Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2019 20 Apr.

„Comes a time“

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Dieses Foto habe ich gestohlen. Es findet sich auf dem Blog von Karl Hyde, und erinnerte mich sogleich an das Cover von „Someday World“ von Eno und Hyde. Wahrscheinlich ist es in Essex entstanden. Ins englische Hinterland drangen auch die ersten beiden Stunden der Radionacht Klanghorizonte vor, die ich hier noch einmal für eine Weile reinstelle. Es beginnt mit dem Gedicht der einst dort so zurückgezogen lebenden Emily Dickinson, dargeboten auf ihrem uralten Klavier, und das in ihrem einstigen Zuhause. Grossartige Idee der Unthanks. Die Nacht, die um Emily  herum immer schwärzer wird, findet ihren Nachhall in Fennesz‘ Stück „Rainfall“. Es folgt ein feiner, lyrischer Song aus der Folkkammerkiste des neuen Albums von The Leisure Society, der dieses ländliche Flair aufnimmt, das von Will Burns und Hannah Peel in wiederum dunklere Zonen gelockt wird.

 
 
 

 
 
 

Wie immer machte das „sequencing“ der Stücke besondere Freude, und es war diesmal zeitaufwändig. In der zweiten Stunde sind dann, u.a., zwei Ausschnitte aus meinem Interview mit Areni Agbabian, zu hören, deren fantastisches Album ich auch in den JazzFacts vorgestellt habe. Eine Jazzsängerin ist sie ja eher nicht, schrieb mir ein Freund aus Amerika, und ich antwortete, „nope, she‘s an inside singer“. Und er lachte, und wurde nach dem vierten Anhören von „Bloom“ zum Fan dieser Produktion.

 

Leider hatte ich zum Zeitpunkt dieser Nachtsendung noch nicht das Album „Designer“ von Aldous Harding zur Hand (fragen Sie mal Joey, der ist ganz aus dem Häuschen, was diese Neuseeländerin betrifft!) – ich mag diese beiden Alben der zwei Sängerinnen unheimlich.  Da fällt mir ein: was bin ich gespannt auf mein Interview mit der exzentrischen Chan Marshall (Cat Power) – ihre letzte Alben haben mich trotz meiner Jugend und Unstetigkeit stets in den richtigen Momenten meines Lebens erwischt. „Wanderer“ mögen manche für ein recht konventionelles Werk halten, aber ich halte das für die falsche Schublade. Wie bei Areni und Aldous, ist auch bei Chan jede Sekunde lebendig. Three song albums that breathe life in every corner.

 

Heute morgen zahlten sich meine „Chicago Connections“ aus, und es landete das neue Album von Bill Callahan auf meinem Frühstückstisch. Ich frage mich, wie es es sich auf seine Songs auswirkt, dass er nun kein „drifter“ mehr – und im Familienleben angekommen ist. „Comes a time to settle down“, sang Neil Young einst auf dem famosen akustischen Album „Comes A Time“. Auch so eine Platte, die ich ein Leben lang hören kann.

 

 

Hour 1

 

 

Hour 2

 

 

2019 19 Apr.

The Night Life, by Will Burns

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Leben, bei Nacht

 

Da ist ein Teil von mir

der nicht kapieren kann,

wie wir auch nur hierhergekommen sind –

du mit fünfundzwanzig schon geschieden

und wir, als Paar, per Anhalter

die mesoamerikanische Küste rauf und runter

wie wir es uns als Fluchtweg immer ausgebrütet haben.  

 

Wo uns übel wurde von verdorbenem Eis,

nicht von den Trinkgelagen

gegen Mitternacht

mit Leuten, die spontan die Welt bereisen,

die Anrechte auf Immobilien geltend machen,

jenseits der Möglichkeiten eines Kredits

oder des rein Physischen.

 

Egal wie robust auch unsre Körper

wie eingehüllt in Kunststofffasern

wie geschwollen vom Krebs:

zu schlagen nicht mehr

als exakt eine Milliarde Mal,

wenn ungehindert,

ist die einzige Bedeutung des Herzens.

 

(übersetzt von Martina Weber)

 

2019 18 Apr.

