 
 

Die Romane von Hubert Selby gehörten schon immer zu meinen Lieblingen mit ihren Schilderungen aus der Welt der Abgehängten, Underdogs und – cats und Junkies. Gnadenlose Schilderungen, die einem nichts ersparen, aber immer getragen von einer tiefen Empathie und Humanität; Selby verrät seine Figuren niemals – soviel ich weiss ist der Mann sehr religiös. Mit den Verfilmungen hat schon so manch einer nicht den richtigen Nerv getroffen, z B. Uli Edel mit Last exit to Brooklyn, dessen Darsteller, ansehnlich und adrett, problemlos auf einem Laufsteg hätten promenieren können. In die düstere Seite von Brooklyn passten sie jedenfalls nicht und auch ihre Abgründigkeit und Verlorenheit vermochte der Film ebenfalls nicht einzufangen. Jedenfalls schwante mir Ähnliches, als sich Darren Aronofsky an  Requiem für einen Traum heranmachte. Aber er enttäuschte nicht, wenngleich er im Film andere Akzente setzen musste, als der Roman es tat, der mehr auf die Verleugnungsarbeit der Protagonisten abhob, ihre Mechanismen – trotz erweiterter Pupille – den Tatsachen nicht ins Auge zu sehen und ihre Abwärtsspirale auch nach dem finalen Aufprall noch nicht zu erkennen. Die jugendliche Grossmäuligkeit der Romanfiguren fehlt hier fast völlig und damit auch der Zugang zu ihren Hoffnungen und Kinderträumen. Stattdessen setzt der Regisseur auf visuelle Effekte um das veränderte Wahrnehmungserleben unter den diversen Substanzen darzustellen, beispielsweise die andere Zeitempfindung unter Amphetaminen mittels Zeitraffer. Hier wäre zu kritisieren dass eine Art Slapstick-Effekt entsteht (und Slapstick hat immer eine humorige Anmutung) der einem die Figuren, die dann wie aufgescheuchte Hühner herumrennen, eher entfremdet als ihren Zustand einfühlbar macht. Das passt sozusagen wie die Faust aufs immer wieder eingeblendete Auge, aber immerhin unterläuft es auch gängige Rezeptionsmuster. Hier zeigt der Film deutliche Anleihen an Trainspotting von Danny Boyle, der die halluzinatorischen Erfahrungen der Protagonisten skurril auf die Spitze trieb und diese Ebene durchhielt, während die Darstellung bei Aronofsky hier etwas abgekupfert, eingeschoben und hilflos wirkt. Die Halluzinationen von Sarah Goldfarb sind auch insgesamt zu übertrieben und plakativ, da hätte man sich stattdessen etwas mehr geräuschärmeren Suspense, keinen wandernden Kühlschrank und eine weniger knallige und groteske Bildsprache gewünscht; das sind Comic-Elemente und hier fehl am Platz. Das sind aber auch die einzigen Schwachpunkte. Die Schauspieler tun ihr bestes, insbesondere Ellen Burstyn, die den Film über weite Strecken allein trägt und inszenatorische Schwächen auszugleichen versteht. Warum die Hinweise auf die jüdische Abstammung der Familie Goldfarb und das Hängen von Sarah an Festen und Ritualen ihrer Kultur völlig ausgespart wurde, werden wir nicht erfahren, ebenso den Werdegang von Marion, einer begabten aber depressiven jungen Künstlerin und ihren Weg zu den Drogen. Schade – im Film bleibt sie eine unverortete Figur ohne Tiefe. Harry als vergöttertes „Bubele“ einer „jiddischen Momme“ wird eher verstehbar wenn auch etwas grob gerastert, aber glaubhaft in seiner Sohnesambivalenz. Insgesamt sind die Figuren eher zu gutaussehend, steril und wohlfrisiert für eine Population der unteren Mittelschicht, insbesondere die vor dem Haus herumgammelnden Damen, die im Roman die Funktion des Chors im altgriechischen Drama innehaben, da ist noch zuviel Hollywood-Glamour im Spiel, a touch of Golden Girls. Okay, Brooklyn ist noch nicht die Bronx, aber ganz so gelackt muss es auch nicht sein. Der Soundtrack begleitet einfühlsam die verschiedenen Stadien des Zerfalls von Menschen und ihren Hoffnungen, an die sie sich bis zum Schluss klammern. Der weitere Verlauf des Films jagt in immer schnelleren Überblendungen seinem Ende entgegen und das Finale furioso wirkt wie ein Schlag in den Magen oder wo sonst der Zuschauer seinen Resonanzboden eingebaut hat und wer die Qualen von Sucht noch nicht verstanden hat, bekommt jetzt eine Ahnung davon, ebenso von der gnadenlosen Psychiatrie. Der Konflikt zwischen den Psychiatern wie mit der amphetaminsüchtigen und verwahrlosten Sarah umzugehen sei wurde leider auch ausgespart.

Positiv: Es ist nicht nur von den Junkies auf der Strasse die Rede, sondern auch von legalen Drogen, die von Ärzten verschrieben werden – die Mothers little helpers der Stones, in ihrer Wirkung bei unsachgemässem Gebrauch kaum weniger destruktiv. Das hebt das Thema „Sucht“ sozusagen aus dem Strassengraben und verfolgt dessen Spuren auch in wohlgeordneteren Milieus mit von Frauenklagen gelangweilten Ärzten.

Bleibt zuletzt die Frage: Ist der Titel gut gewählt? Ein Requiem ist ein Abgesang, eine Form Trauer und Abschied zu gestalten und auszudrücken. Das scheint mir hier zu euphemistisch für ein Filmende mit einem Schrecken, der nicht mehr aufgelöst wird und bei dem der Zuschauer unwillkürlich extrapoliert wie das wirkliche Ende aussehen wird. Das ist grosses Kino.

