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Archives: Erik Satie

Auf der letzten Tagung des Mysteriösen Komitees für den ästhetischen Index gelang es in einer konzertierten Aktion den Symbolisten, Kubisten, Neoklassizisten, Dadaisten, Surrealisten, Konzeptkünstler und Postmodernisten, den großartigen Erfinder der Musique d’Ameublement fast 100 Jahre nach seinem letzten Wechsel der kosmischen Adresse in besonderer Weise eine außerordentliche Würdigung zukommen zu lassen. In Ermangelung geeigneterer Worte griff man bei der Laudatio auf seine eigenen Formulierungen zurück, die hier der Originalität wegen in Auszügen wiedergegeben werden sollen:

 
 

Die Musique d’Ameublement ist durch und durch industriell. Es ist Sitte – Gewohnheit – bei Gelegenheiten zu musizieren, wo Musik nichts zu suchen hat. Da spielt man Walzer, Opern-Fantasien und andere vergleichbare Sachen, die für einen anderen Zweck geschrieben sind.

Wir wollen nun eine Musik einführen, die die „nützlichen“ Bedürfnisse befriedigt. Die Kunst gehört nicht zu diesen Bedürfnissen. Die Musique d’Ameublement erzeugt Schwingungen; sie hat kein weiteres Ziel. Sie erfüllt die gleiche Rolle wie das Licht, die Wärme und der Komfort in jeder Form.

Nicht verwechseln! Das ist etwas anderes! Keine „falsche Musik“ mehr: musikalische Möbel! Die Musique d’Ameublement vervollständigt die Einrichtung; Sie erlaubt alles; Sie ist neu; Sie beeinträchtigt nicht die Gewohnheiten; Sie ermüdet nicht; Sie ist unglaublich; Sie langweilt nicht. Sie zu verwenden heißt es besser zu machen. Hören Sie ganz ungeniert.

 
 

Während bei uns in Europa dieser durch und durch skurrile Herr immer noch Gegenstand erheblicher Kontroversen ist, seine Werke dennoch auch von fast jedem mäßiggradigen Pianisten eingespielt werden und sie bis auf wenige Ausnahmen ausgeleiert und totinterpretiert worden sind, gehören seine Werke in Japan zu den meistgehörten Stücken der ernsten europäischen Musik und bilden zudem einen zentralen Ausgangspunkt des japanischen Kankyō Ongaku, der „Umgebungsmusik“.

Der 1983 tragischerweise viel zu früh tödlich verunglückte Satoshi Ashikawa veröffentlichte in den Jahren davor drei Alben in seiner Wave Notation Serie: sein eigenes Werk Still Way, Hiroshi Yoshimura’s Music for nine Postcards und als letztes das ursprünglich als Kooperationsarbeit intendierte, aber durch seinen Unfalltod als Soloalbum erschienenen und jetzt endlich wiederveröffentlichten Albums der Pianistin Satsuki Shibano Erik Satie 1984. Shibano gilt als eine der Satie-Interpretinnen Japans, studierte u.a. in Paris und hat eine sehr japanische Interpretation seiner Musik entwickelt, die durch einen radikalen Purismus, eine Reduziertheit auf das Wesentlichste und eine große Klarheit in ihrer Spielweise gekennzeichnet ist. Damit hebt sie durch konsequentes Weglassen die Mobiliarhaftigkeit der ausgewählten Stücke hervor, die es dann in letzter Konsequenz vertragen einfach in der alphabetischen Reihenfolge ihrer Titel gespielt zu werden, weil etwaige musikalische Ordnungskriterien angesichts ihrer Interpretation schlichtweg bedeutungslos werden. So habe ich Satie noch nie gehört, verhalten, in meditativer Klarheit, mit sparsamstem Einsatz der Pedale mit wenig Hall und weit zurückgenommener Expressivität. Die Stille zwischen den Tönen – nichts zu behalten für den Gedächtnislosen. So musste sich Satie seine Musique d’Ameublement im Ideal vorgestellt haben als er schrieb: Wer die Musique d’Ameublement nicht gehört hat, weiß nicht, was Glück bedeutet.

