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Archives: ECM Double Take

Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal in der alten Heimat eine Schallplatte gekauft habe. Der letzte Tonträger war vielleicht Du kannst mich an der Ecke rauslassen, eines der schönsten deutschsprachigen Alben, steht aber zwischen den CDs und ist 2008 erschienen. Ich erinnere mich auch daran, das zweite Album von Calexico kurz nach der Veröffentlichung bei Shock Records zu kaufen, oder Original Rockers, die ich aus einem Stapel zog, nachdem ich schon hunderte Alben in einem Second Hand Shop durchgeschaut hatte. Aber das war vor Jahren, Jahrzehnten, … so lange hatte ich in dieser Stadt, in der ich häufig bin, keine LP gekauft bis wir uns zu viert, eine sitzt noch in ihrem Kinderwagen, gestern in den kleinen und schon gut gefüllten Schallplattenladen kurz vor dem Markt drängten. Wir waren an diesem verregneten Samstagmittag alle schon etwas hangry, merkten zum Teil noch den schweren Primitivo vom Vorabend, so dass ich nur schnell durch das ECM/Japo Fach guckte, während der Besitzer des Ladens sich mit einem anderen Kunden über das Rolle mit Hip Hop Album von Afrob unterhielt. Love, Love habe ich noch nie so günstig gesehen, nach einem Blick auf das Vinyl wusste ich warum, bei zwei anderen Alben stimmten jedoch Qualität und Preis: Für €35,- trug ich Gnu High und Nan Madol in ein Café, wo wir unsere Laune besserten, ins Elternhaus, schließlich in einem Auto und zwei Zügen nach Hause. Am Samstagabend reichte die Energie nur noch zum Glotzen (8 Frauen in der ARD Mediathek), dafür hat mich die Musik heute über sonntägliche Landschaften getragen.

Auf der Innenhülle von Nan Madol sind ein Name (vielleicht „Babock“, die Schrift ist nicht ganz deutlich) und ein Datum (22. 12. 78) in verblichener blauer Tinte geschrieben. Ich glaube nicht, dass diese Schallplatte oft lief, dafür ist das Vinyl zu gut erhalten; gleiches gilt zum Glück für Gnu High. Da ich in der letzten Woche mehrmals Travel von The Necks gehört habe, drängen sich mir Vergleiche auf. Musikalische Momentaufnahmen von einer hohen Dichte, kleinteilige rhythmische Partikel, ein klanglicher Wildwuchs, in dem viele Stimmen miteinander plaudern, das Ganze oft mit Brummen und Summen grundiert. Auf dem Album von Edward Vesala finden sich mehr melodische Themen, fast schon folkloristisch-liedhafte Einflüsse, als bei The Necks, die noch tiefer in den reinen Klang einzutauchen scheinen (wobei es ja auf dem neuen Album dieses tolle Stück gibt, wo der Klangstrom fast schon reggaehaft konturiert wird).

Gnu High – die erste ECM LP von Kenny Wheeler, das letzte Album, auf dem Keith Jarrett als Sideman mitwirkte – Kreise, die sich öffnen, Kreise, die sich schließen. Zu den beiden gesellten sich im Juni 1975 noch Dave Holland und Jack DeJohnette vor die Mikrophone des Generation Sound Studio in New York, wo Tony May und Manfred Eicher die Musik (3 Stücke, 40 Minuten) aufnahmen. Pure Champion Sound, massive. Am Ende von Heyoke gibt es eine längere Passage – es ist nur das Schlagzeug zu hören, vor allem zischen die Becken – der unsere Hündin höchst aufmerksam gelauscht hat. An dem Rest der Schallplatte hat Ella dann unverständlicherweise keinerlei Reaktion gezeigt. Sehr bemerkenswert an dieser Arbeit ist, wie genau die Musiker aufeinander hören, wie sie Pausen setzen, sich wechselseitig immer wieder die Bühne überlassen, um wenig später gemeinsam die Sterne vom Himmel zu holen.

