Manafonistas

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Archives: März 2018

2018 18 März

Domburg

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For my time being in Domburg, in a holiday resort nicely filled with families, lovers and other strangers (in fact a heavy contrast to your idea of exotic far away places), I booked one of these tiny houses on the beach. Meeting two friends, well, good aquaintancies, reading a new Harlan Coben novel, and listening to a great reggae reissue from Michael Ras and Negus, makes up for a quite nice way to spend two days and three nights – with this awesome look at the blue sea. The  hours were crammed full with action-free spaces, apart from Harlan’s great novel „Don‘t Let Go“ (he‘s no Marcel Proust by any means, but always looking for a long and unreliable past). At nighttime, my eyes met an invisible horizon, calmed down, stretched out – closing time for the hunting grounds. Oh, the drums, outside of Kingston, Jamaica, 1967!

 

2018 17 März

Peter Handkes „Ghostwriter“

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An einem Vorfrühlingsabend saß er an dem Skript einer Plattenbesprechung zu Yo La Tengo phantastischen Album über einen stillen Aufruhr der Träumerei, in seinen Gedanken das um so stärker betonend, was er nur am Rande wahrnahm, in einem seiner bewährten Jukebox-Cafès. Dieses lag an einem eher untypischen Ort, in Rantum, neben dem Sylter Dorfhotel, aber die Plattencover an den Wänden (Another Green World, Low, das Weisse Album) und die Sammlung alter Sounds-Hefte passten zu seinem Ding. Die Box spielte, aber er wartete wie immer auf die von ihm selbst gedrückten Nummern; dann erst schien es richtig. Auf einmal, nach der Plattenwechselpause scholl von dort aus der Tiefe eine Sequenz, die ihm seltsam perfekt erschien („In My Life“, „Cosmic Dancer“, „Spinning Away“), bei der er, wie sonst nur in Augenblicken der Liebe, der radikalen Erotik, das erfuhr, was in der Fachsprache „Entgrenzung“ heisst, und, etwas alltäglicher, „das Abtauchen des Ichs“. In solchen Jukebox-Cafés ist der Weg zurück zur Oberfläche, immer noch ein Phänomen der Trance, ihr spezieller Nachhall, und an diesem Sylter Abend erhielt er eine ungebetene Zugabe, als ein Fremder, dessen Gesicht er nicht wahrnahm – auch Unbekannte können ohne jedes Wort ihre Seelenverwandtschaft bekunden – einen Song drückte, der ihn noch draussen, aufs Angenehmste, verfolgte, bei den ersten hundert Schritten zur Küste: Robert Wyatts „Cuckoo Madame“.

 

2018 16 März

A propos Jules Verne

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1 – Meine erste Philosophievorlesung in Würzburg fand ein einem prunkvollen Raum der Residenz statt. Der Professor, tatsächlich mit wallend weissem Haar, warf Bilder an die Wand aus der Zeit der Höhlenmalerei und wollte an ihnen aufzeigen, wenn ich mich recht entsinne, wie man sich damals in die Empfindungswelt von Tieren einfühlte, um den Jagdsinn zu schulen. Ein wenig kam ich mir wie bei Jules Verne vor. 1931 entdeckten Forscher in Südfrankreich am Eingang einer Höhle eine große Muschel. Auf den ersten Blick unscheinbar, schlummerte sie jahrzehntelang in den Sammlungen eines nahe gelegenen Naturkundemuseums. Hier schien nun eine andere Art des Kreativen zu wirken. 2020 wurde diese rund einen Meter lange Muschelschale nämlich mit moderner Bildgebungstechnologie neu analysiert, und man kam zu dem Schluss, dass die Muschel absichtlich zerkleinert und durchlöchert wurde, um sie in ein Musikinstrument zu verwandeln. Es scheint sich also um ein extrem seltenes Beispiel eines „Muschelhorns“ aus dem Paläolithikum zu handeln. Und es funktioniert immer noch – ein Musiker entlockte der 17.000 Jahre alten Muschel kürzlich drei Töne. Das ist doch fast unglaublich. (m.e.)

 

2 – Eine Zeit war Jules Verne aus meinem Leben verschwunden, aber 1960, gegen Abend, tauchte er plötzlich wieder auf. In einer Collage von Max Ernst: in der Ballongondel zusammen mit Fantômas und Dante, etwas in der Hand haltend wie ein Barometer oder ein Hygrometer oder ein Manometer.


Und wieder kurze Zeit später erschien er beim Blättern in alten ¬illustrierten Zeitschriftenbänden, die mir die Antiquare damals fröhlich und rasch aus ihren Abstellkammern geholt haben, und die ich für etwas Kleingeld in großen Koffern nach Hause schleppte.

In der Leipziger Illustrierten, Jahrgang 1875, las ich: »Man liest diese Bücher anfangs mit Kopfschütteln. Wer soll heutzutage ganze Bände voller Windbeuteleien und Phantastereien lesen. Da ist die Zeit zu kostbar dazu, bald aber findet man, daß die Phantasie des Autors nur Beiwerk ist. Daß uns der Verfasser in allem Ernst« (in ¬allem Ernst! na also) »populäre wissenschaftliche Vorträge hält. Er ist ein verkappter Professor.«

Für Phantasie war also keine Zeit da. Auch 1875 nicht. Ein verkappter Professor!? Wohl doch eher einer, der sich als Professor verkleidet hat, um seine Windbeuteleien und Phantastereien an den Leser zu bringen. Nicht seine kolossalen Auftürmungen von Fakten, Zahlen und technischen Mitteilungen hatten mich fasziniert. Ich wollte Platz haben für meine Phantasie.

Und als ich im Jahrgang 1878 der Zeitschrift Das Neue Blatt las: dieser Mann belehre ja gar nicht, er »verwirre« vielmehr, weil er »die Grenzen zwischen der realen und der phantastischen Welt absichtlich verwische«. Na bitte. Ich glaube in diesem Moment hatte mich Jules Verne ganz verwirrend und ohne allen Ernst wieder für sich gewonnen. Und heute kommt es mir vor, als seien auch seine wütenden und hinterlistigen und opulenten Angebote von Details, seine stampfenden Wortreihen so etwas wie eine Vorwegnahme einer poetischen Methode von heute.

Dieser Mann mit dem Bart, der so fest auf dem Boden der Zahlen, Fakten, Belege zu stehen scheint, er springt fortwährend hinaus in eine knollige wuchernde sinnliche seltsam komische Landschaft, er springt schnaubt und fliegt in die Luft oder taucht hinab. Er bewohnt eine Welt, in der es zischt, pfeift und knallt und in der überall die mit Zahlen, Fakten, Belegen gefüllten Mundblasen aufsteigen und zerplatzen. Er läßt seine Phantasie tanzen, wie Robert Walser es mit den Worten macht.

So schwirrte ich atemlos mit Jules Verne eine Zeit durch die Gegend, bis er von der krachenden Faust Old Shatterhands zu Boden geschmettert wurde. Dann bestieg ich mein Pferd und ritt ein paar Jahre mit Bärentöter und Henrystutzen beim Untergang der Sonne davon. Schließlich verschwand ich am Horizont. Später kam wieder was anderes. So ging es weiter. Und am Ende war Jules Verne wieder da und rief unerhörte und folgenreiche Worte. Ich glaube, so war es. (r.w.)

Ich werde nie das Glück vergessen, das erste Sehen von „Celine und Julie fahren Boot“, in meinen Jahren um die Sweet Seventeen herum war Jacques Rivette der heimliche Gewinner vor Truffaut und Chabrol (der die schärfste Braut, gerne als femme fatale, aufs Zelluloid bannte, Stéphane Audran), und völlig abgeschlagen sowieso der katholische Langweiler Rohmer, und fast ehrfurchtsvoll bewegte ich mich auf meinen ersten zwei Parisreisen durchs Quartier Latin, durch die Gasse der alten Kinos, und schlafwandlerisch an einem Sommernachmittag und einem Wintermorgen durch den Jardin du Luxembourg, blieb sehnsuchtsvoller Betrachter von magischem Nichts, erst viele Jahre später sprach ich, endlich filmreif, die schönste Frau von Paris an, die sich als schönste Frau von Hannover entpuppte, und lange eine rechte Hand und gute Seele an der Seite Joe Zawinuls war. Die Ernüchterung kam, als ich, nach einer Ewigkeit, wieder Celine und Julie Boot fahren sah, und die Magie des ersten Sehens (und Versinkens) einfach verschwunden war.

Wenn der Tempo mit dem Jukebox-Man kommt …
 

Es wird Frühjahr. Die Jukebox-Kneipen, die über die Wintermonate geschlossen hatten, erwachen zum Leben, die Wirte öffnen die Läden, lassen frische Luft herein, schalten schon einmal die Jukebox ein, bemerken, dass die Schallplatten nicht gleichmäßig laufen, wenn sie sich überhaupt bewegen. Das altbekannte Problem: die Schmierung der beweglichen Teile wird während der langen Ruhezeiten zäh und es dauert seine Zeit bis alles wieder rund läuft.

Ein Wirt schickte mir neben seinen Plattenwünschen auch noch einen kurzen literarischen Text, der ihm während des Lesens an langen Winterabenden besonders gefallen hat, es handelt sich um einen Ausschnitt aus einem Buch von Peter Handke „Versuch über die Jukebox“:
 

An einem Spätwinterabend saß er, in den Skripten das um so stärker anstreichend, was er um so weniger aufnahm, in einem seiner bewährten Jukebox-Cafès. Dieses lag an einem für dergleichen eher untypischen Ort, am Rand des Stadtparks, und auch die Kuchenvitrine und die Mamortischchen paßten nicht zu seinem Ding. Die Box spielte, aber er wartete wie immer auf die von ihm selbst gedrückten Nummern; dann erst war es richtig. Auf einmal, nach der Plattenwechselpause, die, mitsamt ihren Geräuschen – dem Klicken, dem Suchsurren, hinwärts und herwärts durch den Gerätebauch, dem Schnappen, dem Einrasten, dem Knistern vor dem ersten Takt-, gleichsam zum Wesen der Jukebox gehörte, scholl von dort aus der Tiefe eine Musik, bei der er zum ersten Mal im Leben, und später nur noch in den Augenblicken der Liebe, das erfuhr, was in der Fachsprache „Levitation“ heißt, und das er selber mehr als ein Vierteljahrundert später wie nennen sollte: „Auffahrt“? „Entgrenzung“? „Weltwerdung“? Oder so: „Das – dieses Lied, dieser Klang – bin jetzt ich; mit diesen Stimmen, diesen Harmonien bin ich, wie noch nie im Leben, der geworden, der ich bin; wie dieser Gesang ist, so bin ich, ganz!“? (Wie üblich gab es dazu eine Redensart, aber, wie üblich, entsprach sie nicht ganz: „Er ging in der Musik auf“.)

 
Ein wunderbarer Text!
 
Jetzt aber zu den Platten: natürlich bleiben die Klassiker in den Boxen. Zu ihnen gehören auch zwei Singles der Sparks: `This Town Ain´t Be Big Enough For Both Of Us´ und `Amateur Hour´, beide erschienen 1974. Ich erwähne hier besonders die Sparks, weil sie unlängst auf ARTE zu sehen waren und – ehrlich, man glaubt es kaum – sie spielten die beiden Lieder am Schluss des Konzerts in alter Frische.
 
 
 

 
 
 
Nun aber endlich zu einigen – ich nenne mal elf – eingegangen Jukebox-Plattenwünschen für dieses Frühjahr:
 
Twain: Solar Pilgram (The Sorcerer / Nov.2017)

Tristen: Glass Jar (Sneaker Waves / Febr.2018)

Van Morrison & Joey DeFrancesco: You´re Driving Me Crasy (You´re Driving me Crasy / April`18)

Aisha Bradu: Bridges (Bridges – Acoustic 2018)

Special Explosion: Fire (To Infinity Dez.2017)

Eels: Premonition (The Deconstruction / April 2018)

Eels: Today Is The Day  (The Deconstruction / April 2018)

Anna Burch: Tea-Soaked Letter (Quit The Curse / Febr.2018)

Collapsing Stars: The Storm (2012 / Aug.2017)

Dead Horses: Turntable (My Mother The Moon / April 2018)

Sparks: I Wish You Were Fun (Hippopotamus / Sept.2017)
 
 
 

 

2018 14 März

Der Dichter am Mikrofon

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Ohne Gitarre
 
Ich spiele mit meinen Fingern

die Saiten an deinem Puls.

