Manafonistas

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„Ein Klartraum, auch luzider Traum (lucid dream) genannt, ist ein Traum, in dem der Träumer sich dessen bewusst ist, dass er träumt. Paul Tholey, Psychologe und bedeutendster deutscher Klartraumforscher, formulierte dies folgendermaßen: „Klarträume sind solche Träume, in denen man völlige Klarheit darüber besitzt, daß man träumt und nach eigenem Entschluß handeln kann.“ Bei dieser Definition stützte sich Tholey auf die Philosophin Celia Green und den Psychologen Charles Tart. Tholey und der US-amerikanische Psychologe Stephen LaBerge sind zwei zentrale Pioniere auf dem Gebiet der modernen Klartraumforschung. Die Fähigkeit, Klarträume (luzide Träume) zu erleben, hat vermutlich jeder Mensch, und man kann lernen, diese Form des Träumens herbeizuführen. Dazu gibt es verschiedene Techniken. Ein Mensch, der gezielt Klarträume erleben kann, wird auch Oneironaut genannt (von gr. oneiros, „Traum“, und nautēs „Seefahrer“).“ (wikipedia)

 


Sabbatical beendet, ein halber Monat reicht auch, oder ich häng noch einen halben dran, egal. Diese Story würde ihr Feuerchen verlieren, würde ich noch mal 14 Tage warten. 
Um den folgenden luziden Traum einzuordnen, braucht es nicht so viel. Uschi aka Ursula aka Chrissie und ich liessen in vielen  Emails aus letzter Zeit besondere Momente unserer Würzburger Studentenjahre aufleben. Wir unternahmen etliche Zeitsprünge, und sie konnte sich u.a. an diese „überirdische Schönheit in weissem Kleid“ erinnern, die einmal an ihrer Wohnungstür schellte – meine Verlobte, sowas gab es mal, und dieses Versprechen auf den ehelichen Bund sollte sich bald in tief-melancholische Luft auflösen, und was eignete sich für meinen Blues mehr als Bob Dylans „Desire“*, und die kleine Couch einer baldigen Psychoanalytikerin. Wir haben damals, allen Widrigkeiten zum Trotz, viel gelacht. Wir lasen Kundera, wir lasen die Welt kurz und klein und riesengross. Aber rückblickend erinnerte sich Uschi zumeist an andere Gesichter als ich. Früh im  Mai 2022 steht eine Reise in die Vergangenheit im Raum, erst nach Würzburg, dann in den Bayerischen Wald. „Ab durch Raum und Zeit“ – eine manafonistische Grundtugend, und Teil des neuen Programms der Düsseldorfer „Black Box“ (s. das kleine Plakat, ein Klick aufs Foto genügt!) 

 

 

 


AB DURCH RAUM UND ZEIT

 

Was für ein luzider Traum! Aber er benötigte Vorlauf. Die Träume am frühen Morgen drehten sich alle ums Wiedersehen. Und was da an „Freud‘schen Tageresten“ einfloss, ist mir auch klar. Erst war ich, im Traum, mit Uwe bei Gudrun und Hansjörg in der Eifel. Alles alte Arbeitskollegen aus der Klinik für Alkohol- und Medikanentenabhängige, damals, 1982, nah der tschechischen Grenze.

Und ich sagte G: „Hier hast du also deine psychotherapeutische Praxis, und viele Jahre lang schon, seit unserer Zeit in Furth i. Wald, praktizierst du hier Kognitive Verhaltenstherapie – natürlich offen für jede Erweiterung.“**

Ja“, sagte sie, und ich wollte ihr schon sagen, dass sie so jung aussähe wie damals, zögerte aber, weil ich nicht einen Satz hören wollte wie: „Micha, du siehst aber so viel älter aus.  Charmantes Lügen war nie ihre Art. Ich schaute mich in ihrem geräumigen Wohnzimmer um – G und HJ waren für mich schon damals, als wir am Ende der Welt lebten, ein perfektes Paar. Ich erinnere mich an pikanten Käse, den HJ leidenschaftlich gern anfertigte, in Arnschwang.