Was mich noch ein bisschen umtreibt: nachdem ich einem Freund schrieb, welche Platten ich mir gekauft habe, antwortete er, dass ich „ein sehr vorhersehbarer Plattenkäufer“ sei. Wie gut, dass es bald wieder ein neues Album der Sleaford Mods gibt. Oder ich kaufe mir Hounds Of Love, etwas von PJ Harvey, Common One, oder… mal sehen. 

 


 
 

This was one of my first ECM records, and for many it may seem a curiosity, being the only one in Jarrett‘s long story with the German label, where he is touching electric keyboards. It was recorded at the end of his time with Miles as a „keyboard wizard“, it has the looseness of an „after hours“-session with African moods and a quite exotic flair, a million miles away from American songbooks. Jack De Johnette‘s melodic feel on drums and percussion makes up for a perfect couple of like-minded spirits. For reasons I cannot explain really, I will love this album forever. It is uncomparable with any other album they did together. There are records you have had a story with, you offer them a good place in the back of your mind without ever revisiting them. This is one of those I return to since my teenager days. Though it got a new cover design at some point in time, I was always happy with the surreal naivety of the original cover. Let‘s speak about music sending you places …

 


 
 


Prolog: Innenstadt von St. Paul/Minnesota, 1976

 

Ein 22-jähriger Mann mit einem roten Pferdeschwanz schlurft an einem lausig kalten Dezembernachmittag ziellos einen vereisten Bürgersteig entlang.  Er hat einen Aushilfsjob beim Sender Minnesota Public Radio, und anstatt seine Mittagspause im trostlosen MPR-Speisesaal zu verbringen, beschließt er, die winterlichen Straßen von St. Paul zu durchstreifen. Als er an einem Plattenladen vorbeikommt, fällt ihm etwas im Schaufenster ins Auge. Er zögert, die Hände tief in seine Taschen vergraben, dreht sich um, geht zurück und betritt das Geschäft.

„Wenn die Musik so klingt wie das Cover aussieht …“, sagte ich zögernd, als ich Terje Rypdals „After The Rain“ im Three Acre Woods-Plattenladen in der Innenstadt von St.Paul kaufte. „Das tut sie“, antwortete der mürrische Plattenverkäufer.

 

Und dann: 

 

Er hatte recht. So begann mein Leben als ECM-Fan. Fünf Jahre später fand ich mich in Oslo/Norwegen wieder. In den Pausen zwischen den Aufnahmen für „Northern Songs“ saß ich Manfred Eicher, dem Gründer des Labels, gegenüber und aß ein Ziegenkäse-Sandwich. Ich wollte etwas über die Geschichten hinter dem ECM-Katalog erfahren. Ich überschüttete ihn mit Fragen. Warum gab es zwei verschiedene Backcover zu Bill Connors‚ erstem Album? „Das ist dir  aufgefallen?“, sagte Manfred ungläubig. (Ich hatte bereits ein Exemplar des Albums verschlissen und zwei weitere verschenkt). Ich fragte ihn nach der Talent-Studio-Aufnahme von Egberto Gismontis erstem Album „Dança Das Cabeças“. Manfred sagte: „Kaum dass Naná und Egberto aus dem Flugzeug gestiegen waren, sagten sie:’Hier in Oslo ist es zu kalt, um zu spielen, zu kalt, zu viel Schnee!’ Manfred rieb seine Hände aneinander. „Zu kalt! Aber am nächsten Tag gingen wir ins Studio und begannen mit den Aufnahmen. Wir haben das Album in drei Tagen aufgenommen und gemischt.“

Auf meinen Reisen habe ich überall fanatische Anhänger des Labels getroffen. 1983 wollte ein Manager von Warner unsere Kaffeerechnung begleichen, warf einen Blick auf den Bon und sagte „Red Lanta“. Ich entgegnete: „Wie bitte?“ Er antwortete: „Die Rechnung beträgt 10,38 Dollar. Das ist die Katalognummer von Art Landes ‘Red Lanta’. ECM 1038. Kennst du das Album?“ Fans des Labels haben es sich zur Aufgabe gemacht, andere Fans auf im Katalog versteckte Juwelen aufmerksam zu machen. 1986 gab ich Leo Kottke eine Kopie von Ralph Towners „Solo Concert“. Und 1987 überreichte ich Manfred Eicher eine Kopie von Leo Kottkes Album „Guitar Music“.

