Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: November 2015

Pantheismus und Haustiere haben eine lange Geschichte, Bob Dylan eine vergleichsweise kurze, die aber mit der nun zwölften Edition seiner Offiziellen Bootlegserie einen neuen Höhepunkt erfährt. Wer die 18-CD-Fassung braucht, ist bereits ein Dylan-Besessener. Da kann man sich auch ein Pferd anschaffen, und mit ihm viele gute Jahre zusammen verbringen, statt es den tiefgefrosteten  Geistlichen im Vatikan gleichzutun, und in kryptischen Versen nach Deutungshoheit streben, mal werkimmanent, mal mit biographischer Aussicht.

So bleibt Dylan wirklich „forever young“, auch nach seinem Tode wird die Sekdundärliteratur Possen und Blüten treiben und auch mal die Seligsprechung einfordern. Franziskus, der Papst mit der Blume im Haar, wäre der Richtige dafür, aber der ist ja nun auch kein junger Hüpfer mehr. Es gibt keinen Zweifel an dem Klassiker-Status dieser drei Platten aus den Sechzigern, aber mich haben sie nie von vorne bis hinten mitgerissen. Andere Platten Dylans waren mir wichtiger. Hier werden sie nun seziert, als „work in progress“ dargeboten, mit reizvollen Varianten, schnellen Sackgassen.

 
 
 

 
 
 

Aber das kann natürlich a u c h ein sinnliches Vergnügen sein, dieser Suche nach der geglücktesten Form eines Liedes nachzuspüren, und zwanzig Versionen von „Like A Rolling Stone“ sind schon ein abendländisches „Brett“. Leicht spricht die Rockmusik hier vom „heiligen Gral“, und der ist sowieso meistens ein Irrweg, gerne von Verblendeten heimgesucht, von Obsessiven, Erlösungssüchtigen, Baumumarmerinnen, und Nebelkerzendesignern. Überhöhungen verhindern den Transfer des Glücks (eines Songs) ins eigene Leben: was man vom Sockel holt, ist einfach nur Beschwernis.

Dylan ist ein grosser Geist, Sänger, ein Medium, ein Verwandlungskünstler, ein exzellenter Dekonstruist (ich sage oft hinreissender Liedzersäger), aber ich dosiere ihn lieber in kleinen Einheiten. So bleibt er mir nah. Und lebendiger. Und wie gesagt, statt HIS BOBNESS zu zelebrieren: versuchen Sie es mal mit Katze, Hund, Schaf, Ratte, HAUSSCHWEIN (!) oder einem Aquarium. Und kämpfen Sie gegen die Fuchsjagd in England! So toll ist das auch nicht, wenn auf Ihrer Beerdigung „One More Cup Of Coffee For The Road“ gesungen wird!

 
 
 

 
 
 

Aber, klar, nochmal, Bob ist gut. Ich bin nur etwas gesättigt, und daher ein klein wenig neugieriger auf auf die jüngsten Arbeiten von Anna von Hauswolff, Christina Vantzou, und das Buch „M Train“ von Patti Smith. Letzteres hat vielleicht noch Zeit bis Weihnachten. Aber Victoria Segal hat mich doch mit ihrer kurzen Besprechung im „Mojo“ (Dezember) sehr neugierig gemacht, auf  Pattis  nicht ganz unskurrile Alltage, ihre interessanten Marotten, und die chronische Unfähigkeit, für Roberto Bollano hundert Verse zu schmieden. Patti Smith hat bestimmt einen Hund.

 

 


Man muss gar nicht lange wandern, um vertraute Figuren in Paris zu finden. Monet hatte alle Zeit der Welt, in der L’Orangerie die Stellung zu wahren, seine immensen Seerosen sind eh über das Saisonale erhaben und haben jede klare Taktung von Raum und Zeit verloren. Vor dem morgendlichen Croissant ertönte, bis in die Dusche hinein, Achim Kaufmanns nie langweilig werdende Solopianoplatte Later. „It’s all over now, Baby Blue“ ohne Zuckerrand zu servieren, ist stets ein Lächeln wert. Alan Stivell hingegen lockte gleichsam aus dem Nebel alter Erinnerungen (und einem zufällig erhaschten Plakat) in einen Musikclub, und dann ertönte die keltische Harfe aus bretonischer Urzeit zu Melodien, die sich früh in den Siebzigern, aber auch nicht zu lange, in unseren Ohren eingenistet hatten. Er hatte sich all seine Lebendigkeit bewahrt, ihr allerdings nie neue Schärfe hinzugefügt – ein schöner Traum. Wir haben hierzulande natürlich keinen alten Kelten, gewiss ein paar archaische Geister, die aber weder Gröni noch Westi heissen, und auch keinen Rumpelrock mit Sinn- und Sinnlichkeitskrämpfen pflegen. Hat Patrick Modiano unsern Weg gekreuzt, ich habe keine Ahnung, seinen Schritten ist wohl eine Flüchtigkeit inne, die etwas Geisterhaftes verströmen, spürt er doch immerzu einen fernen Widerhall auf, gern herrgottsfrüh in wenig begangenen Gassen. Immerhin grüsste aus dem Schaufenster eines Buchladens im Marais unser alter Freund Banksy (s. Blogroll) mit frohen Botschaften, die weder froh sind noch Botschaften, vielmehr kleine scharfe Spiegel. Und dann waren da noch spätabends, in der Rolle seines Lebens, Colin Farrell, und die nicht minder nahgehende Rachel McAdams, in der letzten Folge der umstrittenen, in meinen Augen atemraubenden Zweiten Staffel von True Detective. Alle acht Folgen eröffnet Leonard Cohen. Es ist gut, im tiefsten Seelenschwarz ein paar gute Geister um sich zu haben.

2015 9 Nov.

Die Hochzeit von Fussball und Tango

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1930 ist das Centario das größte Fussballstadion der Welt. Der Tangokönig Carlos Gardel steht auf einem kleinen Balkon eines Hotels in Santa Lucia und singt für den Fussball. Uruguay gewinnt die Erste Fussballweltmeisterschaft mit 4:2 gegen Argentinien. Das Bandonion weint mit den Gauchos. Aus dieser Tradition hebt ein anderer Tangokomponist und Sänger den Tango ins Klassische und vermischt ihn mit Jazz: Astor Piazzolla. Ich habe ihn in Montevideo im Vorbeigehen in diesem Bandonion Store entdeckt, er hielt mich länger fest als das Moma.

 

2015 8 Nov.

The sun flung spangles, dancing coins

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„Je me promène. Principalement, je me promène.“
 
„But then the monotony of the images we consume gets the upper hand, reflecting the monotony of the action which produces them, the slow rolling motion of finger and thumb that rotates the kaleidoscope.“
 
„We think we are living in the world, when in fact we are taking our place in a perspective. Not the simultaneous perspective of primitive painters: the point of reference is always somewhere else.“
 
„Noontime means luncheon for someone
Night time means sleep for the same
Daytime means brightness for someone
But to me they all mean the rain“
 
„I’ve got pocketsful of solutions to the problems of the world
I’ve got barbecues like footballs perched on green glass balconies where dereliction used to fester where the coffee bars spread like weeds and lights flicker eternal“
 
„I never cared so much about making perfect sense. I wanted to make perfect nonsense. I wanted to tell jokes, but I didn’t give a fuck about the punch line.“
 
 

 
 

 
 

 
– (She) There’s only one toilet.
– (Me) Ah, mixed zone.
– (She’s washing her hands)
 
– Where do you come from?
– West Germany. And your accent tells me you’re from The East Coast.
– I couldn’t tell the difference hearing me between East and West Coast.
– Brooklyn?
– How do you know?
– By intuition. So you’re a tourist in Paris.
 
– Nope. I’m working here. I’m a lawyer.
– I’m a psychologist.
– So we’re the same.
 
– Kind of. What’s your favourite music?
– Oh, I have to give that a thought. (Silence) Hipster music, I think.
– For example?
– The Churches.
– Don’t know them. You wanna a life-changing experience, musicwise?
– Okay.
– Listen to old records from the Go-Betweens, they were from Australia.
– Will do. And they have done what?
– Anti-hipster-music.
– (The woman laughs)
 
– (Another lady leaving the toilet)
– Nice conversation. See you next lifetime, sister!
– You’re the funny guy, aren’t you?
– Not everybody would say that.
 

2015 5 Nov.

Ins Land der Tupamaros

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Liebe Manafonistas, eine gute Zeit.
 

 

 
 
 

Das Buch von Ryan Gattis wird am 22. Januar bei Rowohlt Polaris erscheinen.

 

2015 4 Nov.

Mette Henriette

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Mette Henriette Martedatter Rølvåg. Der Name ist so schön norwegisch, den muss man wenigstens einmal voll ausschreiben. Ungewöhnlich genug: Ein ECM-Debut mit einer Doppel-CD, noch dazu mit Fotos von Anton Corbijn. Aber diese Künstlerin, behaupte ich mal, ist es wert.

Die CD 1 ist in einer Triobesetzung mit Saxophon, Cello und Klavier eingespielt, kommt sehr leise, sehr schwebend, fast flüsternd daher. Nachtmusik, das Saxophon mit viel Geräuschanteil, der Atem bestimmt die Spannungsbögen der Stücke. Die CD 2, mit einer 13-köpfigen Band aufgenommen, greift dieses Konzept zwar zunächst auf, steigert sich aber zu einer Intensität, die mich zeitweise fast an Carla Bleys legendäres Escalator over the Hill erinnert. Musik für die „Difficult Listening Hour“ und eine gelungene Synthese von Jazz und Kammermusik. Die Aufnahmen stammen aus den Jahren 2013/14.

Mette Henriette hat bereits Ende 2014 mit der Gruppe Torg und unter der Produzentenhand von Bugge Wesseltoft an dem Album kost/elag/gnäll mitgewirkt (erschienen erst im September 2015 auf dem norwegischen Jazzland-Label). Dieses Album klingt offener, entspannter, spielerischer als ihr ECM-Album, streckenweise hat es etwas Vergnügtes an sich, was zum Teil wohl auch daran liegt, dass hier auch Gesang zu hören ist. Man stelle sich vor, Kurt Weill würde versuchen, wie Philip Glass zu komponieren und gäbe der Band dazu noch großen improvisatorischen Freiraum — dann  käme wahrscheinlich so etwas wie diese Platte dabei heraus.

 
 
 


 
 
 

Trotz aller Ähnlichkeit der beiden Albumkonzepte ist der Unterschied zwischen Torg und ECM beachtlich. Das ECM-Album ist konzentrierter und dichter. Dies ist mit Sicherheit dem Produzenten Manfred Eicher zuzuschreiben, der es immer wieder versteht, entsprechende Session-Atmosphären entstehen zu lassen. Wenn das ein Hinweis darauf ist, in welche Richtung es weitergehen könnte, dann bleibe ich neugierig.

2015 3 Nov.

Food for Sound

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This is not a Miracle – ECM, 6. November 2015

Mercurial Balm – ECM, 2012

Quiet Inlet – ECM, 2010

Molecular Gastronomy – Rune Grammofon, 2007

Last Supper – Rune Grammofon, 2004

Veggie – Rune Grammofon 2002

Organic and GM Food – Feral Records, 2001

Food – Feral Records, 1999

 

„Food“ is a rare example of a group or an idea of a group that kept surprising me all over the years and never did a record that was less than very good. (m.e.) 


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