Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

You are currently browsing the blog archives for the month Oktober 2021.

Archives: Oktober 2021

2021 25 Okt

Alles so schön still hier …

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags:  | Comments off

… oder die Ästhetik des Hintergrundes. Nachdem ich als Jugendlicher endlich stolzer Besitzer einer eigenen Stereoanlage war, erstand ich als zweite Schallplatte „Zeit“ von Tangerine Dream und kaum war das Knistern des Rillenanfangs den Klängen gewichen, verlangsamte sich die Zeit und stand schließlich still. Vorder- und Hintergrund des Raumes und alle anderen Klänge begannen miteinander zu verschwimmen, ein „surrounding influence“, wie Brian Eno es später nennen sollte, in trat meinen Bewusstseinsstrom. Ruhe stellte sich ein und ein tiefer, weiter Raum der Reflexion öffnete sich. Auch wenn das Konzept der „Ambient Music“ noch nicht formuliert war und die Musik Erik Satie’s noch auf dem Weg zu mir, war meine Liebe zu genau dieser Musik geweckt und führte zu zahllosen faszinierenden musikalischen Entdeckungen auf diesem Wege. Nun ist Ambient für viele nicht mehr als eine langweilige Klangtapete, doch wenn man sich, wie einst Brian Eno, der Tage vor einer frisch gekalkten Wand in der Patio des Hauses von Freunden auf Lanzarote verbrachte, um das Zentrum der Langeweile zu ergründen, darauf wirklich einlässt, kann man alsbald entdecken, dass Langeweile nicht weniger ist als die Unfähigkeit des Geistes sich mit dem Gegebenen kreativ auseinanderzusetzen.

Nils Wortmann hat sich eingelassen und ist der Ambient Music in Gänze verfallen, hat sich durch tausende Alben dieses Genres durchgehört und hat nun mit „Alles so schön still hier – 100 Ambient-Alben, die man gehört haben sollte“ in dem Hofheimer Wolke Verlag eine chronologische geordnete Monographie vorgelegt. Angefangen bei „Discreet Music“ als Ausgangspunkt elektronischer Ambient Music über die ursprünglichen Protagonisten des Genres, wie Edgar Froese, Manuel Göttsching, Hans-Joachim Roedelius, Harold Budd und Steve Hillage beschreibt er wie sich die Kreise weiten und immer neue Einflüsse und Ideen dazukommen. Hierbei werden im Verlauf amerikanische Musiker, Spezialisten für das Experimentelle oder Exzentrische, die oft unterschätzte Frankfurter Elektronikszene und nicht zuletzt auch „kankyō ongaku“, die sehr subtile japanische Ambient-Musikszene gewürdigt. Der Falle jeder Best-of-Liste sich zu sehr festzulegen, was auch dem Geist des Genres widerstreben würde, entzieht Nils Wortmann sich, indem er die einzelnen Alben exemplarisch aufführt und mit einer „Weiterhören“-Rubrik nach den sehr unterhaltsamen und sachkundigen Rezensionen ergänzt. Für jedes Jahr ab 1975 stellt er Alben vor, die anfangs die unzweifelhaft grundlegenden Werke des Ambient auflisten, aber mit zunehmender Verbreitung (eine aktuelle Suche bei Discogs tagged mehr als 450.000 Alben unter Ambient!), muss die Auswahl mehr und mehr eine persönliche Note bekommen. Und hier schafft Wortmann es in unglaublicher Weise eine exquisite Wahl zu treffen, die mit jedem mir bislang unbekannten Album eine Offenbarung ist. Ohne Ausnahme. Aus der Überfülle der Veröffentlichungen filtert er dank seiner  Faszination und umfassenden Kenntnis ein musikalisch besonderes Album nach dem nächsten heraus, beleuchtet verschiedene Seiten des Genres und infiziert den Leser, indem er mit seinen lebendigen Texten und Hörvorschlägen jegliche Langeweile gründlichstens atomisiert. Abgerundet wird das Buch durch ein umfangreiches Literatur- und Ambient-Labelverzeichnis, die zur weiteren Suche einladen. Und wer am Ende des Buches in Ambient-Music immer noch eine Klangtapete sieht, wird einräumen müssen, dass diese auffällig vieldimensional und psychedelisch ist und keinen Halt vor den Tiefen seelischen Erlebens macht. Eine wunderbare, gut recherchierte und neugierig machende Lektüre bis zum letzten Tipp.