Das Label und die Leute, die dort arbeiten, haben meine Ästethik auf vielerlei Weise geformt: hohe Produktionswerte, detailreiche Aufnahmen und ein von Intelligenz und Würde geprägtes Marketing-Bewusstsein. Natürlich kann man nicht über die Ästhetik des Labels reden, ohne über Manfred Eicher zu sprechen. Ich werde mich aber darauf beschränken zu sagen, dass jeder, der in irgendeiner Form mit dem Label gearbeitet hat, diese drei Gedanken nur allzu gut kennt: 1. Manfred wird dieses Ding sehr gut gefallen. 2. Manfred wird dieses Ding nicht gefallen. 3. Warum kümmert es mich, ob dieses Ding Manfred gefällt oder nicht?

So ist mein musikalisches Bewusstsein im Laufe der Jahre langsam von den Künstlern des Labels, seinem Gründer und seinen Mitarbeitern verzerrt worden.

 

 geschrieben von Steve Tibbetts

Ich habe noch mehr Titel für diesen Beitrag in petto. Er könnte auch lauten Aus dem Magischen Jahrzehnt des K.J. Ich verwende ihn nicht, denn die Rechte liegen bei M.E. und bei ihm habe ich nicht angefragt. Auch NDR Jazzworkshop No. 100 wäre ein passender Titel.

Die Rundfunkanstalten der ARD gestalten ein oder zwei Mal im Jahr ein Radiofestival. Es wird mit diesen (und noch mehr) Worten angepriesen:

 

Die Kulturradios der ARD sorgen auch in diesem Jahr wieder für glanzvolle Abende und Festival-Stimmung aus ganz Europa. Acht Wochen lang – vom 20. Juli bis 14. September – können die Hörerinnen und Hörer jeweils von 20 bis 24 Uhr wunderbare Sommerabende genießen. […] Das ARD Radiofestival macht jeden Abend Station bei einem bedeutenden europäischen Festival und sendet Konzert-Highlights von den Salzburger Festspielen, den Bregenzer Festspielen, vom Festival D’Aix-en-Provence, vom Granada Festival, dem Rheingau Musik Festival, der Proms in London, vom Kunstfest Weimar, dem Beethovenfest Bonn, den Schumann Festwochen Leipzig und vielen anderen.

 

Dabei darf der Jazz nicht fehlen. Die Jazzreihe überrascht montags bis freitags ab 23.30 Uhr mit einem facettenreichen Programm. Klingt gut! Aber Vorsicht! Man gönnt diesem bedeutenden Musikgenre nur kümmerliche 30 Minuten Sendezeit. Das ist lächerlich. Trotzdem war ich vorgestern dabei, um endlich in guter Klangqualität einen der fulminantesten Liveauftritte der Jazz History zu genießen. Naja, den kompletten Jazzworkshop No. 100 hat man nicht gesendet. Der dauert 96 Minuten.

Was ich gehört habe, hat mir Gänsehaut beschert. Wie geht es euch dabei?

 
 

 
 

Was ich gehört habe, kenne ich schon seit 1982, als der NDR am 23. Oktober Jarretts Solo Recital aus der Staatsoper Hamburg live sendete. Weil der Beginn des Konzerts sich bis Mitternacht verzögerte, gab es als Lückenfüller Ausschnitte aus eben dem 100. Jazzworkshop, wegen eines Geisterfahrers unterbrochen von einer Verkehrsdurchsage, und ergänzt durch einen Wortbeitrag Michael Nauras, aus dem ich hier vor Kurzem zitiert habe.

Heute (kalendarisch gestern) habe ich ein wenig in den Kalendern geblättert, die Olivier Bruchez auf seiner wunderbaren Webseite und Discogs zur Verfügung stellen. Es kam für mich durchaus Interessantes und Verblüffendes zum Vorschein. Nach der Quellenlage kam es am 18. April 1974 in Hannover zum ersten öffentlichen Auftritt von Jarretts European Quartet (mit Garbarek, Danielsson, Christensen). Da war das erste Album dieser Gruppe BELONGING noch gar nicht auf dem Masterband. ECM 1050 wurde erst am April 24 and 25, 1974 at Arne Bendiksen Studio, Oslo recorded.

Jarretts European Quartet lebte 5 Jahre. Das letzte Album NUDE ANTS dokumentiert den bzw. die Auftritte vom Mai 1979 im Village Vanguard, New York, NY, USA. Am Montag dieser Woche hörte ich im Radio eine unglaublich ekstatische Version von Spiral Dance und das lyrische Blossom. Eine Verkehrsdurchsage kam nicht zur Aufführung – aber der Moderator bequasselte den Übergang zwischen beiden Stücken.

It‘s interesting how memory works when you see the cover of an album you once owned and loved – and lost along the years while  moving places. With the exception of the bass player, all musicians involved are well and alive in my record collection. I loved this album more than the trio album named „Skylight“, with Art Lande, David Samuels and Paul McCandless. Strange you can still remember personal preferences though I haven‘t heard this album for decades.

What does Tyran Grillo write about „Gallery“? Let‘s look at some of his  words: „Its talents are immediately sent skyward in “Soaring,” where the sprightly vibes of Dave Samuels find complement in bassist Ratzo Harris and cellist David Darling, both of whom roll off Michael DiPasqua’s delicate snare and cymbals like words from a poet’s tongue. Darling takes some of the album’s most gorgeous improvisatory turns here. His fluid lines continue in “Prelude,” a duet with Samuels that shares the same breath with “A Lost Game.” The latter is transitory, not unlike the album as a whole, playing out especially in the rhythmic crosspollination between vibes and drums, slung ever so delicately by the bass’s curves. Paul McCandless lays the gold foil of his own beauties with a soprano sax solo that takes this configuration to greater heights, surpassed only by the reflective cello that follows. “Painting” sounds like a Gavin Bryars ensemble piece, unfolding into the remnants of a Morton Feldman dream before awakening in the harmonic contract of a “Pale Sun.” On then does the “Egret” drop us in limpid vibrations, where only a hushed “Night Rain” shows us the final trail“. 

Yeah, the words correspond well well with my sepia-tinted memories. This is not the kind of album where you suddenly remember melodies, but atmospheres. And the sophisticated cover may surely work as a kind of curtain raiser for the music. I think Brian Whistler,  who knows Paul McCandless very well, has this album at home, and probably more vivid things to say. No doubt this is a record you want to return to, and I certainly will.

 

(Michael Engelbrecht)

 
 
 

 
 
 

David Samuels vibraharp, percussion
Michael DiPasqua drums, percussion
Paul McCandless soprano saxophone, oboe, english horn
David Darling cello
Ratzo Harris bass

 

Recorded May 1981 at Sound Ideas Studio, New York
Engineer: David Baker
Produced by Manfred Eicher

 

 

Yes indeed, I have this album. About a year ago an Australian friend sent me what I assume is a needle drop on CD- (but its almost too clean) in fact, coincidentally, i was just listening to this album this morning before I saw this post.

I’ve been a big fan of Dave Samuels since the beginning. In fact, he was a huge influence on my vibes playing (pianist first- i picked up the vibes back in 1987.) it was Dave’s marvelous instructional books that set me on the right path, along with Gary Burton’s wonderful teaching materials.

Most people think of Dave as the guy who was in Spirogyra. I was going to write a piece about the other side of his career (maybe I still will.) , his wonderful collaboration Double Image with fellow mallet master Dave Friedman. While they have a nice album out prior to ECM, their ECM album Dawn remains a favorite. Then there was also the Caribbean Jazz Project and his duo albums with Andy Laverne- Dave was a busy guy.

 
 

 
 

David Samuels vibraharp, marimba
David Friedman vibraharp, marimba
Harvie Swartz bass
Michael DiPasqua drums, percussion
 
Recorded October 1978 at Talent Studio, Oslo
Engineer: Jan Erik Kongshaug
Produced by Manfred Eicher

 
 

Dave made every project tastier- his lines are always so fresh and optimistic. There is a natural flow and a sense of new discovery in every solo. I consider Gallery one of The best chamber jazz albums ever recorded, the other being Skylight (Paul once told me Skylight was his favorite chamber jazz recording.) .

Interestingly enough, McCandless is on both of these recordings. This association goes back to the wonderful (mostly) trio album Paul did for Vanguard, All the Mornings Bring, which was thankfully released on CD only a few years back. Art Lande was the 3rd player on that album as well as in the same lineup on Skylight.

Gallery also has the David Darling factor, another great team player who doesn’t grandstand- just plays what matters. All of these great players humbly contribute their considerable talents to Gallery. I honestly don’t know why with each reissue of past masters, this one (along with Dawn) always seems to be missed. Both albums are atmospheric masterpieces, and because of their ephemeral nature, can be played multiple times and still ,new discoveries are made. I hope ECM will release them on disc someday. Meanwhile you can listen to a master quality audio version of Dawn on TIDAL.

This is the territory in which Paul McCandless shines. He was still playing a lot of double reeds in those days and never sounding more authoritative on those instruments than during this productive period of his career.

I’m still not over Dave’s untimely death earlier this year. And we lost Michael DiPasqua not all that long before.

 

(Brian Whistler)

 


 
  

STEVE TIBBETTS TALKING
 
 

 
 

Hi, Steve,

 

this may seem a bit nostalgia-driven, but though he he still made awesome albums later on, too, my Terje Rypdal „life changers“ all come from the 70‘s, being WHAT COMES AFTER, WHENEVER I SEEM TO BE FAR AWAY, AFTER THE RAIN, and ODYSSEY.

My first summer in Würzburg studying psychology was a hard one. I lived in an international student‘s home, and the city was situated on the bottom of a basin, a valley basin, surrounded by flora and fauna.

Over some weeks, at highest pollution rates, which always happened in the middle of the night, I sometimes woke up with nasty allergic asthma. I had to take a pill called ASTHMOKRANIT, a hell of a drug. At first it contained aminophenazone, and years later they took the product from the market, cause it could cause cancer, so they said. Then it contained ephedrine which lead to a very special high when the spasms lost their grip.

Thing is, before the drug-induced high, i did some music therapy, kind of, and chose between two albums and these albums only –  one was John Coltrane’s LIVE IN JAPAN, the wild free jazz quintet that can rip off walls and move mountains, including a 30 minute version of LEO. The other one, during my  Asthma nights, was WHENEVER I SEEM TO BE FAR AWAY, from Terje Rypdal, full of yearning string passages, and guitar lines like making the darkest horizon glow – immediately, though still short on breath, I felt a psychic release, sometimes quiet tears were running down my cheeks, and, strange enough, I felt brimming with life.

And, believe me, though these two albums were on two very different poles of the musical universe (the Coltrane one even was in mono, and I cranked up the volume, no one was knocking at my door), Rypdal‘s and Coltrane‘s music had the deepest emotional impact in those summer nights – they really sent me places, and turned a miserable moment into knocking on heaven‘s door, in a great, life-affirming way.

 

Looking forward  meeting you at Punkt,

best, Michael

 

 

 

1

Um es kurz zu machen mit der Ewigkeit: Ja, für mich hatte das Stück so etwas.

 

2

Eines der wunderbarsten Piano-Bass-Schlagzeug-Werke der ECM—Historie ist nun zwanzig Jahre alt. Es entstand in einem grossen Haus in einem schwedischen Wald, SERENITY. Kein Wunder, dass Manfred Eicher die Gunst der Stunden nutzte und gleich ein Doppelalbum daraus formte.

 

3

Aber warum hatte das Stück für die Ewigkeit dort keinen Platz gefunden?

 

4

Ich erinnere mich, wie ich mit Konrad Heidkamp am Telefon über SERENITY sprach, und wie wir selbst erstaunt waren, was da, verdammt noch mal, immer noch ging, immer wieder, in diesem betagten Format. Konrad schrieb eine Rezension für „Die Zeit“ (in seiner kleinen, an Büchern und Musik überquellenden Redaktionsstube), und ich interviewte den Bassisten Ander Jormin, zu seiner Zeit mit Charles Lloyd, diversen Trioaktiviäten, ersten Soloalben etc. Natürlich sprachen wir auch über SERENITY. Ich hatte ihm meine Fragen gemailt, und er schickte mir eine DAT-Kassette mit seinen Antworten. Daraus wurde ein 45-minütiges Porträt im Deutschlandfunk, dessen Skript leider verloren ging.

Während ich seine Antworten bearbeitete, entdeckte ich, dass da noch etwas war auf der Kassette, nämlich eine kleine Pause, gefolgt von einem kurzen skandinavischen Dialog, und einem mich vom ersten Ton an faszinierenden Stück, aus der Session im schwedischen Wald. Ich liebte es, und plante, es in meiner Nachtsendung zu spielen, es war federleicht wie ein Kinderlied, ein Traum.

Dann unterlief mir ein technischer Fehler, ein fahrlässiger Knopfdruck, ein kleiner Blackout – und das Stück war Geschichte. Gelöscht. Over and out. Die Komposition oder Improvisation lebte von steten Wiederholungen, umkreiste ein einfaches Motiv, schlicht und ergreifend. Als hätten The Necks an einem Balladenalbum für ECM gearbeitet. Vielleicht fiel es etwas aus dem Rahmen, und fand darum nicht seinen Weg ins Werk. Ich erzählte Anders am Telefon die traurige Angelegenheit, und er musste auch einmal tief durchatmen.

 

5

Viele Jahre später erschien AD LUCEM –  hier mein Gespräch mit Anders Jormin, aus dem Jahre 2012, über eine besondere Lateinstunde. 

 

6

Michael: I read you have written most of the lyrics in Latin! Though the pieces have titles that refer somehow to sacral traditions, the music seems to be free of a very strong bond with liturgies and catholic ceremonies. Did you want to liberate the music a bit from typical „latin associations“? Making more use of the „aura of that language“?

 

Anders: The lyrics, short poems or haiku-like reflections, I wrote directly in latin. Remembering old studies, using a classical latin dictionary , using time and a true personal fascination. As you point out yourself, I really do look upon the music as being free of liturgies and catholic ceremonies, it is contemporary music -even though gregorian chant and the sacred atmosphere we can find in a quiet church full of lit candles has been present in my mind while composing. When composing, I always listen inside of myself to find a sound relevant for my hart and emotional aspiration. I also very often compose specially and directly for the carefully choosen artists being part of the music- so whatever comes out is a result of my hopes and thoughts concerning the ensemble chemistry- as well as of my inner voice. The choice of latin was the choice of an eternally international language, understood -and yet not understood- by so many. A language we intuitively associate with afterthought and reflection as well as a carrier of light and of something essential to convey.(I can add that ECM at an early stage suggested me to have the lyrics written in the inner sleeve. My reaction was not to reveal all depths and layers at once… Having already had so many questions about the words, I realise I maybe should have thought that over again…)

 

The music seems totally organic which surprises concerning the fact that one song is sung in English, one in Danish, and two in worldless „language“… in fact the latin language appears like a living thing. Was it a basic idea to make this old language sounding so natural? By the way, listening to the music (and I had my latin hours at school) makes you more listen to the sound than to the words …

 

It is always my absolute aim to find an organic structure and development in my music. Thank you! Even though also english and danish/swedish is used besides the latin, the meaning of and the reflections in the poems sung, organically approach the same territories of life, death and love. Of light and darkness. