Manafonistas

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Archives: Robert Wyatt

 

 

Was für ein faszinierendes 1000-Seiten-Erzählwerk dieser philosophische Psycho-Thriller namens  „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“ doch ist! Spannend bis zur letzten Seite. Voller Grenzerfahrungen. Unverfilmbar. Und herrlich anders. Clemens J. Setz hat nun den Büchner-Preis erhalten. Macht Sinn. Aber, falls Sie sich diesen tollkühnen Schmöker besorgen wollen, machen Sie das auf eigene Gefahr. Als Nebenwirkungen wurden bislang verzeichnet: Desorientierung, Panikattacken, Nachtwandeln, Realitätsverluste, luzide Träume, Euphorie, erhöhte Temperatur, Schlafstörungen. In bunter Vorzeit empfahl ich einem Freund „Das Kalkwerk“ von Thomas Bernhard, und er war nah dran, mir die Freundschaft zu kündigen. Wer sich an den Mammutroman des frischgebackenen Büchnerpreisträgers rantraut, dem seien zwei Langspielplatten als flankierende Massnahmen empfohlen: „Rock Bottom“ von Robert Wyatt, und „Fever Dreams“ von Villagers. Gute Freunde zum Drüberreden sowieso. Übrigens sagt Conor O‘Brien zu seinen „akustischen Fieberträumen“: “I had an urge to write something that was as generous to the listener as it was to myself. Sometimes the most delirious states can produce the most ecstatic, euphoric and escapist dreams.” 

 

 

„In den 90er Jahren sah ich in einer französischen Musikzeitung ein Interview mit Pink Floyd, in dem sie über Robert Wyatt sprachen, und ich war mit meinen Freunden zusammen und fragte: „Wer ist dieser Typ, Wyatt?“ Denn dieser Typ war in Frankreich überhaupt nicht berühmt. Also gingen wir in den Laden und kauften dieses Album „Rock Bottom“, und dann habe ich auf einmal so viel verstanden. Als ich es zum ersten Mal hörte, waren alle meine Überzeugungen verschwunden – es ist so schön, so frei, so traurig, so intensiv. Ich war völlig fasziniert, was die Komposition anging, den Klang, und das Ziel der Platte – intensiv zu sein, traurig zu sein, um die Traurigkeit, die grausame Welt zu erklären.

Davor waren die Beatles für mich vielleicht immer die besten, weil bla bla bla. Aber bei „Rock Bottom“ sagte ich mir: ‚Ach, vielleicht gibt es doch etwas Besseres als die Beatles! Und für mich bleibt dieses Album unter den ersten drei, aber ich kann es nicht mehr hören, weil es zu traurig ist, und wenn ich es höre, dann weine ich, dann weine ich wirklich. Es ist zu intensiv. Für mich ist es so. Wissen Sie, ich habe es zu oft gehört, und wenn ich es jetzt anhöre, dann weine ich einfach, also höre ich es jetzt nicht mehr so oft.

Aber ich erinnere mich, dass es ein sehr guter Teil meines Lebens war, denn in dieser Zeit, ich weiß nicht mehr, wie, aber ein Mädchen gab mir ihre Wohnung in Paris, in einer sehr luxuriösen Straße. Ich hörte mir dieses Album in einer schönen Wohnung mit großen Fenstern in Paris mitten im Sommer an, und es war wunderschön. Eine Zeit meines Lebens war also eng mit diesem Album verbunden, es war ein Trip, es war eine schockierende Zeit der Musik für mich.“

 

 

„There are degrees of amnesia, ways to forget
Ways to remember all the good that you’ve done
And if you can’t get a witness remind yourselves
Nobody’s just perfectly good all the time
And if you killed all those redskins long, long ago
Well, they’d all be dead now anyway, anyway
Don’t let that ghost disconcert you – the lord will provide
A nice little headstone for the brave Cherokee“

(Robert Wyatt, The United States of Amnesia)

 
 