Ich schlief immer wieder ein, wachte auf, schliesslich drehten sich die Träume um ein Wiedersehen mit Kommilitoninnen aus der Zeit der ersten Semester in Würzburg. Ich machte brav, in den Morgenstunden, vor der längsten Traum-REM-Phase, meine Autouggestionen für luzide Träume:

(„das nächste Mal, wenn ich träume, erkenne ich, dass ich träume“ / ich erinnerte mich an die letzten Traumszenen: ein Hotel, wir telefonierten miteinander, seltsame fremde, ferne Frauenstimmen: endlich würden wir uns wiedersehen / dann die Affirmation: „wenn ich sie wiedersehe, erkenne ich, dass ich träume“).

Aber noch eine Zeitlang blieben die Träume normal: den ersten luziden Moment erwischte ich, als ich plötzlich abends die Kampstrasse in Dortmund entlang lief, mitten auf der Strasse, auf dem Weg zu dem „Treffen der Studenten von damals“, oder war es doch ein Klassentreffen. Schliesslich war ich in Dortmund, und nicht in Würzburg.

Dann verlor ich während meines euphorisierten Laufens die Klarheit, die Plastizität der Welt löste sich auf, und ich erwachte in meinem Körper, machte weiter meine Übungen, und dann geschah folgendes: icn telefonierte mit einer Kommilitonin von einst, die nicht den Weg fand – ich sagte ihr, sie müsse unbedingt kommen – vielleicht hätten wir und ja eine Story zu erzählen. Das war noch ein normaler Traum, doch Momente später tauchte mein ehemaliger Klassensprecher H. neben mir auf, der im wahren Leben Horst heisst, und wir standen im Treppenhaus eines Dortmunder Hotels, ich erkannte plötzlich,  dass dies ein Traum wahr und sagte zu Horst, innnerlich beglückt:  „komm, fahren wir zum grossen Treffen!“

Bei vollem Bewusstsein,  dass ich träumte, ging ich mit Horst die Treppen herunter, stieg in sein Auto, ich sah den Stern blitzen, ein Mercedes. Es war ein klarer Frühlingstag mit viel Sonne. Er setzte rückwärts auf die Strasse, und die Stadt war voller Menschen: ich sah Bauarbeitet an einer Kirche, ihre Gesichter gestochen scharf, auch aus der Ferne, und da war eine attraktive Frau mit Kind, drei Meter von meinem Seitenfenster entfernt, und ich rief ihr ein Hallo zu, aber sie schien es nicht zu hören.

 

KIM, CHLOE, UND MARTINI  


Dann fuhren wir nur über wenige Strassen, und ich redete mit Horst, wendete einige Tricks an, meinen luziden Zustand aufrecht zu halten. Wir würden uns alle bei „Bücher Krüger“ treffen, was es wirklich mal gab in Dortmund, und wir würden dann wohl ins Cafe Beckmann gehen. Icn musste lachen: wie in alten Zeiten, nur dass mich Horst netterweise nicht zu einem Klassentreffen fuhr, sondern zu einen Wiedersehen mit einigen Studentinnen von damals, mit jenen lang aus meinem Leben verschwundenen Wesen, mit denen mich damals hier und da eine Spur von Alltag und Träumerei verband. Es schien auch ein Zeitreise zu sein, denn alle sollten sich als wesentlich jünger rausstellen, als sie heute sein dürften.

Ich blieb klar, und Horst erzählte mir ein diffuse Story von einem „Totenschmied“, der im Cafe Beckmann arbeitete (ich sah einen Mann mit einer Art Kanone, blanggeputzt,  durchs Erdgeschoss des Kaffeehauses wieseln), und ich sagte Horst: „was erzählst du denn für ein Zeug!

Dann kamen wir endlich an, ich sah die Gesichter: alle  verändert, aber trotzdem vertraut, alle versprühten Wiedersehensfreude. Ich war vollkommen luzid, genoss das Bad in der Gruppe, wir tranken Martini in einem grossen Buchladen. Männchen wie Weibchen. Ich war berauscht, und sicher nicht vom Lieblingsdrink meiner Teenagerjahre. Mein Handy klingelte, und die Stimme von vorhin sagte, sie wäre bald da. Ich konnte es kaum erwarteh, wer würde die grosse Unbekannte sein? Welcher Kreis würde sich schliessen? Ich setzte mich hin, und dann sah ich Kim. Woher wusste ich, dass sie Kim hiess? Es gab ja keine Kim in meiner Würzburger Zeit.