 
 

                               

 

 

Eines der letzten Abenteuer, die man erleben kann, ist das Ausräumen der eigenen Bibliothek, was unter Umständen Jahre in Anspruch nimmt, weil man sich ständig in den Schwarten festliest, die man eigentlich weggeben wollte. Und viel Spass mit Fossilien aus grauer Vorzeit hat, die einem plötzlich besser gefallen als zu Zeiten der Anschaffung. Oder andersrum …Donne é mobile..

Also über Ostern oben Genanntes vom Staube befreit und sich vertieft und nein … es kam kein déja vu, keine Neugier auf Erlebnisse mit magic mushrooms und keine Freude über weise Sprüche eines schamanischen Lehrers mit ansonsten schlechten Manieren auf, da groovte nichts so wie früher. Genau wie mit dem heutigen Gras, das knallt auch nicht mehr, trotz erhöhtem THC-Gehalt.

Das Buch ist die weibliche Antwort auf Castaneda – der hat auch das Vorwort geschrieben – und sowohl vom Cover als auch vom Inhalt her eigentlich eine Kopie davon, nur dass Don Juan hier eine Donna ist. Das verspräche interessant zu werden, leider stellt sich nach den ersten hundert Seiten aber sukzessive eher etwas wie Überdruss ein und man liest nur noch quer und diagonal und sucht auf den letzten Seiten vergeblich nach der Pointe.

Gut – rekapitulieren wir: Die Jugendbewegung in den westeuropäischen Ländern war am Abflauen, man hätte sie als gescheitert betrachten können; der Vietnamkrieg tobte ungehindert weiter, in Deutschland wurden die revoltierenden Studenten kriminalisiert und per neu eingebrachter Gesetze diszipliniert, bezüglich der Rassentrennung ging auch nichts voran, nur die Frauen arbeiteten unbeirrt weiter an ihrer Befreiung, die hatten sich den langen Atem offenbar schon vorher antrainiert. Wer alle 4 Wochen menstruiert und tierische Bauchschmerzen hat lernt Dinge auszusitzen. Diese Bewegung hatte auch den bei weitem besten outcome zu verzeichnen.

Für mich endete die Jugendrevolte im Juli 1977, als ich spätnachts auf dem Unicampus in einem riesigen Zelt voller leerer Ami-Schlafsäcke lag, um hungerstreikende Kommilitonen zu bewachen und zu unterstützen. (Wir hatten durchaus etwas gegen Amis und Armys, aber ihre Schlafsäcke und Parkas liebten wir. Palästinensertücher auch). Soviel zum alternativen Geschmack und seinem Faible für Uniformierung – eine Fundgrube für Warenästheten. Und für die Fähigkeit einer Generation das auszublenden was nicht ins Raster passte und manchmal peinliche Codes zu entwickeln. Und peinliche Konstrukte von Realität zu entwickeln.

Der Unirektor und die Spektabilitäten hatten beschlossen, uns nicht zu vertreiben (Ordnungsrecht!), sondern die Sache gemütlich auszusitzen, vermutlich wussten sie schon, wie es ausgehen würde und hatten recht damit. Während es eine zeitlang auf dem Campus vor dem ehrwürdigen Gebäude von Hungernden, Solidarischen und Solidaritätskundgebungen nur so wimmelte, wurden diese im Lauf des Sommers immer weniger (Semesterferien, da fuhr man erst zu den Eltern zum Durchfüttern, Ausschlafen und Wäschewaschenlassen und dann trampte man sauber und satt nach Griechenland), da war’s mit der proletarischen Revolution dann gerade mal nicht so eilig – und in dieser Nacht erwachte ich plötzlich im Zelt und fand mich mutterseelenalleine, sogar die professionellen Hungerer waren verschwunden. Gegenüber dräute finster der Stadtpark, den man als Frau in den Stunden der Dunkelheit auch besser mied und ich gruselte mich entsetzlich. Gottlob erschien plötzlich ein Trupp leicht angeschickerter junger Touristen, die sich mein Leid anhörten, mir einen Burger spendierten, sich dann die Schlafsäcke schnappten, die Nacht im Zelt verbrachten und das Ganze unter Abenteuer verbuchten. In dieser Nacht, die ich dann in sicherer Hut schlafend und ohne Magenknurren verbrachte, wurde mir klar, dass die Bewegung nicht nur in Würzburg sondern in toto vorbei war und ich lernte etwas über das Durchhaltevermögen junger Revolutionäre und ihre Ego-Trips.

Aber was jetzt? Wohin mit dem überschiessenden Potential in unseren Cortexen neue Welten zu entwerfen?? Oder heissts Cortices?? Wurscht! Latein…angestaubter bildungsbürgerlicher Scheiss..

Freilich konstituierte sich Neues: Die Hippies (aus denen später dann löbliche Dinge wie die Anti-Atom und die Friedensbewegung erwuchsen) und die, die mit ihnen sympathisierten, machten sich auf die Reise nach innen, das war offenbar nicht so hart wie die vorherigen Agitationsaufgaben – vor allem musste man nicht so früh aufstehen, um Flugblätter an die Arbeiter zu verteilen, die sich zur Frühschicht schleppten und die Dinger sowieso gleich wegschmissen. („Und die kannten uns viel besser als wir sie je kannten …“ sang Degenhardt zu dieser Zeit zum Thema Arbeiter-Studenten-pairing).

Offenbar wollten sie aber nicht allein nach innen reisen – die vaterlose Generation die alles was nach Führung roch angeblich verabscheute aber trotzdem zuliess dass autoritäre linke Gurus in ihren Reihen heranwuchsen ( mit Mädels die ihnen die Flugblätter tippten bevor sie den Machos den Rücken kehrten, die Schreibmaschine wegschmissen und in eine Frauenselbsterfahrungsgruppe abwanderten) bekam offenbar Sehnsucht nach neuen Führungspersönlichkeiten und machte sich auf zu den spirituellen Lehrern. Die Beatles sassen im Schneidersitz bei einem Yogi, in Poona bereitete sich auch Entsprechendes vor und ja … ich gebe zu, mich auch einige Zeit in einem Ashram herumgetrieben zu haben. Man profitiert durchaus – mir wird beim Sufi-Dance nicht mehr schwindlig und von dort kommen meine besten vegetarischen Kochrezepte – kennt jemand Auberginenrollmops? Das Klo konnte man nicht absperren, aber das durfte man in den Kommunen auch nicht. Wir wollten ja alles vergesellschaften, offenbar also auch Ausscheidungsvorgänge.Eine etwas degoutante Seite der Bewegung…

Der Buchmarkt begann in immer höherer Frequenz Geschichten von Reisen aus spirituellen Gründen, Initiationen und Erleuchtungen zu produzieren, die zum Teil so unwahrscheinlich klangen, dass ich schon damals vermutete, dass sich einige Verlage mit einem Häufchen von Ethnologie-Studenten, die als Ghostwriter fungierten, eine goldene Nase verdienten. Okay, mit Hilfe von magic mushrooms und anderen Halluzinogenen kann man einiges erleben, aber diese Geschichten ähnelten sich wie ein Ei dem anderen, als hätte sie dieselbe KI geschrieben: Akademisch gebildeter Westler folgt einer Art von Ruf oder sonderbaren Zeichen und macht sich auf zu den Indianern (oder wahlweise Lamas oder buddhistischen Mönchen), findet eine/n Lehrer/in und wird von da ab erst einmal schlecht behandelt, mit seiner zivilisatorischen Entfremdung und Unwissenheit konfrontiert, mit Verachtung bedacht und gibt gegenüber seinem naturbelassenen Lehrer, der ihn gerne hängen oder auflaufen lässt, eine ziemlich unglückliche Figur ab, bis er sich als braver Lehrling erweist und zumindest in den Gesellenstatus erhoben wird, falls es dergleichen bei Schamanen überhaupt gibt. Und die Ahnen dem auch zustimmen.

          Gemeinsamer Lehrer statt gemeinsamer Feind – was für ein Decrescendo!

 

 

Carlos Castaneda erfreute uns über Jahrzehnte mit der Schilderung eines protrahierten Pas de Deux mit seinem Lehrer Don Juan und viele empfanden diese als Offenbarung und machten sich ihrerseits auf den Weg – auch Frauen begaben sich in sadomasochistische Beziehungsmuster mit notorisch schlechtgelaunten Schamaninnen.

Heute werden die meisten dieser mässig spannenden Ergüsse für Fiktion gehalten und hielten Nachforschungen nicht stand. Wie auch immer – auf 200 Seiten sagt also Schamane/in seltsame Dinge, der Adept/in befolgt seltsame Anweisungen und erlebt Seltsames mit seinem Körper und seiner Wahrnehmung. Der geneigte Leser, am Kennenlernen der Anderswelt sonst durchaus interessiert, ermüdet rasch. Irgendwann scheint der Schüler dann „fertig“ zu sein, der Lehrer ist zufrieden und dann endet das Buch mit der Rückkehr des solchermassen Erwachten in die zivilisierte Welt mit Elektrizität und fliessendem Wasser, wo er sich künftig wahrscheinlich fühlt wie Gregor Samsa.

Wie auch immer – es greift nicht mehr, zumindest nicht bei mir. Was mir dabei etwas aufstösst, ist diese manische Führersuche einer Generation, die expressis verbis jegliche Führung verabscheute, aber Che Guevara, Dubcek, Castro, Marx, Lenin, Walesa etc über das Bett gepinnt hatte als Logo, dass da ein revolutionärer Geist schlief oder anderweitiges tat. Bei den Mädels hing Che Guevara, weil der am besten aussah, da mischten sich auch erotische Komponenten in den Führerkult. Und bei einem strammen Marxisten/Leninisten hing sogar Enver Hodscha, und der sah noch nicht mal gut aus. Der Hodscha, nicht der Marxist. Der übrigens auch nicht.

Was mir weiter aufstösst, ist diese hohe Bereitschaft, sich an die Hand nehmen, in eine „neue Welt“ einführen zu lassen und dabei fortlaufende Demütigungen in Kauf zu nehmen, damit dieses Ausbildungsverhältnis nicht vorzeitig beendet wird und sich mit diesen Nackenschlägen auch noch zu identifizieren und sich am Ende selbst für einen von seinen Wurzeln entfremdeten und hirnlastigen Trottel zu halten. So jemand befreit keine unterdrückten Massen, der knabbert noch schwer an der eigenen Abhängigkeit und diversen transgenerationalen Traumata und seien es nur die der schwarzen Pädagogik. Und ja … ich habe auf einem Kongress über alternative Medizin im schönen Garmisch auch eine schamanische Initiation von einen echten Schamanen über mich ergehen lassen und einen stundenlangen „Reinigungstanz“ mit Rassel vollführt – am folgenden Tag hab ich mich stundenlang übergeben, das war wohl die Reinigung. Was für eine Metaphorik!  Oder die Salmonellen vom Büffet. Dann bekam ich einen Namen, in der Anderswelt heisse ich jetzt Night Cloud. Die Ahnen waren einverstanden. Möchte ich ihnen auch geraten haben. Aber ich schwöre, dass das schon sehr lange her ist.

Fazit: Leute, räumt Eure Bücherregale aus, Ihr lernt was.

 

 
 

Schneller als der Tod (USA, 1995) von Sam Raimi

 

Ein amüsantes Abspulen von Zitaten, Anspielungen und Klischees sowohl aus dem klassischen US- als auch dem postklassischen Spaghettiwestern vom Stil eines Leone und Corbucci, was die Tableaus und die Kameraführung betrifft, der Soundtrack im Stil eines Morricone.

Der schwerreiche Viehbaron Herod, der eine ganze Stadt regiert, liebt Duelle, nicht umsonst ist der Name eine Anspielung an den antiken Herodes und so ist der Film ein permanentes Shoot-em-up on mainstreet als Kollosseumssurrogat und Gladiatorengetöse. Revolver werden um Zeigefinger gewirbelt und die Getroffenen springen erst einmal einen Meter nach rückwärts in die Luft, bevor sie auf die grosse Reise gehen. Uhrzeiger wandern und weisen nostalgisch zurück auf 12 Uhr mittags und Leo di Caprio stirbt wieder einmal spektakulär als Herods rebellierender Sohn. Gene Hackman natürlich at its best, er ruhe in Frieden.

 
 

 
 

Der Outlaw in undurchsichtiger Rachemission mit im Mundwinkel klebender Zigarette ist diesmal nicht Clint Eastwood und nein … auch nicht Charles Bronson mit an der Unterlippe festgefrorener Mundharmonika, sondern Sharon Stone, die ebenso stilvoll wie wuchtig die Flügeltür vom Saloon aufstösst, sporenklirrend zur Theke stampft und zur Begrüssung alle Gläser  herunterfegt; hätte der Clint nicht besser machen können. Bud Spencer auch nicht. Und natürlich schiesst sie besser als alle anderen Grossmäuler mit ihren infantilen Männlichkeitsritualen und entpuppt sich trotzdem als fühlende Frau. Die Rückblende als Grund für ihre Rachemission wurde auch keineswegs vergessen und ist genauso herzzerreissend wie dermaleinst beim Mundharmonikasolo mit tödlichem Ausgang und Glockengeläute.

 
 

 
 

Das alles ist so stilecht-bombastisch wie vorhersehbar auf die Leinwand geklatscht, dass man es keine Sekunde ernst nehmen kann und sich jeder –  bis zum finalen Retropurzelbaum des tödlich getroffenen Obergangsters –  köstlich amüsiert, der sich schon immer eine gesunde Distanz zum Bierernst-Western vom Stil eines John Ford (oder später Kevin Costner) zu bewahren verstand und das ganze Genre als das sah was es ist: Eine riesige Spielwiese fürs Macho-Wettpinkeln und nur durch Zuhilfenahme ironischer Stilmittel ertragbar. Und hier funktioniert das!

 

 
 

Vor allem nach der Tagesschau oder dem Weltspiegel? Und warum bloss ich allein?

Wie überschaubar war damals noch alles … ein Monster als Antwort Japans auf den Abwurf der Atombombe und die Sprengungen der Army im Bikini-Atoll, die daraus resultierenden geopolitischen Spannungen zwischen verfeindeten Machtblöcken. Die Riesenechse wurde durch atomare Eingriffe sozusagen erweckt, wandte sich rächend gegen die hybride Menschheit und zertrampelte dabei ganz Tokio (oder in späteren Produktionen mehrere US-Metropolen) und symbolisierte dabei nicht nur die kollektive Anklage dieses traumatisierten Landes, sondern generell die menschliche archaische Zerstörungswut. Echsen gelten als Kaltblütler – was man dann automatisch auch ihrem Emotionshaushalt zubilligt. Die Zuschreibung der Entstehung und Verbreitung des Coronavirus wurde nicht umsonst von weiten Teilen der Bevölkerung den Reptiloiden zugeschrieben und nicht etwa den Eichhörnchen in Menschengestalt. Eine chronisch negativ besetzte Spezies, die das auch nicht verdient hat.

Filmtechnisch gesehen kommt unsere Gegenwart mittlerweile ohne Monster aus – der Science-Fiction ist weiser und selbstreflexiver geworden – beschäftigt sich nur noch wenig mit externen Verfolgern, sondern mit Errungenschaften, Gesellschaftsformen und Dysphorien, die der Mensch sich selbst geschaffen hat und an denen er zugrunde zu gehen droht; eine beliebte Handlungspolarität ist Kontrolle versus Eskapismus (Avatar), in der die Flucht in eine menschlichere Welt versucht wird, weil das dargestellte System offenbar nachvollziehbar zum Davonlaufen ist.  Manipulationen im Gehirn (Inception, Source Code) sowie das Durchknallen selbstgeschaffener Menschmaschinen, KIs und Klone (M3GAN, Mickey 17) sind weitere Themen, die gerade abgeklappert werden. Diese Produktionen eröffnen neue Denkräume in Bezug auf Natur-Künstlichkeit sowie die Grenzen unserer Identität und deren Einmaligkeit sowie deren zusehendem Verschwimmen. Die Monster – falls sie überhaupt noch auftreten (z B in der durchaus charmant-konservativen Jurassic-World-Pentalogie) zeigen zusehends menschliche Bezüge, verbünden sich mit Menschen. Bei ihrem Tod kann man einige Tränen verdrücken sowie weiland beim Absturz des verliebten King Kong, der immer wieder gerne mal rebootet wird.

Es ist also nicht en vogue von städtezertrampelnden Monstern zu träumen, auch wenn sich manche Potentaten diesen Anschein geben; mein Unbewusstes hinkt da in seiner Bildgebung wohl etwas dem Zeitgeist hinterher. Niemand würde ein Monster zum Präsidenten wählen – vielleicht höchstens einen Reptiloiden, aber das auch nur in Russland. Ganz doof sind die Verschwörungstheoretiker auch nicht, wenn ihnen bei Putins Poker-Parkinson-Face dergleichen einfällt.

Nein, Trump ist kein Monster, zumindest nicht in den Köpfen der 77 Millionen Amerikaner, die ihn gewählt haben und die weiteren Milliönchen, die weltweit mit ihm sympathisieren. Wir leben nicht nur in einer Blase eines politischen Diskurses, sondern auch in einer der Medien und des Showbusiness und der Bilder, Mythen und Archetypen, die hier erzeugt werden und die sich zunehmend mit der Realität überlappen. Hier war Trump schon immer eine Showgrösse und ein Popstar mit eigenen Fernsehshows, die Verkörperung des American Dream, des Pioniers, der vom Planwagen herabsteigt und sich den gewünschten Reichtum im Alleingang aus dem Boden stampft, sowas wie Jock Ewing (in Wirklichkeit hat er sein Imperium geerbt), der Outlaw des Westerns in Personalunion mit Citizen Kane, dem Reichtum eines Dagobert Duck und der Unangreifbarkeit eines Humphrey Bogart, versehen mit einem unerschütterlichen Optimismus, der zwanglos die Grenze zum Grössenwahn überschreitet, was aber viele nicht bemerken. Anything goes and the winner takes it all – das hat doch was, vor allem für die Abgehängten, das zielt doch voll mitten ins Zentrum der Irrationalität – wo immer das auch sitzen mag, vermutlich da wo bei mir immer Godzilla herumstapft.

Nein, kein Monster … ein Erzeugnis der Popkultur, aus Medienbildern zusammengesetzte Mythenprojektion. Schon die Farbwahl seines Outfits lässt noch mehr Assoziationen zu als nur die US-Flagge.

 
 

           

 
 

Wie war das dann mit Hitler, der sich auf keine Popkultur und vorangegangene Medienpräsenz berufen konnte? Der zielte mit seinem Laserstrahl genauso präzise auf den gleichen menschlichen Gefühlsbereich, wie Trump es tut – den Bereich der Menschen in Tretminen verwandeln kann: die Infantilität.

Unsere einzige Hoffnung ist, dass irgendwo auf der Welt ein Hobbit mit einem Ring Richtung Mordor unterwegs ist. Denn am Ende jeden Lichts gibt’s einen Tunnel … oder so …

 

 

           

 
 

           

 
 

Wir kennen sie als willfährige Objekte, die ihre Substanz zur Verfügung stellen, um uns Genuss zu verschaffen. Eine lange Zeit waren sie totgesagt und galten als überkommen und degoutant, bis es zu einer überraschenden Renaissance kam – eine charmante Referenz an die Analogität im digitalen Anthropozän; man hört wieder Vinyl. Ein Zeichen, dass zu weit getriebene Perfektion ihr Ziel verfehlen kann, man retirierte lieber in die 70er.

 
 

          

 
 

Black Music

(Woke ist das aber nicht …)

 

Der österreichische Künstler Uwe Bressnik setzt hier noch eins drauf: Er präsentiert uns die Schallplatte nicht als dienstbeflissenes, sondern als ästhetisches Objekt – er bildet es ab, baut es nach, malt es und stellt es in einen neuen Kontext: Ein Objekt, das zum Subjekt, Kompositions- und Gestaltungselement wird. Im Zusammenklang mit dröger konventioneller Malerei schafft die harmonisch eingepasste LP eine Spannung und damit ein neues Comicgenre, gewissermassen eine Kunst mit dem Schalk im Nacken, die der Betrachter – ermüdet von der Schwere andersartiger Kunstproduktionen – dankbar rezipiert. Eine ironische, aber – wenn sie zu Ende gedacht wird – auch eine ernsthafte Kunst. Und ein Quantensprung fürs gute alte Vinyl, das schon lange Besseres verdient hat als nur Speichermedium zu sein – dient es doch der Reproduzierbarkeit von Kunsterlebnissen und damit deren Verbreitung und Verewigung. Hier verbreiten sie auch einen visuellen Klang – beim Betrachten im Spiel der Rillen, ihrem An- und Abschwellen. Bressnik bezeichnet sich selbst als „transmedialer“ Künstler.

Mythologische Figuren hantieren mit überdimensionierten LPs – was werden sie damit anfangen? Ein Fremdkörper in ihrer Welt mit einem geheimnisvollen Eigenleben – ist ein UFO gelandet und hebelt unser bisheriges Weltbild aus? Eine LP beschliesst sich zu einer Blume zu verformen – offenbar will sie gesehen und nicht nur gehört werden, besteht auf einer eigenen Identität.

Fasziniert ist der Künstler weiter vom Moiré-Effekt – aus zweien entsteht ein Drittes: Zwei streng gerasterte Muster verwandeln sich beim Übereinanderlegen in etwas Lebhaft-Dynamisches, das sich durch Änderung des Betrachtungswinkels noch weiter verändert – wer noch mit den guten alten Stores an den Fenstern aufgewachsen ist, weiss das. Das Bild ist also immateriell und doch durch die materielle Struktur definiert, so wie in der Quantenphysik der Aufenthalt des einzelnen Teilchens nicht mehr physisch bestimmt werden kann, sondern nur durch eine Funktionsgleichung von Aufenthaltswahrscheinlichkeiten wiedergegeben wird. Damit wären wir – so der Künstler – in der Welt des Digitalen und seinen Verschlüsselungen, das Entstehen von Imagines aus einfachen Elementen. Und das Bild malt sich selbst beziehungsweise das Auge malt auch noch mit. Interaktive Kunst … wobei im Prinzip jede Kunst interaktiv ist.

Man darf gespannt sein, was er als nächstes Objekt erwählt … CDs? Auch denen ist optisch einiges zu entlocken.