 
 

2021 25 Okt

(Wenn Ideen konkret werden)

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off

 

Michael Engelbrecht

 

Der schwarze Hund von Bergeinöden

 

Roman (2024)

 

2021 24 Okt

Treppauf, treppab

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags:  | 2 Comments

Der Corona-Shutdown scheint so manchen zu erhöhter Aktivität veranlasst zu haben. So auch Lana Del Rey, die soeben mit leichter Verzögerung ihr zweites Album in diesem Jahr vorgestellt hat: Blue Banisters, blaue Treppengeländer — wie sinnbildlich man immer den Titel verstehen möchte.

Denn in der Tat: Lana nimmt den Hörer an die Hand und führt ihn durch eine sehr seltsame, völlig in sich geschlossene Landschaft. Blue trifft es recht gut, blau, dunkelblau ist die Stimmung des Albums. Moorlandschaft unter Vollmondlicht. Einerseits hätte Blue Banisters auch zusammen mit Chemtrails Over the Country Club als Doppelalbum erscheinen können, andererseits aber auch nicht. Bei genauerem Hinhören unterscheiden sich die Alben nämlich doch. Wenn man das Poetry-Album einmal mitrechnet, dann ist dies Lanas neunte Platte seit 2012, es ist also eine gewisse Routine eingetreten, und die zahlt sich aus. Lana Del Rey ist eine Kunstfigur und bleibt dem einmal gewählten Rollenbild auch hier wieder treu, arrangiert dessen Bauelemente aber immer wieder einmal um. Und sie weiß genau, in welchen Lagen ihre Stimme am eindrücklichsten wirkt.

Fünfzehn Songs, die meisten um die viereinhalb Minuten lang. Die Grundstimmung (ohne hier jetzt auf die teils expliziten Texte einzugehen, die ich noch nicht alle entschlüsselt habe) ist Drama, zeitbezogen, und doch irgendwie an Hollywoods Schwarze Serie erinnernd. Das Album basiert im wesentlichen auf dem Piano, dem Grand wie dem E-Piano. Dazu kommt sparsames Schlagzeug, das gelegentlich allerdings brachial zuschlägt, irgendwo ist auch ein Morricone-Sample eingebaut. Lana rollt ihre Stimme aus wie einen samtenen Teppichläufer, auch dieser allerdings unterbrochen von gelegentlichen Ausbrüchen, die fast ins Hysterische gehen, dann aber doch wieder abgebremst werden. Sie liebt bestimmte melodische Wendungen, die immer wieder in vergleichbarer Weise auftauchen, baut in die Songs aber auch seltsame Melodiesprünge ein, bei denen man nicht immer genau weiß, ob sie einen aus der Bahn werfen sollen oder ob sie einfach kompositorisch nicht ganz zu Ende gedacht sind. Auch greift sie gern mal die inzwischen etwas aus der Mode geratenen Mittel des Tempo- und/oder Rhythmuswechsels auf.

Was mich an diesem Album besonders fasziniert hat, ist die Art der Produktion. Man hat fast den Eindruck, das Album bestünde aus zwei Klangschichtungen, einer inneren und einer äußeren. Für den erwähnten Teppichläufer (das Bild ist mir nicht aus Versehen eingefallen) werden altertümliche Platten- und Federhall-Effekte eingesetzt, die dem Ganzen einen leichten Sechziger-Jahre-Touch geben — warm, aber nicht räumlich. Dazu kommen Einwürfe, die aus einer anderen, sehr heutigen Klangebene hinzugefügt werden und sozusagen von außen auf die innere Klangebene prallen — das ist sehr faszinierend. Man achte auch einmal darauf, wie viele Stimmen man eigentlich hört. Dass Lana ihre Stimme gern doppelt, ist nicht neu, das ist auch hier wieder so. Hier aber singt sie punktuell ganze Chöre, die streckenweise fast an Mahlersche Fernchöre erinnern. Es ist sehr reizvoll, im Kopfhörer einmal genau darauf zu achten, wie die diversen Stimmen sich akustisch unterscheiden und im Panorama verteilt sind — das ist alte Abba-Schule, handwerklich perfekt.

