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„After the redemption and rebirth of 2017’s Adiós Señor Pussycat, Dear Scott once again found Michael Head documenting troubled lives, from the No 10 bus route in his native Liverpool to the Hollywood Hills. Produced by a simpático Bill Ryder-Jones, Dear Scott carried all the hallmarks of Head’s greatest moments: unfaltering melodies, a beautiful sense of forward motion, lyrics that conjure entire worlds.“

 


Einer unserer zahlreichen Leser namens Olaf hat das erste Album erkannt (wir beginnen hinten und arbeiten uns nach vorne, einfach zwischendurch aufs Foto klicken), das mit dem Wiesengrün und zwei dunklen Einschüben: Dead Can Dance und The Serpent‘s Egg. 
Das Album ist allemal eine Einladung erster Klasse, Dead Can Dance kennenzulernen, oder sich wieder mal, nach langer Zeit drauf einzulassen.

Es folgt, unschwer zu erkennen, ein Album aus der Reihe „Ambient 1-4“  von oder zumindest mit Brian Eno, in diesem Fall Laraajis „Days of Radiance“. Man erkennt die Reihe und das entsprechende Werk leicht an der durchgängigen Textur des Covermotivs (Landkartenmotive, undefinierte Topographien).

Das Album Nr. 3 stammt aus der Mitte der Achtziger Jahre, und wartet auf seine ultimative Wiederkehr. Michael Brooks „Hybrid“ (Michael Brook, guitar / Daniel Lanois, percussion / Brian Eno, piano, synthetizer & effects). Nicht nur Lorenz auf Leinfelden sollte es sich unbedingt, z.B. über Discogs, zulegen. Es folgt Album Nr. 4, das Cover wurde wie bei Michael Brook von Russell Mills gestaltet: David Sylvians „Gone To Earth“.

Seltsam schwer war es für manche, die Antwort auf das 5. Coverfragment zu machen: es stammt von dem vielleicht besten und bekanntesten Album von Prince: Sign o The Times. Es folgen die letzten drei Cover: Benjamin Lew: Nebka / Shankar: Who‘s To Know (ECM, grandiose Platte von 1981), und – von dem Cover ist das meiste sichtbar – SUNN O))): Pyroclasts. Sowie, klar, der Gedichtband, Matthew Sweeneys Vermächtnis: „Der Schatten der Eule“. Aus all dem, und in genau dieser Sequenz, liessen sich zwei luftige Stunden Nachtradio fabrizieren. Mit zwei, drei Gedichten von Mr. Sweeney, und „Der Eiswagen“ wäre natürlich auch dabei! 

 

2022 11 Nov.

Ach, Revolver!

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Es wird immer wieder zu den besten Alben alle Zeiten gezählt, aus fraglos guten Gründen – bei meiner privaten Beatles-Parade steht es nur auf Nummer 6: nach „Sgt. Pepper“, „White Album“, „Abbey Road“, „Rubber Soul“  und „A Hard Day‘s Night“. Letzteres eines der frühen Werke, auf denen das Studio noch nicht zum Instrument mutierte, und „Beatlemania“ und „Hitfabrik“ noch Hand in Hand gingen. Ich liebe nach wie vor die funkelnden alten Melodien, und gerade die Liebe zu den ersten Beatles-Alben gehört zu den kleinen Kunststücken, mittels derer wir humans fähig sind, Empfindungsräume der Kindheit / Jugend ins Erwachsenenalter zu transportieren, ohne frohgemut von Regression zu Regression zu stolpern. (Halten Sie eine Minute still, und rufen sich die Klangfolgen, die Melodielinien von „Girl“ ins Bewusstsein, egal wie fragmentarisch, und ohne Google – merken Sie was?! GUT!) Nun also ist meine Zuneigung zu „Revolver“ neu erwacht, durch wiederholtes Hören des Mono-Mixes, und der neuen, hochspannenden Stereo-Aufbereitung. „Revolver“ ist ein Sammelsurium von Stimmungen und Stilen: psychedelischer „Jangle“, orchestraler Pop, R&B-beeinflusster Rock und robuster Folk. Doch die LP repräsentiert auch den Beginn der Phase der Studiomagie – die schwindelerregenden Tonbandschleifen, die durch Tomorrow Never Knows wirbeln, sind so herrlich verwirrend wie eh und je – und die Umarmung von Nicht-Rock-Instrumenten; auf Love You To spielt George Harrison Sitar an der Seite des Gast-Tabla-Spielers Anil Bhagwat, während die sinkenden Figuren der Streichinstrumente Eleanor Rigby eine gewisse Schwere verleihen. Ich bin allein, ich drehe auf, ich tanze. Nummer 6 lebt!

