on life, music etc beyond mainstream
2022 15 Jan.
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
2022 15 Jan.
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: 21.05 Uhr, 3. Februar, Deutschlandfunk, My 25 favourite albums of 2022 | 2 Comments
Es ist eine interessante Arbeit, die JazzFacts zu gestalten. Nachdem der „Baukasten“ der Sendung mit Hilfe einiger Hörer konkrete Gestalt angenommen hatte, aus einer ganzen Reihe spannender neuer Produktionen ein paar der Kohärenz des Ganzen geopfert werden mussten („killing your sweetest babies“ – sorry, Steven Bernstein, sorry, Tim Berne), die drei Beiträge geklärt waren, begann das „sequencing“, das heute morgen eine weitere Volte erlebte: ich tauschte die Plätze von Niklas‘ Suche nach den Bertriebsgeheimnissen des Münchner Quintetts „Fazer“ mit meiner Vorstellung des wunderbaren „Korallen-Trios“ von trumpet magus Leo Smith (80 Jahre jung, ultraproduktiv) mit zwei Gitarristen. Vor dem Finale mit „Dedication“ werden also drei Trompeter den Ton angeben – unterschiedlicher können Trompetenhorizonte kaum sein.
Der ganze Plan bekam vor einer Woche einen zusätzlichen Kick, als das Basssolowerk von Dieter Ilg in der Post lag, und ich ganz und gar beeindruckt von der Musik, über Michael Gottfried, den Kontakt zum Künstler herstellte. Meine Fragen beantwortete er schriftlich. Kein Problem, wir haben gute Sprecher im Sender. Aber was für scharfe, gewitzte Antworten das waren – Dieter Ilg nimmt kein Blatt vor den Mund, und zwei Passagen seines „Briefes“ bilden den gelungenen Rahmen dieser Jazzstunde. Und es beginnt wie in einem Film: jemand erzählt, der sich „Einzelwolf“ nennt, lässt seine Worten Töne folgen … und wir sind mitten drin im Geschehen.
Und dann der schöne Übermut in Zeiten blitzschneller Kontaktmöglichkeiten. Ich mailte Steve Tibbetts die „Korallenmusik“, und bat ihn – vorausgesetzt er habe Zeit (er hat derzeit sehr wenig), und fände grossen Gefallen an diesen mäandernden Gitarrensounds von Leos Reise zum Pazifik – mir seinen Höreindruck zu schildern. Vom Schlagwerker Ziv Ravitz wollte ich auch gerne was wissen, fand seine Adresse im Netz, formulierte knapp gehaltene Fragen ins Blaue („Naked Truth“ hat gewiss einen magischen Mehrwert – aber fassen Sie den mal in Worte, ohne Poesie). Und dann nahm ich mir spasseshalber noch die originelle wie wimmelbildfeudige Website von Bill Carrothers vor, bat auch ihn um ein „audio-file“ zu meiner Frage, worin denn die Eingebungen des Augenblicks bestanden hätten, als er sich in der Provence mit Vincent Courtois Joni Mitchells „Circle Song“ zugewandt hatte, ein Song, der vielen eine Menge bedeutet.
Aber auch, wenn bis zur Produktion am frühen Morgen des 3. Februar keiner der Drei Laut gibt – es ist einfach ein gutes Gefühl, konzentriert dieser Handvoll Platten der kommenden Ausgabe mit Neuem von der improvisierten Musik ausgiebig zu lauschen, hier und da kleine Texte dazu zu verfassen, und ganz beiläufig darauf gefasst zu sein, kleine Audiodateien aus der weiten Welt zu erhalten. Aber warum so weit in die Ferne schweifen, ladies and gentlemen – die Post des „Einzelwolfs“ (aka Dieter Ilg) liess keine Wünsche offen und überraschte zudem. Zum Ende hin fragte ich ihn, wie es ihm denn an jenem Tag ergangen sei, als „Dedication“ seinen letzten Schliff erhalten hatte, und er antwortete:
„Auf dem Nachhauseweg stromerte ich an den Hängen des Schwarzwaldes entlang und siehe da. Meine gute Stimmung nach produktiver Arbeit verleitete mich etwas vom Weg abzukommen. Nein, Rotkäppchen lief mir nicht über den Weg. Aber einige Prachtexemplare von Steinpilzen lockten mich down, Verzeihung, zogen meine Blicke an, und verkündeten wohlschmeckende Berichte aus den Mysterien des Myzelreiches. So stieg ich hinab in die Untiefen des Pilzglücks und widmete mich stundenlang den Fruchtkörpern irdischen Glücks. Carlos Castaneda wäre neidisch gewesen.“
2022 14 Jan.
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: City Slang, Fazer, Plex | Comments off
Die Musik des Münchner Quintetts Fazer packt mich wieder und wieder, aber warum. Ganz nett, werden manche nach kurzem Reinhören sagen, aber, nein, nein, das ist nicht einfach nur nice. Vielleicht sind diese, jedem Extrem, Exzess, jeder ausladenden Emotion widerstehenden, Kompositionen von „Plex“ deshalb so faszinierend, weil alle Bausteine der fünf Freunde so lebendig ineinander greifen, so trickreich verschachtelt sind. Ich bin positiv ratlos. Wie eine verlockende Schnitzeljagd aus einem Abenteuerbuch für Gross und Klein – Enid Blyton-Jazz 2.0. Schliesslich kommt in Niklas‘ kleiner Radionummer auch eine richtige „Schwiegeroma“ vor. Man kann die LP sogar nachts hören. Wer hat die schönste Sentenz parat für dieses Album? Ghostwriter für eine Satz gesucht! Von ferne kommt mir Volker Kriegels Mild Maniac Orchestra in den Sinn. Mild maniacs…
2022 13 Jan.
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 7 Comments
Endlich habe ich wieder die Einzelteile meines vpi Prime zusammengefügt – „Loftsound“ in Neheim hatte mich bestens geschult, den schweren Plattenteller unfallfrei zu platzieren – und der Tonabnehmer von Gold Note mit Namen Machiavelli klingt schon auf seinen ersten Runden quite magic. Es läuft eine Schallplatte, die nahezu jeder High End-Laden kennt und sich noch heute hervorragend verkauft – lauter dänische / skandinavische Musiker in Höchstform, besser kann eine Live-Aufnahme kaum klingen, und dass der Jazz von „Live at the Pawnshop“ eher traditioneller Art ist, stört kein bisschen, denn die pure Musikalität drängt alle Genrefragen an den Rand. Ich muss gerade mal die Seite umlegen … und was hören wir: „Struttin‘ with some Barbecue“, das schon Louis Armstrong im Köcher hatte. Schon im April soll die nächste Sylter Runde stattfinden, bis dahin werden alle Lesegefährten*innen Sarah Bakewells „Das Café der Existenzialisten“ verschlungen haben, und S. will sich drei Kompositionen zueigen machen aus Roger Enos im März bei der Deutschen Grammofon Gesellschaft erscheinendem Album. Ab morgen versinke ich in den JazzFacts der kommenden Woche, aber ein paar Schallplatten habe ich schon mal zur Seite gelegt, masterpieces of jazz, after hours, die keinerlei Kommentar brauchen und Namen haben wie „Red Lanta“, „Hanamichi“, „Duke Ellington & John Coltrane“ (Olaf hat mich heut früh dran erinnert!), und „Theme of the Gaurdian“. Das Jazzhöhlenfeeling ist garantiert. Candlelight and all. Eskapismus mit Horizonten. (Und ausserhalb des Jazz, eine Schallplatte, die Thomas Köner und ich gleichermassen lieben, „Always Coming Home – Music and Poetry of the Kesh“, von Ursula K. Le Guin & Todd Barton.)
2022 12 Jan.
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
2022 12 Jan.
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: I was 23 | 2 Comments
Eigentlich war es die Zeit unseres Lebens, 1976 bis 1980, aber nach und vor dem kurzen Glück und lauter langen Abschieden (die bis heute dauern), das Stolpern und Rasen der Herzen, die Unerreichbaren und die Verlorenen, die stillen Tränen, der wilde Jazz! ECM lieferte in den Siebzigern ein Meisterstück nach dem anderen ab. Im „Ombibus“ trank ich mit einem wunderbaren polnischen Aktsaxofonisten Kaffee, und Bert Jansch erzählte von wilden Reisen mit Pentangle durch schottische Küstenstriche (es gibt noch eine andere weite Welt, dachte ich). Wir liebten, litten, vögelten, und ich mochte es, morgens Brötchen zu holen. Wir gingen in jeden Wenders-Film, lasen Italo Calvino und entdeckten Gregory Bateson. Und aus jener Zeit erreichte mich vor Tagen eine Notiz, von einer der wenigen gebliebenen Gefährtinnen:
„Ja, das war die Zeit der Phobien, Michael. Da tatest Du einen legendären Spruch. Wir beiden Hübschen waren vormittags mit Deinem (weissen?) Käfer in der Stadt, dann haben wir uns in meiner Bärenhöhle über unsere gegenseitigen Phobien unterhalten, und dann gings nochmals in die Stadt. Da töntest Du: „Two phobies going to town – second part!“. Fand ich cool, selbstironisch und wirklich filmtitelreif. Weitere Erinnerung: Party bei Dir in Deinem Olymp in Gerbrunn, ich durfte auch Freundinnen mitbringen, zu vorgerückter Stunde spielten wir Scharaden. Jeder musste sich einen Filmtitel ausdenken und pantomimisch darstellen. Du topptest die Sache mit Fensteraufreissen, wildem Augenrollen, Luftringen, Rumfuchteln und deutetest auf das beleuchtete Würzburg am Horizont. Der Begriff war „Stadtneurotiker“. Der Brüller!“
Zugabe: Nett!! Wir gingen dann übrigens zum Kaufhof um irgendetwas Hochwichtiges zu erwerben. Danach nächtigte ich bei Dir und Du warst am nächsten Vormittag völlig von Sinnen, weil der Briefträger mit der neuen Eno – Platte erwartet wurde. Ich nahm leicht entnervt inzwischen ein gepflegtes Bad, Deinerseits grosses Herumtigern und Stadtneurotikern. Dann die Türklingel! Wilder Schrei!!! ES HAT GESCHELLT!!! ICH WERD WAAAAAHNSINNIG!!!!!!!!! Wackerer Postbote kommt mit Platte. Freudentanz! Ich machte einen auf Lufthansa….🛫
2022 10 Jan.
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Brian Eno, ECM, Lesser known desert island discs, Nana Vasconcelos, Oren Ambarchi, review, Simian Angel | 2 Comments
Tous les panneaux de sortie sont allumés. I listened to „Simian Angel“ for the first time at the end of summer, sometime ago, on headphones, at night. A long cable, a chaiselongue in the garden. Heaven seems to be the most lonesome place, at least from the point of view of gardening and Japanese tea ceremonies. Nearly knowbody knows this album.
Strange enough, we can still feel in harmony when looking at the sky at night, that time being seduced by Oren Ambarchi‘s album – two long compositions that defy definitions, limits, opening a constant feel of joy and wonder, kling and klang. A touch of kosmische music here and there.
His guitar sounds like a synth, and an organ, most of the time, and when he plays what sounds like a piano (and is again, made with his guitar – a special treatment really), you might feel, for a moment, a „Music For Airports“-vibe – just another illusion, up, up, and away, with the blink of an eye.
Oren’s partner is Brazilian percussionist Cyro Baptista, and when he starts on berimbau at the beginning of vinyl‘s second side, you are in wonderland. Yes, I thought, for another sequence of seconds, of Nana Vasconcelos‘s famous (or not so famous) solo album „Nana Vasconcelos“, the one with violins and violas coming completely out of nowhere, and knowing about Oren‘s passion for a lot of ECM records, I’m quite sure he might have had a similar memory, for a moment.
The music is crossing area after area, you are not able to, surely not keen on marking a spot. All exit signs on! The earth never solid, the percussion drifting in the windmills of your mind. Not all riddles solved, what do you think. I listened to it again tonite. Another word for melting kindly required, all these thin places.
2022 8 Jan.
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 1 Comment
Ich kam auf den Kurzfilm durch eine Ausgabe der „Opal Information“ in der zweiten Hälfte der Achtziger Jahre, Brian Enos Label-Magazin. In einem Interview begeisterte sich Brian für dieses Werk, schwärmte er von der enormen Kleinarbeit, die da eingeflossen sei, denn Maya Deren habe ausserhalb der Hollywood-Studios gearbeitet, komplett „independant“. Und wie sie eine ganz eigenständige Welt der Wahrnehmungen entwickelt habe. Von den traumartigen Sphären. Und als wohl erste Frau ein Buch geschrieben habe, aus der „Innenwelt der Voodoo-Kultur“. Die Umstände ihres Todes galten vielen als mysteriös. Ich wurde neugierig.
Als ich zwei Jahre lang ein Forschungsprojekt an der VHS Bochum leitete, „Neue Konzepte in der Gesundheitsbildung“, liess ich mir auch neue Darbietungsformen im Rahmen der „kulturellen“ Erwachsenenbildung einfallen, und gründete die Performance-Gruppe „The Tranquil Club“, die Elemente von Vorträgen und Vorlesungen multimedial erweiterte. Dabei fand ich unter anderem heraus, dass es damals eine Frauen-Film-Initiative in Hamburg-Altona gab, die eine Kopie von „Meshes of the Afternoon“ besass (keine Ahnung mehr, in welchem Format, jedenfalls klassische „Drehspulen“, „Filmrollen“, ich bin hier nicht vom Fach).
Ich reiste in den Norden, und durfte den Film ausleihen, für einen Abend in einem Bochumer Lichtspieltheater neben dem Bahnhof Langendreer. Die Vorbereitungen begannen. Ich sah ihn mir viele Male an, ich schrieb einen Essay dazu, und dann näherte sich das, in lokalen Magazinen bestens angekündigte, kleine Ereignis: „The Tranquil Club presents Meshes of The Afternoon“. Olaf Günther sollte Flügelhorn spielen, ich (ein echter Nicht-Musiker) Piano. Es wurde surreal. (Fortsetzung folgt)
2022 8 Jan.
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 1 Comment
Was mich von Anfang an an „Meshes of the Afternoon“ fazinierte, waren die Traumsequenzen, eine traumartige Sphäre zog sich ohnehin durch den gesamten Film. (Traumdeutung immer eins meiner Steckenpferde im und nach dem Studium – die Praxis des luziden Träumens öffnete mir Welten, und einiges hier erinnert an „lucid dreaming“!)
Kein Wunder, dass David Lynch Maya Derens Werk im allgemeinen, und „Meshes of the Afternoon“ im besonderen sehr hoch schätzt (darüber kann man ihm wunderbar reden, leider nicht so gut über die von ihm peinlich hoffierte TM-Schule – erinnert sei an die Doku „David Wants To Fly“) – In bestimmten Momenten von „Lost Highway“ und „Mulholland Drive“ ist die Inspiration naheliegend.
Was für eine unglaubliche Schnippelarbeit muss das gewesen sein, diese eine Szene beispielsweise, in der sich die Protgonistin mit jedem Schritt in eine neue Landschaft / Traumumgebung begibt – Brian Eno wird da wohl an die irre Kleinarbeit gedacht haben, mit der er selbst (in analogen Zeiten) mit David Byrne kleinste Tonschnippsel und samples aneinanderfügte: ein „bush of ghosts“, das Duoalbum mit dem Ober-Talking-Head sowie der abgründige Kurzfilm aus dem Jahre 1943.
„Die Figuren sind nicht mehr durch vertraute Empfindungen oder Umgebungen geerdet und haben das Gefühl, den Bezug zur Realität zu verlieren. Aber im Gegensatz zu Menschen mit psychotischen Zuständen werden sie keineswegs verrückt. Sie sind sich vielmehr ihrer Existenz sowie der Art und Weise, in der ihre eigene Erfahrung eine Verzerrung des „normalen“ Gefühls eines realen Selbst ist, übermäßig bewusst. Depersonalisierung ähnelt in der Tat einer Art verändertem ‚Bewusstsein‘ oder ‚Erwachen‘, das in einigen Kulturen als eine Stufe des spirituellen Wachstums angesehen wird.. Es lohnt sich, beide vorhandenen Versionen des Films anzusehen: Je nachdem, ob Sie die frühe Stummfilmversion oder die Fassung von 1959 mit dem offiziellen düsteren, atmosphärischen Soundtrack von Teiji Ito, Mayas zweitem Ehemann, sehen, wird sich Ihr Seherlebnis verändern.“
(Fortsetzung folgt.)
2022 8 Jan.
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 2 Comments
“This film is concerned with the interior experiences of an individual. It does not record an event which could be witnessed by other persons. Rather, it reproduces the way in which the subconscious of an individual will develop, interpret and elaborate an apparently simple and casual incident into a critical emotional experience.”
— Maya Deren on Meshes of the Afternoon, from DVD release Maya Deren: Experimental Films 1943–58.
Wer jemals das luzide Träumen geübt hat, weiss, dass eine Basisübung die Prüfung des Wirklichkeitszustandes ist: Träume ich oder bin ich wach? Durch alle Sinneskanäle hindurch wird die „Realität“, besser, „der Realitätszustand“, kritisch hinterfragt. Keine fünfzig Meter neben dem Kino, das „Meshes of the Afternoon“ aufführte, spielte sich, in anderer, hier ungenannter Zeit, eine leicht surreale Situation ab. This story is concerned with the interior experiences of an individual. An jenem Abend war ich mit einer guten Freundin im Restaurant des Bahnhofs, wohl heute noch ein kultureller in-Treff – Jan Garbarek spielte da schon, Tocotronic, und Faust (ein geniales Konzert spät in den Neunzigern). Irgendwie hatte ich, was ich sonst nie habe, eine Vorahnung, des öfteren schweifte mein Blick durch den Raum. Es war später Nachmittag, die Küche hatte bereits geöffnet, die Netze des Nachmittags waren weit gespannt. Nach einem kurzen Gang zum WC kehrte ich zurück an unseren Tisch, und, neben dem kleinen hölzernen Podium dort passierte es. Unsere Blicke trafen sich, und ich will nicht sagen, dass ich vom Donner gerührt war – vom Blitz getroffen war ich. Sie hatte Engelslocken – fernab meiner sonstigen, urtyp-definierten Jagdgründe ein blondes Wesen. Was tun, in Bruchteilen von Sekunden? Wir kreuzten uns, keinen Meter voneinander entfernt. Ich drehte mich um. sie drehte sich um. Wir standen da wie angewurzelt, schauten einander in die Augen. Die Zeit stand mucksmäuschenstill, es könnten drei Sekunden gewesen sein. Die nächste Drehung, absolut synchron, und jeder setzte den eigenen Weg fort. This story does not record an event which could be witnessed by other persons. Or on the surface only, bit by bit. Ich entschied mich für die galante Variante, und eine Pointe, einen Knalleffekt, der Jean Pierre Leaud, Truffauts alter ego, würdig sein sollte. Es ist doch cool, eine romantische Seele zu sein, erfindungsreich und furchtlos. Ich zahlte zügig unsere Rechnung, kutschierte S. nach Hause, 15 Kilometer, und fuhr mit dezent angezogenem Tempo zurück zum Bahnhof. Nichts sollte mich aufhalten, selbst von einem vollbesetzten Tisch mit Kind, Hund, und Ehemann, würde ich sie kurz nach vorne winken. Es gibt in Max Frischs „Mein Name sei Gantenbein“ diese Gedankenspiele zu Alltäglichkeiten, in denen eine profane Verrichtung, ein Schritt nach links oder rechts, einem ganz anderen Lebenslauf auf die Sprünge helfen. Rather, this story reproduces the way in which the subconscious of an individual will develop, interpret and elaborate an apparently simple and casual incident into a critical emotional experience. So, wie sie mich angesehen hatte, war hier keineswegs die alte Tante Projektion im Spiel, vielmehr pures „Wahr-Nehmen“, ein erster Blick, der tausend weitere enthielt. Eine Prüfung von „Realität“ der Marke „a thousand kisses deep“. (Leonard war mein Lehrer. All die Abende in Babsis Dachboden, Jahre, Jahre zuvor, mit Cohens endlosen Drehungen auf dem Plattenteller, liefen auf diesen Moment hinaus, ich hatte den „Stranger Song“ auf den Lippen, „Suzanne“ sowieso, bereit jeden Millimeter zwischen dem Müll und den Blumen abzusuchen.) Ich war schwarz gekleidet, bereit zur Eroberung. Django in love. Nach Paris, mais bientôt, ein Dutzend Liebesgedichte, gerne ein Song aus der Hüfte, wäre ich Bob Dylan – und der Bund fürs Leben sowieso! Sie war nicht mehr da. An den folgenden Tagen und Wochen war ich häufig wie nie im „Bahnhof Langendreer“, ich gab einer Studentin, die dort kellnerte, und sich was traute, 100 Mark, und versprach ihr eine Menge mehr, sollte sie den Engel im Raum ausfindig machen (sie bekam eine Beschreibung, zehn Karten mit meiner Telefonnummer, ich nannte sie meine „Liebesdetektivin“). Sie machte einen guten Job, schoss ein paarmal ins Blaue, wie sie mir erzählte, doch der Engel tauchte nie wieder auf. Ich hätte schlichtweg sofort handeln müssen, in the moment. „And you want to travel with her, and you want to travel blind.“