Einige Kritiker haben Blue Banisters bereits ziemlich verrissen. Mit gefällt das Album nach einmaligem Hören sehr gut. Lediglich scheint es mir ein wenig lang geraten zu sein. Ein oder zwei Stücke weniger wären auch in Ordnung gewesen. Auf jeden Fall ist dies eine Platte, nach der man nicht sofort andere Musik hören möchte.

 

2021 23 Okt

Lass irre Hunde heulen

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 2 Comments

Um es gleich vorweg zu nehmen: Schubert ist für mich ein Kindheitstrauma. „Winterreise“ gesungen von Dietrich Fischer-Dieskau. Grauenhaft! Es war mir trotz aller Bemühungen meiner Mutter, die Musiklehrerin war, nicht möglich auch nur ansatzweise zu verstehen, was man daran schön finden konnte. Also half nur die Flucht, wenn sich die Nadel auf besagte Schallplatte senkte. In den am weitesten entfernten Teil der Wohnung, mein Zimmer und – sobald ich eine solche besaß – die Anlage aufgedreht, bis ich auch bei leisen Stellen keinen Ton mehr davon hören musste. Das kam mir alles so erquält-gekünstelt und einfach nicht echt vor. Das waren einfache Lieder und der arme Sänger musste bestimmt tagelang üben, um sie so aalglatt zur Klavierbegleitung darzubieten. Und überhaupt das ganze romantische Gesäusel, da konnte ich so wenig mit anfangen, dass ich es kaum schaffte mir ein ganzes Lied am Stück anzuhören. Und nun, Jahrzehnte später landet die CD von Kai Schumacher und Gisbert zu Knyphausen auf meinem Schreibtisch. Tagelang kreise ich da drumherum, nahezu in der sicheren Gewissheit, dass mir ein Flashback und eine Retraumatisierung bevorstehen, wenn ich auch nur ein Lied davon höre.

Ein leises Flirren, dann eine leise einsetzende Klavierstimme und dann die ersten Töne des Gesangsparts von „Gute Nacht“, dem ersten Song (ja, das kann ich nicht anders nennen!) intoniert von Gisbert zu Knyphausen. Ich bin verblüfft, was ist das? Das fängt ja wie ein intimer Abend am Kamin an, vielleicht mit etwas Fingerfood und Wein. Keine Kunststimme, sondern ganz entspannt und etwas rauh. Doch bald steigert sich das Lied, kriegt Zug und Dramatik. Kein unendlich oft gehörtes, plattgedudeltes romantisches Geklimper. Gute Arrangements, oft überraschend in Akzentuierung und gute Auswahl der Stücke. „Der Wegweiser“ folgt in final ernster Dramatik, ohne sentimental zu werden, sondern das Stück lässt eher die endgültige Beklemmung eines einsamen Wanderers im Bewusstsein seines finalen Weges spüren. Dann folgt „Ständchen“, dass von der überraschend eingesetzten Posaune lebt, die die Gitarre, die Schubert so wohl vorsah, mit diskreten jazzigem Unterton versieht, was sich im folgenden „Nähe des Geliebten“ als Gute-Laune-Song fortsetzt. Die meisten Lieder entstammen der „Winterreise“ und dem „Schwanengesang“ mit Texten nicht nur von Schuberts Hausdichter Wilhelm Müller, sondern auch von Goethe, Rückert, Heine und Bellstab. Texte von Banalitäten weit entfernt, ernst, sprachlich pointiert und hintergründig. Da gibt es Liebeslieder, wie „Du bist die Ruh“, das vom Überkünstelten befreit, sehr nach innen gerichtet und authentisch wirkt und Liebesschmerz bei „Der Doppelgänger“ und „Aufenthalt“. Gerade da wird der Schmerz viel glaubhafter, da er durch die Intonation viel näher an die Dramatik des Alltags heranschleicht, mit einer Eskalation, die sich stilistisch eher aus der Rockmusik stammenden Effekten bedient als akademisch rein vorgetragen und glattgeschmachtet, was mir immer sentimental-befremdlich und unglaubwürdig vorkam. Mit „Die Krähe“ und „Der Leiermann“ werden die Abgründe des Lebens und dessen Begrenztheit thematisiert, mit einer fast schmerzhaften, schweren und herben Schlichtheit, die sicherlich gut geeignet wäre in gediegener Gesellschaft das Kaminfeuer ausgehen zu lassen. Und schließlich schließt die Auswahl der Songs mit der „Litanei auf das Fest Aller Seelen“, das den geneigten Hörer mit einem besänftigenden „Alle Seelen ruh’n in Frieden“ etüdenhaft und mit bitterer Note tröstlich entlässt. Und mich seltsamerweise ebenfalls. Das Grauen meiner Kindheit ist nicht mehr spürbar und war es auch zu keiner Minute. Da ist es Kai Schumacher und Gisbert zu Knyphausen in hervorragender und unprätentiöser Weise gelungen die Stücke von Schubert ihrer romantischen und in der bisherigen Rezeption aalglatten Interpretationen in eine Gegenwart zu holen, in der sie wieder Gewicht und schlichte Authentizität bekommen haben. Die schönste Art ein Trauma zu therapieren. So kann mit der letzten Liedzeile nun auch die Seele von Dietrich Fischer-Dieskau für mich in Frieden ruhen.