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Wenn man weiss, und man weiss es, mit welch manipulativen Strategien die Brexit-Wahlen auf den Weg gebracht wurden, ähnlich wie die amerikanischen Wahlen, so dass ein ehemaliger Berater von Obama noch vor Wochen, auf die Chancen Trumps zu einer Wiederwahl angesprochen, fast resigniert anmerkte, durch die manipulative Propaganda a la Breitbart und Co. würden 30 % der Amerikaner in einer „alternativen Realität“ leben, und politische Aufklärung gar nicht in ihren Wahrnehmungsbereich gelangen, dann kann man ähnlich nüchtern feststellen, wie korrupt weite Kreise der englischen Politik sein müssen, oder dumm, quer durch die Parteien (die Sozialdemokraten ein ähnlich schlechter Witz wie die „Genossen“ in Deutschland, man führe sich nur vor Augen, welch dumpfbackigen Argumente die schlichte Frau Nahles gegen das „bedingungslose Grundeinkommen“ ins Feld führte – Andrea, lies doch mal das Godesberger Programm, um dich deiner Vorfahren zu erinnern!), dann ist es beinah sonnenklar, dass der heute wieder massiv aufflammende Widerstand gegen den Brexit einmal mehr abgelehnt und runtergebrochen werden wird, mit den üblichen fadenscheinigen Argumenten. Und natürlich, glauben Sie, der unlängst von Trump ins Amt berufenen Justizminister würde mit dem ihm nun vorliegenden Bericht Muellers zur russischen Einflussnahme auf die Wahl ein Beben in Gang setzen, sicher nicht! Trump wird auch das in einen Triumph verwandeln, und der Graben im Land sich weiter vertiefen. Jetzt fehlt nur noch, dass Maxim Biller mal wieder was Tolles über den Mossad erzählt!

 
 
 

 
 
 
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Mitch Epstein ist das Kind von Holocaust-Überlebenden. Jetzt begegnen mir einige seiner Bilder in der SZ, Orte, die er als „Akte des Widerstands“ fotografiert. Seit zwei Jahre zieht er wieder durch die USA, nicht zum ersten Mal,  die „property rights“ sind diesmal sein Thema. Bei Protesten von Indianern, die vermehrt vesuchen, Land zurückzukaufen, begegnet ihm bei einem Massenprotest die umgekehrt aufgehängte Sternenbanner-Flagge – sowas zählt als Straftat. Die Regierung Obama stoppte den Bau einer Pipeline durch heiliges Land der Sioux, Trump hob das Verbot auf. Neil Young schrieb einen Song dazu, die Gräben vertiefen sich mehr und mehr. Diese Dokumente könnten irgendwann auch als dauerhafte Verlustmeldungen in die Geschichte eingehen.

 
 
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Da sass James Yorkston daheim in seinem kleinen Kaff nahe der schottischen Küste, und stellte fest, es seien die alten Leute auf dem Land, vor allen anderen gewesen, die  mit dem Brexit sie Zukunft des Landes verkauft hätten. Im  Vorfeld wurden landesweit tiefverwurzelte Ängste bedient, vor Europa, vor einem starken Deutschland. Ich denke nicht, man sollte nun alle Alteingesessenen in moralische Sippenhaft für Emgstirnigkeit nehmen. Im tiefsten Hinterland finden sich Freigeister, und etliche  von denen, die sich mal kurz nach guter alter „spendid isolation“ sehnten, würden ihren Stimmzettel bei nöchsten Mal, das es  nicht geben wird, anders ankreuzen. Mir sind tief im schottischen Hochland wunderbare Menschen begegnet, als ich in den Tagen nach dem Tod von David Bowie (und nach einem kleinen Manfonistentreffen in Glasgow) an der sturmverwüsteten Küste gegenüber von den Orkney-Inseln mein meditatives „road movie“ erlebte, und ich zuweilen einen Evergreen meiner Teenagerjahre im CD-Player auflegte, „Lord of the Rings“ von Bo Hansson. Man groovt da ja nicht automatisch gutgelaunt durch die Lande – bei all dem Grau aus Regen, Wolken und Meer waren  hier und dort und im Nirgendwo schon kleine Stimmungsaufheller nötig, ich hätte ein Dutzend taugliche ECM-Coverfotos schiessen können, jeder Schnappschuss ein Treffer.  Vielleicht war es auch diese Reise über die Dörfer, die meine Begeisterung für die dreiteilige Serie von Darren Haymens „Thankful Villages“ noch mehr entfachte, diese herrliche  Mixtur aus Feldaufnahmen, Gesprächspassagen, Songs und Instrumentals. Einem ähnlichen Ansatz folgt Brian Harnetty seit langem, wenn er auf Reisen und in Archiven die Spuren eines alten Amerika aufnimmt. „Rooted in sound archives and the communities connected to them, his body of work contends that the simple act of listening –– to people, places, and their pasts –– can transform our futures.“ Das ist ein Quantum Utopie, gewiss. Aber Brian Harnetty versteht es, als „sonic enthnographer“, Historie lebendig werden zu lassen, nicht mit Weichzeichnung, vielmehr mit Genauigkeitsliebe und Erfindungsgabe. Aber lassen wir ihn selbst zu Wort kommen, ich habe sein am 26. April erscheinendes Werk gestern zum ersten Mal gehört, und bin begeistert. Und da „Shawnee, Ohio“ eben auch ein kleines Taschen- und Bilderbuch ist, freue ich mich auf die Lektüre.
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Shawnee, Ohio is a sonic portrait – past and present, real and imagined––of a small Appalachian town in the United States. Shawnee emerged as a coal mining town in the 1870s. A century of decline forced businesses and people to leave, and today local residents fight to hold their buildings and community up amid a new “fracking” boom. Despite an uncertain future, these residents continue to work for environmental, economic, and cultural enrichment. Since 2010, I have been visiting and working in Shawnee. I have also been retracing the footsteps of my family, who immigrated there as Welsh coal miners in the nineteenth century. Shawnee, Ohio focuses on eleven portraits of local residents recounting their lives, work, friendships, and deeds. They talk and sing of mining, disasters, underground fires, social life, protest, and hope. They include women and men, are black and white, and are across generations and centuries. Working directly with community members, I use archival samples of their voices and weave them together with my own ensemble. Past and present are tangled together in a haunting world of music, stories, and images.“

