Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Mit all seinen Einrissen, Schwankungen, Trauerarbeiten, Realitätsverlusten, Traumwelten und harten Wirklichkeiten hat mich die Serie „Station Eleven“, vor ein paar Wochen, nach allen Regeln der Kunst gefesselt (ziemlich abgründig). Die Umsetzung eines Romans von Emily St. John Mandel. Im Guardian las ich die Besprechung ihres jüngsten Werkes, noch „zeitreisewilder“ als Station 11. Und blieb an diesen Zeilen von Marcel Theroux hängen (ich hoffe, sie klingen nicht wie das Wort zum Sonntag:

 

Auf ihrer Tour hält Olive (eine Hauptfigur von „Sea of Tranquility“) auch einen Vortrag über postapokalyptische Literatur, in dem sie versucht, die Faszination der Menschheit für dieses Genre zu erklären. „Ich glaube, es ist eine Art Narzissmus“, sagt sie. „Wir wollen glauben, dass wir einzigartig wichtig sind, dass wir am Ende der Geschichte leben, dass jetzt, nach all den Jahrtausenden des falschen Alarms, endlich das Schlimmste eingetreten ist, dass wir endlich das Ende der Welt erreicht haben.“ Das klingt plausibel, aber es gibt noch eine andere Erklärung, die sowohl freundlicher als auch tiefgründiger ist. Als eine Figur das Grab eines Kindes betrachtet, stellt sie fest, dass es sich für die Eltern des Kindes wie das Ende der Welt angefühlt hätte: „Es hätte sich wie das Ende der Welt angefühlt.“

So wie es in Station Eleven letztlich um die Sterblichkeit selbst ging und darum, wie die Kunst es uns ermöglicht, aus den unmittelbaren Grenzen unserer Existenz herauszutreten, erinnert uns Sea of Tranquility daran, dass der Ruhezustand der Menschheit eine Krise ist. Die Welt von irgendjemandem geht immer zu Ende: Das ist der Grundgedanke dieses Buches. Und die Echos und Rückrufe, die ihm seine Form geben, spiegeln die Art und Weise wider, wie wir unser eigenes Leben sinnvoll gestalten.

We take it for granted today, but not too long ago, integrating electronics into a rock setting was something exotic and strange. Before Kraftwerk, and certainly ages before all manner of modern digitally powered pop, hip-hop and experimental music, the only people interested enough in electronics to apply them in anything approaching rock were mad-scientists like Raymond Scott, Bruce Haack and David Vorhaus. These people were as much engineers as they were musicians, and history has granted them more technological props than musical ones. However, as the futuristic daydreams of the 50s and 60s graduated into the wide-eyed discovery by thousands of young, fearless kids in the 70s, the ideal of electronic interaction with guitars and drums seemed less an abstract, distant concept than a viable alternate reality. One of the earliest bands to exploit this marriage to its fullest potential was the French outfit Heldon, led by guitarist Richard Pinhas.“

(Dominique Leone, Pitchfork, opening passage of a review of Heldon‘s „Interface“)

 

Als der französische Gitarrist und Philosoph Richard Pinhas Fripp & Eno 1975 in Paris erlebte (dieses Konzert ist lang schon erhältlich), war es um ihn geschehn, und es begann auch eine lebenslange Freundschaft mit Mr. Fripp. (Richard Pinhas’s alte Alben werden seit Jahren bei Bureau b betreut, betreutes Proggen sozusagen. Zum Beispiel das furiose Album „Interface“.) Über die Jahrzehnte erlebte Monsieur Pinhas sämtliche Formationen von King Crimson live. Die beiden Alben, die er am meisten mag, sind „Larks‘ Tongues In Aspic“ und „Red“.

 

 

 

 

„Bei einer Tournee bat Robert die Leute seines Managements bei uns unterzubringen, so dass meine Frau Agneta und ich unser eigenes Zimmer hatten. Die Engländer haben einen seltsamen Sinn für Humor, wissen Sie. Einmal sagte er ganz unverblümt: „Weisst du was, das langweilt mich alles. Warum ersetzt du mich nicht bei King Crimson?“ Ich habe nichts gesagt, aber Agneta später gefragt, ob sie glaube, dass er einen Scherz gemacht habe. Ich glaube schon, und auf jeden Fall habe ich eine Art zu spielen, die sehr schmutzig ist. Robert ist sehr sauber. Was ich mache, ist eine andere Sache, mit Synthesizern, also könnte ich ihn sowieso nie ersetzen. Was meine Formation Heldon macht, ist Rock ’n‘ Roll.“

 

Nun, die nächste Box-Edition von  Fripp  Enterprises  Inc. wird ihren Weg zu Richard Pinhas und mir finden, und wir werden uns einen Ast abfreuen und eine ziemlich trippige Zeit haben mit dieser Schatzkiste, die aus meiner Sicht wirklich eine Schatzkiste ist. Martina weiss einzelne der Juwelen der Jahre 1977 bis 81 sehr zu schätzen, wie den Frippertronics-Meilenstein „Let The Power Fall“. Die Box dokumentiert, real überdimensional, die Schaffensjahre nach dem Ende der „Red“-Formation bis hin zur „League of Gentlemen“. Letztere erlebte ich live in einer Scheune in der Fränkischen Schweiz im Jahre des Herrn 1981. High without drugs! EXPOSURES ist der Hammer auf die 12 und meine reissue of 2022. Ende Mai ist es soweit. 

 

Mit 15 oder 16 Jahren sah ich einen Film von David Lean, der mich seltsam ergriff. Erinnern kann ich mich an kaum etwas ausserhalb langer ruhiger Kamerabewegungen, weite britannische Landschaften, und dass es auch eine Liebesgeschichte war. Aber die „impacts“, die sind in meiner Erinnerungen nicht an einzelne Szenen gebunden, sondern allein an das Fliessen der Bilder und Emotionen. Ich glaube, mich zu erinnern,  dass David Lean im guten Sinne „old school“ war. Ich möchte „Ryans Tochter“ ausfindig machen und eine kleine Meditation dazu schreiben. Das Wort „Meditation“ scheint hier seltsam zu sein, und doch ging mir in den letzen Tagen genau diese Wendung durch den Kopf, „filmische Meditationen zu schreiben“. Vielleicht im Nachgang  meines Home-Cinema-Trips „Daughters Of Darkness“, einem Horrorfilm aus dem Jahr 1971. Von Harry Kümel. Er spielt in Ostende, in Gent, und an Gent kamen wir  vorhin vorbei, auf dem Weg an die Küste (für den kleinen Milu eine Abenteuerreise – „endlich wieder Meer!“ – wir rannten über eine Düne, um die dunkelrote Kugel noch in letzten Zügen untergehen zu sehen). Und wo war ich 1971, als dieser bizarre Film gedreht wurde – ich weiss es ziemlich genau, und das würde in den Text einfliessen. Die dritte Meditation möchte ich einem Film widmen, von dem ich annehme, dass ich ihn nie gesehen habe, und welcher demnächst bei „criterion“ mit einigen Extras neu aufgelegt wird, wiederum ein Film von David Lean aus alter Zeit. Wie ich lese, geht es „in dieser bittersüßen Geschichte über romantische Sehnsucht“ um ein Werk, für das David Lean 1955 „die britische Tonbühne hinter sich liess, um die sonnenüberflutete Pracht Venedigs auf dem Höhepunkt des Sommers in strahlendem Technicolor einzufangen.“ Gut zwei Jahrzehnte, nachdem „Summertime“ (mit   Catherine Hepburn und Rossano Brazzi) in die Kinos kam, war ich selber auf einer Verlobungsreise, in die „sinkende Stadt“. Venedig zeigte da eine sehr schaurige Seite, voller Tauben, Strauchdiebe und Giftschilder. Aus allem Technicolor meiner Fantasie wurden fahle, fahle Farben.

Einige Male traf ich Daniel Lanois, zuletzt auf einem der legendären Punktfestivals in Kristiansand. In einem Interview sprach er, über sein Soloinstrumentalalbum „Belladonna“ („a quiet burner“), und über seine Produktion von Emmylou Harris‘ Album „Wrecking Ball“, das Mitte der Neunziger in Dans mexikanischem Studio „Teatro“ entstand, das zuvor ein wunderbares Kino am Ende der Welt war. Heute erinnerte ich mich daran, als ich bei den „Sunday Reviews“ von „pitchfork“ eine lange Hymne auf dieses „country noir“-Meisterstück las. Das damals kommerziell alles andere als erfolgreich war, aber in den Klanghorizonten „high on rotation“. Und das erzählte er mir dazu – eine Metamorphose der besonderen Art (ganz verstanden habe ich den hier geschilderten Ablauf bis heute nicht):