Die Schnecke aus deiner Hand.

Das ist der leiseste Blues.
 
(Von Arnfrid Astel 1933 – gestern)
 
 

Astel gehörte zu meinem saarländischen Innercircle. Wir trafen uns in den 70ern in der Kneipe Sogenanntes Theater, kurz „Sog“. Dort diskutierten wir aufgebracht über die fristlose Entlassung unseres Radiomachers. Unser Dichter war rausgeflogen, weil er politische Epigramme aus seiner Werkstatt über das Mikrofon des SR öffentlich werden ließ. Arnfrid war unser Sprachrohr im Südwesten, mit ihm hatten wir unseren „Allen Ginsberg“. Als er den Prozess gegen den saarländischen Rundfunk gewonnen hatte, feierten wir mit ihm im „Sog“. Er war ein Frauenheld, ähnlich charmant wie Peter Schneider. Das Vollweib Karin Struck setzte ihm in ihrem Roman Klassenliebe mit dem intellektuellen Protagonisten Z ein literarisches Denkmal.

Wer noch nie einen Text von Arnfrid Astel gelesen hat – unbedingt nachholen.

2018 13 März

For Misty

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Beyond the lost past,
Beyond all fading memory,
Beyond the smell of decaying leaves
And the half remembered taste of warm bread one winter’s morning in late December,
and how you laughed in delight at our delight,
I love you
Beyond the frail tendrils of dying cells
Flaming out in super novas of forgotten embraces
I love you
Beyond the loss of your very self,
And even your own name,
Beyond the loss of your senses,
And the loss of making sense-
And Memories disappearing behind you
Like trains uncoupling and abandoned on empty snow covered tracks,
fading into darkness,
silent and still,
I love you
Beyond hope,
Beyond reason,
Beyond the loss of everything precious,
I love you
Now, now and now and for always,
Beyond time,
Beyond the body,
Beyond unspeakable pain,
Beyond the horrifying recognition of
The broken mind,
The heart is alive, intact
And perfect
This is how I see you,
And I will love and hold you in my heart forever
And always.

2018 12 März

The Level of Mystery

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I wait for wisdom and the moment when my life is revealed to have ballast, and in the waiting I´m left believing, fifty-one days out of a hundred, that God exists – or at least that life exists on the level of mystery – but also just suspicious enough, just faithless enough that, in my suspicion and faithlessness, I´m bound to proceed through the remaining forty-nine on the awful, nearly unspeakable assumpting that there is no mystery at all, only molecules.

Steve Erickson: Amnesiascope

2018 11 März

Adieu sweet bahnhof

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I have been waiting for hours in this train
And I’m riding through Brussels in the rain
Back to Paris more or less confused
By the shadows of tractors on the land
By the changes in my life I pretend
There’s a new life waiting there for me
I asked myself what sort of books I’d read
In a train if I ever felt the need
I bought „My life with Picasso“
I think of so many things I like to do
I will go to the Centre Pompidou
There’s a still-life part of my life too
Adieu, adieu sweet bahnhof
My train of thoughts is leaving tonight
Now like an arrow we’re aimed at Gare du Nord
Between backs of the houses streets like fjords
And the night falls over Paris
So I’ve come back to the Hotel d’Angleterre
I lay down on a double bed and stare
At the ceiling what a feeling (to be back)
Adieu, adieu sweet bahnhof
My train of thoughts is leaving
Tonight

2018 10 März

„Ambient Africa“

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What is tremendously exciting to me is the collision of vernacular Western music with African music. So much that I love about music comes from that collision. African music underlies practically everything I do — even ambient, since it arose directly out of wanting to see what happened if you „unlocked“ the sounds in a piece of music, gave them their freedom, and didn’t tie them all to the same clock.

(Brian Eno)

 


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