 
 
 

 

Beginnen wir also mit dem Urvater der Ambientmusik, mit Erik Satie, dem Mann, der posthum wesentlich dafür sorgte, dass mir als jungem Menschen das Klavierspielen nicht abhanden gekommen ist. Denn damals fühlten sich seine Stücke endlich mal so an, als ob sie aus mir flössen und nicht einfach nur qualvoll von mir gespielt werden müssten. Diesem Freigeist nun über hundert Jahre später Respekt zu zollen ist nicht ganz einfach, weil seine Musik ubiquitär geworden ist und mancher bei der Nennung seines Namens bereits zu gähnen beginnt. Dabei war er in seinem teilweise regelrecht anarchischen Ansatz damals ein Enfant terrible der feinsten Sorte. Weil die Würdigung und damit auch der finanzielle Zufluss teilweise ausblieben, lebte er zeitweise in einem winzigsten Zimmer, in dem lediglich sein Klavier und ein Bett Platz fanden, das Türeöffnen dann aber schon wieder problematisch wurde. Als Debussy ihm einmal vorwarf, dass seine Stücke keine rechte Form aufwiesen, nahm er die Kritik mit dem ihm eigenen Humor gleich an und komponierte umgehendst ein Stück in Birnenform! Der Versuch sich Satie zeitgemäß anzunähern ist ganz aktuell mit Fragments aber überraschend und sehr vielseitig gelungen. Die Deutsche Grammophon lud verschiedene Komponisten und DJ’s ein sich zeitgemäß an ihm zu versuchen, darunter Henrik Schwarz, Monolink, Christian Löffler, Pantha du Prince, Sascha Braemer und viele mehr. Hierbei kamen viele sehr spannende Reworks und einige Remixe heraus, die der Musik Saties auf einmal einen tanzbaren Boden verschafften, sie bis zur Unkenntlichkeit durcharbeiteten und doch in Satie’s Sinne faszinierende Klangräume schafften. Besonders hervorzuheben ist der Gnossienne No.1 Rework der Grandbrothers, der eine unglaubliche Dynamik entfaltet und der eigenwillige Rework des DJ und Biologen Dominik Eulberg (Lesetipp: „Mikroorgasmen überall“) und nicht zuletzt die Sonneries de la Rose-Croix von Moritz Fasbender, von der gleich die Rede sein wird. Abwechslungsreich, mal bizarr, definitiv gut entstaubt und reinigt die Gehörgänge gründlich.

 

 

 

       

 

 

 

Moritz Fasbender ist der Name des verstorbenen Zwillings und der Familienname der Mutter der Leipziger Pianistin, Komponistin und Filmmusikerin Friederike Bernhardt, ihr alter Ego. Sie ist neben all den anderen Tätigkeiten auch passionierte Kaninchenliebhabenrin und jedesmal (so behauptet sie wenigstens) wenn sich eines ihrer Kaninchen unter ihrem Flügel aufhielt komponierte sie ein Stück, weswegen sie ihr Debütalbum 13 Rabbits nannte. Friederike Bernhardt ist eine Meisterin im Spiel mit Klangfarben und -schichten und Atmosphären, lotet dabei die Grenzen ihrer Tasteninstrumente behutsam, aber konsequent aus und erweist sich dabei als so ausgesprochen kreativ und innovativ, dass jüngst sogar David Sylvian sie zum Aufnehmen neuer Songs (man darf also gespannt sein…) in sein Studio geholt hat. Eingerahmt von den eigenwilligen Fragmenten Three Armed Men at the Foot of My Bed und Three Armed Men Leaving My House finden sich 11 Stücke die sich nicht festlegen lassen wollen, bisweilen mit Konventionen spielen, um sie zu verraten und dabei ganz beiläufig eine feinste Sensibilität fürs Cineastische wie ein Vexierspiel (Playlist) pflegen.

 

Japanese Jewels 18: „Writing about music is like dancing about architecture“ – ein Zitat, dessen Ursprung letztlich unklar bleibt, aber bereits einigen namhaften Musikern, wie Elvis Costello, Laurie Anderson, Frank Zappa, David Byrne und vielen mehr zugeschrieben wird und nicht mehr als die grenzfälligste Möglichkeit über Musik zu schreiben benennen soll. Challenge accepted, sagt hierzu der japanische Ausnahmepianist Koki Nakano, dessen aktuelles Album Oceanic Feeling im Frühsommer erschienen ist. Der klassisch ausgebildete Pianist hat sich in seinen bisherigen Alben langsam Stück für Stück von den erlernten Konventionen befreit, um inzwischen minimalistische und subtil doppelbödige Stücke mit fast Reich’schem Groove zu komponieren. Aber was hat das alles mit dem Tanz über Architektur zu tun? Dazu muss man sich nur die Videos zu seinen Stücken anschauen, die nicht nur ein intensives Bilderleben führen, sondern sogar den Schluss nahelegen, dass man lieber weiter so zur Architektur tanzen sollte, als groß Worte zu verlieren: Mue, Glances, External Cephalic Version oder wo klaustrophobe Räume durchmessen werden, wie in Port de bras. Ein irisierendes und intensives Album, das zudem ganz hintergründig japanischen Musik- und Hörgewohnheiten Rechnung trägt.

