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Archives: ECM Records

Diese Stunde war etwas anders geplant. im Mittelpunkt sollte ein „buried treasure“ von Pharoah Sanders erklingen, aus dem Jahre 1977, remastert und herausgebracht von Luaka Bop, die uns vor Jahren Pharoahs geniales Farewell-Album bescherten. Aber, bei aller Liebe zu den meisten Werken des Saxofonisten nach dem Tod Coltranes, von „Tauhid“ bis früh in die Achtziger hinein, „Pharoah“ (1977) enttäuschte mich fast auf ganzer Linie – von wegen „heiliger Gral“!

Und so kam es, dass ich bei meinem kleinen Trip durch die Siebziger Jahre Station machte im Jahr 1973, der frühen Zeit von Keith Jarretts Solopianokonzerten. Inspiriert auch von Wolfgang Muthspiels Komposition „Folk Song“, die etwas von Keith Jarretts zwei Studioalben mit seinem europäischen  „Belonging“-Quartett aufgriff –  und verwandelte. Das „ECM special“ wurde dezent erweitert – in einem Magazin mit „Neuem von der improvisierten Musik“ bestens zu rechtfertigen mit der aktuellen Vinyl-Serie einer  Auswahl alter „Meilensteine“ des Labels, innerhalb der Reihe „Luminessence“.

Und so ging‘s, zeitweise und in munteren Galopp, schlaglichtartig, durch, musikhistorisch gesehen, eine der wundersamsten Dekaden der letzten hundertfünfzig Jahre, ein „power spot“ ohnegleichen, was Erfindungskraft, Ereignisdichte, Grenzüberschreitungen –  und die Zahl von „Instant Classics“ angeht. Im Jazz und weit über den Jazz hinaus. Da spielte, in meinen „Ton“, eine Prise Humor hinein, etwas „Storytelling“ (wenig ist so lähmend wie eine trockene akademische Ansprache).

In der Losung zum „deep listening“, eine  Art Affirmation, nichts anderes als  der Titel eines Jazz-Standards“ (von dem es übrigens auch eine „late night version“ von Keith Jarrett gibt), kommt etwas zum Vorschein, was leicht den „Meta-Ebenen“ des Diskurses abgeht: dass das existentielle Element die Hörerfahrung selbst ist. Der private Raum.

Hier die ganze Stunde, mein Dank an den „radiophilen Henry“, an die „virtuellen Gesprächspartner Wolfgang Muthspiel und Jan Bang, und an Olafs muntere Replik: „deep listening, michael, auf jeden fall – aber darüber den hund vergessen ??“ Abgesehen vom Jahresrückblick mit Thomas und Karsten im Studio 3A des Deutschlandfunks, sind meine nächsten Ausgaben der „JazzFacts“ und der Klanghorizonte“ erst Anfang des folgenden Jahres.

 

 

That’s how it is. Music that dwells between all horizons is hard to grasp. Listening in briefly is not an option here – lingering is the magic word, all stranger things considered. At the end of this journey, a certain Loplop is wandering around in the forest. Do you know Loplop? I didn’t know the journeyman until now. Nor those paintings by Max Ernst in which he captured dark forests on canvas that human beings should better not visit. Only the magical bird Loplop succeeds in these forays.

The prelude to these ten excursions into rare, real, surreal terrain is entitled „This Town Will Burn Before Dawn“. When the piece first took shape, the composer, whose instruments are listed as „electronics & sampling“, had in mind a pulsating, shining city full of inventions that is burnt down by barbarians, but without destroying the last traces of hope.

From track to track, the scenery is changing. Years ago, an asteroid approached Earth, stopped just before entering our orbit, and sped off in the opposite direction. Even scientists couldn’t come up with a completely plausible explanation, and the internet was flooded with theories that, of course, included extraterrestrial life. „Oumuamua, Space Wanderings“ is the apt name of the composition of a wonderfully strange album that apparently sets itself no limits thematically.

We travel in 80 worlds around the day anyway (some just don’t realise it). One thing at least seems to permeate all these ascetically conceived pieces: a sense of transformation, of traces of light in the darkest zones. Such things can easily go wrong, with minor-key textures, soaring pathos, plainly knit „new age“ props, and strained big-art bric-a-brac.

