Manafonistas

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Archives: Januar 2023

Den spannendsten Blumenkohl hatte ich bislang bei einem Inder gegessen, in der Strasse in Notting Hill, die Damon Album auf „Everyday Robots“ so wunderbar besungen hat. Aber dann lernte ich eine ganz andere Variante kennen, Blumenkohl zu bearbeiten. Ich gab mir grosse Mühe, das im Grunde idiotensichere Gericht zuzubereiten, aber jeder kennt das mit der Nervosität beim ersten Mal. Der Blumenkohl sollte mittlere Grösse nicht überschreiten, die Röschen strahlend weiss sein, und ihre Oberfläche robust.

Der Backofen wird auf 200 Grad geheizt, der Blumenkohl gewaschen – dabei die äusseren Blätter abbrechen, und auf keinen Fall den Strunk ausschneiden! Der Topf wird zu zwei Dritteln mit Wasser gefüllt, das Wasser so stark gesalzen, dass 10 g Salz auf  einen Liter kommen, und dann wird das Wasser zum Köcheln gebracht. Auf kleiner Flamme wird der Blumenkohl 7-10 Minuten gekocht, dann lässt man ihn ausserhalb des Topfes ein wenig auskühlen.

Sobald die Temperatur es gestattet, wird der Blumenkohl mit reichlich Olivenöl von beiden Händen durchmassiert. Der Blumenkohl liebt das. Dann wird der Kohl auf ein mit Backpapier ausgekleidetes Blech gesetzt uns bei 200 Grad gebacken, bis er so aussieht wie der bekannteste Song der Stranglers. 40 bis 50 Minuten lang – zum Ende hin  den Backofengrill zuschalten. Die Oberfläche wird dunkel und knusprig sein. Tja, und nun ist der Blumenkohl innen herrlich cremig. Und dann einfach noch bitte noch eine  Tahinisauce hinzuzaubern.

3 EL Tahini (Sesampaste) / 2 EL Olivenöl / Der Saft einer halben Zitrone / 1/2 TL Salz. Easy-peasy: die Paste, das Öl und den Saft mit 150 ml Wasser mixen (vielleicht etwas mehr, und entscheidest, welche Konsistenz dir behagt), und mit Salz abmischen, Fertig ist das Gericht für zwei Personen. Damit hier keiner denkt, hier gehe es superkonsensfreudig zu, parallel zwei Filetsteaks in die Pfanne hauen, höchstens medium rare. Und Pommes aus der heimischen Fritteuse. Aber auch als „Blumenkohl-Solo“ ist das ein echter Hit.

 

 

 


Wäre dies ein Quiz, würden nun die Fragen kommen: wie heisst der Song von Damon Albarn, wie heisst das bekannteste indische Restaurant in der Strasse, die er besingt (s. Photo), wie lautet jener Song der Stranglers, und, a propos „cauliflower“: bei welchem Song der Beatles wurde kurz das englische Wort für Blumenkohl in einer Zeile ins Spiel gebracht, ohne es in die Endfassung zu schaffen, und aus welchem Land stammt das obige Rezept? Es ist aber kein Quiz. Trotzdem: wer alles auf Anhieb richtig beantwortet, per comment, bekommt die exzellente neue Cd von Robert Forster.

„Der Rausch“ erinnert uns an die einzigartige Mischung aus anarchischer Energie und technischer Präzision, die Vinterbergs beste Werke auszeichnet. Es ist eine brillant zweideutige Angelegenheit, verkopft und doch präzise, tiefgründig und doch spielerisch, die sich mit Fragen des Lebens und des Todes gleichermaßen auseinandersetzt und schließlich einen Toast auf die erlösende Kraft des Kinos ausbringt.