Natalie

von | Kategorie: Blog | Tags: , | | Comments off

Die junge Natalie begeisterte sich einst für einen der kitschigsten Filme überhaupt, „The Sinking of the Titanic“, anderthalb Stunden lieben, und anderthalb Stunden sterben. Dass ihre Platte dann auch noch wildromantisch daherkommt, und der hehre Gesang keine Gefangenen macht, liess bei flüchtigem Hören erstmal Abwehr entstehen. Aber als sie mir dann die Schallplatte schickten, und ich sie auflegte, in aller Ruhe hörte, kippte der erste Eindruck. Erst dachte ich, ja, eine Nachfahrin von Carole King, clever, clever: der „Brill Building-Sound“ hat ein neue Kunstfigur nerausgeputzt. Aber dann: all die Unterströmungen. Und jedes Lied nimmt eine andere Fahrt einer alten Zeit auf, und macht daraus zeitgenössisches Seelentheater. Noch bin ich hypnotisiert, aber wenn der Zauber anhält, haben wir es hier wohl mit einem heissen Kandidaten für einen „instant retro classic“ zu tun. Ich bin schon jetzt sicher  es wird das „Mojo Album of 2019“ werden. Natalie Mering hat wohl schlicht und ergreifend ein beeindruckendes Album gemacht. Wenn man die eigenen Platten nicht alphabetisch ordnet, kann man sie gleich neben „Pure Comedy“ ins Regal stellen. In other words: „a lot will surely be said about how the palate of the album recalls the neoclassical New Age-y ethos of a lot of late-’60s and early ’70s folk pop music, and of course its cinematic allusions, but the truly incredible components of these songs are within their active movement and the way that something like a Brill Building sound can be so deeply personal. Warm gallops slacken serenely and new spaces are birthed inside structures we thought we’d exhausted.“

2019 17 Apr.

Nein!

von | Kategorie: Blog | Tags:  | | 1 Comment

 

Seine Las-Vegas-Shows, vorsichtig gesagt, tun John Fogerty nicht gut.

 

 

  • Alto Saxophone, Flute – Nick Mazzarella
  • Autoharp, Piano, Flute – Ben Boye
  • Bass Clarinet, Flute – Jason Stein
  • Cornet, Flute – Ben Lamar
  • Gong, Harmonium, Flute, Painting – Lisa Alvarado
  • Gong, Tam-tam, Flute – Mikel Avery
  • Guimbri, Flute, Composed By, Producer – Joshua Abrams
  • Tabla, Tar (Drum), Flute – Hamid Drake

 

 

On the last track, they all pick up the flute,  blowing nirvana, so to speak, on a double-album with four compositions. Time is your friend on all of them. When it is said that American minimalism of the kind of Glass or Reich has some sources in modal jazz, this album of Mr. Abrams is proving exactly that – continuing the path of a nearly forgotten band named „Town & Country“, with a shower of nearly never-ending organic pulsations, and the deceptively simple machinery of illusion. Don Cherry should be a silent, happy witness here.

2019 15 Apr.

The first loop

von | Kategorie: Blog | Tags:  | | 1 Comment

 

a u d i o

 

(reprise)

 

Eine Verbindung zwischen Philosophie und Fernsehen lässt sich leicht finden. Gerne denke ich an jene Nächte, in denen Dingens und ich bei Vollmond, begleitet von einem Hund namens Tiger, stundenlang am Fluss entlangliefen und etwa über die Gäste von Talkshows sinnierten, hinsichtlich der lebensphilosophischen Relevanz des Gesagten und angesichts jener durch äussere oder innere Stimmen geäusserten Forderung: Du musst dein Leben ändern! Ein anderer Kumpel früherer Tage war da eher Freund der schnellen Lösungen: „Ein Loch ist im Eimer, Karl-Henry? Dann flicke es!“. Aber pure Verhaltenstherapie nach der Methode Hast du Angst vor einer Brücke dann spring von ihr hinunter war unsereins ja schon immer suspekt. Das Interesse an Philosophie war und ist auch begründet in dem Verdacht (Boris Groys), dass es etwas zu wissen gibt, das sich zu wissen lohnt und sich abhebt vom Grundlagengepauke jeder noch so guten Schulbildung, vielmehr initiiert ist durch Neugier und eigene Fragestellungen. Kontraproduktive Überbleibsel schwarzer Pädagogik finden sich ja heute noch zuhauf. Auch Phänomene des Zeiterlebens waren immer von Interesse: Paul Virilio etwa und seine Gedanken über „Geschwindigkeit“, die ihren aktualisierten Fortgang finden etwa in Hartmut Rosas Begriffen der Resonanz und Unverfügbarkeit. Ein anderer, Bernard Stiegler, zählt zu den „gefährlichen“ Denkern. Nicht, weil er einst als inhaftierter Bankräuber zur Philosophie fand (siehe sein Essay Zum Akt, erschienen bei Merve), sondern weil er glaubhaft darstellt, was uns alle heutzutage tendenziell zu digitalen Zombies werden lässt. Er schreibt in seinem Buch Logik der Sorge: „Die Retention ist die Grundlage jedes Sorge-Systems, das stets ein Lernsystem ist, durch das sich Aufmerksamkeit entwickelt. Lernen bedeutet etwas behalten, lateinisch retenire.“ Mit anderen Worten: darf es bitte etwas mehr sein als das Zappen durch Kanäle und das Wischen auf der Screen? Fernsehserien sind hier aber nicht nur Stoff, aus dem die Träume sind, die uns wehrlos überfluten (Stieglers „pharmaka“), sondern vielmehr Fundgrube für Identifikationen, Empathien, Leitbildspiegelungen und biografische Parallelen. Und sie sind Objekte des Rückbezugs: der Retention. Da man sie nicht ins Regal stellen kann wie Bücher, die man schnell zur Hand hat, um das mit Bleistift Angekreuzte aufzufinden, führt man eben Listen und erinnert sich auf diesem Weg an seine televisionär zurückgelegten Strecken und Terrains. Hier wird dann die eigene Einbildungskraft revitalisiert, zudem das Gedächtnis geschult. Man ist dann mehr als blosser Konsument von kulturellen Inhalten. Denn was hilfts: die Tage der Gutenberg-Ära sind lange gezählt und man muss sich anderweitig zu behelfen wissen. „Seit Jahren nervte mich dieser klappernde Hinterbauständer am Fahrrad. Heute habe ich endlich einen Neuen montiert. Herrliche Stille nun!“ Well done, Karl-Henry. Es leben die Aufmerksamkeitstechniken!