 
 

2021 22 Okt

Neuigkeiten aus Scoville

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: , | 8 Comments

Dieses Jahr habe ich wieder einen Großteil der Chili-Ernte verarbeitet und dabei drei Rezepte (abgewandelt) ausprobiert. Für eine leckere Soße: 14 Tomaten halbieren und mit der Schnittseite nach unten in eine Auflaufform (deren Boden mit reichlich braunem Zucker bedeckt ist) legen. Nachdem die Tomaten 20 Minuten bei 220 Grad im Backofen waren, haben sie ordentlich Flüssigkeit verloren, sind schrumpelig geworden und haben braune und schwarze Flecken. Die Haut nun abziehen (ziemlich heiß!), 14 klein geschnittene Chilis, drei Zwiebeln (gewürfelt), Salz, Saft von 4 Limetten und reichlich braunen Zucker dazu mischen und das ganze noch einmal für 20 Minuten in den Ofen. Pürieren fertig. Dies ist eine recht scharfe Soße – wenn man zum Beispiel nur 3 oder 4 Chilis auf die gleiche Menge Tomaten benutzt, hat man einen leckeren süß-scharfen Ketchup.

Eine zweite leckere und sehr scharfe Soße: 250ml Reisessig mit 200g Chilis aufkochen, ordentlich Salz und Pfeffer dazu, pürieren, über Nacht ziehen lassen.

Dann noch ein Chili Öl, für Ramen oder Dumplings: Auf einen halben Liter Rapsöl kommen 50-60g Chilis, die ich erstmal über Nacht in den Dörrautomat gelegt habe (man kann natürlich einfach Chiliflocken kaufen). Das Öl auf mittlerer Temperatur erhitzen, 5 Sternanis, 2 Esslöffel Nelken, 1 Zimtstange, 3 Esslöffel Szechuan Pfeffer, 2 Lorbeerblätter reintun und eine gute halbe Stunde köcheln lassen; aufpassen, dass nichts anbrennt. Am Ende die Temperatur etwas erhöhen, dann das heiße Öl durch ein Sieb über die grob zerkleinerten Chilis gießen. Über Nacht ziehen lassen und in ein steriles Gefäß füllen (letzteres gilt natürlich für die beiden Soßen auch).

Dazu kann man gut das feine Album des Timo Lassy Trios laufen lassen – Seelennahrung aus Saxophon, Schlagzeug, Bass.

2021 21 Okt

The Eno Bros. (arte)

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 1 Comment

 

 

 

Akropolis, 4. August. Auf Couchdistanz nun im Fernseher. Endlich mal ein Konzert, bei dem ich alle Lieder, bis auf drei neue, mitsingen konnte, jede Zeile. Nah ran kam ich da nur  bei einem Auftritt von Leonard Cohen in Oberhausen. Aber natürlich sang ich nicht laut mit, nur gerade so, hauchzart,  ein fernes Echo nah bei mir. Everything merges with the night. Grossartiges Konzertdokument, beeindruckende Regiearbeit. 