(Mark Kermode)

 

 

 

Irgendwie ging der gepriesene Film 2020 an mir vorüber. Oscar-gläubig bin ich sowieso nicht, aber ich erinnere mich gerne an die frühen Jahre von „Dogma 95“, etwa an den Film „Das Fest“.  Und beim Anschauen dieses Werkes nun fragten wir uns schon eine Weile, ob das alles ein bisschen over the top sei, angesiedelt zwischen Bunuels „diskretem Charme“ und neuem Sozialrealismus, aber irgendwann waren wir mittendrin – und es ist eben nicht nur der Mads Mikkelsen, der hier sein Popcorn wert ist, sondern das ganze Team. Und, diese Pointe halte ich bereit: das wunderbare Finale ist nicht nur eine schauspielerische (und atlethische Glanzleistung) – es wird auch befeuert von einem fantastischen skandinavischen Song (in einem Film, in dem die gerne vor der Kamera gesungenen Lieder auch manch (sur)reale Kümmernis anstimmen). Die Musik schreibt diesen herrlich undogmatischen, verrückten Film eindrucksvoll mit. (me)

 

2023 5 Jan.

Crimsonoid

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Irgendwann Anfang der 90er lief mal „21st Century Schizoid Man“ spätnachts in einer WG-Küche und hat mich sofort gefangen genommen. Vermutlich kaufte ich gleich am Montag die dazugehörige CD, von der ich aber nur noch einen anderen Song erinnere, „I Talk to the Wind“. Mehr Berührungspunkte mit King Crimson hatte ich nicht, nur aus der Ferne mitbekommen, dass das bestimmt eine großartige Band ist. Nun hat mich Michaels Begeisterung über das „Exposure“ Box-Set angesteckt und ich habe mir im Dezember „Discipline“ gekauft. Was für ein Album, wow, wow, wow! Erinnert mich eher an Talking Heads, als an „In The Court of The Crimson King“. Nervöse, urbane Stimmung, Musik, in der die einzelnen Bestandteile fest ineinander verankert sind, nichts könnte fehlen, nichts ist überflüssig, alles ist sehr präzise.

Der Film „In the Court of the Crimson King: King Crimson at 50“ war auch faszinierend. Die Band scheint ein Strudel zu sein, scheinbar eisern regiert von Robert Fripp, der sich aber selbst wohl eher als Diener am Tempel dieser Musik sieht. Ein Mensch, der in dem Film zwischen Sarkasmus und ungeahnter Schutzlosigkeit pendelt (besonders bewegend ist die Szene, in der er über eine Begegnung mit seinem spirituellen Lehrer berichtet). Und einer Musik dient, die offenbar im Konzert okkulte Dimensionen entfaltet: das gefilmte Publikum wirkt immer wieder wie in Trance, wie Teilnehmer an einem Ritus. Ein sehr sehenswertes Dokument. 

Sollte ich noch einmal die Möglichkeit bekommen, diese Band live zu sehen, bin ich auf jeden Fall dabei. Nur frage ich mich, welches Album ich als nächstes höre – „Red“, noch etwas aus den 80ern oder doch „Exposures“?

2023 5 Jan.

Das Aufgesetzte

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Ich habe meiner Liebsten neulich einen Negerkuss mitgebracht, und ich nenne diese Schokobomber schon mal Negerküsse auf Parties, um schnell die Irritierten zu enttarnen. Manche haben da echt keinen Humor, und der Mangel an Humor ist ein tieferer Grund für zwischenmenschliche Entzweiungen als die korrekte, „woke“ Sprache. Idioten! Neulich, bei einem kleinen Klassentreffen gab ich folgenden Limerick zum Besten, aus unserer Schulzeit, einer von drei Texten, die bei mir, neben Shakespeare und Pound, hängen geblieben sind. There was an old man from Calcutta, who had a terrible stutter. At breakfast he said: give me b-b-b-bread and b-b-b-b-b-b-butter. Ein wunderbarer Limerick, aber hinterher sprang gleich einer meiner Kameraden aus dem Gebüsch: das gehe heute nicht mehr, das sei ein Behindertenwitz. Tja, Kontext! Wenn ich diesen Limerick zum besten gebe, hat er nämlich nichts Despektierliches. Das werde ich jetzt nicht ausführen, da wäre ich gleich in der Rechtfertigungungsschleife. Ich halte diese neue Etikette für weitgehend verlogenes Zeug und erinnere gerne an jene Jazzkritiker, die einst zum Beispiel Pharoah Sanders‘ Musik nach dem Tode Coltranes attackierten, wegen ihres „kolonial-imperialistischen Zugriffs“ auf andere Ethnien. Hallo, gehts noch?! Ich sage folgendes: Empathie, Respekt, Solidarität, Bewunderung, das und mehr an positiver Energie schwingt mit, wenn Pharoah Sanders und Alice Coltrane musizieren, auf den Spuren des Alten Ägypten, wenn Musiker ihre Rastalocken tragen, wenn Gomringer die Frauen mit einem Gedicht ehrt und wenn ich meiner Liebsten einen Negerkuss mitbringe. Antifaschistischer Gruss, und ein Tritt in den Arsch all diesen scheinheiligen Inquisiteuren der Sprache und Haartrachten. P.S.: ich bin sprachbewusst und lerne auf diesem Blog neue Wörter: „instantan“. Interessant. Kann man das kochen, oder hat das ein Fell auf den Lauschern?

2023 4 Jan.

WHAT IF

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Russia has destroyed in one year more than 500 Ukrainian art and cultural buildings, from concert halls to museums. This is not accidental but a continuation of a quite old conscious aggressive „tradition“.

 

WHAT IF your own culture, language and art becomes existential?

 

2023 4 Jan.

GaMaLa TaKi

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Kleiner, slash, no bar, größer, kleiner, slash, i, able, größer
Gleich, center, größer, gleich, slash, d, ist gleich, they, body, slash
Klammer auf, c, html, ist gleich, kleiner, Ausrufezeichen, doctype, html, public, in Anführungszeichen
Minus, slash, slash, w, drei, c, slash, slash, dt, d, html, 4 Punkt, transitional
Slash, slash, e, n, größer, kleiner, html, größer, kleiner, head, größer
Content, type, ist gleich, content, in Ausrufungszeichen, Text, slash, html
Semikolon, kset, ist gleich, iso, minus, acht, acht, fünf, neun, minus, eins, in Anführungszeichen
Größer, Funktion, Fenster, auf, to, in Klammern, url, in Klammern, pict, ist gleich, window
Punkt, oben, Klammer auf, url, in Anführungszeichen, toolbar, ist gleich, me, location…

 

 

Als 2002 der Song Waltz auf dem Album As If To Nothing von Craig Armstrong erschien, war mit den trocken skandierten Lyrics von Antye Greie-Fuchs der Hypertext als Ausgangspunkt und wichtige Voraussetzung für die Entwicklung einer Hyperkulturalität endgültig in der Popmusik angekommen. As we may think a (File) Structure for the Complex, the Changing and the Indeterminate könnte man in der Zusammenschau der Titel der zugrundeliegenden Texte für die Entwicklung hypertextueller Programmstrukturen (html) von Vannevar Bush und Ted Nelson die Vorlage sehen für ein Konzept, das als Kommunikationsstruktur die Verknotung und Vernetzung, die assoziativen Verbindungen in einem zunehmend globalisierten Weltgeschehen abzubilden versucht. Byung-Chul Han betont in seinem Büchlein über Hyperkulturalität, dass die Welt selber hypertextuell ist, nichts isoliert vom anderen existiert. Eine Welt als komplexes Netz, das bereits in der vedischen Vorstellung von Indra’s Netz als Abbild des Weltgeschehens Ausdruck fand, ein Konnektiom. Dieses wird z.B. auf der Website radio.garden (gibt es auch als App), wo es dem interessierten Hörer möglich ist jegliche weltweit bestehende Internetradiosender auf einer großen Karte anzuklicken und hineinzuhören, in sehr anschaulicher Weise deutlich. Eine wahrlich spannende Erkundungsempfehlung! Mit einem Klick öffnet sich ein Fenster in einer hyphenisierten Welt und zeigt ein buntes Potpourri an musikalischen Möglichkeiten. Ohne mich zu bewegen zu müssen, werde ich quasi zum Touristen in jeglicher zur Verfügung stehender kulturellen Schöpfung: alle Kulturen aus vielen unterschiedlichen Zeiten sind instantan zugänglich.

