Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

 

Der Titel stammt von dem Musiker Richard Horowitz, einem langjährigen Mitarbeiter und Freund des Trompeters und Komponisten Jon Hassell – diese Vergleich war Teil seines Textes über ein Konzert von Jon in der Royce Hall in LA vor einem Jahrzehnt.

 

Umgeben von seiner Familie und seinen Freunden starb Jon Hassell am Samstag, den 26. Juni, friedlich in seinem Haus in LA. Wie eine seiner beiden Patentöchter, Uti Cleveland, nach der Zeremonie sagte: „Jon konnte sagen, wie die Welt ist, und nicht, wie er sie gerne hätte“.

 

Manche Musiker haben die Fähigkeit, direkt zum Herzen zu sprechen. Das ist eine Gabe Gottes oder wie auch immer man es nennen mag. Jon hatte diese Gabe. Es hat etwas damit zu tun, dass man einen Ton auf eine besondere Art und Weise hört, so dass man ihn beim Zuhören sofort als etwas fast Privates erkennt. Eine persönliche Sache, die man in seinem Leben besitzt und von der man weiß, dass sie einen für immer begleiten wird.

 

In vielerlei Hinsicht wurde Jon mein Mentor, ein Teil meiner DNA. Ich hatte das Glück, den Mann über einen Zeitraum von fünf Jahren sehr gut kennenzulernen, und zwar ab 2005, als er zum ersten Mal zusammen mit dem Gitarristen Eivind Aarset zum Punkt-Festival in meiner Heimatstadt Kristiansand kam.

 

Zwei Jahre später, als er nach Norwegen zurückkehrte, wurde ich ein festes Mitglied seiner Band, und von da an reisten wir gemeinsam um die Welt und traten an den verschiedensten Orten auf, von Reykjavik bis Sydney. Wo immer Jon zu einem Auftritt eingeladen wurde, war ich an seiner Seite. An seiner Seite in Frankreich mit Gnawa-Musikern zu spielen, oder in der Carnegie Hall in New York und an verschiedenen Orten in den USA und in Europa, war einfach großartig.

 

Wenn er auf dem Big Ears Festival in Knoxville, Texas, auftrat, erzählte er, wie vertraut ihm die Landschaft war, als er in Memphis, Tennessee, aufwuchs. Der Sumpf und die Hitze. Als Teenager hörte er den Blues in kleinen Clubs. Als er später in Rochester studierte und „Gesang der Junglinge“ hörte, beschloss er, nach Europa zu gehen, um bei Stockhausen zu studieren.

 

Er bewunderte Terry Riley, den wahren Begründer des Minimalismus, und reiste nach Indien, um in den USA bei Pandit Pran Nath zu studieren.  Jon lernte, zuerst zu singen und dann die Gesangslinien auf sein Trompetenspiel zu übertragen – wie Kalligraphie, aber mit Klang, wobei er lernte, eine perfekte Linie mit dem Klang seiner Trompete zu zeichnen.

 

Durch Jon lernte ich Brian Eno kennen und erinnere mich gerne an ein langes Frühstück in London am Tag nach einem Auftritt beim London Jazz Festival. Die beiden hatten ihre Freundschaft nach ein paar Jahren ohne Kontakt wieder aufgenommen. Als ich aus London zum Flughafen fuhr, sagte ich zu Jon, wie schön es sei, zwei alte Freunde zu sehen, die sich nach Jahren des Schweigens wieder versöhnen. Jon antwortete einfach: „Nun, Brian ist mein Kumpel“.

 

2008 gingen wir mit Manfred Eicher ins Aufnahmestudio und nahmen das auf, was „Last Night the Moon Came Dropping Its Clothes In The Street“ (ECM) werden sollte. Die Aufnahmen fanden in den La Buissone Studios in Avignon, Frankreich, statt. Die Musiker waren allesamt Amerikaner: Rick Cox (Gitarre); Jamie Muhoberac (Synthesizer); der mittlerweile verstorbene Peter Freeman (Bass); Jon (tpt, Keyboards) und ich  selbst war für Live-Sampling zuständig.

 

Arnaud Mercier, der Jon seit 2003 und bis zu seinem Tod im Jahr 2021 treu zur Seite stand, war als zweiter Tontechniker neben den hauseigenen Toningenieuren dabei, und Manfred produzierte das Album. In das Endergebnis flossen Live-Aufnahmen aus Courtrais, Belgien, und spätere Aufnahmen ein, als das Punktfestival für ein paar Tage mach London kam. Schließlich wurden noch J.A. Deane, Helge Norbakken und Kheir-Eddine M’Kachiche in den Mix aufgenommen.