    1. Underworld: Drift Series 1 (Box Set)
    2. Sunno)): Life Metal
    3. Joe Lovano: Trio Tapestry
    4. Bill Callahan: Shepherd in a Sheepskin Vest
    5. Lankum: The Lifelong Day 
    6. Lambchop: This (is what I said)
    7. Thom Yorke: Anima
    8. Rabbia / Petrella / Aarset: Lost River
    9. Oren Ambarchi: Simian Angel
    10. Nick Cave: Ghosteen
    11. Rustin Man: Drift Code
    12. Arve Henriksen: The Timeless Nowhere 
    13. Leonard Cohen: Thanks For The Dance
    14. Lee Perry: Rainford

 

 

Diese Alben sind geblieben, einige haben andere Plätze eingenommen, in sie kann ich heute wie damals kopfüber eintauchen, der Rest meiner Top 40 von 2019 bleibt nur noch speziellen Momenten vorbehalten, historischem Interesse, guter Erinnerung, und qualitativer Wertschätzung. Auf die alte Jahresliste  stiess ich auf Umwegen, weil ich im Archiv vergebens suchte nach „Second Toughest of the Infants“ von Underworld. Ich hatte ein geradezu körperliches Verlangen, einen ganz bestimmten Song der LP zu hören. Und dann hielt ich auf einmal diese „Drift Series Box“ in Händen, und es gab kein Entkommen, ich setzte die Kopfhörer auf und wünschte mir eine gute Reise (s. Foto). Mit einem Schmunzeln erinnerte ich mich, dass ich Karl Hydes Musikwelten erst betrat, nachdem ich ihn in London kennengelernt hatte, in Enos Studio, in dem die zwei aussergewöhnlichen Platten der Zwei entstanden, die eine voller Songs, die andere voller Experimente. 

 

Die längere Wartezeit im Wartezimmer einer Praxis liess sich wieder einmal gut überbrücken mit der Lektüre eines mir sonst nicht zugänglichen Zeitschriften-Artikels. Aus dem Inhalt wählte ich etwas über Nawalny, doch das daneben sprang mich direkt an: ein Interview mit Andreas Reckwitz und Hartmut Rosa anlässlich ihres gemeinsamen Buches. Mein Instinkt funktioniert eben doch so, dass ich der Philosophie den Vorzug gebe vor so manchem Politikum (und sei es das von Dissidenten). Hochspannend also nimmt das Gespräch viele Gedanken auf, die mich auch in diesen Tagen beschäftigten: so die Frage, warum Grün und Gelb sich so sondierungsselig und harmonisch aneinander schmiegten. Andererseits logisch, trifft sich doch dort das hippe akademische Bürgertum, die Homeoffice-Elite. Oder eine andere Frage: wird die Zukunft utopisch oder dystopisch sein? Reckwitz sieht’s wohl eher düster, glaubt nicht an einen Wandel des Systems. Rosa ist mehr positiv gestimmt, kein Wunder, seine Begriffe von „Resonanz“ und „Unverfügbarkeit“ sind ja in aller Munde. Fehlte nur noch ein Dritter im Bunde, nämlich Byung-Chul Han: dem wiederum begegnete Gerd Scobel und das Gespräch kann ich nur empfehlen. Han wirkt dabei wie eine Spinne im Netz ihrer eigenen Gedankenkonstrukte, die sich, ähnlich den Modulen des Pianisten Nik Bärtsch, grenzenlos ineinander verschachteln liessen. Insofern wundert’s nicht, wenn dieser auch zum Abschluss meint: „Wir könnten ewig weiterreden“. Han ist Pessimist, aber das Zuhören und das Lesen lohnt sich.

 

2021 18 Okt

The book begins.