 

 

 

 

Evgueni Galperine doesn’t fall into any of these traps on „Theory Of Becoming“, an album that, despite its continuously surprising contrasts, gives space and depth to every single moment. Quiet seductively, the pieces (apparitions) let fall one mask after the other  – sometimes we hear the dancing swing of a children’s song, sometimes a barely disguised earworm, a lost score of late romanticism, a Jules Verne-tested space travel or a chronicler of real horror.

„Theory of Becoming“ is completely cliché-free meditation music. And exciting to boot. It could become a new favourite album for listeners who appreciate the collected areas and immersions of Steve Tibbetts‘ „Life Of“ or Arvo Pärt’s „Tabula Rasa“, or the solo album by Mark Hollis, probably also for those who like to return to one or the other classic from the treasure troves of „Made To Measure“ and „Obscure Records“, historic labels and playgrounds for the undefined (founded once upon a time, deep in the last century, by Marc Hollander and Brian Eno).

And anyway, this terrific album bears the signature „produced by Manfred Eicher“. As a somewhat quieter presence, the strange bird Loplop was certainly also present in the Paris studios. And he knows the fast ways out of the protective zones of sheltered high culture and  into the beating heart of our wilderness!

 
 

Trio Tapestry‘s sense of melody, space and  letting-go  is immaculate. I will always remember their first record, one of the jazz miracles of 2019. For me, it was the best album Joe Lovano ever made, with Manfred Eicher’s perfect sequencing of the tracks. Listen to the vinyl: suspense, sound and silence in perfect union. It is quite natural that this follow-up lives up to the high standard of the first meeting in New York. Now with a deeper touch of Provence pastel and colours at dusk. You can think of every jazz writing cliche of praise, from „filigree“ to „elemental“, and be sure that Lovano, Crispell and Castaldi are breathing new life into it. After the first three pieces of pure baladry (written by soul, not by the book), the appearances of sound take more and more adventurous side steps, from moments of pianistic unrest and upheaval, to an exploration of metal and sound in Castaldi‘s drum figures. A zen-like purity‘s bold pairing with an adventurous spirit. The record delivers everything with grace, selflessness and the most nuanced sense of  tempo, time standing still and a flow of undercurrents. If this sounds slightly over the top, let the music take over, dim the lights and follow the tapestries!

 

2020 17 Mai

25 Rückblicke

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In diesem allerfeinsten kleinen Film, in dem Bill Frisell von seinen Anfängen erzählt, dreht sich einiges um sein Debut-Album für ECM, „In Line“. Ein Solowerk, mit der Unterstützung von Arild Andersen bei einigen Stücken. Ein betörend unspektakuläres erstes Mal. Diese Produktion ist auch eine Story von Manfred Eichers Gespür und Geduld (aber hören, sehen Sie selbst). Ich fragte mich, wer dieser Gitarrist sei, als ich ihn das allererste Mal hörte, mit seinem Kurzauftritt auf Eberhard Webers Album „Fluid Rustle“, bei dem er auch Balalaika spielte. „In Line“ begegnete mir wieder, während eines Gesprächs mit Gavin Bryars. Da ging es um sein Album „After The Requiem“, mit Frisell an der E-Gitarre. Wir sprachen über die letzten Tage des Philosophen Immanuel Kant, wie er (daran erinnere ich mich, sicher lückenhaft) er aus dem Fenster seines Zimmers schaute, auf einen alten Turm gegenüber („The Old Tower of Lobericht“) – und Gavin Bryars schichtet die Klänge so wundervoll, dass Frisells Schwebungen sich elegisch und spannungsreich zugleich einfügen. Und Mr. Bryars erzählte mir, in einem kleinen Büroraum in Gräfelfing, wie sehr er „In Line“ als Album schätze. Ein Stück daraus spiele er seit Jahr und Tag immer wieder, wenn auf seinen Flügen die Maschine dabei ist abzuheben, und er damit eine leichte Flugphobie bestens in Schach halte. Es habe die perfekte Schwingung, und die perfekte Länge. Wer Frisells Musik kennt, wird, wenn er dem Amerikaner zuhört (in diesem Gespräch, das wie ein tief entspanntes Solo rüberkommt) ganz eigene Assoziationen entwickeln zur Musik, zur eigenen Hörgeschichte. Hier und da gönnt sich die Kamera einen Blick in die Umgebung, auf einen Spielplatz etwa. Für Frisell war die Musik stets ein „adventure playgound“, und hier erzählt er so ehrlich, so ruhig, dass man dieser Figur wirklich näherkommt, und hinterher grosse Lust hat, „In Line“ zu hören. (m.e.)

 

Tatsächlich zählte Bill Frisell zu meinen ersten Gesprächspartner-Ideen für diese 50-Episoden-Reihe über ECM (neben Mick Goodrick, der leider mit den Worten „I’m in the process of retiring in the next year or so, plus I broke the little finger of my left hand a couple of years ago“ freundlich, aber bestimmt absagte), und letztlich zog sich die Organisation zu einem Treffen mit Bill  über einige Monate hin, und es war bislang auch der einzige Musiker, mit dem die Planung nicht direkt persönlich stattfand, sondern ausschließlich zuerst über seine Managerin in San Francisco und dann mit seiner Tourmanagerin / Tonmeisterin. Leider ließ es sich nicht ermöglichen, ein Treffen bei ihm in New York zu machen. Ich bot dann irgendwann an, dass doch der Konzertraum hier in Berlin der Tour im letzten Herbst eine gute Option wäre, da ich quasi auf der gleichen Straße wohne, nur ein Stück weiter nördlich, was auch auf positive Resonanz zu stoßen schien. Ob eine Stunde den ausreichend sei? (Sicher. Mit Richie Beirach, Heiner Goebbels oder Boris Yoffe hatte ich deutlich weniger Zeit, und das Ergebnis kann man dennoch vorzeigen.) Doch von Seiten der Kontaktperson(en) wurde am Ende der Wunsch übermittelt, das Gespräch im Hotel durchzuführen. Ob ich denn auch mit einer halben Stunde auskäme? Naja, klar, sagte ich, schließlich hatte ich wohlahnend schon zu Beginn geschrieben, dass auch einige Minuten im Rahmen eines Soundchecks oder dergleichen möglich wären, sollte es zeitlich im Rahmen einer Tour nicht anders einzurichten sein. Meist ist ein Hotel keine wirklich gute Räumlichkeit für Interview-Filmereien, erstens weil es meistens stulle (so der Berliner) aussieht (siehe hierzu die Interviewvideos mit Heinz Holliger, wo wir immerhin ein dunkles Salonzimmer in einem Westberliner Hotel organisierten), und zweitens weil der Ton schwierig zu verwenden ist. Vor Ort zeigte sich dann auch, dass die Hotelangestellten (erwartungsgemäß) einem Interview nur unter der Bedingung zustimmten, dass wir uns ins Restaurant setzten – und keine Aufnahme gemacht würde.

Daher fand das Gespräch mit Bill am Ende in einem kleinen Park mitten in Friedrichshain statt, eine Minute vom Hotel entfernt  statt (ich hatte ja nur 30 Minuten); glücklicherweise war es akustisch gerade so noch okay, wenngleich dort auch einige Herrschaften unterwegs waren. Rechtlich gesehen darf man heute Menschen in der Öffentlichkeit nicht einmal mehr von hinten Filmen, wenn man nicht vorher ihre Erlaubnis einholt, mit Kindern ist es noch strenger… Ich wäre herzlich gerne mehr in die Tiefe gegangen und hätte gerne noch einiges mehr zu Bills Arbeit für/mit ECM erfahren, aber so ist der Fokus eben noch striker auf den Jahren bis zum ersten Album. Immerhin hatte er vorher schon mein Video mit Gavin Bryars gesehen (und das gleich positiv erwähnt), wo er ja auch thematisiert wird.

Heute habe ich sozusagen die Hälfte der Episoden der Reihe fertig; 15 weitere sind zumindest gefilmt (und manche in Teilen geschnitten, aber noch nicht ganz rund), ich hoffe, die über den Frühling und Sommer fertigzustellen. Und sobald es wieder möglich wird, Reisen anzutreten, hoffe ich, möglichst viele der zwischen März und Mai terminierten und dann abgesagten Treffen noch nachzuholen. Dies ist aktuell der Stand der gesicherten Rückblicke:

 

1961 Steve Swallow & Carla Bley on Jimmy Giuffre 3 

1969 Martin Wieland / Studio Bauer (Mal Waldron „Free at last“ / Version ohne Untertitel)

1970 Frieder Grindler (Wolfgang Dauner „Output“)

1971 Barre Phillips 

1972 Ralph Towner 

1973 Art LandeRed Lanta“

1974 Eberhard Weber

1975 Steve Swallow and Carla Bley on „Dreams So Real – Music of Carla Bley“

       ///   Enrico Rava The Pilgrim and the Stars 

1976 Lajos Keresztes (Egberto Gismonti „Dança das Cabezas“)

1977 Richie Beirach

1978 Wadada Leo Smith „Divine Love“

1979 Roberto Masotti

1981 Meredith MonkDolmen Music“

1982 Bill FrisellIn Line“

1983 John Surman „Such Winters of Memory“

1984 Friedrich Hölderlin

1985 Django Bates on First House

1986 David TornCloud About Mercury“ (+ Everyman Band)

1987 Hans KochAccélération“

1988 Heiner Goebbels / Heiner Müller „Der Mann im Fahrstuhl“

1989 Jean Guy Lathuilière (Alex Cline „The Lamp And The Star“)

1990 Gavin BryarsAfter The Requiem“

1991 Arild Andersen on Masqualero („Re-Enter“)

1993 Sidsel Endresen 

1994 Marilyn Mazur Future Song „Small Labyrinths“ 

1995 Pierre Favre „Window Steps“ 

1996 Juan Hitters (Dino Saluzzi „Cité de la Musique“)

1997 Barry Guy & Maya Homburger

1998 Jan Jedlička (Tomasz Stanko „From The Green Hill“)

1999 Mayo Bucher (Herbert Henck: Jean Barraqué Sonate / Björn Meyer „Provenance“)

2000 Marilyn Crispell

2001 Jon Balke

2002 Carla Bley „Looking for America“

2003 Caterina di Perri (Stefano Battaglia „Raccolto“)

2004 Susanne Abbuehl

2005 François Couturier & Anja Lechner / Tarkovsky Quartet „Nostalghia“ [muss überarbeitet werden; letzte Schnittfassung nicht freigegeben]

2006 Paul Giger & Marie-Luise DählerTowards Silence“

2007 Jan Kricke

2008 Mark Turner

2009 Boris YoffeSong of Songs“

2010 Ketil Bjørnstad & „La notte“ 

2011 Eberhard Ross (Mauseth/Valli „Over Tones“)

2013 Thomas Wunsch (Christian Wallumrød Ensemble „Outstairs“)

2014 Fotini Potamia (Savina Yannatou „Songs of Thessaloniki“)

2015 Gary Peacock Trio with Marc Copland and Joey Baron „Now This“ + Outtake

2016 Marc Sinan & Oguz Büyükberber „White“

2017 Sun Chung / Andrew Cyrille

2018 Gérard de Haro / Studio La Buissonne  

Hinzufügen für 2019 ließe sich noch die kleine Reihe von Gesprächsteilen mit Heinz Holliger, zu seinem 80. vor einem Jahr, wenngleich das stilistisch weitaus simpler ist und letztendlich in künstlerisch-gestalterischer Hinsicht nicht von mir entschieden wurde, und für 2020 die „Kurzdoku“ zu Erkki-Sven Tüürs Kammermusikalbum:

2019 Heinz Holliger über Kurtág, über Philippe Jaccottet und die Idee hinter dem Album „Zwiegespräche“

2020 Erkki-Sven Tüür „Lost Prayers“ 

Gerade als ich diesen Blogeintrag fertigstelle, erhalte ich eine Mail von Gary Peacock, „Whatever has a beginning has an end.“ Nachdem das Gespräch mit Peacock und Marc Copland viel positive Resonanz erhalten hat und auf Facebook zahlreiche Male geteilt wurde, habe ich noch ein „Outtake“ hochgeladen, wo die beiden konkret über ECM und Manfred Eicher sprechen. Das hatte in dem ohnehin schon recht langen 2015-Gesprächsvideo keinen Platz mehr gefunden. Daher hier als letztes Wort zum Sonntag.


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