 

„Wir brachten für die Aufnahme von »Wrecking Ball« ein sehr gemischtes Team zusammen. Der Mix der Charaktere hat viel mit dem Resultat zu tun. Ich mochte es immer, verzweifelte Seelen einer bestimmten Sorte einzuladen. Larry Mullen am Schlagzeug wirkt hier recht überraschend, aber ich kenne seine Faszination für Country; hier fand er eine Gelegenheit, diese Leidenschaft auszuleben – an den dunklen Rändern von Country – und einmal aus dem »System« U2 auszusteigen. Der Bassist kam vom Funk. Keine homogene Einheit, und doch konnte man bald die Logik hinter dem Wahnsinn erkennen.

Ziemlich früh stießen wir auf einen aufregenden Sound, Ich nannte ihn den »Sound der Crystals«. Die Crystals waren eine Vokalgruppe aus den frühen 60ern mit einem mysteriösen und energetischen Sound. Mir war nie klar, wie sie diesen Sound hinbekamen, vielleicht war es sogar eine Phil-Spector-Produktion. Ich stieß zufällig darauf, hatte die Kopfhörer auf, war mit Emmylou im Studio, sie sang, und am Ende des Liedes sagte ich zum Toningenieur Malcolm Burn: »Berühre nichts, nimm deine Hände vom Mischpult, ich will analysieren, was wir da haben!« – es war etwas Besonderes, ich wollte diesen Sound nicht einfach festlegen, ich wollte ihn betonen, gestalten, verstärken. Und es war auf einmal gleichsam der „Sound der Crystals“, der sich in Emmylous Mikrofon hineinschlängelte; zwischen ihren Gesangslinien und all der Kompression, die wir benutzten, entfalteten sich die Instrumente wie in einem Riesenpilz. Ich entschied, dass die Musiker ganz nah bei Emmylou spielen sollten.“

 

Think twice if you give a book some chances to steal your time. Would all be wasted milk without surrender and thrill. Oh well, these non-fiction books promise to be high quality time thief units. After „Beatles and Drugs“ I never thought I would come across another gorgeously entertaining book about the Fab Four, but here it is, beautifully translated into German, a highlight of spring‘s releases of The C.H. Beck Verlag. The one and only, good-humoured Gregor DJ Mundt will do a whole show around Craig’s book on May 4th in Stuttgart’s last pirate radio station. And the other ones? In parts reviewed here, like Jan’s Krautrock journeys, in parts offerings for the back of the mind of some of you guys, in case you wanna dive deep into the sound worlds of Mark, Bill, or the second part of an exhilarating, exhausting installment of Jamaican music history.

 

 

Ben Wardle: Mark Hollis – A Beautiful Silence

Craig Brown: One, Two, Three, Four – Die fabelhaften Jahre der Beatles

Jan Reetze: Der Sound der Jahre

Philip Watson: Bill Frisell, Beautiful Dreamer

Noel Hawks & Jah Floyd: A History of The Jamaican Recording Industry – Rock Steady To Rockers From Treasure Isle To Studio One 

 

„Ein Klartraum, auch luzider Traum (lucid dream) genannt, ist ein Traum, in dem der Träumer sich dessen bewusst ist, dass er träumt. Paul Tholey, Psychologe und bedeutendster deutscher Klartraumforscher, formulierte dies folgendermaßen: „Klarträume sind solche Träume, in denen man völlige Klarheit darüber besitzt, daß man träumt und nach eigenem Entschluß handeln kann.“ Bei dieser Definition stützte sich Tholey auf die Philosophin Celia Green und den Psychologen Charles Tart. Tholey und der US-amerikanische Psychologe Stephen LaBerge sind zwei zentrale Pioniere auf dem Gebiet der modernen Klartraumforschung. Die Fähigkeit, Klarträume (luzide Träume) zu erleben, hat vermutlich jeder Mensch, und man kann lernen, diese Form des Träumens herbeizuführen. Dazu gibt es verschiedene Techniken. Ein Mensch, der gezielt Klarträume erleben kann, wird auch Oneironaut genannt (von gr. oneiros, „Traum“, und nautēs „Seefahrer“).“ (wikipedia)