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off

 

It is a memoir, a story, a mirror – living hauntology. A revelation. It only throws glimpses to that special period. Everyone gets a decent quantum of experience mirrored and propelled by a big city‘s inner life. Everything is never the deal. That‘s why I love this rather fragmented, yet illuminating little book, inspiring own memories (entering automatically in between) about an old London that never leaves my heart. Full of life, and full of ghosts, that‘s what it  has always been – even when strolling through Sansha‘s Dance Shop. Or sitting with Brian Eno (years later) in a room where they once rehearsed the first Roxy Music album. My endless walk through Hampstead Heath in December 1982 (old ladies with white dogs passing by), and Jah Wobble‘s Invaders of the Heart at the Marquee Club on that very same day. And another thing, unforgettable, from early on: the smells of the underground and the music of the trains rolling in. Those street musicians and their „heart of gold“ fighting the rust, the laughter, and the forgetting. Please do yourself a favour, and start reading Michael Bracewell‘s „Souvenir“. 121 slowly flying pages.

 

Dedicated to the music lovers of the Punktfestival 2021, all of them who came by boat, by feet, by car, by airplane, by train, to dig and dive deep into the music played on the highest floor of Hotel Norge and elsewhere in town.

 

 

 

(ONE) Mathias Eick: Arvo (from: When We Leave) / Big Red Machine: Birch (from: How Long Do You Think It’s Gonna Last) / Catherine  Graindorge: Butterfly In A Frame (from: Eldorado) // Haiku Salut: Entering (from: The Hill, The Light, The Ghost)* / Gaspar Claus: Une faule (from: Tancade) / Dark Star Safari: Murmuration (from Walk Through Lightly) / Ayumi Tanaka Trio: Ruins (from: Subaqueous Silence) / Trond Kallevag: Amerikabaten (from: Fengelsfugl) // Villagers: Full Faith in Providence (from: Fever Dreams) / The Grid & Fripp: Fire Tower (from: Leviathan)

 

* Engagingly wistful fifth album from Derbyshire Dales instrumental trio. Starting life as a series of field recordings captured in charged locations – an abandoned house in Germany, the birdsong-framed Peak District countryside – The Hill, The Light, The Ghost is pitched as “a miniature exploration of sound in relation to memory”. From this near-Proustian premise, multi-instrumentalists Louise Croft, Sophie Barkerwood and Gemma Barkerwood conjure nine wordless, shape-shifting essays using keyboards, electronics, guitars and orchestral instruments.

(David Sheppard)

 

 

(TWO) – STERNZEIT – // ToiToiToi: Never A Dull Moment, Whimsical Waltz, Kuckuckswalzer (from: Vaganten) / Villagers: Fever Dreams (from: Fever Dreams) / Haiku Salut: Trespass (from: The Hill, The Light, The Ghost) // Michael Mantler: Folly Suite (from: Coda (Orchestra Suites)* // Low: More, The Price You Pay (It Must Be Wearing Of) (from: Hey What) / Jo Berger Myhre: Everything Effacing, Smallest Things, Part 1, Aviary (from: Unheimlich Manoeuvre) 

 

* Austrian trumpeter-composer Mantler makes music that can move from shadow to light in a moment. The mercurial moods of this accomplished and articulate set are its strongest suit, and the stylistic breadth of the writing and arranging serves notice of an artist who has duly fulfilled the potential he showed way back in the late ‘60s as a member of the Jazz Composer’s Orchestra. […] While the shape-shifting nature of much of the material is impressive the emotional charge of the strings, which are icily seductive and seductively icy, is strong, and greatly enhanced by the interplay of Mantler and guitarist Bjarne Roupé, a skulking presence for much of the performance. ‘Coda’ makes a very convincing case for Mantler’s gifts as a composer, and stands as work that has considerable appeal for the role of improvisers, including himself, who are woven into the scored materials in a highly disciplined way that does not make their individual flourish any less engaging.

(Kevin Le Gendre, Echoes)

 

 

(THREE) – „Open the Gates – a Rhapsody in Dub (and  Jazz)“  – a discreetly hypnotizing mix of Various Artists – Studio One Dub Fire Special, The Congos: Heart of The Congos (40th anniversary edition), Lee Perry and The Upsetters: Black Ark In Dub & in the middle, surrounded by waves and waves of Rastaman chants, John Coltrane’s A Love Supreme Live In Seattle* – KALENDERBLATT (Vor 175 Jahren – die erste Vollnarkose)

 

* „You have to get a bit used to the „stage presentation“ of the instruments here: the saxes „leftfield“, and the biggest space reserved for Elvin and McCoy (left to center, and right) – somehow funny, because the two did leave soon, being not too happy with Coltrane‘s quite radical departure! After a while it all works – the saxophones never buried in the mix!