2019 13 Apr.

Bauhausstil

von | Kategorie: Blog | Tags:  | | 8 Comments

„Heute weiß jeder Bescheid. Wohnungen mit viel Glas- und Metallglanz: Bauhausstil. Desgleichen mit Wohnhygiene ohne Wohnstimmung: Bauhausstil. Stahlrohrsesselgerippe: Bauhausstil. Lampe mit vernickeltem Gestell und Mattglasplatte als Schirm: Bauhausstil. Gewürfelte Tapeten: Bauhausstil. Kein Bild an der Wand: Bauhausstil. Bild an der Wand, aber was soll es bedeuten: Bauhausstil. Drucksache mit fetten Balken und Grotesklettern: Bauhausstil, alles kleingeschrieben: bauhausstil. ALLES GROSSGESPROCHEN: BAUHAUSSTIL.“

Ernst Kállai (ungarischer Kunstkritiker): „Zehn Jahre Bauhaus“, 21.1.1930

 

Ich mag’s trotzdem.

Musik Produktion Schwarzwald (Teil 3)
 

Wenn man sich näher mit dem Thema `MPS´ beschäftigen möchte, kommt man an einem Buch nicht vorbei: Klaus-Gotthard Fischer: „Jazzin‘ The Black Forest“, The Complete Guide to SABA / MPS – Jazz Records, SABA/MPS – Geschichte eines Jazzlabels (German / English). Hier findet man die MPS-Story mit dem kompletten Verzeichnis aller 700 LPs, inklusive Cover-Abbildungen, sowie zwei ausführlichen Interviews mit Hans Georg Brunner-Schwer und Joachim Ernst Berendt.

 
 
 


 
 

 