 


Sabbatical beendet, ein halber Monat reicht auch, oder ich häng noch einen halben dran, egal. Diese Story würde ihr Feuerchen verlieren, würde ich noch mal 14 Tage warten. 
Um den folgenden luziden Traum einzuordnen, braucht es nicht so viel. Uschi aka Ursula aka Chrissie und ich liessen in vielen  Emails aus letzter Zeit besondere Momente unserer Würzburger Studentenjahre aufleben. Wir unternahmen etliche Zeitsprünge, und sie konnte sich u.a. an diese „überirdische Schönheit in weissem Kleid“ erinnern, die einmal an ihrer Wohnungstür schellte – meine Verlobte, sowas gab es mal, und dieses Versprechen auf den ehelichen Bund sollte sich bald in tief-melancholische Luft auflösen, und was eignete sich für meinen Blues mehr als Bob Dylans „Desire“*, und die kleine Couch einer baldigen Psychoanalytikerin. Wir haben damals, allen Widrigkeiten zum Trotz, viel gelacht. Wir lasen Kundera, wir lasen die Welt kurz und klein und riesengross. Aber rückblickend erinnerte sich Uschi zumeist an andere Gesichter als ich. Früh im  Mai 2022 steht eine Reise in die Vergangenheit im Raum, erst nach Würzburg, dann in den Bayerischen Wald. „Ab durch Raum und Zeit“ – eine manafonistische Grundtugend, und Teil des neuen Programms der Düsseldorfer „Black Box“ (s. das kleine Plakat, ein Klick aufs Foto genügt!) 

 

 

 


AB DURCH RAUM UND ZEIT

 

Was für ein luzider Traum! Aber er benötigte Vorlauf. Die Träume am frühen Morgen drehten sich alle ums Wiedersehen. Und was da an „Freud‘schen Tageresten“ einfloss, ist mir auch klar. Erst war ich, im Traum, mit Uwe bei Gudrun und Hansjörg in der Eifel. Alles alte Arbeitskollegen aus der Klinik für Alkohol- und Medikanentenabhängige, damals, 1982, nah der tschechischen Grenze.

Und ich sagte G: „Hier hast du also deine psychotherapeutische Praxis, und viele Jahre lang schon, seit unserer Zeit in Furth i. Wald, praktizierst du hier Kognitive Verhaltenstherapie – natürlich offen für jede Erweiterung.“**

Ja“, sagte sie, und ich wollte ihr schon sagen, dass sie so jung aussähe wie damals, zögerte aber, weil ich nicht einen Satz hören wollte wie: „Micha, du siehst aber so viel älter aus.  Charmantes Lügen war nie ihre Art. Ich schaute mich in ihrem geräumigen Wohnzimmer um – G und HJ waren für mich schon damals, als wir am Ende der Welt lebten, ein perfektes Paar. Ich erinnere mich an pikanten Käse, den HJ leidenschaftlich gern anfertigte, in Arnschwang.

Ich schlief immer wieder ein, wachte auf, schliesslich drehten sich die Träume um ein Wiedersehen mit Kommilitoninnen aus der Zeit der ersten Semester in Würzburg. Ich machte brav, in den Morgenstunden, vor der längsten Traum-REM-Phase, meine Autouggestionen für luzide Träume:

(„das nächste Mal, wenn ich träume, erkenne ich, dass ich träume“ / ich erinnerte mich an die letzten Traumszenen: ein Hotel, wir telefonierten miteinander, seltsame fremde, ferne Frauenstimmen: endlich würden wir uns wiedersehen / dann die Affirmation: „wenn ich sie wiedersehe, erkenne ich, dass ich träume“).

Aber noch eine Zeitlang blieben die Träume normal: den ersten luziden Moment erwischte ich, als ich plötzlich abends die Kampstrasse in Dortmund entlang lief, mitten auf der Strasse, auf dem Weg zu dem „Treffen der Studenten von damals“, oder war es doch ein Klassentreffen. Schliesslich war ich in Dortmund, und nicht in Würzburg.