In the world of John Coltrane, even „A Love Supreme“ was not carved in stone. To experience, how the whole band is opening all gates, leaving no stone unturned, is such a delight. Young Pharoah didn‘t need long to find the right chemistry.

Here I have to smile a  bit: it is Mr. Sanders‘s second appearance in 2021: in Seattle, being part of a crew that set „A Love Supreme“ on fire (without doubt one of the most adventurous archival discoveries of the year), and, as a master of less-is more, on Floating Points‘ fantastic album „Promises“ (not so much loved by the readers of TheBlueMoment:))

P.S. I always found „Live At The Village Vanguard Again“ being the best entrance to Coltrane‘s late years. „Coltrane in Japan“ is gorgeous, too, though only in ancient mono!

(Michael Engelbrecht, comment on Rirchard Williams‘ review in his music blog The Blue Moment)

 

 

(FOUR) Rhythm & Sound: (from: Rhythm & Sound) / Rip Hayman: Waves for Flutes (from: Waves Real And Imagined)* / Leonard Cohen (from Thanks for the Dance) / Thomas Köner: Takla-Kahan (from: Aubrite, reissue 2021, Mille Plateaux) / Leonard Cohen (from Thanks for the Dance) / Rip Hayman: Seascapes (from: Waves Real And Imagined)* (excerpt) / Gas (aka Wolfgang Voigt): Königsforst 2 (from: Königsforst) 

 

* „Archival and new work from student of John Cage, Ravi Shankar and Philip Corner Rip Hayman. Pastoral multitracked flute music on one side and chilly nautical field recordings on the other: quite lovely. ‚Waves: Real and Imagined‘ is another solid release from Sean McCann’s Recital imprint. A founding editor of Ear Magazine and boss of NYC’s oldest bar, Hayman is a fascinating character. This release collects a piece he recorded back in 1977, a decade before his debut „Dreamsound“, and pairs it with a piece he recorded last year. The two compositions work astonishingly well together. ‚Waves for Flutes‘ is calming and delicate, with multi-tracked flutes reminding fondly of Mary Jane Leach or Hayman’s Recital labelmate Sarah Davachi. The track sits completely out of time, sounding as transcendent and otherworldly as ambient music and as spiritually rousing as sacred music. Seascapes‘ achieves a similar goal, but uses only environmental recordings. Hayman recorded it in two sessions last year on the Pacific ocean, and the fizz of the waves effortlessly lull us into a meditative state. It’s not far from Irv Teibel’s iconic „Environments“ recordings, and that’s about the highest praise we can give.“ 

 

 

(FIVE/1)  Robert Wyatt: Old Europe (from: Cuckooland) / Barney Wilen: Harlem Nocturne / Besame Mucho / Goodbye  (from: La Note Bleue)* / Barney Wilen: All Blues, live with young Jackie Terrasson)

 

* Dear Micha! Very good to hear from you. Thanks for letting me read your piece (on Barney). There should be a Barney Wilen Appreciation Society for people like you and me… he had such an interesting life and seems never to have played an unworthy phrase. All best. Richard (Williams)

 

(FIVE/2) Bob Marley and The Wailers: Rastaman Chant (from: The Capitol Sessions 73)* / War: The World Is A Ghetto (from: The World Is A Ghetto)**

 

* „Sometimes we look back on things we did when younger and cringe. Sometimes we laugh at ourselves. Sometimes, as with War, and particularly this important album, we can knowingly nod and say, „I knew it all along.“ Even as a zit-faced white kid growing up in Arkansas, it was abundantly clear to me that this music was far more interesting than most of what I could hear on the radio; its racially homogenous, heavily percussive sound with „boys night out“ group vocals still, to this day, hits the spot like none other. Along with the sounds of similarly themed and likewise wonderful bands like Santana and El Chicano, with the music one could practically taste, smell, and get a tactile feel of what they were all about.“

(Brian Hulett) 


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz