Manafonistas

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Archives: David Sylvian

 

 

 

 

 

This year’s PUNKT FESTIVAL has been a beautiful affair. After being curated by Eno and Sylvian in the last two years, it was a kind of going back to the roots of PUNKT. The best thing is the Punkt aesthetic which is, beyond the art of live-sampling, a lesson in stripping down nearly every „big thing“ to chamber music size and a sensual „being-lost-in-the-laboratory“-agenda. David Sylvian’s trio, The Kilowatt Hour,  shows the silent triumph of an artist rigorously following his own visions and thereby sacrificing old fans‘ nostalgic expectations. In case you’re looking for the best visual choreographies of modern music history, you can start, maybe, with early Pink Floyd, and you’ll end up at The Kilowatt Hour. The duo of Jan Bang with jazz pianist Tigran Hamasyan (and special guest Eivind Aarset) was one of the most shining hours of the Punkt history, telling that jazz’s future might be well-grounded in playing with fractured dejavues and nearly lost echoes. By the way, Tigran’s musical life changed when he (once upon a time) listened to „Dis“ from Jan Garbarek and Ralph Towner. The sound of the wind harp ist still alive, folks! Another breathtaking event was the duo of a singer and a guitarist: Eteniesh Wassie’s  and Mathieu Sourisseau’s performance was bleak, really bleak, another stripped-down intensity in its purest form. In parts rooted in the East of Africa, their music covered the range from trance patterns to joyous noise. No wonder that especially these three performances in  Foenix Cinema and  Kick Scene were followed by live-remixes (with Erik Honore, Ivar Grydeland, Jan Bang, Audun Kleive, Arve Henriksen, Sidsel Endresen a.o.) that transferred the original sounds to a totally different landscape without losing the emotional impact. In spite of the election in Norway that went utterly wrong (bad news) we will have PUNKT No. 10 next year (good news).

In the past, a long time ago, really, a lot of people who were going to David Sylvian concerts thought they were supposed to dress in black and wear deadly serious faces. In fact this was a way in which they expressed, at least for some hours, a world view full of soft existenzial darkness incl. some silver linings ranging from spiritual relief to healthy escapism. Going to The Kilowatt Hour, the fabulous trio with David Sylvian, Stephan Mathieu and Christian Fennesz, should encourage to delete all these fashion rituals. „Cool“ and „uncool“ are no longer categories that count, you can even wear flowers in your head. Go there with your favourite clothes, from Hawai, Rio, Milano, the suburbs of Trenchtown,  or Woolworth, leave all attitudes and signs behind that suggest you are extremely melancolic, a constant visitor of dark zones, or at some other bottom ground of  a shadowy half-life. The words set to music and the stripped-down music of the trio don’t deserve any posh and high brow games of beautiful losers. The music opens up wide spaces, a vastness with a breathtaking visual choreography. The  stories told are dealing with death, dying and last exits (in a very unromantic way). The purity of the performance  deserves an open mind. No charades, please!

Da kommen sie, schlicht gekleidet, auf die Bühne des Lichtspieltheaters. Ein Deutscher, ein Österreicher, ein Engländer. Stephan Mathieu liebt alte Grammophone, Christian Fennesz das elektrische Gitarrenspiel von Neil Young, und David Sylvian die Gedichte von Emily Dickinson. Kein Pappenstiel, die folgenden 70 Minuten. Wer solch fein gesponnene Kammermusik aus dem Geiste von Ambient, Drone und Sample schätzt, oder Zeiten kennt, in denen man sich vom strengen Morton Feldman eine dunkelblaue Stunde verordnen lässt (um die Sinne zu schärfen), kommt dem kühlen Mr. Sylvian und seiner „Kilowatt Hour“ leichter auf die Spur. In gewissen Abständen betritt eine geisterhafte Stimme das Rund, die in einem verwitterten, betagten Amerikanisch allerlei Unheiteres erzählt, was wahlweise auf Krankheit, Sinnverlust, Drogen, oder letzte Anstrengungen schliessen lässt, ein Beckett’sches Endspiel läuft da vor unseren Ohren ab, der Resthumor wird vom letzten Licht verschluckt. Die Stimme erinnert mich an William Burroughs, diese staubtrockene Beharrlichkeit in einem Laurie Anderson-Song. Sharkey’s Night? (Wie ich am nächsten Morgen herausfand, stammen Stimme und Texte von Franz Wright. David Sylvian hat ihn besucht, und die Aufnahme geleitet.)  Die Kilowattstunde mutiert zur Tranceinduktion, lieber läge ich lauschend auf einer Hängematte. Wo kommen die Klaviertöne her, die durchs Dunkel taumeln? Immerhin greift Fennesz manchmal zur Gitarre und verströmt einen dezenten Hauch aus der Ursuppe der Rockmusik. Mit seinem Set-up sorgt Stephan Mathieu für jene  Weite, die jeder Beklommenheit, jeder Enge entgegen arbeitet. Überschwang geht natürlich gar nicht, die Stimme aus dem Off ist zwar merklich angeschlagen, duldet jedoch weder Zuspruch, noch milde Gaben. Das Höchste der Gefühle ist eine kurze flackernde Reminiszenz an ein altes Lied, aus Frank Sinatras Schallplatte „Only The Lonely“. A dead bird is not a dead bird, wittert die Stimme mit den zahllosen Jahresringen, Einrissen und Erosionen. Im Hintergrund ist die Bildsprache beredt und raumgreifend im besten Sinn, die Ähren wiegen sich im Wind, und der tote Vogel zieht seine Kreise im Traum eines Anderen. Existenzieller Stoff. Dunkelspieltheater. Aus. Vorbei.

 

„Wandermüde“ by Stephan Mathieu and David Sylvian. David Sylvian’s experimental breakthrough „Blemish“ (sound-cd ss001) sees a new interpretation in the album „Wandermüde“, by the remarkable electro-acoustic musician Stephan Mathieu. Working from the instrumental source material, Mathieu brings us a new experience of the most stirring textures and darkest thoughts from this pivotal album. (source: samadhisound)

 
 

 
Mathieu/Sylvian: „Saffron Laudanum“  (from Wandermüde)
 
David Sylvian: „The Only Daughter“ (from Blemish)
 
 
„Eine Parallelwelt zu BLEMISH. Niemand, kein Mensch auf Erden, käme, wenn er es nicht wüsste, beim Hören von WANDERMÜDE auf die Idee, hier würden die Masterbänder von Sylvians Wendepunktmusik bearbeitet.“

„Liegt hier vielleicht Sylvians Mitwirkung in homöophatischer Dosis vor?“

„Nun, er spielt hier schon einige Instrumente. Ob er etliche allerdings neu einspielte, oder ob sie auf BLEMISH ein eher verborgenes Leben führen, weiss ich nicht einzuschätzen. Ein sehr dunkles Album, das einen eher an ON LAND von Brian Eno denken lässt als an ein Songalbum von Sylvian.“

„Ursprünglich war Mathieus Bearbeitung als Begleitmusik gedacht – für ein iphone-App, das Sylvians Digitalfotografie präsentieren soll. Entstanden ist dabei etwas Eigenständiges. Man hört tatsächlich das originäre Blemishalbum, allerdings bis zur Unkenntlichkeit verfremdet. Mir gefällts: ja, es wirkt dunkel und ernst. Saturn ist im Spiel.“

„Bei „Wandermüde“ fällt mir auch gleich das Wort „lebensmüde“ ein. Etwas Dunkles, Resignatives, ist den letzten Werken Sylvians zueigen. Dieser neuen Musik hört man das grosse Gelingen an, sich aus Erstarrungen zu befreien. Und das war auch zu hören auf Blemish oder Manafon. Aber noch einmal: nichts Klangliches vom Original schimmert hier durch. Als hätte man durch Löschen und Übermalen etwas vollkommen Neuartiges schaffen wollen.“

„Der Anfang des Songs „Saffron Laudanum“ ist deutlich als Motiv aus „The Only Daughter“ zu erkennen.“

„S p u r e n e l e m e n t e. Wie im Mineralwasser. Selten so klar wie hier. Übers Ganze gesehen, betreibt das neue Werk Auslöschung. Und der Vergleich mit ON LAND hinkte insofern, als dass Eno im Unheimlichen Sehnsuchtsräume öffnete. Hier werden konsequent Unheimlichkeiten produziert, die Musik verharrt zu sehr im Schaurigen. Knapp oberhalb der Erstarrungsgrenze. Die Musik meistert dabei einen besonderen Balanceakt: sie ist gleichermassen faszinierend und schwer erträglich.“

„Blemish bedeutet ja: mit Fehlern behaftet – insofern ist diese kühle Mineralwasserfassung ein Kontrast zum Ursprungswerk. Als man Sylvians Wendepunktmusik erstmals hörte, im Jahre 2005, hielt man es für eine mutige Gegennullreduzierung von Musik bzw Songs. Im Vergleich zu Wandermüde war das aber das blühende Leben …“