Das Buch erschien 1999 zum Preis von DM 99,90, heute ist das Werk leider längst nicht mehr zu haben, nur noch antiquarisch, der Preis liegt zwischen 180,00 Euro und 500,00 Euro. Es gibt Grenzen. Und es gibt Bibliotheken, so habe ich mir das Buch über Fernleihe in einer Stadtbibliothek ausgeliehen. Es hat sich mehr als gelohnt, das Werk ist eine Goldgrube. Klaus-Gotthard Fischer, der mit Ilse Storb 1990 das Buch“ Dave Brubeck. Improvisationen und Kompositionen. Die Idee der kulturellen Wechselbeziehung. Mit einer Diskographie“ herausgegeben hat, leistete hier ganz Arbeit. Fischer ist eben auch ein passionierter Sammler, er verfügt über eine vollständige Sammlung der Jazzplatten von SABA / MPS. Die 78 Seiten genauester diskographischer Daten begeistern den Plattensammler. Genannt werden Datum, Musiker- bzw. Formationsname, Aufnahmeort, Aufnahmelokalität, Toningenieur, beteiligte Musiker mit Instrumentenangabe, Musikstücke, Komponisten, Laufzeit; Titel, Produzent und Jahr der Veröffentlichung der Originalschallplatte; Verfasser der Erläuterungen (Liner Notes) auf der Plattenhülle; Ausgaben, Bestellnummern Originalausgaben bzw. Äquivalentausgaben (In- und Ausland); Compliation- Sampler-Ausgaben und schließlich Bemerkungen zur Aufnahmesitzung und zu den Plattenveröffentlichungen, abweichende Titel von Äquivalentausgaben, Auszeichnungen, Preisverleihungen usw. Hinzu kommen noch das voll-ständige Register aller 700 LPs inklusive Cover-Abbildungen, alphabetische Register der LP / CD Titel, der Musiker und Formationmen. Eine unglaubliche Fundgrube. Ein Beispiel: J.E.Berendt erzählt in einem Interview, das der Autor des Buches mit ihm geführt hat, von einer Aufnahme-session mit Ben Webster und Don Byas: „Der eine ist wohl der größte Tenorsaxophonist, der je bei Duke Ellington gespielt hat, der andere war eng mit Count Basie verbunden – beide von ihren leaders gefeuert, weil sie zu viel tranken. … Wenn ich Don und Ben ihre unbegleiteten Soli spielen höre, kommen mir die Tränen, sie erzählen die ganze Tragödie, den ganzen Schmerz ihres Lebens. Was ich damals über Ben´s Solo schrieb, gilt weiter: `Dieses Solo ist der ganze Ben Webster – es ist in jedem Takt, in jeder Note, in jedem Sound und Atemholen voller Emotion, voller Liebe und Einsamkeit, voller Sehnsucht und Verzweiflung, voll Heimatlosigkeit und Nirgendwohin-Gehören. Ben hatte auf der Fahrt nach Villingen immer wieder gefragt: Where should I Live? In Amerika seien seine Mutter und Großmutter kurz hintereinander gestorben – Everybody is dying now – und er habe niemanden mehr, auch Zuhause in Kansas City nicht; in Europa habe er Paris, Skandinavien, Amsterdam, London ausprobiert. Wohin soll ich noch gehen? All das schwingt in jedem Takt. Der Titel “When Ash Meets Henry“ ist so irreal wie die Musik. Ash ist einer der alten Jazzleute aus dem frühen Kansas City, Henry ist `a great Jazzfan in London´. Die beiden können niemals zusammenkommen – und dieses “Niemals und Nirgendwo“ fühlte Ben, als er sein Solo spielte. Nach der Aufnahme gingen Don und Ben mit Messern aufeinander los. Willi Furth und Hans Georg Brunner-Schwer hatten Angst, als sie die Messer sahen: „Solche Musiker bringen Sie mir aber nicht mehr ins Haus.“ Ich ging rüber ins Studio, drückte auf den Knopf, damit die beiden hören konnten, was sie gerade gespielt hatten. Da sahen sie sich an, umarmten sich und weinten – und dann lachten sie schallend. Ich wußte, daß ihr Zorn keine Wut aufeinander war, sondern auf die Welt, von der sie doch ein Leben lang erfahren haben: Sie ist nicht in Ordnung.“

 
 
 


 
 

 

Natürlich wollte ich die Platte unbedingt hören, als gebrauchte LP oder CD ist sie durchaus noch zu haben und ich möchte sie hier sehr empfehlen, eine wunderbare Platte! Die diskographischen Angaben in dem Buch „Jazzin‘ The Black Forest“ verraten folgendes: Die Aufnahmen fanden am 1.und 2.Februar 1968 im SABA-Tonstudio in Villingen statt, der Toningenieur war Rolf Donner, neben Webster und Byas spielten Tete Montoliu (p), Peter Trunk (b), Al `Tootie´Heath (dr) folgende Titel ein: Blues For Dottie Mae (Byas/Webster), Lullaby to Dottie Mae (Byas/Webster), Sundae (Cann-Miller-Krueger-Styne), Perdido (Duke Ellington- J.Tizol), When Ash Meets Henry (Webster), Caravan (Duke Ellington-J.Tizol). Der Produzent war Joachim Ernst Berendt, die Scheibe erschien 1968 bei SABA-Records, später noch bei MPS, MPS/BASF, PRESTIGE mit den Liner Notes von J.E.Berendt, in den Niederladen mit Erläuterungen von Mike Hennessy. Noch Fragen?

2019 11 Apr.

Aldous Harding – „Fixture Picture“

von | Kategorie: Blog | Tags: , | | Comments off


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