 

 

 

Bob Dylans erstes Buch seit der Verleihung des Literaturnobelpreises ist als Essay über Songs anderer Künstler angekündigt. Doch während er oft sehr eigenwillige Ansichten zu 66 Titeln von „London Calling“ bis „The Little White Cloud That Cried“ bietet, macht er noch viel mehr und legt eine, bei allem grimmigen Dreinschauen auf dem Cover, schelmische Weltsicht dar, die so autobiografisch sein könnte wie seine Memoiren Chronicles.

Wie ein Dylan-Album, ist dieses Erzählwerk voller Verzweigungen, Stories, Überraschungen – viel fesselnder als manch einer denken mag, wenn sich einer an den Songs anderer abarbeitet. Aber es ist eben Dylan, und Dylan in Hochform!  Ich höre mir vor den meisten Kapiteln den jeweiligen Song im Netz an, und wenn er mir richtig git gefällt, dann gleich mehrfach, zum Beispiel diesen hier

Dabei überlasse ich mich ganz und gar  eignen Empfindungen, und erst dann Mr. Dylan ran. Für mich ein hochspannendes vorweihnachtliches Vergnügen. Reich bebildert obendrein. (Und, was das Gewicht angeht, ein kleines Muskelaufbauprogramm für Finger, Hände umd Unterarme!)

 

2022 9 Nov.

Mein erster Sun Ra-Rausch

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Mark Smotroff beschreibt in seiner feinen Rezension von „The Futuristic Worlds of Sun Ra“ (Savoy, 1962, s. Audiophile Review), wie er auf Umwegen zu der Musik des Jazz-Exzentrikers kam, und anfangs von einem Bekannten, für den das Wort „stoned“ erfunden schien, erstmal abgeschreckt wurde. Ich hatte da etwas mehr Glück, und fand mit  21 Lenzen mein erstes Sun Ra-Paradies in einem sozialistischen Plattenladen in Perugia. Die surrealen Cover sprachen mich an, die Platten, die ich dort anspielte, besorgten den Rest. Es waren Alben, die sich bald als Raritäten herausstellen würden. Und es war wohl das einzige  Mal, dass ich, an der Leine eines Kopfhörerkabel, in aller  Öffentlichkeit zu tanzen begann, so sehr ergriffen mich die Schwingungen der Musik (natürlich war mein Tanz „free-style“). Das passierte auf meiner  Verlobungsreise Mitte der Siebziger Jahre, auf dem Weg nach Venedig.

 

 

 

 

Leider war die Reise von einigen melancholischen Schatten begleitet. Alle paar Tage musste mir von wildfremden Ärzten eine mächtige Dosis Penicillin verabreicht werden, weil mir in Würzburg eine Hautärztin eine Syphilis diagnostiziert wurde – ein doppelter Test habe Gewissheit geschaffen, und wie soll das gehen, fragte ich, ich hätte  noch nie ein Bordell betreten oder sonstwie fragwürdige Begegnungen gehabt. Sie glaubte wahrscheinlich keine meiner Beteuerungen, diese dumme Kuh, und ich höre  ihre Stimme noch nachhallen: „man kann sich das auch auf einer Bahnhofstoilette in Frankfurt holen.“