 

Als unsere Zusammenarbeit zu Ende ging, sagte mir Jon, die einzige Musik, die er hören würde, sei Ravels „Le Gibet“ aus „Gaspard de la Nuit“.

 

Am Tag der privaten Gedenkfeier war ich mit dem Fahrrad auf dem Heimweg aus der Stadt, als ich die Kirchenglocken läuten hörte. Und ich erinnerte mich daran, wie er mit den Kirchenglocken gespielt hatte. Jon und Arnaud hatten es so organisiert, dass die Tonhöhen morgens hohe Töne spielten, sie im Laufe des Tages langsam nach unten transponierten, und um Mitternacht mit einem wunderschönen tiefen Gong endeten.

 

Das erinnert an den Paul-Simon-Song über die beiden Johns – John Lennon und den verstorbenen großen Johnny Ace. Ich füge dem Lied einen dritten Jon hinzu – ich singe zu mir selbst:

 

On a lovely Sunday morning
In beginning of summertime
When a friend called up and asked me
if I´d heard Jon Hassell died

And the two of us went to this bar
and we´d stayed to close the place
And every song we played was for
the late great Johnny Ace

 

(free adaptation from The Late Great Johnny Ace)

 

(translated and transcribed by M.E. with kind permission from Jan Bang)

(source: janbang.org/news)

(program: Punkt 2021 )


(P.S.: Within the last hour of my next radio night on August 21, the musics will be shared by Jon Hassell and Don Cherry. It was deeply moving to find an old portrait of Jon in the archives of the Deutschlandfunk, and I decided to let ten minutes of that show from 1990 appear again, and not for sentimental reasons: you’ll hear Jon talking about the „urban jungle“ and his album „City: Works of Fiction“ while quite beautiful noises froom the streets enter the small appartment in South Kensington. A tiny moment in time, an everlasting memory. And, by the way, circles closing again, Jan is quoting Richard Horovitz at the beginning – and I did my first interview ever with Richard and his soul mate and lover in the days of old, Sussan Deyhim. m.e)

 

Kurz bevor das alte Jahrtausend zuende ging, schickte mir Konrad Heidkamp einen Text, der bald darauf so oder leicht verwandelt in der „Zeit“ erscheinen sollte. Er war glücklich, diesmal nicht allzusehr der inneren Lyrik zu folgen, und ein paar handfeste Geschichten zu Jon Hassells Musik zu finden, in einem schon damals älteren Interview aus der Jazzthetik, das mein Londoner Gespräch mit Jon aus dem Sommer 1990 enthielt. Ich habe mir erlaubt, die Dinge, die er von mir hatte, Fakten, kleine Sätze, rauszukürzen, und nun liest es sich so.


„Was macht der Kritiker beim Hören? Kratzt am schwarzen Stabilo point 88 auf und ab und wartet auf den Impuls. Hört, hört, hört, hofft, irgendetwas möge doch endlich auf dem karierten Papier erscheinen. Vergeblich. Jon Hassell, die zweite, die dritte. Leeres, weißes Blatt, wieder vor lauter Hören zu schreiben vergessen. Keine Bilder, keine Assoziationen – Musik. Schließlich schreibt er zeitgezwungenermaßen das Folgende:

 

Seit 20 Jahren kennen manche die Platten des Trompeters Jon Hassell, haben jenen verhangenen, elektronisch verstärkten Klang im Ohr, jenen atmenden, stimmähnlichen Sound, der sich über afrikanische Rhythmen legt, zu Samples haucht und indische Ragas begleitet – Fundstücke auf verschiedenen Labels, in immer neuen musikalischen Zusammenhängen, Malerei im freien Stil, die mit Brian Eno ambient schafft, Jazzelemente dazumischt und in Bluescreen-Technik ungehörte Verbindungen zwischen Vorder- und Hintergrund kreiert.