Dann verlor ich während meines euphorisierten Laufens die Klarheit, die Plastizität der Welt löste sich auf, und ich erwachte in meinem Körper, machte weiter meine Übungen, und dann geschah folgendes: icn telefonierte mit einer Kommilitonin von einst, die nicht den Weg fand – ich sagte ihr, sie müsse unbedingt kommen – vielleicht hätten wir und ja eine Story zu erzählen. Das war noch ein normaler Traum, doch Momente später tauchte mein ehemaliger Klassensprecher H. neben mir auf, der im wahren Leben Horst heisst, und wir standen im Treppenhaus eines Dortmunder Hotels, ich erkannte plötzlich,  dass dies ein Traum wahr und sagte zu Horst, innnerlich beglückt:  „komm, fahren wir zum grossen Treffen!“

Bei vollem Bewusstsein,  dass ich träumte, ging ich mit Horst die Treppen herunter, stieg in sein Auto, ich sah den Stern blitzen, ein Mercedes. Es war ein klarer Frühlingstag mit viel Sonne. Er setzte rückwärts auf die Strasse, und die Stadt war voller Menschen: ich sah Bauarbeitet an einer Kirche, ihre Gesichter gestochen scharf, auch aus der Ferne, und da war eine attraktive Frau mit Kind, drei Meter von meinem Seitenfenster entfernt, und ich rief ihr ein Hallo zu, aber sie schien es nicht zu hören.

 

KIM, CHLOE, UND MARTINI  


Dann fuhren wir nur über wenige Strassen, und ich redete mit Horst, wendete einige Tricks an, meinen luziden Zustand aufrecht zu halten. Wir würden uns alle bei „Bücher Krüger“ treffen, was es wirklich mal gab in Dortmund, und wir würden dann wohl ins Cafe Beckmann gehen. Icn musste lachen: wie in alten Zeiten, nur dass mich Horst netterweise nicht zu einem Klassentreffen fuhr, sondern zu einen Wiedersehen mit einigen Studentinnen von damals, mit jenen lang aus meinem Leben verschwundenen Wesen, mit denen mich damals hier und da eine Spur von Alltag und Träumerei verband. Es schien auch ein Zeitreise zu sein, denn alle sollten sich als wesentlich jünger rausstellen, als sie heute sein dürften.

Ich blieb klar, und Horst erzählte mir ein diffuse Story von einem „Totenschmied“, der im Cafe Beckmann arbeitete (ich sah einen Mann mit einer Art Kanone, blanggeputzt,  durchs Erdgeschoss des Kaffeehauses wieseln), und ich sagte Horst: „was erzählst du denn für ein Zeug!

Dann kamen wir endlich an, ich sah die Gesichter: alle  verändert, aber trotzdem vertraut, alle versprühten Wiedersehensfreude. Ich war vollkommen luzid, genoss das Bad in der Gruppe, wir tranken Martini in einem grossen Buchladen. Männchen wie Weibchen. Ich war berauscht, und sicher nicht vom Lieblingsdrink meiner Teenagerjahre. Mein Handy klingelte, und die Stimme von vorhin sagte, sie wäre bald da. Ich konnte es kaum erwarteh, wer würde die grosse Unbekannte sein? Welcher Kreis würde sich schliessen? Ich setzte mich hin, und dann sah ich Kim. Woher wusste ich, dass sie Kim hiess? Es gab ja keine Kim in meiner Würzburger Zeit.

Reality is floating. Please realize, dear reader, that, in a lucid dream state your mind is fully awake and your memory can easily remember things that happen, words being said. Long time memory is easy going within a lucid dream state. 

Ich war immer noch klar, nahm Kim bei der Hand, die dann neben mir sass, ich legte meinen Kopf an ihre Schulter (ständig wissend, dass dies ein Traum war) und sagte: „Vielleicht sind wir die, die einmal ineinander verliebt waren, ohne es voneinander zu wissen. Kim, ach, Kim! Welche Geschichte hatten wir? Erzähl es mir!“ Tränen rannen mir aus den Augen, Tränen der Rührung, des Glücks, es durchflutete mich durch und durch, und das war der Moment, an dem icn, leider, meine Klarheit, und meine Traumerinnerung, verlor. (Das auf dem Foto bin ich, 1979 wohl, wahrscheinlich in U‘s Studentenbude.)