Dies verändert aber die Erfahrung von kulturell determinierten Elementen, wobei hier für uns v.a. die künstlerisch-musikalischen Ausdrucksformen im komplexen Kontext von Wissen, Glauben, Moralvorstellungen, Brauchtum und anderen Fähigkeiten, die die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaft prägen, bedeutsam seien sollen. Und natürlich auch die Subkulturen, die sich in ihren Werten, Vorstellungen und Ausdrucksformen abgrenzend auf die jeweilige vor Ort bestehende Gesellschaft beziehen und innerhalb ihrer ein Eigendasein führen. Subkulturen haben ein strenges Bezugssystem, das sie entweder verändern (progressiv) oder besondere Aspekte darin bewahren (regressiv) wollen. Sie sind lokal, kontext- und zeitgebunden. Doch durch die Vernetzung und ubiquitäre Verfügbarkeit z.B. von Musik, Kunst und anderen kulturell-kreativen Ereignissen werden die Subkulturen zu einer bedrohten Spezies, da die Hyperkultur in ihrer Grundstruktur nicht-lokal, kontexterweiternd und zeitübergreifend ist. Im Austausch zwischen den Kulturen und Subkulturen entwickelt sich etwas Neues, dialogisch in der Interkulturalität, durch Toleranz getragen in der Multikulturalität, wo Elemente unterschiedlichen Ursprungs nebeneinanderstehen und in der grenzüberschreitenden Dynamik im transkulturellen Transfer, wie Byung-Chul Han sehr detailreich beschreibt. Diese stufenweise Grenzauflösung führt bei der Entstehung hyperkultureller Muster zur Auflösung des Horizontes, der räumlichen und zeitlichen Begrenzung, so dass es

 

zu einem abstandslosen Nebeneinander unterschiedlicher kultureller Formen kommt. Klänge und Gerüche lösen sich von ihren ursprünglichen Orten und sind in einem grenzenlosen Hyperraum verfügbar. Sie erzeugen so eine intensive Vielfalt an Lebens- und Wahrnehmungsformen, die bestimmte historische, sozio-kulturelle, technische und mediale Prozesse oder Gegebenheiten voraussetzen. Das Hyper (Akkumulation, Vernetzung, Verdichtung) kennzeichnet das Wesen der Globalisierung (B-CH).

 

Aus dieser komplexen und ubiquitären Verfügbarkeit von Kulturgut, z.B. der Musik unterschiedlicher Traditionen und Ethnien, kann in einem ganz individuellen Auswahlprozess etwas ganz Eigenes, Neues entstehen. Hyperkulturell bedeutet hier also nicht über den Kulturen als solchen zu stehen, sondern eine kreative Synthese weit über die einzelnen, als Ausgangspunkt genommenen Kulturformen hinausgehend. Man könnte hier mit GPT-3, einer Open-AI, sagen dass

 

Hyperkulturalität auch als die Fähigkeit verstanden werden kann, zwischen verschiedenen Kulturen zu wechseln und sich in ihnen zu bewegen, ohne dass es zu einem Verlust der Identität oder Integration kommt.

 

In der Musik wurde dieser Prozess durch mehrere weitere Faktoren enorm begünstigt, bzw. überhaupt erst möglich gemacht:

 

  • Der Entwicklung von Samplern
  • Der Erfindung und bezahlbaren Verfügbarkeit von synthetischen Klangerzeugern und
  • Der gewaltigen Entwicklung der Möglichkeiten jedwelche Klänge im Studio nahezu beliebig zu bearbeiten.

 

Während Sampler noch den Transfer originären Klangmaterials ermöglichten, was z.B. sehr eindrucksvoll auf My Life in the Bush of Ghosts von Brian Eno und David Byrne zu hören ist, stellen Synthesizer und computerbasierte Studiotechnik neue, wenig spezifisch kulturell vorbelastete Produktionsmöglichkeiten dar, zumal sie selbst meist wesentliche Elemente hyperkultureller Musikformen stellen.

 

Wenn Byung-Chul Han herausarbeitet, dass Hyperkulturalität ein Phänomen der heutigen Zeit ist und nur unter den heute gegebenen Umständen entstehen konnte, so können wir uns fragen wann dies in der Musik seinen Ausdruck gefunden hat. Auch wenn ich bei genauerer Betrachtung gerade in der experimentellen Musik nach dem zweiten Weltkrieg und in der Entwicklung der Jazzmusik schon recht früh viele richtungsweisende Ansätze sehe, hat sich in ihrem Wesen hyperkulturelle Musik erst etwa um die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts entwickelt. Hier sind, und das ist eine sehr subjektive, persönliche und reduzierte Auswahl, vor allem die drei CoDoNa-Alben von Don Cherry, Colin Walcott und Nana Vasconcelos auf der Ebene akustischer Musik konstituierend gewesen und auf der Ebene elektroakustischer Musik besonders Jon Hassell, der sein Fourth World Music-Konzept explizit als hyperkulturell formulierte und kongenial realisierte.

 

 

     

 

 

Jon Hassell hatte seine musikalischen Wurzeln in der amerikanischen experimentellen Musikszene genauso wie durch sein Studium der elektronischen Musik bei Karlheinz Stockhausen und der klassisch nordindischen Musik bei Pandit Pran Nath, dessen Techniken er auf die Intonation seiner Trompete übertrug und schließlich wieder technisch verfremdete. Auf dieser Basis verband er afrikanische Drumpattern und javanische Gamelanfragmente, Wasserklänge und tropische Vogelstimmen, Gesänge der Aka-Pygmäen und Synthesizerdrones mit den strukturellen Mitteln europäischer Musiktraditionen und den subtilen repetitiven und selbstreferentiellen Strukturen elektronischer Produktionsmöglichkeiten, um so mit jedem Stück eine völlige neue Form struktureller Organisation und Erweiterung des vorbekannten musikalischen Vokabulars zu schaffen. In der Überwindung eurozentrischer Traditionen sah er darin einen Entwurf einer „Coffee-coloured“ klassischen Musik der Zukunft, in der die zugrundeliegenden Elemente bestenfalls nur noch fragmentarisch erkennbar sind.

 

 

   

 

 

Vor dem Hintergrund dieses hyperkulturellen Musikentwurfes wird eine Kritik an der Aneignung, der Assimilation des Fremden, bedeutungslos, da die unendliche Vielfalt kultureller Ausdrucksformen bereits innnerhalb dieser Hyperkultur beheimatet ist. Hyperkultur ist, wie Byung-Chul Han formuliert, eine Kultur intensiver Aneignung, in der das Eigene in der geglückten Aneignung eine stete Erneuerung erfährt, die durch die jeweilige Auswahl stark individuell geprägt ist.

Weiterhin sind für mich Peter Gabriel mit den Alben Melt und Security und vielen seiner Real World-Produktionen, Laurie Anderson mit Mister Heartbreak, Jean-Michel Jarre‘s Zoolook wichtige Alben einer sich in dieser Zeit konstituierenden musikalischen Hyperkultur.

Ein weiteres musikalisch recht heterogenes und hochspannendes Beispiel stellt das Londoner Musikerkollektiv Transglobal Underground dar, wo sich Musiker mit völlig unterschiedlichem Hintergrund trafen, um eine Tanzmusik jenseits stupider Technorhythmen und wie auch immer gearteter Weltmusik zu kreieren. Neben arabischen Einflüsse auch durch Natacha Atlas, gab es Impulse aus der klassisch indischen Musik, Reggae, afrikanischen Rhythmen und Balkanbeats, Bhangra, Eighties-Pop und Erfahrungen als DJ’s, die zu einem sehr vitalen, unvorhersehbaren Klangraum verschmolzen, der sich bis heute durch wechselnde Kollektivmitglieder und Konstellationen wandelt und weiterentwickelt.

 

 

     

 

 

Auch darf hier Hector Zazou nicht unerwähnt bleiben, der sich schon recht früh in seiner Musikerkarriere um kultur- und genreüberschreitende Musik intensiv bemüht hat. Der Höhepunkt seines Vermächtnisses ist für mich das letzte noch zu seinen Lebzeiten erschienene Album In The House Of Mirrors, wo er aus Sessions mit indischen und usbekischen Musikern, aber auch Nils Petter Molvaer und Bill Rieflin in der finalen Bearbeitung eine außerordentliche und einzigartige Kunstmusik schuf.

 

 

     

 

 

Eine besondere Stellung sollte später Björk einnehmen, die mit dem Homogenic ein programmatisches Album schuf, das damals weit über die Genregrenzen hinausreichte. Sie erarbeitete hier in vielen Kollaborationen eine ganz eigene Melange von den Erfahrungen der Naturgeräusche ihrer isländischen Heimat, klassischer und traditioneller Musik zu globalen Musikformen und technologisch geprägten Elementen, die sie oft scharf kontrastierte und eine futuristische, mit den Hörgewohnheiten bisheriger Musik brechende, intensive, unbequeme und zutiefst faszinierende Klangwelt schuf. Diesen Ansatz vertiefte sie in den folgenden Jahren sowohl in der Komplexität als auch Tiefe, besonders prägnant sichtbar bei den Alben Utopia und Fossora.

Bei der Durchsicht der Jahresbestenlisten 2022 wird auch schnell deutlich, wie viele Alben jenseits gängiger Genrezuordnungen und der verschiedenen Geschmackausrichtungen hier im Blog eine hyperkulturelle Signatur tragen und damit den Reichtum vieler Musiktraditionen in ein Futuristisches und Größeres einbringen und so auf ein neues Level heben. Auch ein wahllos ungezwungenes Durchklicken der Sender auf radio.garden zeigt, wie weit die Grenzen zwischen den Kulturen längst gefallen sind, unsere Hörgewohnheiten sich verändert haben und hyperkulturell geprägte Musikstücke bereits Eingang in den Mainstream gefunden haben.

 

 

 

 

Diese Zeilen sollen den Versuch darstellen die Ideen Byung-Chul Han’s zur Hyperkulturalität auf das weite Feld der Musik zu übertragen, das er weitgehend unerwähnt lässt und viel eher eine Anregung zu sein, eine Diskussion anzustoßen als auch nur ansatzweise ein Statement zu sein – eine einfache Gedankenskizze…

2023 3 Jan.

Der beste Western

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Viele Serien fahren hohe Quoten ein, sind gut gemacht, entsprechen allen Regeln der Kunst und des sophisticated zeitgeist, genügen jedem Anspruch eines akademischen Intellektuellen und sind mit Reflektionen über modern times bestückt, wie sie Charlie Chaplin selbst nicht besser hinbekommen hätte. Ich möchte keine Namen nennen, um Niemandem den Spass zu nehmen oder Heiligtümer anzukratzen, gemäss dem kantschen Diktum: tu nur dass, was man auch dir tun soll. Und doch, manches Emmy-Prämierte lässt einen seltsam kalt, da kann es noch so gut sein. Es binged nicht, Bingo! Durchgefallen. „I like binge!“ sagt eine dunkelhaarige Schöne beim Frühstückstalk zweier Pärchen in The White Lotus. Dort sind sich alle einig: Ted Lasso sei der Bringer und der Betrachter vor der Flachbild-Screen stimmt still zu. Doch hat es sich schon rumgesprochen, die besten Zeiten sind vorbei und Perlen schwer zu finden, entropische Verwaschenheiten nehmen zu. Und wenn der hungrige Binge-Fisch dann doch mal an die Angel beisst, ist das Glück umso grösser. 1883 ist das Prequel des amerikanischen Mega-Erfolgs Yellowstone. Schon nach wenigen Minuten fliesst ein warmer Schauer durch den Körper: this is precious homeland and the exact opposite of wasting time. Aufbruchstimmung: traumatisch, warmherzig, erotisch, brutal und poetisch zugleich. Der beste Western, den ich je sah, höre ich mich zwischendrin mal jubilieren. Stoff, aus dem die Träume sind und auch die Staaten von Amerika. Sons and girls of pioneers. Forget John Wayne! Und falls Sie, verehrte Leserin, ein Fan von Billy Bob Thornton sind, jenem Bösewicht aus Fargo: sie werden ihn als die coolste Sheriff-Sau erleben, die Ihnen jemals bewaffnet gegenüber stand. Dieser kleine Spoiler-Spass muss sein.

 

1. Japanese influences
 
For many years one of my favorite albums has been Music For Zen Meditation And Other Joys (Tony Scott, Hozan Yamamoto, Shinichi Yuize). I have owned this vinyl over 15 years before I started to study playing Shakuhachi and Honkyoku music (that happened in the year 2019). Of course with these studies in the fascinating world of shakuhachi I have vanished deeper to Japanese music (such a wide topic…), found many interesting and new ways to compose and approach also other instruments, like the saxophone. Jazz music is often considered to represent the sound of urban life and the rhythm of the metropolies. With Uusi Aika we wanted to take completely different directions, we wanted to slow down, make it slow as a frozen landscape or forest under deep snow… This might be aesthetically closer to some old Japanese music traditions rather than to the hot drive of jazz traditions.
jk
kl
2. Vesala´s followers influences
 
Two legendary reed and flute players from Vesala´s workshops Jone Takamäki and Jorma Tapio are indeed big heroes for me. Both of them have big strong sound with kind of rebel attitude. I have listened to their playing a lot. Jone Takamäki is also experienced shakuhachi player and as I know, he might be the first musician in Finland to study this special instrument. Our bass player Tapani Varis has earlier been playing and performing with Jorma Tapio´s trio Kaski. I think also Vesala, Takamäki and Tapio all have been inspired a lot by the nature and chanelled these spiritual energies to their music.

 


“One Saturday night in Oslo I saw a poster for Dino Saluzzi at the Cosmopolite. I thought: I should hear this, especially because I’m also writing for bandoneon in my ensemble. When is the gig? Oh, it’s today. When does it start? In twenty minutes! OK! So it was a very quick walk to Cosmopolite. It was packed, but I found a place on the stairs, and by chance I was next to where Manfred Eicher was sitting. We spoke in the interval and I told him about my project. He had been recording at Rainbow, and listened to some of my music.”

 

Schöner Zufall. So kam es mit der Zeit zum Debut der norwegischen Saxofonistin, auf ECM Records, und in diesen Tagen vor und nach Neujahr höre ich ihr zweites Album „Drifting“, und höre es intensiv – anders geht es auch nicht, bei all diesen Schwingungen, Zeitlupen, Stillständen, Turbulenzen, Aufbrüchen. Von Drift zu Drift – ein „Rumtreiber“ besonderer Art ist diese Arbeit.  Und was den Faktor des „Gespenstischen“ an dieser Musik angeht – das Cover ist da schon ein Fingerzeig. Dass das Werk im Osloer Munch-Museum aufgenommen wurde, wollen wir mal nicht überbewerten. Neben Mette Henriette am Tenorsaxofon spielen Johan Lindvall Piano und Judith Hamann Cello. Mehr zu „Drifting“ in den JazzFacts des DLF am 12. Januar um 21.05 Uhr. 

 

 


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