 

Wie sich nach meiner Italienreise rausstellte, hatte ich gar nichts, und kam mit dem Schrecken, und etlich eingetrübten Wochen davon: das triste Venedig damals  mit seinen vielen Giftschildern schien mir der Vorbote eines nahenden Todes zu sein. Kurz bevor ein Arzt die komplette Fehldiagnose nachwies, sah ich auf der Kampstrasse in Dortmund, wie eine in der Blüte ihrer Jahre stehende Frau (ich bildete mir ein, ihr schreckenstarres Gesicht zu sehen) von einem Auto erfasst wurde, und hoch in die Luft geschleudert wurde. Sie wird das kaum überlebt haben – ich schloss die Augen und zitterte kurz.

 

Das Schreckliche, das Absurde, und das Wunderbare bilden in unseren Leben ein eigenartiges Knäuel, kaum zu entwirren, ausser, man neigt mit Pater Brown zu dem Glaubenssatz, die Wege des Herrn seien unerforschlich. Einige Momente jener Italienreise werde ich  nie vergessen, und dazu zu zählte, neben Christianas zauberischem Wesen, meine tollkühne Übersetzung einer langen italienischen Plattenbesprechung von Brian Enos „Another Green World“ (ich hatte  damals noch keinen Ton von dem Album gehört, aber wozu hat man das doofe grosse Latinum?), und meinen Tanz mit Sun Ra.

 

(in Erinnerung an Hartmut Geerken)

2022 7 Nov.

Meditative Afternoon With Three Vinyls

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1) „The Futuristic Worlds of Sun Ra“ (2022 reissue)   
2) Ethiopian & His All Stars: „The Return of Jack Sparrow“    
3) Alabaster dePlume: „Gold“

 

Das ist die Stelle, an der mancher gerne fragt: „Und was hast du dazu geraucht?“ Aber die Musik hat den Job ganz allein erledigt, mich anderswohin zu transportieren. Sun Ra und sein Arkestra 1961 in New York, an der Grenzscheide zwischen  good old jazz vibes und der Startrampe fernen Welten, die Hollywood nie domestizieren konnte. Ethiopian und ein betörendes Doppelalbum, ein viel zu unbekannter Schatz der Reggae-Historie. Und Alabaster dePlume, der Storyteller mit dem herrlich windschiefen Saxofon und seinem wunderlich gestrickten wie getricksten Theater der Stimmen. Das alte Äthiopien kennt er auch. 

 

(1) Ich möchte den unbekannten oder bekannten Leser einladen, die beste Bäckerei des Universums aufzusuchen. Man kann das mit einem Kurzurlaub im östlichen Ruhrgebiet verbinden, wo die Menschen noch „woll“ sagen und Fussball echte Liebe ist. Das Domicil, das Tor zum Sauerland, die wilde Nordstadt, das Abenteuer des Unbekannten! Sie können mich auch als Reiseführer engagieren (ich bin als Life-Coach und ziemlich guter Entertainer allerdings recht teuer, kurz vor unerschwinglich). Jedenfalls kenne ich diese gute Stube seit Ewigkeiten, denn ich komme aus Dortmund, und die Bäckerei Fischer gibt es schon über hundert Jahre. Drei Tage hintereinander war ich nun früh morgens dort, um den Tag  mit dem legendären Salzkuchen mit Mett und Zwiebeln zu starten. Von früh an gehörte es zu meinen Spezialitäten als Liebhaber, morgens nach liebestrunkenen oder auch halb so wilden Nächten Brötchen vom Bäcker zu holen, sei es in Münster, Würzburg, Paris (da waren es Croissants), auf Borkum oder in Dortmund. Das mit dem Universum ist ein wenig übertrieben, genauso, wie die vielen erfolglosen Briefe, die dorthin (ans Universum) verschickt werden: aber es ist ein erstklassiger Familienbetrieb, mit passionierte Bäckerinnen (so wie es es hier passionierte Bloggerinnen gibt), und tollen Produkten. Hören sie sich also mal in Ruhe an was „Brötchen 009“ (so nennen seine Kumpel ihn) HIER zu erzählen hat.

(2) Meine dezenten Einschränkungen sind folgende: Spritzgebäck gehört zu den unbekannten Aphrodisiaka, die ich selbst weitaus besser herstellen kann (mit leichter Zitronennote). Ich erinnere mich, aber lassen wir das. Die normalen einfachen Brötchen sind umstritten: manche lieben sie in ihrer Bauhaus-Schlichtheit, andere nennen sie ein „knuspriges Nichts“, und man weiss nicht so genau, ob das ein sanfter Kritikpunkt ist oder unverhohlene Ablehnung. Ich finde sie 3+. Ich bin kein grosser Fan ihres Apfelkuchens mit Rührteig, aber sonst: die Brotspezialitäten, wow, das Bürli, das Dänenkäsebrötchen, das Müslibrötchen, das Dinkelbrötchen, alles ganz hohe Schule – und dann, oh mein Gott, die Zitronenrolle (letztere ist wirklich die beste des Universums), und der erstklassige Bienenstich, der hier „Friesenkuchen“ heisst! Was mich daran erinnert, dass die Nordsee wieder mal ruft. Den Chiemsee habe ich in Absprache mit Uschi (alles zwischen uns beiden begann, wie so vieles andere, im legendären ersten Statistikkurs für Psychologiestudenten im Wintersemester 1974/75, bei Herrn Rausche) auf das frühe Frühjahr verschoben. Mir fehlen die stürmischen Winde, das raue Meer, das Eisbaden, die Einsamkeit auf der Uwe-Düne morgens um 7. Und der Eiergrog beim Klavierdoktor! Aber bald – bald! („every repetition is a form of change“; Brian Eno, Oblique Strategies – Heraklit, Vorsokratiker)

(3) Nachspiel vom späten November 2011: Kleine Fluchten am Abend – das ist doch mal eine Gute-Nacht-Lektüre: „St. Ives“, der letzte Roman von Robert Louis Stevenson, wunderbar der Stil des alten Schotten, Abenteuer- und Liebesroman in einem (mit jeder Menge psychologischem Feinschliff), spielt zur Zeit der Napoleonischen Kriege. Früher, wusste Wondratschek zu berichten, begann der Tag mit einer Schusswunde, morgen früh allerdings mit  einer kühlen Orange auf dem Weihnachtsmarkt, ich sehe schon die lange Schlange vor der Bäckerei Fischer vor mir!  Wecken wird mich Kate Bush mit „Misty“, später plaudere ich mit der Bäckerin darüber, wie sie über die Jahre ihre Herzlichkeit hinter der Theke kultivieren. Geh, Michael, geh die vertrauten Wege noch einmal, am Sonntag dann eine melancholische Geisterstunde in den Klanghorizonten, Sounds, die zuweilen das Alltägliche in Windeseile drehen (diesmal habe ich „Dis“ ausgegraben, von Jan Garbarek, und, schau an, das griesgrauträumende Meer auf dem Cover!)

 

 

They have the blues, and it always sounds fresh. No matter how deep they dive in history, you don‘t get any impression of copycats at work. Or just another combo of virtuosity playing down the same avenue forever and ever. The excitement is a steady presence. They don‘t push you to any distant horizon, they stay close, in your room (close to hyper-realism, audiophile recording). There is the fiery blues, the earthbound gospel, the deep jazz, tight and focussed. The guitarman sometimes opens up  a sharply cut twilight area between John Lee Hooker and Bill Frisell. The man at the saxophone, oh my god,  is a marvel. His playing, though tonally rooted, offers a laid-back intensity that‘s so much of his own (no ornaments required!) – and no reviewer should feel the need to quote some giants of the past. In 1964 an album like this would have become a classic (JD Allen hasn‘t yet arrived on earth by that time), in 2022 it is just timeless. This work is so damn good, it’s seducing me every time not to miss a single moment.

Es dauerte etwas, bis ich Albenhörer wurde und Alben in mich aufnahm wie Kinofilme, vom ersten bis zum letzten Ton und Bild. Anfangs sorgten Singles und Single-Sammlungen für die Ausschüttung von Endorphinen, ein Wort, bei dem ich immerzu an luftige Delphinsprünge dachte. „Revolver“ erwarb ich zum ersten Mal irgendwann als CD, meine Kindheit war von den Kinks und vom „blauen“ und „roten“ Album der Beatles gesoundtrackt, waschechte Kompilationen – und (da ging es los mit den „Gesamtkunstwerken“) von Sgt. Pepper und Konsorten („Atom Heart Mother“, „Aftermath“, „Blue“, „The Songs of Leonard Cohen“, „Bringing It All Back Home“ – nicht, dass das obercool klingt, Richie Havens, Esther und Abi Ofarim und Gilbert Becaud waren auch dabei, mhmm, schon obercool😉).

In den knapp zwei, drei, in denen das blaue und rote Album öfter mal heissliefen, war ich verliebt, ein bisschen, ein bisschen mehr, oder gar über beide Ohren, in Marlies Durch den Wald, das Girl aus Amorbach (the strangest story of all), Elke Marie tom Dieck, Katrin Engelmann und Regina Detert (la tristesse pure, natürlich nicht R.D., sondern lonesome me). „I won‘t tell the soft pink truth here!“ 

„Als wir gefragt wurden, was unsere Formel sei, sagten John und ich, wenn wir jemals eine finden würden, würden wir sie sofort loswerden.“ The missing link between The Beatles und Brian Eno. Und dieses Credo erklärt eben auch die von Album zu Album, und ab  „Revolver“ so radikale wie entgrenzende Entwicklung der Beatles, ein Stückweit jedenfalls. (kein Grund zur Übertreibung: „Taxman“ und „Dr. Robert“ sind in meinen Ohren zwei ihrer langweilisügsten Songs ever.)

Wer da skeptisch einwirft, mit ihrem „White Album“ wollten sie doch „zurück zu den Wurzeln“, dem entgegne ich gerne, solch eine Vorstellung sei eine komplette Illusion: zwar verfolgten sie zu der Zeit (man höre nur die wundervollen „Esher Demos“) die Idee „alter“ Direktheit, Rohheit, und Spontaneität, aber natürlich wurde alles, was auf dem „White Album“ geschah, gefiltert  durch die gesammelten Erfahrungen der Zwischenzeit (die Erweiterung der Horizonte, durch unerhörte Töne von von Cage bis Indien, durch LSD sowieso, und die zeitlich für diese Jungs enorm verdichtete Palette von „travels & experiences).

„Revolver“ war der erste deutliche Schritt zu neuen Ufern – zeitlose Melodien schüttelten sie schon seit den grühen Jahren aus den Ärmeln, besonders das Team Lennon / McCartyney. Was für eine Freude also, vor Tagen „A Hard Day’s Night“ und „Help“ und „Rubber Soul“ in mono zu hören! (Bongbong Chimchimcheriiieee!)

 

 

 

 

„Revolver“ klingt nicht nur im ursprünglich so konzipierten Mono-Mix exzellent, sondern auch in dem neuen Stereo-Remix des Sohnes von George Martin – der alte Junge ist sowieso ein kluger Typ und wollte hier nichts für die Ohren des 21. Jahrhunderts polieren, sondern dem Alten neue Finess entlocken. Mit „Revolver“ legten sie jedenfalls den Grundstein für noch ehrgeizigere Musik der Zukunft. Und in dem ganz dicken Boxset, der für die „hopelessly addicted“ ein gefundenes Fressen ist, wird das Kunstwerk, als work in progress, noch ein paar Tonspuren vitaler, beispielsweise, was das uns ansonsten fast schon lachhaft vertraute  „gelbe U-Boot“ betrifft!

Craig Brown hat mit seinem wundervollen, beim C.H. Beck-Verlag erschienenen Buch, ein trickreiches Verfahren entwickelt, uns die Geschichte der Beatles „very fresh“ zu erzählen: bei allen eingestreuten Zeitsprüngen, die wie so vieles andere, zur Auflockerung beitragen, folgt er der Chronologie der Ereignisse, wobei das Marginale (ein weiterer Trick der Auflockerung) genauso fesselnd hinzugezogen wird wie legendäre Schlüsselmomente (für die er auch manch neuen Dreh findet).

Zudem ist hier ein Humorist am Werk, der es versteht, statt schwärmerisch eine Nummernrevue abzureissen, unter mancher Oberfläche des Schelmischen den einen und anderen Abgrund freizulegen. In des Ausdrucks freiester Auslegung, erzählt der gute Craig „mit vielen Zungen“, so gewitzt, oder, wie es die Engländer gerne sagen, „sophisticated“, dass es die Lust an der Lektüre nicht im geringsten mindert, wenn einem manches bekannt vorkommt – so frisch und unverbraucht ist dieses „story-telling“ der Meisterklasse.

In den letzten zehn Jahren konnten wir uns auf unterschiedlichste Weise den Beatles neu annähern, da waren die Mono-Remasters, die Stereo-Remasters, die Surround-Mixe, die filmischen Dokumentationen, deren vorläufig letzter Streich die mehrteilige Serie „Get Back“ war, die, mit der ewigen, stoischen Anwesenheit von Yoko Ono, auch etwas von Bergmanns „Szenen einer Ehe“ hatte.

Eine Serie, die ich, mit den ewigen Diskussionen im Kreis, abwechselnd ermüdend und erhellend fand: es geht um das Ende, und alle wissen es, verrückter, fabelhafter Jahre, ein letztes Sammeln kreativer Energien, für den Schwanengesang, der seine Momente hatte, aber nicht mehr an „Abbey Road“, „Das Weisse Album“, und „Sgt. Pepper“ heranreichen konnte. Oder an den Zauber der frühen Alben.

Die Vier waren auch zu müde, um nostalgietrunken ihre „alten Zeiten“ zu beschwören. Und das bringt mich auf einen entscheidenden Aspekt von Craig Browns Erzählwerk: das Buch geht allen Fallen des Erinnerungsseligen aus dem Weg. Nicht mit Nüchternheit, sondern mit trockenem Humor. Beiläufigkeit. Nonchalance. Mein Musikbuch des Jahres. Vielleicht macht sich der Verlag da selbst Konkurrenz mit dem neuen Buch von Bob Dylan.

2022 3 Nov.

Netflix Home Cinema Highlight

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„The Good Nurse“ (Film, 2022)

Empfehlung: nichts über den Film im Vorfeld lesen!   
Regie: Sehr gut 
Drehbuch: Sehr gut     
Kamera: Sehr gut   
Schauspieler: Klasse durch die Bank*   
Soundtrack: hervorragend (von Biosphere)**  
Thrillfaktor: 9 of 10     
based on a true story
🎩🎩🎩🎩


* die beiden Detectives zum Beipiel agieren mit viel Understatement, was bei solch einer Story  wichtig ist  / ** wie schlecht dagegen die kakophonische Unheimlichkeitsmusik von „The Chalk Line“

non-spoilers: „Lindholm’s stealthy restraint fits the material like a glove, and both get under your skin.“ / „Ms. Chastain infuses Amy with so much moment-to-moment subtle naturalism that I forgot I was watching an actress at work…“


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