 

 


Nachklang: eine Platte, ideal für Zeitreisen, raffiniert, doppelbödig, mit grossem Orchester und im Grunde perfekt, sich hörend ab und zu die Basisübung für luzide Träume zu gönnen („Träume ich, träume ich gerade?“), und dann  freischwebend a la Columbo die Umgebung aufnehmen – die Töne, den eigenen Körper, Indizien dafür, ob man sich gerade zufällig mitten in einem Traum befindet (stellst du dir die Frage dann auf einmal nachts, könntest du luzid werden)***, dreht sich derzeit immer wieder auf meinem Plattenteller, Father John Misty‘s „Chloe and The Next 20th Century“****.

*als ideale Bob Dylan-Liebeskummerbewältigunsgplatte gilt gemeinhin Blood On The Tracks.
**eine reine  Mutmassung, Gudrun wird mich bald genauer aufklären.
***im Herbst mache  ich in Aachen ein Wochenendseminar für Einsteiger ins luzide Träumen, zehn Personen, 500 Euro pro Teilnehmer.
****“It’s really amazing how Tillman is able to ring such emotional honestly without any signs of ironic detachment while journeying through the sounds of Tin Pan Alley, Old Hollywood melodrama and 70s country tinged AM gold. It seems impossible but he has done it and it’s an amazing journey to embark on.“ (A.P.)

 

 

„Ah, diese Scheißwälder, wie sie rauschen und rauschen und rauschen.“

– Peter Handke, Versuch über den Pilznarren

 

Meskalin Kakteen spielen eine sehr wichtige Rolle in der lateinamerikanischen schamanischen Kultur. Meskalin ist ein psychoaktives Alkaloid, das intensive visuelle Effekte und einen stark veränderten Bewusstseinszustand induziert. Peyote (Lophophora williamsii) aus Mexiko ist ein bekannter Meskalin-Kaktus. Es gibt aber noch weitere, weniger bekannte Arten von Meskalin Kakteen, wie San Pedro (Echinopsis pachanoi) und den Peruanischen Stangenkaktus (Echinopsis peruviana).

Zamnesia bietet eine  Auswahl an Pilzen und Meskalin Kakteen an, die sich für die Aufzucht zuhause eignen. Es ist absolut legal, sie in Deutschland zu erwerben und mit ihnen private Grünflächen reizvoll zu erweitern. Die Stecklinge können einfach in Erde gegeben werden – und der Kaktus wird Wurzeln schlagen und wachsen als wäre nichts geschehen!“ Vor einer leichtfertigen Nutzung dieser Exoten, ohne fachfrauliche Unterweisung, wird dringend abgeraten. (Herr Handke hat übrigens einen Narren insbesondere an Steinpilzen gefressen, wie man seinem Erzählwerk unschwer entnehmen kann. Aldi hat in dieser Hinsicht öfter was Spannendes  im Angebot.)

Wer sich näher mit dem Thema befassen möchte, sei auf Michael Pollans hochinteressantes Buch „Kaffee. Mohn. Kaktus“ verwiesen, das sich der Kulturgeschichte einiger psychoaktiver Drogen widmet, und die Räume bewusstseinsverändernder Substanzen so geistreich wie sinnlich erkundet. Dieser kritische, aber erfahrungshungrige Rationalist (Jahrgang 1955) holt dabei so manchen Erfahrungshorizont aus esoterischen Gefilden zurück in Heim und Garten, verbindet en passant sozialpolitische Aufklärung mit praktischer Pflanzenkunde und reflektierter Selbsterfahrung.

 

Soeben erschien im C.H. Beck-Verlag ein fesselndes Buch über die berühmteste Garagenband Liverpools. Anthony Quinn bemerkte dazu im Guardian etwas, das jedem widerfährt, der diese Musik liebt und, so viel später, ein wenig schlauer, oder „still crazy after all these years“, über sie liest (und dieser Craig Brown versteht es, fabelhaft flüssig zu schreiben):

 

„Dies ist das seltsame Paradoxon der Beatles. Wenn man den Sound hört, den John, Paul, George und Ringo geschaffen haben, fühlt man sich immer noch in das „Glück und den Rausch“ versetzt, von dem ihr Produzent, der Gentleman George Martin, sprach. Über sie zu lesen, ist dagegen eine ziemlich melancholische Erfahrung, weil das Ende immer in Sicht zu sein scheint.“

Manche werden sich daran erinnern, dass ich das Buch in einer Radionacht in Köln kurz vorstellte, und es ist wahrlich nicht das klamaukige Buch, das sich manche vorstellen, wenn sie das Cover sehen. Besonders hervorzuheben ist beispielsweise, wie sich der Autor vielen Randfiguren widmet, und damit ungewohnte Perspektiven öffnet.

Zum Beispiel die traurige Gestalt des ehemaligen Polizeibeamten Eric Clague, der durch Zufall herausfindet, dass die Frau, die er Jahre zuvor versehentlich überfahren und getötet hatte, Julia Lennon, Johns Mutter, war. Selbst diese guten alten Zeiten waren, neben aller „never ending magic“, eben auch gut abgefüllt mit Drogen und Dramen, und sind doch so sehnsüchtig besetzt, mit dieser grandiosen Musik und unseren Erinnerungen, dass alle Zeitmaschinen in die Jahre 1963 bis 1970 Richtung Liverpool und London restlos ausgebucht wären.

Der schnellste Weg zurück: die „Esher Demos“. Wir sind im Wohnzimmer vom George Harrison. Mai 1968. Die Vier spielen, sie plaudern, und es klingt grossartig. Unglaublich, aber das alles war einmal unverrückbare, fast unvergängliche, Gegenwart. ENJOY THE TRIP!

 

„On listening back to the finished album, I felt that it could be seen as a series of short stories or photographs of indiviudual scenes, each containing their own character. It was only after I‘d finalised the running order, that I realised just how much of a close relationship one piece has to another, and it was this realisation perhaps that led me to the album‘s title. I thought about how our years comprise of moments, days and changing months, of how we live our lives in facets, how we catch fleeting glimpses, how we walk through our lives. How we notice the turning year.“

(Roger Eno)

 

 

 



It happens that things and sounds which move at the edges, almost shadowily, have an equally profound influence on the centre of things as that which sparks in the burning glass of concentrated attention. In this way, „The Turning Year“ is a little masterpiece (to be released on April, 22, on vinyl, cd and dl).  I know most of Roger Eno’s albums since his first appearance on a milestone from  the „golden years of Ambient Music“ („Apollo“) quite well. Before the word „neo-classical“ became the „simplifier“ for introspective explorations between classically trained / self-taught composing  and contemporary sound-shifting, his first solo album „Voices“ (when will this gem be carefully reissued, along with Michael Brook’s „Hybrid“ – two treasures from Bob and Dan Lanois’ Grant Avenue Studios in Hamilton, Ontario) set the bar high for a music, that didn‘t grab for attention, but provided us armchair travellers with a peace of mind and a contemplative mood that (most of the time, in the years and works to come) found a delicate balance between harmonic figurations, melodic gestures and surprising „second sounds“ resp. „atmospheric values“ wrapped around them.

And when that happens, the trap of cheap saccharine trickery is a thousand miles away. This is damned serious music with a child-like sense of wonder.

And once inside this new music, with Roger’s hushed piano figures (how can softness be so thrilling?), the contributions of the string ensemble „Scoring Berlin“ – and Tibor Reman‘s clarinet on the title called „On The Horizon“, many listeners will be hungry not to miss a second, hungry for tiny details, distant echoes, the full experience of an always fragile now.

In contrast to the very different (kind of „nomadic“) life of brother Brian, Roger Eno decided from early on to not leave too often the landscapes of his „heimat“ in Suffolk / Norfolk – the geographics of East Anglia. And when the album starts with „A Place We Once Walked“, we can assume he’s trying to restore forgotten feelings and sights and things with the quiet power of sound. Think for yourself what’s going on when discovering (out of nowhere) a nearly forgotten walking path from the ole’ days, the kind of shiver running down the spine, the rush of pale memories. Roger Eno is masterfully catching such fleeting glimpses. And some of  these pastoral sceneries require a „double take“: traces of the uncanny, hidden behind many a shimmering surface. By the way, open the gatefold cover and you‘ll find an assembly of small photos enhancing all these sepia-tinged „East Anglia“-hinterland vibes.

I love to listen to this album on vinyl, and I‘ve done so for a while now (thanks to Martin G from DGG), but, to be honest, I‘ve had one little problem with the longplayer. More than once I looked at the circling vinyl trying to figure out, if there‘s still some running time left. I just wanted the music to stay just a little bit longer. In times like these, this music is medicine.

 


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