So könnte man beginnen. Aber auch manches überspringen, und jetzt endlich
den Titel nennen: „Fascinoma“, ein Album, das all dies hören lässt und doch ganz vertraut klingt. Ein Trompetenton, unverstärkt und warm, dazu die Flöte von Ronu Majumdar, das mäandernde Piano von Jacky Terrasson und die Gitarre und Inspiration von Ry Cooder. Jon Hassell improvisiert, als wäre Atmen wie Musik …

 

Doch lieber ihn selbst zitieren: „Gleichzeitig feiere ich hier meine erste Berührung mit musikalischen Exotica in Form von bestimmten Liedern und Melodien, die ich als Kind im Radio oder Kino gehört habe. Diese Musik schafft eine Art beständiger Technicolor-Oase in meinem Kopf – einen Ort, zu dem ich immer wieder heimkehren möchte zu einem erfrischenden Trunk, ob er jetzt nach Duke Ellingtons und Juan Tizols Caravan schmeckt oder nach Ravel, nach Raga oder Gamelan oder Gil oder JoÆo oder Joujouka – einen Ort, wo die tief liegende Quelle entspringt, aus der sich mein Fourth-World-Paradigma speist.““

 

2021 1 Aug.

What light there is

von | Kategorie: Blog | | 6 Comments

 

 

Ich schrieb heute Sam und Joe und Will und Hannah (wunderbare Hannah) und Ellen (die natürlich auch wunderbar ist, aber nicht so atemberaubend – gut, ich bin verliebt) fünf Postkarten (ganz altmodisch mit der Golden Gate Bridge bei Sonnenuntergang). Sie kommen alle nach San Francisco, und für Hannah suche ich noch die schönste Blume für ihr Haar.

 


Wer von euch am 15. und 16. Juni Zeit hat, und wir haben doch Zeit ohne Ende, wird die Qual der Wahl haben, was Konzerte betrifft. Es ist nun Juni 1968, und wir haben das ganze verrückte Leben noch vor uns. Habt ihr nicht das Gefühl, in San Francisco pulsiert das Leben wie nie zuvor??!! Am Samstag, dem 15. Juni, spielt Arthur Brown im Fillmore. An diesem Abend treten The Charlatans im Straight Theatre auf. Am Sonntag sind dann  Big Brother zusammen mit der Steve Miller Blues Band auch in der Stadt, und der wunderbare Gitarrist Sandy Bull spielt mit Santana im Fillmore. An beiden Tagen spielt auch Booker T & the MG’s im Carousel Ballroom. Die Booker T Combo wird von den lokalen Stars It’s A Beautiful Day unterstützt. Der dritte im Bunde ist Tim Buckley, einige von euch kennen sein letztes Album Goodbye and Hello, das so viel aufregender als sein Titel ist. Und ich werde mit weder Sandy Bull noch Tim Buckley entgehen lassen. If paradise is half as nice!! Love and Peace, James!

2021 1 Aug.

A memory from Punkt 2015 (remix)

von | Kategorie: Blog | | Comments off

„Dirty old river, must you keep rolling / Flowing into the night“. I enjoyed walking through the night of Kristiansand. The work was done, the music of Cyclobe a real surprise for me on that early September day. Ossian Brown, one of the bandleaders, had published a book of photographs years ago on „Halloween in England“, with lots of ancient pictures – children in the old days playing tricks on the horror.

I walk (a real „killer walk„) over well-kept, wooden harbour bridges, past huge fish warehouses, leave the tiny coastal park on the left, now I come to the edge of town, the road rises, from a student dormitory comes music by the Rolling Stones, an old record, I think it’s „Let It Bleed„, a good hour goes by, I pass a shop with an eternal ooomp-ooomp-goove of the crazy kind and the big kebab pizza (open till 4. 30 in the morning).

I sink into bed, my thoughts rotating, live-remixing my day, then falling out of these loops, just two or three still circling inside my brain, I get up once more, take a soft drink from the mini-bar, and put on a song on my virtual jukebox that, for reasons I know only too well, „Waterloo Sunset„, by the Kinks.

The „doom-folk“ and „drone specialists“ of Cyclobe come to mind again, with their synthesizers, hurdy-gurdy sounds and other historical sound equipment, like the Kinks, treasure hunters,  collecting traces from old and green England finally vanishing   – the steam engines, the working class, and some day, all the red busses of London will be gone in that city that once will be called „City of Red Dust“. 

From my Punkt  2019 review: „For someone who has a critical attitude towards the historical baggage of big church organs as being (amongst everything else) instruments of intimidation, I must confess: I liked his journey – turning the grey old pathos into a lovely playground, at least most of the time. A blue fade-out at the end would have been far better than his big „brumm brumm“, an all too simple crowd-pleaser for regular churchgoers. Anyway, Stale‘s church organ moods were quite light, and I could imagine, at one moment, a Bo Hansson tune from „Lord of the Rings“ shining around the corner. From the days of old.“

 

 

 

 

Es muss ja nicht immer „Discreet Music“ sein. Ohne grosse Vorankündigung, und in keiner weise geplant, findet derzeit ein kleines Parallellesen unter zwei Manafonisten statt. „Devil House“, vom Mastermind der Mountain Goats, erscheint allerdings erst Anfang kommenden Jahres, und ist eine falsche Fährte. Allerdings freue ich mich darauf schon. Nein, hier geht es nun um ein anderes Buch. Viel Musik, schräge Typen und eine schöne Frau, das passt doch ins Anforderungsprofil unserer männlichen Mitarbeiter mit leichtem Macho-Faktor, oder?! Kleiner Scherz, aber genau das kommt, flapsig sagt, in dem neuen Roman des niederländischen Schriftstellers Maarten ’t Haart vor, der, toll übersetzt, beim Piper Verlag erschienen ist, und von einer Liebe in einer kleinen Hafenstadt Mitte der 80er Jahre erzählt. Aber eben Maarten ‘t Hart-style. Sowohl Rosato wie ich lesen jeden Abend ein kleines Kapitel dieses Buchs, das er schon als Meisterwerk bezeichnet, und mich, zu meiner eigenen Überraschung, in seinen Bann zieht. Denn, bei aller Liebe zu zwei Romanen des Niederländers, die ich vor langer Zeit einmal las: eine Geschichte, in der es vor Kirchenorgel-Sounds  nur so wummert, kann bei meinen Erfahrungen mit der Orgeln in katholisch gepushter Kindheit eigentlich kaum Anklang finden. Ich habe mich getäuscht.

 

 

 

 

Zwar wird das Buch für unseren Freund der Klassischen Musik eine Seelenspeise ohnegleichen sein, mir fehlt da der  Bezug zu einem Grossteil der Töne, die mir da auf den ersten fünfzig Seiten orgelpfeifenselig unterkommen. Aber das macht überhaupt nichts, so wunderlich skurril sind die Figuren, und der Protagonisten des Romans ist mir sehr sympathisch, mit seinem leisen, aber scharfen Humor, und seiner Lust, calvinistisches Frömmeln in seine zweifelhaften Bestandteile zu zerlegen. Ja, in seiner Erzählweise füttert er eine alte Tradition meiner eigenen Geschichte als Leser, herrlich doppelbödige Schmöker, die sich durch einGespür für Urkomisches und  Absurdes und auch Romantisches auszeichnen, von E.T.A. Hoffmann bis Ernst Augustin, von H.C. Artmann bis Italo Calvino. Und was das Staunen über die Welt der Klänge angeht, das brauche ich im Soundtrack eines Buches keinen Eno und keinen Coltrane, keine Beatles, und keinen Miles Davis. So wie der fabulierende Niederländer erzählt, lass ich mich gerne, ohne grössere Widerstände, auf diese Story mit ihren ganz speziellen „drones“ ein, rund um das nächtliche Stimmen von Orgeln. Wer weiss, wohin das Buch mich noch führen wird… hinterher werde ich mir aber bestimmt keine Platten mit Orgelmusik anhören. Naja, einer Platte gebe ich nun tatsächlich eine zweite Chance: „Ghost Caravan“, Stale Storlokkens Solo-Orgel-Musik auf Hubro – dieser hervorragende Musiker hat schliesslich bei Supersilent und mit Terje Rypdal gespielt. Auf den  Roman werden wir hier auf jeden Fall zurückkommen.

 

 

Der neue Band mit Graphic Novels von Adrian Tomine, „The Loneliness of the long-Distance Cartonist“, kommt im schwarzen Umschlag und mit Gummiband äußerlich wie ein Moleskine-Notizbuch daher. Auf der Vorderseite eine Skizze mit einem Selbstportrait des Künstlers am Zeichentisch, im Seitenprofil, er hält inne, schwitzt. Von welcher Art Einsamkeit handelt dieses Buch? Die Zeichnung suggeriert, es ginge um den kreativen Prozess an sich, vielleicht Themenfindung und Technik? Das ist aber nicht so. Adrian Tomine beschreibt in knapp zwei Dutzend Kapiteln Episoden aus seinem Leben, die er ohne seinen Beruf als Künstler nicht erlebt hätte – chronologisch geordnet von 1995 bis 2018 und mit Ortsnamen. Vorangestellt ist eine vielsagende Geschichte aus Fresno aus dem Jahr 1982. Der achtjährige Adrian kommt in eine neue Schule und soll sich vorstellen. Nach Hobbys gefragt steigert er sich in seine Comicleidenschaft hinein, wird ausgelacht, gemobbt und isoliert. Hier zeigen sich Eigenschaften Tomines, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichten des Buches ziehen: Er ist ein Nerd, verbissen und rechthaberisch, leicht cholerisch, aber auch sensibel, intelligent und reflexiv und er ist lernfähig. Die Geschichten des Erwachsenen handeln von Comic-Messen, Lesungen, Interviews, einem privaten Treffen mit etablierten Comicautoren, der Hoffnung auf Preise, einem Comic-Kurs für Kinder, einem Stalker oder einem Fan in einer Pizzeria, der Adrian Tomines Familie Nutellapizza spendiert, sie dann aber bezahlt haben will. Ganz gleich, ob die Geschichten tatsächlich so erlebt wurden oder nicht: Sie wirken glaubhaft und authentisch. Einmal sitzt Adrian Tomine mit seiner Frau in einem japanischen Restaurant und direkt neben den beiden sitzen ein Mann und eine Frau, die sich über Tomines Buch Summer Blonde unterhalten. Der Mann kritisiert nicht nur die Struktur der Geschichten (leider auf eine ziemlich intelligente Art, wie Tomine einräumen muss) sondern beleidigt auch die Frau, die ihm das Buch geliehen hat. In der ersten Geschichte, San Diego 1995, erhalten wir Einblicke in den Comicbetrieb. Auf einem Fest wirft jemand Adrian Tomine vor, er sei in seinen frühen Arbeiten gut gewesen, hätte dann aber den realistischen Stil von Daniel Clowes nachgemacht. Ein weiterer roter Faden betrifft eine Frage, die ich mir stelle, seit ich Adrian Tomines Werk entdeckt habe. Wie spricht man seinen Nachnamen korrekt aus? Für Tomine, der aus dem asiatischen Raum stammt, ist das ein ernsthaftes Problem. Auf einer Nennung der Nominierten plus Preisverleihung in San Diego (1996) weigert sich der Moderator Frank Miller, Tomines Nachnamen als Nominierten auch nur zu äußern. „Pink Frosting by … Adrian … I´m not even gonna try to pronounce that one.” – Lachen im Publikum. Der Moderator einer Lesung in Toronto (2004) hat es genau aufgeschrieben: Toe – Mih- Nay! Die soziale Einsamkeit verschwindet, als Tomine seine spätere Frau kennenlernt und eine Familie gründet. Als Single hätte er sich geweigert, die aufgedrängte Nutellapizza zu bezahlen, zumal jeder Tomine-Fan von Tomines Nahrungsmittelallergien weiß. Als Familienvater zögert er, blickt auf seine Frau und die beiden Mädchen, gibt dem Restaurantangestellten die Hand und bedankt sich.

 

Ab und zu kommen mir kleine Lese- und Filmempfehlungen zu, von guten Bekannten, die wissen, dass ich lieber einen Liam Neeson-Actionfilm sehe als einen Problemfilm mit hölzernen Dialogen und dem Gewicht der Welt hinter jeder Gardine. Abends zum Abhängen. Die Kumpels wissen auch, dass kluge Hunde jedem Film förderlich sind. Also, „Honest Thief“ war richtig was fürs Herz, und spannend. Und ein cooler Hund kam auch darin vor, oder, besser, ein empathischer Hund. Am besten sind coole und empathische Hunde. Liam spielt darin den „In & Out“-Banditen, eine tolle Liebesgeschichte ist auch noch dabei. Nicht so ein Quatsch mit Bindungsängsten. Vielleicht kennt ihr „The Art of Racing In The Rain“. Ein Hunderoman von Garth Stein, mit Tiefgang und hohem Flauschfaktor Die Hauptrolle wird von einem philosophischen Hund besetzt, der manche meiner damals im Proseminar hockenden Kommilitonen ziemlich alt aussehen lassen würde – jedenfalls ein ganz feiner Schmöker. Schon anspruchsvoll, wenn man nicht zu anspruchsvoll ist. Manche Menschen, die sich als sehr anspruchsvoll begreifen, haben meist einen an der Waffel. Paul Auster hat auch mal einen feinen Hunderoman geschrieben, der kam in der seriösen Literaturkritik nicht so gut an wie bei mir. Paul Auster konnte unfassbar langweilige Schinken schreiben, aber der mit dem Hund war einer der besseren. Aber was schweife ich nur ab. Es ist mal wieder Zeit für Laurie Andersons Hundefilm. Als Lesestoff habe ich zwei Romane mit dabei: „Der Nachtstimmer“ von Maarten t Hart, und „Der Hochsitz“ von Max Annas. Der erste spielt in den Achtziger Jahren in einer kleinen Hafenstadt, der andere 1978 in der Eifel, ein kleines Kaff, Sanne und Ulrike haben Osterferien. Die Koffer sind bald gepackt, für die Reise von Hinterland zu Hinterland.

Wie immer, gibt es auch heute mehr als einen Blumenstrauss zu gewinnen, nämlich die neue, vielgerühmte, und beeindruckende CD von Alice Coltrane, das später im Herbst erscheinende Soloalbum von Damon Albarn, und die kommende neue Arbeit von und mit Brian Eno. Ob das Eno-Teil 2021 oder erst im folgenden  Jahr  erscheinen wird, ist unklar. Der Gewinner dieses Musikrätsels erhält also sage und schreibe dreimal Post. Hier die vier Fragen. Alle vier müssen richtig beantwortet werden, der Rechtsweg ist eingeschlossen. Sollte innerhalb der kommenden Tage bis zum 7. August, 21.00 Uhr abends, kein Quizfuchs (keine Quizfüchsin) das Rennen  machen, wird der zum Sieger erklärt, der drei der vier Fragen als erster richtig beantwortet. Details im ersten Kommentar. Natürlich dürfen auch alle Manafonisten teilnehmen. 

 

1) Die Kinder von Künstlern der Rock- und Pophistorie haben das Leben ihrer berühmten Mütter oder Väter oft hautnah miterlebt, inclusive mancher Schattenseiten. Seit der zweiten Hälfe des 19. Jahrhunderts hat sich ein Name eingebürgert für etwas, das unserem alten Sofa sehr nahekommt. Es gilt als Sitz- und Liegemöbel für eine Person. Nun ist eine Lebensgeschichte in Buchform erschienen, die genauso heisst wie dieses Mobiliar, geschrieben von einem dieser Künstlersöhne, der später selbst Songschreiber wurden. Wie heisst das Buch, und wie der Künstler, der tatsächlich eine sehr bewegende Geschichte zu erzählen hat? 

 

2) Wie heisst der Musiker, dessen Album aus den Veröffentlichungs-Zeitraum 2020 und 2021, neben Eigenkompositionen auch drei Fremdkompositionen enthält, und zwar – was für eine Kombination – von Johann Sebastian Bach, The Doors, und Carla Bley? 

 

3) In der deutschen Jazzgeschichte gibt es eine witzige Ankedote. Auf einem Konzert, besonderen Umständen geschuldet, erhielt die Gruppe von Gary Burton den längsten Applaus seit Beginn der Konzertberichterstattung. Und wir reden hier nicht von zehn Minuten. Wo ereignete sich dieser Vorfall?

 

4) An einen kühlen Oktoberabend im Jahr 1974 führte die Polizei eine Razzia im Carib Club am Cricklewood Broadway durch, wo der Künstler, um den es  hier geht, mit seinem Sufferer’s HiFi Soundsystem auftrat. Die Gemüter erhitzten sich, es kam zu einer Schlägerei – die nichts mit unserem fraglichen Reggaemann zu tun hatte – aber am nächsten Tag wurde er wegen Anstiftung zu einer Schlägerei angeklagt. Am Ende verbrachte er sechs Monate einer dreijährigen Haftstrafe in Wormwood Scrubs, bevor seine Verurteilung aufgehoben wurde. Ein Beispiel für den widerlichen Rassismus, der im England der 60er und 70er Jahre gang an der Tagesordnung war, und an den der Regisseur Steve McQueen in seiner grossartigen Reihe „Small Axe“ mit fünf Spielfilmen erinnert. Um wen handelt es sich in dieser wahren Geschichte?

 

AND THE WINNER IS – INGO J. BIERMANN, one of two who knew all four answers: 1) Baxter Dury: Chaiselongue / 2) Marcin Wasilewski (erscheint im September 2021) / 3) Balver Höhle / 4) Dennis Bovell (u.a. Produzent grossartiger Linton Kwesi Johnson-Alben)

 


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