„Erstaunlich, wie sich Extreme fortschreiben können! Immerhin: das letzte Stück des Albums, zu dem Fennesz, wenn ich mich nicht täusche, neue Sounds beigesteuert hat, funktioniert fast als Hoffnungsschimmer. Übrigens ist das Dunkle kaum eingebildet, man lasse sich nur die Titel der Kompositionen auf der Zunge zergehen.“

 
 

 
 

Ganz in den Anfängen tauchte er auf durch eine zufällige Kombination aus Licht, Luft und totaler Abwesenheit von Sound. Daher sehnt er sich nach dem Leib der Stille. In seinen Ohren ist eine stille Welt eine wunderschöne Welt. Macht er sich auf einen Weg, wird er ständig eskortiert von einem Engel und einem Dämon. Sie sind beide stumm. Er beobachtet uns, er ist allgegenwärtig mit seiner milden und schrecklichen Ruhe und seinen sublimen Ohren, die jedes Wort auffangen, egal, wie zögernd oder unvollkommen es ist. Er würde gern unser gesammeltes Murmeln zu perfekter Stille destillieren. Er selbst äussert sich durch kleinste Bewegungen, Blicke und schmerzhafte Pausen, ohne Ende. Er trägt keine Feindschaft gegen uns im Sinn, aber er misstraut uns. Wenn die Lebenden ihn ermüden, wendet er sich den Toten zu. Sie wissen alles über Stille. Sie lauschen ihr. Der Gott der Stille ist ein geduldiger Gott. Er hat genug Geduld zu warten, bis wir alle Fossilien sind.
(Paal-Helge Haugen)

 

David Sylvian: voice
Jan Bang: samples
Erik Honore: synthesizer, samples, synth bass
Arve Henriksen: trumpet samples (performed by Jan Bang)

 

Jan Bang & Erik Honore: UNCOMMON DEITIES, out on Samadhisound on Sept, 26 (Radiopremiere des Stückes THE GOD OF SILENCE: Klanghorizonte (DLF-Nachtradio), 27. August 2012, nachts um eins)

 

Poetry and music always gets mixed reviews, because there are always critics who call such things high brow. A singer has to sing, not recite poems. Bullshit. The poems by two Norwegian lyricists are sensual explorations and mythical fantasies about the lifes of absent gods. A spiritual journey that will even please hard core atheists. Sidsel Endresen is the singer on several pieces. She never sings conventional language. But a careful listener will detect more torch and passion in her performance than in any well-mannered, recycled love song. The music explores and extends the brilliant texts of Paal-Helge Haugen and Nils Chr. Moe-Repstad. You’ll be transported, dear reader, feeling simultaneously safe and sound and fragile at weird places. The voice of Sylvian is in the center, calm and concentrated, telling stories about twilight worlds of power, well, the loss of power, and alienation. And it is a voice that knows when to leave the stage for the spirits around him. It’s a great art to create landscapes where even sweet sounds can be naked and merciless. Five stars. (M.E.)

2012 18 März

David Sylvian und seine Werkschau

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Ein Opfer der Sterne? Wir wollen es nicht übertreiben. Auf den Fotos des Doppelalbums sieht er wie einem Bergmann-Film entsprungen aus: „Wilde Erdbeeren“, mit David Sylvian. In der Zeit, als Virgin noch Richard Branson gehörte, gab es noch Risikozonen, Wagnisse, Spielwiesen. David Sylvian profitierte davon, zuerst mit Japan, später als Solokünstler. Wie ist das nun, wenn man manchen dieser alten Aufnahmen begegnet? Und quasi 30 Jahre gelebtes Leben an sich vorüberziehen hört? Überraschend interessant. Natürlich: auch der Sylvian aus den Achtzigern, mit Jon Hassell an seiner Seite, Holger Czukay am Kurzwellenempfänger, und „Brilliant Trees“ im Schaufenster, hat seine Insignien, Zeichen der Zeit, doch keineswegs veraltet. Nur angenehm gealtert. Ich freue mich, wenn ich immer noch Neues, Vergessenes im alten „Stoff“ wiederhöre; Erinnerungen taugen in der Musik nur, wenn sie mit Entdeckungen einhergehen. Die Klangreise dieser Doppel-CD („Victim of Stars“ ist exzellent kompiliert) endet mit einem Versprechen für die Zukunft, dem neuen Lied Where´s Your Gravity? – mit den norwegischen Kollaborateuren Eyvind Aarset, Jan Bang, Erik Honore und Arve Henriksen. Das nächste Songalbum von „Mister Samtstimme“ wird gewiss ein sehr nordeuropäisches werden. Anders als die vielen Verwalter des eigenen Ruhmes, hat Sylvian den Weg gefunden, keineswegs in Schönheit zu sterben.

2011 2 Sep.