Reality is floating. Please realize, dear reader, that, in a lucid dream state your mind is fully awake and your memory can easily remember things that happen, words being said. Long time memory is easy going within a lucid dream state. 

Ich war immer noch klar, nahm Kim bei der Hand, die dann neben mir sass, ich legte meinen Kopf an ihre Schulter (ständig wissend, dass dies ein Traum war) und sagte: „Vielleicht sind wir die, die einmal ineinander verliebt waren, ohne es voneinander zu wissen. Kim, ach, Kim! Welche Geschichte hatten wir? Erzähl es mir!“ Tränen rannen mir aus den Augen, Tränen der Rührung, des Glücks, es durchflutete mich durch und durch, und das war der Moment, an dem icn, leider, meine Klarheit, und meine Traumerinnerung, verlor. (Das auf dem Foto bin ich, 1979 wohl, wahrscheinlich in U‘s Studentenbude.)

 

 


Nachklang: eine Platte, ideal für Zeitreisen, raffiniert, doppelbödig, mit grossem Orchester und im Grunde perfekt, sich hörend ab und zu die Basisübung für luzide Träume zu gönnen („Träume ich, träume ich gerade?“), und dann  freischwebend a la Columbo die Umgebung aufnehmen – die Töne, den eigenen Körper, Indizien dafür, ob man sich gerade zufällig mitten in einem Traum befindet (stellst du dir die Frage dann auf einmal nachts, könntest du luzid werden)***, dreht sich derzeit immer wieder auf meinem Plattenteller, Father John Misty‘s „Chloe and The Next 20th Century“****.

*als ideale Bob Dylan-Liebeskummerbewältigunsgplatte gilt gemeinhin Blood On The Tracks.
**eine reine  Mutmassung, Gudrun wird mich bald genauer aufklären.
***im Herbst mache  ich in Aachen ein Wochenendseminar für Einsteiger ins luzide Träumen, zehn Personen, 500 Euro pro Teilnehmer.
****“It’s really amazing how Tillman is able to ring such emotional honestly without any signs of ironic detachment while journeying through the sounds of Tin Pan Alley, Old Hollywood melodrama and 70s country tinged AM gold. It seems impossible but he has done it and it’s an amazing journey to embark on.“ (A.P.)

video

 

Allein der Titel „The Patience Fader“ lässt Assoziationen hierhin und dorthin driften. Und so zufallsoffen die Bilder zu diesem Video sind, sie erinnern mich an die seltsamen Gefühle von Vertrautheit (Unheimlichkeit), die mich beschleichen, wenn ich langsam mit meinem Toyota durch eine fremde Stadt fahre, oder durch eine zu einer Art „Geisterstadt“ mutierte (weil ich ewig nicht mehr dort war, und der Stamm der vertrauten Gesichter verschwunden ist). Mit flüchtigen wie lebendigen flashbacks an Lydia, Ursula, Andrea, Isolde, Uschi, Christiana, Christine, Julia, Verena, Inge, Ruth, Annette, Susanne, Gabriele, Hiltrud (diese Namen – und so oft mit Kerzenlicht, ECM & Skyline). Und deshalb wird diese neue CD von Pan American, resp. Mark Nelson, in meinem CD-Player zu hören sein, wenn ich auf meiner Reise ans Ende der Welt (aka Furth i. W.) durch Würzburg fahre, meine „zweite Heimat der Studentenjahre“ (1974-81), auf dem Weg zu einem Hotel, das am besten auf einer kleinem Anhöhe liegen sollte (um den Fluss zu sehen, die Festung, und, in aller Stille, vielleicht ein Klopfen an der Tür zu hören). Das Best Western Hotel in Würzburg-Süd tut es auch. Auch ohne Swimmingpool.

 


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