 

 

 

     

 

 

 

Japanese Jewels 19: Insen von Alva Noto & Ryuichi Sakamoto. Langsam erklingt ein gesetzter Klavierton nach dem anderen, es klickt und kruschpelt dazwischen, ein knisternder Rhythmus schiebt sich in den Vordergrund, leise, diskret und hypnotisch während ich mit meinem alten silbernen Pontiac Transport (das genialste Auto, das ich je hatte) leise über einen Alpenpaß gleite: die weiten Schneefelder, die offene Weite, Wolken durch die Niederungen ziehend, die harsche Steinwelt, die die Straße in unbeugsam kleine Serpentinen zwingt. Ein majestätisches Ambiente zu diesem schwebenden Soundtrack, der die tiefe Ruhe der Umgebung diskret aufnimmt und alles zu einem psychedelischen Roadmovie transformiert.

Szenenwechsel: Alva Noto und Ryuichi Sakamoto live in den organischen Eingeweiden des Frankfurter Clubs Cocoon. Zwischen den Formen, die auch von Roger Dean entworfen sein könnten steht eine große eckige LED-Wand und ganz unscheinbar davor die beiden Protagonisten, die gerade Svmmvs herausgebracht haben. Wieder ist sie binnen Minuten da, diese sogartige, in kortikale Tiefen führende Mischung aus einem zeitlupenhaften Flügel und den elektronischen Klicks und Flächen, die tranceinduzierend einen wachen Frieden in einer unbestimmten Zwischenwelt hervorrufen und jegliches Zeitgefühl für die Dauer ihrer Existenz aussetzen. Überwältigend bizarre Schönheit.

 

Dieser fügen wir nun noch eine sehr diskrete, in Naturtonskalen schwingende Erweiterung der Stille hinzu: das aktuelle Album von Christina Vantzou, Michael Harrison und John Also Bennett, dessen Musik auf nordindischen Ragas basierend in einer unglaublichen Intimität zwischen dem für unsere Ohren erst etwas dissonant klingenden, in der natürlichen Obertonreihe gestimmten Flügel Michael Harrisons, der mit LaMonte Young spielte und ebenfalls bei dem indischen Gesangsmeister Pandit Pran Nath lernte, und den hintergründigen resonanten Drones JAB’s oszilliert. Manchmal klingt der Flügel mehr wie eine elektrische Zither und erinnert dann etwas an die ruhigeren Stücke Laaraji’s, mal absorbieren die stehenden Resonanzen jegliche vordergründige Aufmerksamkeit und führen langsam zurück in den Ursprung aller Dinge: eine freundliche Stille, die noch nicht erklungen ist.

 

 

 

 

That what it‘s all about. No doubt it‘ll all end up in tears. Or sudden death, tears only for the leftovers. Death by chocolate, death by wrong time, wrong place. Or you‘ll see the golden light, but it‘s all endorphines, morphines, and the brain protecting you a last time before the curtain‘s falling. You won’t see anyone again really. There may be an afterglow, but it‘s a matter of seconds, though the tricky neurochemical game of passing away forever might suggest eternity. So many people are trapped by illusions of an afterlife. Come on, Laurie Anderson: The Tibetan Book Of The Dead. Really? But, then again, how long did it take for Sawyer, Kate, Juliet, and all the others on the island, to realize that they ARE dead? In other words, LOST. So, no doubt the six seasons of one of the best TV shows ever are a second version of the Tibetans‘ survival manual. We better start asking some essential questions now. What is life all about? NO! Why are you still worried? YES! Worried about what? YES! The sound of someone going away? YES! They are all going away all the time. It happens every moment. Marriage doesn’t work either (rare enough). Too many miserable safety nets. Safety is the big illusion. See what happened to Satie when he had been striving for recognition – the hell of dead music! So the real question is: when do you start living? Or to make it utterly simple (from my basic lessons as a life coach): when do you start this fabulous day? Because, being dead will be easy anyway for a very long time. You think this guy is some hardcore atheist! No, I do believe in angels, for example. Yes, you can see them everywhere, just open your eyes. They don‘t do a very good job most of the time, they drink too much, they prefer escapism, tropical island discotheques, and some real good fuckin‘. They are humans in the end. Heaven is the place where nothing really happens. So here we are, down to earth, and you listen to a piece of music titled „The sound of someone you love who’s going away, and it doesn‘t matter“.

 


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