The Invisible Eyes of David Sylvian

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Als ich Sylvian 2009 in Hamburg traf, waren seine Augen hinter einer Sonnenbrille verborgen. Er nahm die Brille auch nicht ab, als wir uns zum Interview in der dunklen Ecke eines Hotelflurs niederließen.

Gestern trat ich abends aus dem Fahrstuhl des Hotel Norge, und sah sofort Sylvian vor mir. Die Sonnenbrille hatte dieselbe Tönung, vielleicht hat er mehrere dieser Sonnenbrillen gehortet, aber ich nehme stark an, es war dieselbe Sonnenbrille. Er kam gerade an, Jan Bang und Erik Honore hatten ihn vom Flughafen abgeholt.

– ah, hello, sagte ich zu Sylvian, und schaute freundlich dorthin, wo ich seine Augen vermutete. Seine Reaktion ließ nicht etwa auf sich warten, nein, sie fand gar nicht statt. Er schien durch mich hindurchzublicken, als sei ich „der Unsichtbare“ in einer Science-Fiction-Geschichte. Sensiblere Naturen könnten sich leicht gekränkt fühlen, ich musste zum Glück nur schmunzeln, und fragte mich, ob eine gewisse Unnahbarkeit (oder Kühlheit) der Preis sind, den manche Hochseilartisten des Brüchigen zahlen.

2011 16 Juni

Sylvians Anderswo

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Seit BLEMISH, spätestens aber MANAFON und den daraus erwachsenen, eigenständigen Variationen auf DIED IN THE WOOL fragt man sich, welcher Kategorie dies alles wohl zuzuordnen sei. Für Jemanden, der Musik vorzugsweise durch Antizipation bzw Ahmung (1) rezipiert, gestalten sich die jüngsten Gradwanderungen des Popmusikers David Sylvian als schwierig. Man findet dort nichts, was zum Mitspielen, Mitsingen, Mitschwingen einlädt – egal ob in der Badewanne oder in anderen Übungsräumen.

„Das Leben ist Anderswo“, betitelte einst Milan Kundera ein Buch und Sylvian scheint der implizierten Forderung, dieses Anderswo zu suchen, in seinem musikalischen Schaffen nachzukommen – gewiß kennt er den tschechischen Autor, sein Song „Laughter And Forgetting“ (GONE TO EARTH) zeugt davon.

Kritische Geister behaupten aber, Leben sei in seinen ungeheuerlichen Klanglandschaften neuerdings ebenso wenig zu finden wie Musik und böse Zungen sprachen gar von „Geräuscherzeugnissen“ – also Lärm. (Auch in Kunderas „Unerträglicher Leichtigkeit des Sein“ ist von Lärm-Musik, genannt „muzak“, die Rede. Gemeint ist dort aber der einfältige, nervige Schlager)

Sylvian verweist den Hörer seiner neuen Werke auf eine Zaungast- und Zeugenposition, die sich darauf beschränkt, Klangereignisse nur wahrzunehmen, anstatt dort selbst aktiv mitzumischen. Das mag auch einer der Gründe sein, weshalb Improvisierte Musik und Neue Musik es generell schwer haben, ein größeres Publikum zu erreichen: man bleibt dort irgendwie „aussen vor“.

„Die authentische Neue Musik existiert vor allem als eine Expertenpraxis, in der es kaum um ein Singen und Spielen im Sinne der traditionellen naiven Musikalität geht, sondern um die Exploration der Klangproduktionsmittel und der Kompositorischen Verfahren …
schrieb Peter Sloterdijk 1993 in WELTFREMDHEIT über die Kategorien der Musik.

Improv-Musik, und auch die abstrakteren Song- und Samplegebilde David Sylvians, verbleiben wohl doch, wie der moderne und teilweise dahinmodernde („it smells funny“) Jazz auch, in einer vertrauteren, von Sloterdijk folgendermassen beschriebenen Kategorie:
„Die performative Musik versucht, sich mit offensiven Mitteln den Weg zum Publikum zu bahnen. Auch sie hält am Primat der Hervorbringung fest, indem sie die Klang-und Bühnenereignisse den Hörererwartungen agressiv überordnet.“

Und so bleibt auch die Musik des einstigen Art-Punk-Eleven immer noch auf die roots von Folk; Blues; Jazz; Rock; Pop und Ambient bezogen – wenn auch in sehr sublimer Weise. Denn in ihr ist etwas Neues, ein Anderswo enthalten, das so mancher Ex-Verehrer seinem Ex-Popstar übelnimmt. Die Erwartungen dieser Hörerschaft werden seit BLEMISH gehörig blamiert – möchte man doch lieber auf dem Fluß vertrauter Gewässer weiterrudern.

„Das Leben ist ein langer ruhiger Fluß“ – von wem war das nochmal, zuguterletzt?
Von Kundera jedenfalls nicht. Ist auch egal, denn es stimmt eh nicht: nicht an Weser, Rhein und Themse – und auch nicht Anderswo.


(1) Der Begriff Ahmung stammt von Christian Kellerer, dessen Buch „Der Sprung ins Leere. Objet trouvé – Surrealismus – Zen“ leider schon seit Langem  vergriffen ist.
Ahmung: dieser Begriff umfaßt die unbewußte Reaktion des Nachahmens im Sinne eines Mitschwingens. Im Gegensatz zum Imitieren vollzieht sich Ahmen beim Menschen völlig unbewußt und ungewollt mit weitreichenden Auswirkungen.“ (www.christian-kellerer.de)

 
 

 
 
 
Jetzt also eine neue, aktuelle Wasserstandsmeldung aus der Alchemistenküche –
und man kann Entwarnung geben allen Hasenfüßlern, die noch in den drögen Tälern
und klammkaltem Wäldern von MANAFON vor dem Rabbitskinner flüchteten und
aufgeregt umherirrend riefen: „What a Noisemaking and Troubleshooting!“

Die Variationen des umstrittenen, kontrovers rezipierten Erstlings kommen jetzt
in eingänglicher Form daher und bestätigen wieder mal: „Die Wahrheit ist milde“.
Denn das hört sich gar nicht mehr so sperrig und schwer verdaulich an wie die
vormals mit Improv-Ballaststoffen dargereichte Magerkost.

Trotzdem war MANAFON wichtig und unverzichtbar, denn: „Im Mangel blüht der gelbe Ginster der Erleuchtung“. Und nur, wer die Hohe Schule der Enthaltsamkeit erduldet,
wird die Schule der Besänftigung dann umsomehr geniessen können – das wußte
schon Altgrieche Epikur.

Auf DEAD BEES ON A CAKE gab´s ein Stück Kuchen, das besonders schmackhaft war:
der Song Alphabet Angels. Gern hätt ich mehr davon gehabt. Nun endlich die Fortsetzung dieser besonderen Art des Songwritings: I Should Not Dare – and should I dare to say
that it´s one of the best songs, that i´ve ever heard?

Aber auch A Certain Slant Of Light ist ein aussergewöhnlich schöner Song:

Sylvian, once more a creator of sublime beauty – he promised us poetry and kept to this promise. Arve Hendriksens Trompetenausklang hier: wie mit einem Stock beiläufig in Sand gezeichnete Linien eines buddhistischen Mandalas, das dann vom Winde verweht wird. Ephemere Reflektionen; flüchtiges Nebenbei; ästhetische Sensationen an den Rändern des Geschehens. Als ein mehr Song- denn Albumorientierter ist mein erster Eindruck: dies sind zwei sehr gute CDs mit zwei Liedern drauf, die Ihresgleichen suchen und nicht finden.

MANAFON ist ein zärtliches Ungetüm, eines der wenigen Meisterwerke des jungen Jahr-tausends. DIED IN THE WOOL – THE MANAFON VARIATIONS spinnt all die Fäden fort,     die sich da anbahnten, öffnet Räume, schliesst Fenster, lässt die alten Gesänge seitwärts treiben, schiebt neue Songs hinterher. Wer vor MANAFON flüchtete, wird sich auch hier in Sicherheit bringen wollen. Was passiert hier alles mit dem Originalstoff: mal verschwindet die ganze Kulisse der frei improvisierte Gespinste, und wird durch den streng modernen Duktus eines japanischen Komponisten ersetzt, mal werden diese detailfreudigen Sound-forschungen des Ursprungsalbums subtil variiert. Das Amalgam funktioniert immer und nimmt gefangen: ob Arve Henriksens Trompete nordisch uncool die Vertonung eines Gedichts von Emily Dickinson anreichert, ob Samples aus einem Konzert von Skuli Sverisson (Kristiansand 2010) momentlang einen tonalen Untergrund bauen, wo sonst harmoniefreie Klangpartikel ins Offene entschweben, ob die Melange von Ambient Music und Song Sylvian zu einer zauberischen Ballade antreibt, die den Samen für ein ganzes Werk bilden könnte (I SHOULD NOT DARE): was durchweg verblüfft, ist die Natürlichkeit, mit der hier Neue Kammermusik, Electrionica, Sampling sogenannter Pop- und Klangspuren von manch anderen Welten eins werden. Geradzu lässig, als ginge all das Unerhörte und Dunkle leicht von der Hand.


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