 

 
 
 

Hi, Gregs, ja, was du mir über Janeks Robert Wyatt-Hommage schreibst, kann ich mir bestens vorstellen (ich könnte es in der Nachtsendung mit Genuss vorlesen), und freue mich darauf, die Musik erstmals auf der Insel im Norden zu hören, im Strandkorb eingemummelt. Mit im leichten Gepäck, was dadurch doch etwas weniger leicht wird, Marcus O‘Dairs Buch über das Leben unseres Meisters aus Louth. Das zapfe ich an, auch, um ein paar Anekdoten zu finden für meine „blaue Stunde“ über seine Lieder. Es heisst immer wieder, Rock Bottom sei sein bestes Album, aber für mich stehen sie fast alle auf einem Level. Jedes hat einen eigenen Zauber. Als ich ihm einmal aus der Toscana schrieb, wie sehr mich das Dämmerungslicht über den Hügeln südlich von Florenz (die Stadt liess mich kalt, da bin ich gerne Kunstbanause) an die Sphären seines Albums Dondestan erinnerte, schickte er mir eine Postkarte mit ein paar Gedanken zum Licht in den Bildern von Emil Nolde (es war ein Gedanke zum Licht, wenn ich mich recht entsinne, und etwas zu  Nolde und den Nazis). Tatsächlich hört man auf Dondestan genauso wie auf Rock Bottom den „tragenden Sound“ seiner alten kleinen Riviera-Orgel. Niemand anders als Michael Oldfield ermutigte ihn ja, bei seinem ersten grossen Wurf nach dem Fenstersturz, „Riviera“-Sounds übereinander zu schichten, um an Körper zu gewinnen. Und da fällt mir eine Kleinigkeit nach der andern ein. Auch du mit deinem schwäbischen Englisch würdest leicht in das Buch versinken, wir kennen die Platten so gut, dass die kleinen Geschichten ringsum Aha-, oder besser Ach-So-Effekte am laufenden Band produzieren. Der Jukebox von Hörnum werden drei Songs von Robert hinzugefügt: „At Last I Am Free“, „Soup Song“, und „The Sight of the Wind“. 😉 P.S. Am Freitag will Helge den ganzen Tag über „Schafe, Monster und Mäuse“ laufen lassen, Sven Regener kann es nicht lassen, und macht es einfach sooo gut. Darauf einen Eiergrog!

 


 
 
 

Was hört ihr auf langen Autofahrten? In meinem Auto befindet sich noch ein Kassettenabspielgerät, so dass CDs schonmal ausscheiden. Radio höre ich beim Autofahren fast nie, nicht einmal die Staumeldungen. Ich hatte zwei Klanghorizonte-Mix-Kassetten eingepackt, ohne die Beschriftungen vorher anzusehen, zwei Kassetten mit Übungen zum Toefl und eine Kassette, auf der nur „Jonathan Franzen“ stand. Die Übungen zum Toefl spielen fast alle im Universitätsmilieu und es geht um Probleme folgender Art: Eine Studentin, die sich bisher ihr Appartement mit einer anderen Studentin geteilt hat, wendet sich an einen Freund, und erzählt ihm, ihre Mitbewohnerin zöge aus, weil sie heiratet, und sie könne sich das Appartment allein nicht leisten. Der Freund oder Kumpel gibt dann ein paar Tipps und die Aufgabe besteht darin, das Problem und die Lösungsvorschläge zusammenzufassen und der Studentin einen Rat zu geben und diesen Rat zu begründen, das alles in ca. einer Minute Sprechzeit. Ich wechselte dann lieber auf Musik. Eigentlich habe ich nichts dagegen, beim Hören der Klanghorizonte ab und zu ein bisschen zu erschrecken, weil ich überlege, ob am Auto etwas nicht in Ordnung ist oder ob es doch aus den Lautsprechern kommt. Doch diesmal hatte ich vor allem ganz wunderbare Songs eingepackt. Leider ist die korrekte Beschriftung einer Kassettenhälfte bei meinem einzigen Festplattencrash verloren gegangen. Nach einigen Fragezeichen klingt deshalb die A-Seite aus mit „Lost Highway“ von Ran Blake, das Hans-Dieter besonders gefallen könnte. Gefolgt von „Made in the Dark“ by Robert Wyatt. Und „October 8“ by Midnight Choir. Das müsste eigentlich jedem gefallen, das dies liest. Auf der Jonathan Franzen-Kassette war auch keine konkretere Beschriftung. (Alles Ausnahmen. Normalerweise beschrifte ich ganz gut.) Ich hatte aber das Booklet zu Hause. Stories from „The Corrections“. Ich bin nicht die große Romanleserin, aber zuhören kann ich schon mal. The madness of an autumn prairie cold front coming through. No failure.

2015 23 Jun

Tattoo you

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(from gongplanet)

Da sitzt ein Typ jahrzehntelang am Rande irgendeines Nestes auf dem Lande in England. Am Rande von grünen Weiden. Büsche, Feld und Wald. Enturbanisiert oder zumindest urbandistanziert. Singt und spielt da vor sich hin, und die ganze Welt hört gespannt zu. Ab und zu muss er von Leuten wie Carla Bley (inzwischen auch ländlich geworden) oder Michael Mantler (dies Jahr zu sehen in Moers) angespornt werden, und der alte Kommunist singt sich aus der Welt in die Welt. Es gibt viele Weisen des Älterwerdens …
 
Soup Songs, soup sings: The music of Robert Wyatt (on BBC) HIER. Nicht taufrisch, aber nichtsdesto …
 
Und dann einige sehr schön treffende Beobachtungen über den Musiker Thomas Morgan und sein Bassspiel HIER
 
Richard Williams hat übrigens ein sehr gutes, aufschlussreiches Buch über einen der einflussreichsten musikalischen Impulse der 60er Jahre geschrieben. Darüber ein ander Mal!
 

 


 
 
 

We sat in Cafe Beckmann, in Dortmund, and one guy in our class had always been looking for strange, leftfield music. We all loved the Beatles or Stones, and my No.1-band were The Kinks, but this guy, P.S., came up with early Charles Lloyd, with Caravan and Soft Machine. One afternoon he gave me his copy of Soft Machine’s THIRD, and this was the beginning of a long-time relationship with Robert Wyatt’s music. All four sides of that double album were killers, but Robert Wyatt’s MOON IN JUNE overwhelmed me with its surreal beauty and his singing. I don’t know how often I had heared it during my late teenager years, but I think I belonged to the Top Ten or Twenty of German MOON IN JUNE-listeners.

Years later I stood in DIE SCHALLPLATTE, a record shop in Dortmund. The man in the shop (that was very small but seemed to contain the best music of the world) looked like Jimi Hendrix, and the woman was so much older than I was then, and sometimes I dreamed of her fucking me all day and all of the night. She was no. 10 of my masturbation charts. Both knew a lot about music, there I bought my first ECM album which must have been SART or RUTA AND DAITYA – and now there stood a guy in the corner. I knew him only a little bit, but I knew he was a music freak of highest order. So I approached him from the side and saw that white-grey album in his hands, ROCK BOTTOM. – He fell out of a window, he said to me, but now he’s back. Immediately I took another copy, had to wait much too long for the bus, ran home with that album in my hand, and put it on the record-player. I was stunned.

From that year on I always got a new Robert Wyatt-album as soon as it appeared in the shops. Often there were long breaks between his solo albums, but it was always worth waiting. The next album nevertheless was released quite fast after ROCK BOTTOM, and it was called RUTH IS STRANGER THAN RICHARD. By that time I had a little cassette record player with batteries, and on my holiday with U.U. in the Bretagne it was nearly the only music we heared in the car, the other one was HOTEL HELLO with Gary Burton and Steve Swallow. Musically spoken, these were days of wine and roses and Camembert and baguettes, but we were young, not really in love, the sex was so la la, and even when we returned via Paris, we couldn’t live up to the cliche of „the city for lovers“: the only real magic of those days was looking at the sea for hours, swimming at rocky coasts, sitting quietly in a famous little parc in Paris, and listening to Robert’s and Gary’s music.

 

 
 

Ich glaube, so ungefähr wie die 5-Sterne-Besprechung von Mike Barnes in der Dezemberausgabe der MOJO, hätte meine Besprechung für ein deutsches Magazin auch ausgesehen. Es ist ein Buch, das auch dem Robert Wyatt-Conoisseur viele interessante Einblicke in das Leben dieses (in seiner Musik) exzentrischen und zugleich so ungemein menschenfreundlichen Songartisten gibt. Himmel und Hölle. Höhenflüge und Abstürze. „What makes this biography so compelling and entertaining is the broadness of its context, as the narrative moves through, pop, jazz and avant garde music, drumming styles, songwriting, revolutinary politics, cultural history, pataphysics, disabled access, and the changing face of Britain, particularly from the ’60s to the ’90s. Wyatt’s opinions are never just pat and he always has a cogent explanantion for his singular take on the world. Much of Marcus O’Dair’s „Different Every Time“ is also very funny. And Wyatt has the last laugh.“ Mike Barnes traf ich vor Jahren einmal in Kristiansand, er ist einer der wenigen Wahlverwandten, die ich in Englands Musikjournalistenschar noch ausmachen kann. Richard Williams schreibt ja nur noch selten.

 
 
 

 

 

 

Michael Engelbrecht: Robert, du hast zwar nie die Macho-Kappe auf, aber Dein Album „Comic Opera“  enthält einige Parallen zu Bob Dylans „Modern Times“: die Figuren der Lieder sichten letzte Spuren von Liebe, streunen durch die Schlachtfelder der Gegenwart und träumen schlussendlich alten Utopien hinterher.

Robert Wyatt: Das Album kenne ich nicht, aber vor kurzem hörte ich mir einige Male Dylans Blood On The Tracks an, ein spukiges  Werk! Der Jazz prägte mich aber viel mehr als die Rockmusik der Sechziger und Siebziger Jahre. Denke ich an den Summer Of Love zurück, sehe ich erst mal nur den letzten Zug nach West Dulwich und einen leeren Kühlschrank vor mir.

– „Lost In Noise“ heisst der erste Akt deiner gar nicht nach Oper klingenden „Comic Opera“. Der Rausch der Liebe ist  oft nurmehr ein Rauschen: in dem Song „A.W.O.L.“ sendet ein altes Metronom letzte Zeitzeichen … 

–  … und es funktioniert kaum noch richtig, pumpt wie ein altes Herz. Der Titel bezieht sich auf das Verbrechen desertierender Soldaten: „absent without leave“. Alfie und ich kennen mittlerweile einige Witwen, die nach dem Verlust ihrer Partner ihr Leben neu konstruieren. Die freundlichen Geister um sie herum wirken gleichzeitig desorientierend und beruhigend.

–  Auch der Jazz geistert durch deine Songs auf eine seltsame Weise. Sie docken dabei an keiner bestimmten Ära an. Nur wenige Musiker der Popgeschichte sind so eigenwillig mit dem Jazz umgegangen, mir fallen da noch die späten Talk Talk und Joni Mitchell ein – da gab es nicht diese aalglatten gefühlsechten Imitate. 

– Imitation ist langweilig. Joni Mitchell wählte einen sehr persönlichen Zugang zum Jazz für ihr Album Mingus. Selbst als sie den Evergreen des schwarzen Bassisten sang, „Goodbye Pork Pie Hat“, folgte sie ihrer eigenen Stimme und entfernte sich ein Stück von dem Original. Trotz meiner Liebe zum Jazz kommt mir die amerikanische Musik des 20. Jahrhunderts oft so fremd vor wie die Musik von Aliens. Bei der rhyhtm section im Jazz mochte ich immer den Puls und die vieldeutigen Basslinien. Die rhythmische Basis wurde oft nur angedeutet, wie das Rauschen von Blättern im Wind. Ich suche gerne nach neuen perkussiven Farben für einfache melodische Linien.

– Das Saxofon von Gilad Atzmon und die Posaune von Annie Whitehead klingen rau und intim. Da ist bei aller Songfinesse nichts Veredeltes im Spiel. Das gilt auch für dein Trompetenspiel. 

– Ich bin letztlich nur ein altmodischer Popmusiker. Die Trompete habe ich anfangs zu alten Platten von Cole Porter gespielt, und dann, um ein Stück weit die Höhen zurück zu erobern, die meiner Stimme abhanden gekommen sind. Jetzt sind meine Helden alle tot, Don Cherry, Miles, Mongezi Feza, sie können nicht mehr beleidigt sein. Im übrigen hat das Spiel alter Trompetenmeister meine Art zu singen mehr beeinflusst als irgendeine andere Stimme.

– Die hinreissende Ohrwurm-Melodie  „Just As You Are“, die Du mit Monica Vasconcelos vorträgst, klingt wie ein verlorener Song von Burt Bacharach …

– Wenn es da eine Anspielung gibt, ist es wohl die früheste amerikanische Folkmusik. Man könnte Spuren von Gospel und Country ausfindig machen. Während der Aufnahmen in Phil Manzaneras Studio entedeckte ich Duette von Bob Dylan und Johnny Cash, die mich sehr berührten –  der jüdische Intellektuelle und der Südstaatenrocker mit dem guten Herzen …

– Nachdem du in den Songs „A Beautiful War“ und „Out Of The Blue“ abwechselnd in die Haut von Attentäters und Opfers geschlüpft bist, hört man deine Stimme im dritten Akt der „Comic Opera“ nur noch spanische und italienische Texte singen.    

– Für mich sind diese letzten Stücke und Songs ein Bündel von möglichen „Exit“-Strategien in einer unerträglich brutalen Welt. Da bin ich offen für Sinnsuche, für Bedeutungsreste, für jeden Lichtblick. Ich mochte die ergreifende Melodie von  „Del Mundo“; der Song basiert aber auf der mystischen, geradezu feminstisch anmutenden Weltsicht eines katholischen Komponisten. Da spukte wohl in jungen Jahren in seinem Kopf die Idee rum, daß wir es mit einer Erdenmutter besser haben würden als mit einem männlichen Gott.

– Wenn du „Hasta Siempre“ von Carlos Puebla interpretierst, klingt die alte Utopie revolutionärer Ideale an. Und wo ist der Ausgang bei Federico Lorcas „Cancion De Julietta“, einem seltsam dunklen Text voller Weltferne? 

– Diese dunklen Träume sind nicht immer nur alptraumhaft, sie öffnen auch eine neue Landschaft aus verstörenden Bildern. Und das macht Lorca oft. Oft sind seine Motive gleichsam unter Wassser angesiedelt, in einem Leben unter der der Oberfläche des  Ozeans. Tief unten. Das spricht mich sehr an, denn diese Zonen stelle ich mir oft vor, seit der Zeit, in der mein Album Rock Bottom entstand. Mit meinem Geist scheine ich einmal dort gewesen zu sein, auf eine Weise, die ich nicht weiter erklären kann.  


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