 
 

 

2025 6 Apr.

session in vahrenheide

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„behind the chapel“

ks – soprano saxofon, freeze effect

js – guitar, loop, drums

 

„tea with shree“

ks – drums, soprano saxofon

js – guitar, loop

 

„alles gut“

ks – keybord

js – guitar

 

2025 26 März

Time to Go

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Es gibt Musik, die sich einschmeichelt und solche, die das Gehirn aufweckt. Unvergessen jene „Meditationspraktik“, als Monate lang allabends einer von drei Teilen eines Livekonzerts mit dem Quintett Bloodcount des Saxofonisten Tim Berne durchlief. Jene sagenhaften Konzertmitschnitte in Paris bereiteten mir ein Erweckungserlebnis und einen neuen Zugang zum Jazz: Progressionen, Verschachtelungen, Wandlungen. In jüngerer Zeit hörte ich immer mal wieder das Album Wandermüde und war stets überrascht: „Dieses Klangwerk von David Sylvian mit Stephan Mathieu ist doch längst ein Favorit!“ Es werden Songfragmente aus dem bahnbrechenden Blemish gesampled, verfremdet, vaporisiert. Nebelschwaden aus Klang, Verdichtungen, Lichtungen. Vorwärtsschweben im Weltenraum. Es gelingt der schmale Grad zwischen Spannung und langem Atem, völlig unangestrengt. Wer noch nie in einem Salzwassertank tief entspannte, der findet beim Hören dieses verkannten Meisterwerkes ein äquivalentes Surrogat. Ich bin mir sicher, dieses Album auch in zehn Jahren noch hören zu wollen. Und dies wäre die Parallele zu Bloodcount: es bleibt unverbraucht und gestaltet sich beim Hören jedesmal neu. Alles, was sich „Meditationsmusik“ nennt, aus der New-Age-Ecke und von sonstwo her, mutet dagegen an wie jener Stress, von dem man sagt: „Entspannung macht mich immer so nervös!“ So findet man hier eine gelungene Melange aus einschmeichelnder Anregung – wie in einigen Songs von Taylor Swift, haha. Wie geil war das denn, als man neulich „Time To Go“ (this uplift at minute 2:52!) mal wieder hörte! Auch viele Swift-Preziosen werde ich in zehn Jahren wohl noch gerne hören. Und einen Bogen von Stephan Mathieu und David Sylvian zu Taylor Swift zu schlagen, ist doch auch ein Kunststück, oder etwa nicht? 

 

               

 
 

Einen fünffachen Oscar-Abräumer zu besprechen ist jetzt natürlich ein Muss, dabei sollte einem aber bewusst sein, dass sich im Alter die Sehgewohnheiten gewaltig ändern … bzw beim Altgewohnten bleiben und so mancher New Style bei uns Mediendinosauriern schnell hinten runterfällt, ich werde dies dann demnächst beim ESC-Gucken wieder erleben können.

Anora ist zunächst vor allem eines: Laut! Ein fast permanentes Durcheinandergebrüll der Protagonisten in mehreren Sprachen und es ist den Tontechnikern und Synchronsprechern zu verdanken, wenn man trotzdem versteht, um was es geht, allerdings ist das auch nicht übertrieben differenziert: Russisches Oligarchenmuttersöhnchen heiratet Callgirl und die Eltern schicken die Bodyguards sowie einen Priester hinterher, um die Ehe annullieren zu lassen, worauf das Muttersöhnchen erstmal flüchtet und durch ganz New York gejagt werden muss – im entsprechenden Action-Schnelldurchlauf mit reichlich Reifenquietschen und Allesüberdenhaufenfahren. Bemerkenswert dabei, dass in einer US-Produktion hier die Russen die sympathischsten Figuren sind – abgesehen von der am Ende auftretenden Muttersöhnchenmutter vom Typ Gulag-Aufseherin mit dem Blick einer Speikobra. Nach deren Auftritt schwenkt das Söhnchen um und verliert sichtlich selbst das Interesse an dieser Ehe und dem zugehörigen Dauerschnackseln. Das wärs dann auch schon gewesen. Was vorher abläuft, ist überwiegend Slapstick in einer raschen Abfolge von Gags, die sich aber wiederholen bzw etwas zu sehr in die Länge ziehen, um wirklich zu erheitern. Der Wortwitz bleibt hier weitgehend auf der Strecke – auch bedingt durch die ständig eingeblendeten Untertitel, die die russisch gesprochenen Passagen übersetzen. Davon reichlich. Dabei befleissigt man sich in hoher Frequenz der Four-Letter-Words und anderer Schmeicheleien, vorzugsweise aus dem Bereich unterhalb der Gürtellinie. Klar, Anora ist eine Sexarbeiterin, da steht das Fucking im Mittelpunkt, da wäre diesem Klischee auch genüge getan. Reale Sexarbeiterinnen dürften von diesem Film und seiner Figurenzeichnung eher wenig begeistert sein, wobei Rezensenten lobend erwähnen,, dass der Film deren Realität darstellt – als ob das cineastisch etwas Neues wäre. Anrührend nur die Figur des jungen russischen Bodyguards, der sich zusehends in Anora verliebt, auf ihr Sexangebot zum Ende des Films nicht eingeht, sondern sie einfach in den Arm nimmt. Ein lautloser Donnerschlag für die enttäuschte junge Frau, die in diesem Moment bemerkt, was sie wirklich braucht.

Als Negativabbildung zu Pretty Woman funktioniert dieser Streifen durchaus, insbesondere das stille verhaltene Ende, welches das vorangegangene Getöse und Dauergezeter glaubhaft und sentimentfrei zumindest etwas neutralisiert. Damit wäre Pretty Woman zumindest am Ende doch in der Realität angekommen.

Rezensenten lobten den gelungenen Mix verschiedener Genres des Regisseurs (Billy-Wilder-Komik, Slapstick, schrille Comedy, Dramödie), wobei der Anschein eines gelungenen Gemisches auch dadurch entstehen kann dass der Regisseur die Genres nicht sauber auseinanderhalten und nicht wirklich einen eigenen Stil daraus entwickeln kann, so dass ich diese Stärke eher für eine Schwäche halte.

Nein, Billy Wilder ist nicht auferstanden, eher Shakespeare: Much ado about nothing mit Garantie für Kopfschmerz und Ohrenkrebs.

 
 

 

 

Was vom Tage übrigblieb (GB, 1993), James Ivory

 

… eine für uns mittlerweile versunkene Welt. Natürlich gibt es heute noch Hauspersonal und Bedienstete, aber gottlob ist die Zeit vorbei, in denen man diese als eine andere Sorte Mensch betrachtete und dazu eine Ideologie errichtete, die alle Arten von Unterdrückung und Gewalt rechtfertigte, wie die Geschichte der Versklavung der Schwarzen illustriert. Dass die Frauen ihren Körper den Herrschenden zur Verfügung stellen mussten, war im sogenannten Herrenrecht und im besonders hundsgemeinen Jus primae noctis auch juristisch fixiert, zumindest in Europa. In den Staaten machte man sich diese Mühe gar nicht erst.

Wenn man sich mit der Literatur, insbesondere Jugendliteratur, der deutschen Kaiserzeit beschäftigt, braucht man diesbezüglich einen starken Magen, da riecht man förmlich den Schweiss, der bei der pädagogischen Bemühung um die Errichtung der Klassenschranken und ihre Zementierung vergossen wurde, während in der Mädchenliteratur noch zusätzlich an der Verfestigung der Geschlechterschranken gewerkelt und die Mädchen auf ihre Hausfrauenrolle vorbereitet wurden; zu letzterem Zweck wurde auch noch das reaktionäre bildungsbürgerliche Ideal der einmaligen romantischen Lebensliebe permanent zelebriert – man wusste schon damals, wie man die Mädels ködert und bei der Stange hält. Vielleicht hat hier noch eine der mitlesenden Damen den Trotzkopf oder Nesthäkchen oder Majors Einzige gelesen, oder überhaupt Marlitt und Courths Mahler? Schon allein die Titelbilder signalisieren, dass hier reihenweise aus liebenswerten wilden Hummeln dröge Hausmuttis geformt werden sollten – eine brutale literarische Einnordungsmaschinerie – wie ich es zu nennen pflege.

 

            

 

Der Welt der Feudalherrlichkeit, der Gutsherren und Adeligen stand die Welt der Bediensteten und Bildungsfernen (wie man heute sagen würde) gegenüber und deren moralische Integrität wurde schon von vorneherein in Zweifel gestellt – erkennbar an dem häufig auftretenden Stolperstein der Formulierung „eine arme Frau, aber moralisch hochstehend“. Ein Einzelfall, der eine lobende Erwähnung verdient, die anderen stehen von Anfang an offenbar im Ruch des Gangstertums. Heute heissts Prekariat, was auch nicht besser ist. Die Bediensteten und Verarmten waren also offenbar eine Population von Aliens, die man wenn überhaupt höchstens mit Abstand beäugt und die nur zum Zwecke des Dienens die Liegenschaften der Herrschenden betreten dürfen, mit tiefer Verbeugung, Mütze in der Hand und einer Entschuldigung für die Störung auf den Lippen. Und beim Verlassen des Raumes rückwärts gehen müssen, damit der Herrscher bloss den Hintern nicht sieht. Wenn einer davon – ein besonders begabter Junge beispielsweise – dann in die situierte Familie aufgenommen und grossgezogen wird, ist das kein Erweichen der Klassenschranken, sondern deren weiteres Zementieren durch den Beweis der Hochherzigkeit der herrschenden Klasse und ein Einfordern von lebenslanger Dankbarkeit der Underdogs, ebenso wenn der Graf das Kindermädel heiratet. Trotzdem bleibt es degoutant, irgendwie, wenn man zwischen den Zeilen zu lesen versteht. Wenn die Gräfin sich in ihren Gutsverwalter verguckt, dann muss im Plot dafür gesorgt werden, dass der sich als verarmter Gutsbesitzer oder besser noch verkappter Graf mit entsprechend Anstand und Bildung entpuppt – bei Gräfin Mariza wird mir heut noch schlecht – und es werden die unwahrscheinlichsten Volten und Kapriolen konstruiert, die dafür sorgen, dass letztlich doch die Stände unter sich bleiben. Gottlob beruhigte uns der Gutsverwalter Rudolf Schock dann gleich in seiner Auftrittsarie: Auch ich war einst ein feeeiiiiner Czardaskavalier, hab kommandiert Zigeuner gradeso wie ihr … (woke ist das ja auch nicht!) und als einfacher Malocher hätte er die Gräfin natürlich niemals gekriegt. Die ebenso hundsgemeine Gehirnwäsche der Nachkriegszeit und ihrer Trivialkultur, immer bemüht in althergebrachten Werten Halt nach dem grossen Zusammenbruch zu finden. Aber ich komme ins Plaudern.

Die Bediensteten hatten Tag und Nacht zur Verfügung zu stehen und auch bei intimeren Verrichtungen zu helfen – der französische Adel zur Zeit des Sonnenkönigs pflegte bei Gartenfesten Pisspagen zu beschäftigen: Auf dem Gelände liefen Pagen mit Eimern herum, damit die Herrschaften beim Feiern nicht erst die Toiletten aufsuchen mussten, die es vermutlich ohnehin nicht gab. Welche Hilfen die Damen mit ihren unpraktischen Reifröcken von ihren Kammerzofen benötigten, verschweigt die Geschichte diskret – aber dieser offensichtliche Wegfall der Schamgrenzen definiert die Beziehung zum Bediensteten ein weiteres mal: Du bist so wenig Mensch, dass ich mich nicht einmal vor Dir schäme. Man schämt sich ja auch nicht, wenn einem der Hund beim Pinkeln zusieht. Heute haben’s die Damen besser, by the way: Auf YouTube grassieren Videos, die gegenwärtigen Bräuten mit Reifröcken beibringen, wie man vor der Trauung noch schnell aufs Klo geht ohne die ganze Kledage nochmal ausziehen zu müssen.

