Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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2024 13 Mai

Fundstück 2

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Aheds Knie (D,F, Israel, 2021) von Nadav Lapid

 

Ein israelischer regimekritischer Filmemacher X, alter Ego des Regisseurs, reist in ein Dorf nahe der jordanischen Grenze um seinen neuesten Film vorzuführen und weitere Projekte zu planen. Eines davon ist eine Verfilmung über das Geschehen um die palästinensische Sängerin und Aktivistin Ahed Tamimi, der in einem israelischen Gefängnis das Knie zertrümmert wurde. Empfangen wird er von einer jungen Mitarbeiterin des Kultusministeriums die von seinen Filmen fasziniert ist aber Forderungen des Ministeriums überbringt bestimmte Inhalte nicht zu zeigen. Der weitgehend dialogisch angelegte Film wird immer wieder unterbrochen durch Rückblenden aus der Soldatenzeit des Regisseurs sowie eingeblendeten Szenen aus seinem Werk, so dass die Realitätsgrenzen verschwimmen sich aber doch zunehmend mosaikartig ein Bild der gegenwärtigen repressiven Kultur – und Gesellschaftspolitik des heutigen Israel entfaltet. Die kinetisch entfesselte Kamera umkreist das Paar, schwebt wie eine Drohne über dem Protagonisten ( oder ein Geier über seiner Beute, in dieser Rolle findet sich der Zuschauer plötzlich ) und schafft stets eine beklemmende Nähe zu den Gesichtern, deren Sog man sich schwer entziehen kann. Der Regisseur und die Kulturbeauftragte symbolisieren hier die verfeindeten Fronten, ihre gegenseitige Anziehung, aber auch ihren Kampf bis zum Showdown. Die zunehmend entfesselten Wutaffekte des Filmemachers lassen den Film oft ins Theatralische entgleisen schaffen aber ein starkes, wenn auch anstrengendes und gelegentlich Fluchtimpulse provozierendes Filmerlebnis für den der tiefer in die Probleme dieses Landes mit seiner repressiven Kulturpolitik, seiner militanten Nationalisierung und seinem übergriffigen Siedlungsbau eindringen will. Ein notwendiger Film!

 
 

2024 11 Mai

All Life Long

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Fahles Licht fällt durch die staubigen Fensterscheiben der Chapelle Notre-Dame-de-L’Immaculée-Conception. Die Zeit ist längst stehen geblieben als sich die Stimmen des kleinen Chors erheben und sie sollte für lange verloren bleiben. Passage Through The Spheres erinnert gleich am Anfang an die Polyphonien der Spätrenaissance, aber aus der Zeit gefallen, langsam bis an die Grenzen des Atems gezogen und des Sakralen in seiner Schlichtheit beraubt, in unfassbarer Schwere schwebend. Die schwedische Komponistin Kali Malone wechselt auf Ihrem Album All Life Long die Atmosphären zwischen Chor, verschiedenen historischen Orgeln, die durch ihre umhüllende Wärme betören und einem Bläserquintett ohne je diese getragene Stille, die schon ihr Album Living Torch in ergreifender Tiefe getragen hat, auch nur einen Augenblick zu brechen. Die Orgelversion von All Life Long endet so viel langsamer als das ebenfalls als Chorversion dargebotene Stück mit einem minutenlang gehaltenen warmen Orgelakkord, der jede zeitliche Wahrnehmung seiner Grundlage beraubt. So sind die Orgelstücke, oft gemeinsam mit Stephen O’Malley eingespielt sehr viel langsamer als die schon entgrenzenden Vokal- oder Bläserversionen, die noch die Banden des unendlich getragenen Atems in sich tragen. Doch selbst diese werden in der Umkehrung wie in Retrograde Canon durch undefinierbare Hebungen und Schwebungen einer virtuellen inversen Zeitdilatation – je scheinbar langsamer, umso weiter wird der Raum – unprätentiös und konsequent unterzogen. Bei den Orgelstücken wird dieser Effekt durch die Verwendung historischer Orgeln in Meantone-Stimmungen noch besonders verstärkt, die im Gegensatz zu der bei uns inzwischen üblichen temperierten Stimmung, Zwischenräume und diskret entfremdete Harmonien entstehen lassen, die scheinbar unendlich lange stehen bleiben und  in nicht mehr definierte Zeiträume führen. So endet das Album dann konsequenterweise auch mit einer Unification Of Inner & Outer Life, einem Punkt ohne Wiederkehr in der absoluten Zeitlosigkeit. Seit dem Frühwerk Arvo Pärt’s habe ich keine Musik mehr gehört, die so eigenständig und verhalten intensiv in eine absolute und tief berührende Stille hineinführt. Eine wunderschöne dunkle Rose im Schnee …

 
 

 

2024 11 Mai

Das wird wieder was …

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… mit dem ESC bzw dem deutschen Beitrag.

Ein junger Mann (Isaak Guderian) sitzt an einer Art Lagerfeuer offenbar im Zustand eines akuten Blinddarmdurchbruchs und singt Always on the run. Wovor er flüchtet, wird nicht deutlich, auch nicht, wie man bei einer hochgradig mobilen Lebensweise auf 120 kg kommen kann. Aber ein guter Listenplatz ist uns ja immer sicher – wenn man die Tabelle nur um 180 Grad dreht.

See you tonight, Isaak …

 

2024 10 Mai

Fundstück

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Frühling in Paris (Seize Printemps, F, 2020) von Suzanne Lindon

 

Ich war wieder mit dem Filmkunstdetektor unterwegs:

Der Titel verheisst nichts Gutes, klar, da erscheinen Bilder von beschwingten Skizzen auf Taschenbuchcovers der Sechzigerjahre mit tanzenden Pferdeschwanzmädchen in weiten Röckchen und einem flotten Kavalier nahebei und der Sonne und dem Eiffelturm dahinter, damals musste halt alles schwingen und swingen oder zumindest Schwung ausdrücken und auf Teufel-komm-raus und Krieg-bleib-drin Leichtigkeit verbreiten. Aber man muss es verstehen, Klappentexte zu lesen, sonst entgeht einem so einiges; hier ein kleiner feiner stiller Film über eine erste Liebe, den viele sicher langweilig finden mögen. So manchem geht aber das Herz auf …

Ein junges, auf unübliche Weise hübsches und durch ihre Gutartigkeit und Verträumtheit verzauberndes Mädchen verliebt sich in einen wesentlich älteren Schauspieler und Tänzer. Sie lassen sich Zeit, nähern sich langsam, tanzen immer wieder zusammen, es darf sich etwas in Ruhe entwickeln, kein überstürztes gieriges Übereinanderherfallen bereits vor der Haustür. Die Beziehung zu den Eltern liebevoll, verständnisvoll auch gegenüber dem leicht verpeilten Vater, anrührend ein enger Tanz mit ihrer Mutter wie ein Abschied von der Kindheit, bevor sie das erste Mal mit einem Mann tanzt. Und später weint sie sich bei der Mutter aus, weil sie denkt, der Mann wäre zu alt für sie und das Leben, das sie sich jetzt wünscht und das ihr gemäss ist – und sie nimmt sich die Freiheit diesem Gefühl zu folgen und die Beziehung zu beenden und darüber zu trauern, die Mutter neben sich, die einfach nur da ist. Erste Liebe unter Menschen die sich noch einfühlen können und wollen und Eltern die wohltuend begleiten können.

Deutsche Filmproduktionen zum Thema Jugend und Familie dagegen: Problemkinder, Trinken, Kiffen, Eyalderglaubblossnichdukannsmichfickeneyischweisswodeinhauswohnt … , hochreizbare, mit den Eltern herumkeifende oder dauermaulende Teenager und Ich-hasse-Euch-Geschrei, Eltern die verzweifelt an verschlossene Kinderzimmertüren hämmern und den verbissen schweigenden oder dagegenschreienden Nachwuchs um Verzeihung dafür anflehen, dass sie eigene Interessen verfolgen wollen oder einfach nur ihre Erziehungsaufgaben erfüllen. Erwachsen werden und Mensch bleiben – geht das?

Fehlanzeige?

Derartig stille Filme kenne ich eher aus anderen Ländern, Konflikte ja – aber nicht diese trommelfellmarternden teutonischen Streitereien als stürmten die Germanen aufs neue den Teutoburger Wald.

Die Gewalt auf den Strassen und im Netz nimmt zu, gerade bei Jugendlichen und nun auch bei Kindern – was ist mit unserem Land los? Sind wir aggressiver als andere? In der Filmlandschaft scheint mir das fast so … sich permanent schuldig fühlende Eltern … ein Erbe? Oder nur das Fahren deutscher Filmemacher auf ausgelatschten Spuren und ihre Einfallslosigkeit und ihren Schwierigkeiten so etwas wie Ruhe oder gar Schönheit im Film darzustellen ohne dass es dröge wird? Verliebtsein in den eigenen Entwurf der längst ein Klischee ist?

Besonderheit: Das sechzehnjährige Mädchen im Film ist die zu Drehbeginn zwanzigjährige Suzanne Lindon, die Regie führte und auch das Drehbuch – bereits als Fünfzehnjährige – geschrieben hat.

Hoffentlich bald mehr davon …

 

2024 9 Mai

The Old Story Teller …

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… lies death on the floor … nee, soweit ist es noch nicht, gottlob, aber seinen ultimativ letzten Film Once upon a time in Hollywood, ein Meisterstück in Sachen nonchalant-lässig-lockerem und weitgehend sinnfreiem, aber immer haarsträubenden l’art pour l‘ art-Storytelling folgt noch ein weiterer Streifen oder irgendwie jetzt auch doch wieder nicht. Beim Ausholen zum ebenso ultimativ letzten Haken lässt er mal wieder die Faust sinken und überlegt noch ein Weilchen – The Movie Critic, der finale Film und letzte Rundumschlag oder gar schon das Testament wird nun doch nicht gedreht. Wer es versteht, die Spannung im zweidimensionalen Raum wachzuhalten, kann das auch im dreidimensionalen und so hat die Fanbase noch einiges zu fiebern, bis The Chief of Weird Stories die Stafette endgültig abgibt. Bloss – an wen?

Ist das jetzt die deadline oder wird er weiter gottschalken?

 
 

 
 

Und was machen dann diverse Jungs ohne den Maestro, bei dem sie sich von ihrer besten Seite zeigen konnten, wie kriegen die das auf die Kette? Zigarettenreklame?

Grübel und studier ….

 

2024 6 Mai

Leben in Wien

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Ankunft spätabends im siebten Bezirk, die U-Bahn rattert auf einem kurzen Stück als Hochbahn über Gürtel und Wienzeile hinweg, die Fassaden der umstehenden Häuser geben sich verschlossen und schmutzig, verschiedenste Lichter funkeln, wandern herum, huschen vorbei, Werbetafeln locken meinen Blick. Einige Halte-Stationen sind hell erleuchtet, offen, mit lindgrünen Ornamenten.

Ich steige aus und trete auf die Straße, bleibe stehen:

 
 

 
 

Soll das eine Anrufung sein? Ein Hilfeschrei? Warum heißt es nicht Mama?

Mutti hat immer so etwas Verschämtes, auch Verniedlichendes, für sehr alte Frauen, und für solche, die in den Augen der anderen nicht mehr so ganz ihre Sinne beisammen haben (vielleicht lächeln die Muttis aber wohlwollend über ihre verkannte Rebellion hinweg?).

Sind die fünf Buchstaben als Denkmal gemeint? Oder ein Klageruf?

Ich beherrsche mich, das Wort nicht probehalber mit verschiedener Betonung laut vor mich hin zu sprechen – drehe mich um: Haben sie schon bemerkt, dass auf der gegenüber liegenden Straßenseite ein Kino ist?

 

 
 

Madres Paralelas (Spanien 2021)

 

Almodóvars vorletzter Film (nach Leid und Herrlichkeit und vor Strange way of life) dreht sich nur scheinbar um Mütter – bei ihm ohnehin ein Dauerthema mit Variationen – aber in Wirklichkeit um Geburten im abstrakteren und symbolischen Sinne: Dem Ans-Licht-Kommen von Geheimnissen und Wahrheiten, auch diese müssen geboren werden und oft ist dergleichen recht schmerzhaft.

Zunächst beginnt es wieder, naturellement, mit hübschen Mamas in die gewohnten Bildtableaus und ins gewohnte Upper Class Dekor attraktiv placiert zum geschickt eingesetzten Soundtrack von Almodóvars Hofkomponisten Alberto Iglesias und ebenso geschickt eingesetzter Schleichwerbung diverser Produkte, wobei zu hoffen wäre, dass er nicht mittlerweile auf product placement zurückgreifen muss, um sein Alterswerk zu finanzieren. Das wünscht man ihm ja doch nicht, nachdem er uns solange erfreut hat. Und man verzeiht ihm ja vieles, auch den Dauergebrauch seines Paradepferds Penelope, but never change a winning team und mit Milena Smit ist ja auch ein neues reizvolles Gesicht mit am Start. Es gibt also was zu gucken.

 
 

 
 

Es entrollt sich ein Melodrämchen zwischen Müttern, Töchtern und nur am Rande beteiligten und im wesentlichen gutartigen Männern, wie wir es aus früheren Filmen des Maestros kennen: Zwei Mütter gebären synchron in der Klinik, wobei die Kinder vertauscht werden und beide Mütter mit dem jeweils falschen Kind nach Hause gehen. Eines der beiden Mädchen verstirbt, die Mutter des überlebenden Babys (Janis) bezieht die nun kinderverwaiste andere Mutter als Nanny in ihr Leben mit ein und es entwickelt sich eine kurze Liebesbeziehung zwischen den Frauen, bis Janis den Tausch aufdeckt und gesteht.

Der Film spannt ein Netz an Heimlichkeiten auf zwischen Mann und Frau, Müttern und Töchtern, Vätern und Kindern, verbotenen Affären und betrogenen Frauen – but no spoilers; Vater- und Mutterschaftstests dienen als Mittel zur Wahrheitsfindung, schaffen Ordnung und Zugehörigkeit, lösen Geheimnisse und schaffen Beziehungen neu, alles scheint im Fluss und sein Ziel zu finden und ist recht spannend zu sehen und der Regisseur kommt hier mit deutlich weniger Rückblenden, Zeitsprüngen und Verschachtelungen aus wie sonst – beispielsweise bei La Mala Educaçion aus dem Genre der Mindfuckers; das ist natürlich nicht abwertend gemeint.

Ein grosses Geheimnis verbleibt – Janis wünscht sich die Exhumierung eines Massengrabes – sie ist auf der Suche nach ihrem verschollenen Urgrossvater, der im Widerstand gegen Franco und die Falangisten gekämpft hatte. Am Ende wird die Stelle gefunden und die Grube ausgehoben, es finden sich zahlreiche Skelette, anhand eines Glasauges kann der Uropa identifiziert werden. Die Kamera entfernt sich nach oben, signalisiert damit Distanz zum Tagesgeschehen und Beziehungsgebrodel und die Skelette verwandeln sich in die toten Menschen, die sie waren – ein starker und erschütternder Eindruck als Schlusseinstellung, der das Gewebe menschlicher Verstricktheiten relativiert und fast belanglos erscheinen lässt angesichts eines gewaltigen Massenmordes, von dem wir hier nur einen kleinen Teil sehen.

Und ein Aufruf an Spanien, die „Leichen im Keller“ bzw seine faschistische Vergangenheit – die dreissig Jahre später endete als die Deutschlands, falls dergleichen überhaupt jemals endet – anzusehen und aufzuarbeiten. Somit hätte sich Almodóvar zum ersten Mal von Individualschicksalen ausgehend politischen Inhalten zugewandt mit dem Nachzeichnen menschlicher Verirrungen als Epiphänomen viel verheerenderer  kollektiver Verdrängungsbewegungen.

Die dabei spürbare Grundaussage „Bleibt in der Wahrhaftigkeit“ und „Es geht auch im Guten“ mögen naiv erscheinen, andererseits sind wir auch etwas dressiert darauf nur die Schilderung von Düsterkeit, menschlicher Schwäche und Bosheit und sonstigem Kulturpessimismus als intellektuell zu goutieren und versöhnlichere Figurenzeichnungen die zu einem guten Ende finden schnell als unrealistisches Sentiment abzulehnen.

Hier steht Almodóvar in der Tradition eines Fellini oder Ken Loach, die ihre Figuren nie verrieten, ohne Bösewichte und Grausamkeiten auskamen und deren Blick auf die Welt immer ein lebensfreundlicher und angenehm menschelnder war, ohne platt oder kitschig zu sein. Darauf kann man sich getrost einschwingen, schliesslich gibt es auch diese Seite der Welt und sie kann ruhig dargestellt werden. Man muss es halt bloss können. Und sich trauen …

 

2024 2 Mai

10 Doppelalben

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  • The Smiths – The World Won’t Listen
  • Keith Jarrett – The Köln Concert
  • The Beatles – White Album
  • Bob Dylan – Blonde on Blonde
  • The Rolling Stones – Exile on Main Street
  • Can – Tago Mago
  • Jimi Hendrix – Electric Ladyland
  • Prince – Sign ‚o‘ the Times
  • Tangerine Dream – Zeit
  • Lucinda Williams – The Ghosts of Highway 20
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    2024 28 Apr

    Der schmale Grat

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    Und beim  ganzen Literaturrezensieren bemerke ich, auf welch schmalem Grat ich mich bewege mit meinem Verlangen nach dem Mobilisieren von Gefühlen, dem Wunsch in einen flow zu geraten, der die Lesezeit mühelos verfliessen lässt – wie schnell schrammt man da aber knapp an der Schmonzette vorbei und gerät ins Fahrwasser der Titanic, und was mit dieser passierte ist ja bekannt. Trotzdem suche ich danach – auch bei Filmen, und werde eher fündig bei lateinamerikanischen oder nahöstlichen Schreibern und Regisseuren, zu letzteren habe ich mich hier ja schon reichlich geäussert, die schaffen es etwas atmosphärisch auszulösen, zu verdichten und wachzuhalten. Nicht nur mindfucking …

    Aber die Grenze zum Kitsch ist rasch überschritten, oft merkt man’s noch nicht mal bzw erst dann wenn man beginnt sich nicht mehr so recht wohlzufühlen beim Lesen oder sentimental wird.

     

    Stärkerer Wind erhob sich …die Rosse Poseidons liefen daher, Stiere wohl auch, dem Bläulichgelockten gehörig, die mit Brüllen anrennend die Hörner senkten.

    Zwischen dem Felsengeröll des jenseitigen Strandes jedoch hüpften die Wellen empor als springende Ziegen. Eine heilig entstellte Welt schloss den Berückten ein … und sein Herz träumte zarte Fabeln.

     

    Ich zitiere aus dem Gedächtnis, um nicht das ganze Haus nach Herrn Gustav Aschenbach absuchen zu müssen, der sich immer zu verkrümeln pflegt, wenn ich ihn zitieren will – auf ewig wandelnd als Toter auch noch durch Venedigs umfangende Strassen und sorgsam verbergend sich vor dem Blicke der südlichen Sonne, und doch der Eidechse gleich sich sehnend nach dörrender Hitze gelagert auf glühendem Stein und hinträumend der Tage Fluss und ewigen Wechsel geniessend … (Ha! Ich kann’s auch! Wusste ich noch gar nicht, ist aber gar nicht so schwer! Versuchts mal! Wär’ne nette  Abwechslung hier auf Manafonistas).

    Das kann man jetzt pathetisch schimpfen, aber dann wäre auch Homer pathetisch, in dessen Versmaß sich der Dichter hier einschwingt – aber hier versteht einer mit Worten zu malen und Bilder entstehen zu lassen – eine Fähigkeit die man heutzutage immer seltener findet. Oder ich hab bloss zuwenig Geduld zum Suchen.

    Einen Roman habe ich mir neulich gegriffen (nicht greifend aus eigenem Triebe doch viel mehr vom Gotte gelenkt), eigentlich wegen des Titels: Das etruskische Lächeln. Und die Abbildung erinnernd an den Kouros von Tenea aus der Münchner Glyptothek – eine Statue aus der archaischen Epoche Griechenlands, an Grabmalen aufgestellt und diese bewachend.

    Es gilt als das erste Lächeln in der bildenden Kunst und viele Kunsthistoriker haben sich damit beschäftigt warum in dieser Zeit die Bildwerke zu lächeln begannen. Es gibt auch banausige Zeitgenossen die das Lächeln als grenzdebil bezeichnen aber mir gefällt der Bursche, ein Lächeln das sich nicht um den Tod schert und ihn überdauert und transzendiert. Ich griff nach dem Buch und siehe da … sofort war ich drin. Den gleichnamigen Film – sehr frei nach dem Roman – kann man natürlich vergessen, ich hoffe der Dichter hat den Regisseur erfolgreich verklagt und gewonnen.

     
     

     
     

    Ein betagter Süditaliener, ehemaliger Widerstandskämpfer, seines Zeichens Landwirt und um Machotum nicht nur neigend sondern darin voll erblüht sieht sich gezwungen zu seinem Sohn nach Mailand zu ziehen um seine Krebserkrankung dort behandeln zu lassen.

    Und seinen neu geborenen Enkel kennenzulernen, in den er sich zusehends verliebt (ob das bei einem Mädchen auch so funktioniert hätte? Die Sucht der Italo-Machos nach dem figlio mio), während bei Sohn und Schwiegertochter so manche Reibungsfläche entsteht. Er lernt – krankheitsbedingt geschwächt und zur genitalen Sexualität nicht mehr fähig – die Macht einer körperlichen und leidenschaftlichen Liebe kennen, sowohl zu einer älteren Frau als auch zu dem Kind, das er jede Nacht stundenlang in den Armen hält.

    Wenn man an der Mann-Frau-Spaltung festhalten will, könnte man sagen, er wird in diesen Nächten zur Mutter und er geniesst es als letzte und vielleicht stärkste und erschütterndste Erfahrung eines absoluten Gefühls. Sein letzter Wunsch ist es vom Enkel erkannt zu werden und das Wort „Nonno“ von ihm zu hören. Und die beiden schaffen das, wobei der Dichter noch verschmitzt die Anmerkung plaziert, dass der Einjährige vielleicht einfach nur ein zweifaches italienisches Nein beim Anblick des Opas äussern wollte – dieser Sidekick bricht angenehm ein vielleicht am Ende sich doch einschleichen wollendes Pathos.

    Leider sind vom Autor bisher nur zwei Romane auf deutsch erschienen, nächste Woche wird hoffentlich Der Gesang der Sirenen bei mir eintrudeln. Was die wohl zu singen haben?  So künde, Sirene, mir, die einsam wandelt auf nördlichem Pfade vom südlichen Leben und seiner immer währenden Freude …

     

     


     
     

     


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