Es bedurfte erst der Einflüsse des Kommunismus und Marxismus in den sogenannten unteren Ständen, so etwas wie Klassenbewusstsein und Klassenstolz zu entwickeln, ein Aufatmen in der Geschichte bis zum Auftreten des Liberalismus und seiner Anything-goes-Philosophie, die die Arbeiter veranlasste, den Anschluss an das Bürgertum und seinem Rattenrennen nach Wohlstand anzustreben, anstatt sich zu solidarisieren. Soweit meine Marginalien zum historischen Hintergrund.

Der vorliegende Film beginnt im Jahr 1956 auf einem feudalen Landsitz in England, weist dann aber zurück in die Zeit nach dem ersten Weltkrieg und dem Aufblühen des Nationalsozialismus, den England zunächst durchaus goutierte – appeasement nannten das die Gentlemen damals und die Politiker pflegten sich bei den Feudalen einzufinden, um ihnen die für den Krieg benötigten finanziellen Mittel aus den Rippen zu leiern, was natürlich hochgestochener ausgedrückt und mit altbackenen Idealen und tradierten Werten garniert wurde. Der Film zeigt das Leben des untadeligen Butlers Stevens, ein furioser Parcours für den vielseitig verwendbaren Anthony Hopkins, der in seinem feinst austarierten, aber immer minimalistischen Mienenspiel eine breite Palette an sonst unsichtbaren Gefühlsregungen auszudrücken versteht; in der Gesamtkörpersprache wirkt er oft eher wie ein geprügelter Hund oder in ein unsichtbares Korsett gesperrt. Als Bediensteter ist er perfekt, beherrscht alle Codes und Rituale des Understatements und der Unterwerfung gegenüber dem Dienstherrn, auch als sein Vater plötzlich verstirbt, verliert er nicht die Contenance und serviert brav weiter das Dinner der hohen Herren, das verlangt seine Dienstbotenehre. Jüngere Generationen würden ihn für einen Chatbot halten. Das ist kein Bediensteter der nach Feierabend (den es ohnehin nicht gibt) mit den anderen Domestiken über die Herrschaft lästert, er ist durchdrungen von einer Identifikation mit seinen Herrn, die kaum noch Individualität durchschimmern lässt – wenn, ja wenn die kleinen mimischen und gestischen Signale nicht wären. Seine Loyalität versagt auch nicht, als der Lord sich zu offensichtlich mit den Zielen der Nationalsozialisten identifiziert und zwei jüdische Hausmädchen ausliefert. Hier wird es gruselig – die Figur bekommt die Züge eines Mitläufers, Zuarbeiters, Mitwissers – hier können wir ihn nicht mehr einschätzen, fürchten das Abgründige im Undurchschaubaren. Ein heimlicher Faschist? Wir werden es nie erfahren. Das ist fesselnd zu beobachten und wirkt eher anrührend als abstossend, wenngleich gelegentliche Seufzer im Publikum signalisieren, dass diese Überanpassung auch Beklemmung und Gereiztheit erzeugt und gelegentlich als Sturheit ruchbar wird. Aber er versteht es, Leerräume zu lassen, die wir mit unseren Phantasien über ihn füllen können, auch das eine Kunst von Schauspieler und Regisseur. Dabei vermeidet letzterer geschickt die Darstellung der Rituale der Herrschenden ins Groteske oder gar Komische abgleiten zu lassen, wodurch der Film in wohlfeiler Sozialkritik verpuffen würde. So verbleibt er bis zuletzt im Reich der Tragik.

Die Wirtschafterin des Hauses, hinter deren Comme-il-faut-Attitüde unterschwellig das Leben und das Begehren brodelt, lehrt ihn, was Verliebtsein bedeutet und sendet unmissverständliche Signale ihrer Beziehungswünsch, die Stevens nicht beantworten kann, die der Zuschauer aber bemerkt in einem plötzlichen Weichwerden seines Blicks, einem etwas zu langen Blickkontakt, einem kurzen Verzögern der Antwort, einem minimalen Schwanken der Stimme – man erahnt das Innenleben, die Kamera bleibt immer nahe an den Gesichtern. Mehr geht nicht bei diesem Mann, auch nicht bei einem Wiedertreffen nach Jahrzehnten, als er sie auf das Anwesen zurückholen möchte im zunehmenden Bewusstsein seiner Versäumnisse.

 

 

Was wir zuletzt von ihm sehen, ist der Blick nach einer Taube, die sich in einen Raum des Anwesens verirrt hat und erst eingefangen und ins Freie entlassen werden musste, wo sie rasch das Weite sucht. Stevens blickt ihr hinterher und schliesst dann das Fenster, verbleibt in seiner abgeriegelten Welt … und man denkt unwillkürlich an La Paloma, ein Lied, in dem die Seele eines Verstorbenen in Gestalt einer Taube zur Geliebten kommt, zum Ende doch noch eine kleine romantische Arabeske.

 

                  

 

Ein kritisches Porträt einer Gesellschaft der Klassen und Hierarchien und ihrer dahinterliegenden Abgründe, ein feiner stiller Film über einen stillen Mann und dessen Ersticken in Konventionen, sein Lebensscheitern an den eigenen Begrenzungen und Zerstörungen und ein Film über Dinge, die nicht geschehen und Gefühle, die nicht gelebt werden durften. Und eine Insel der Ruhe im ganzen Blockbustergetöse.

 


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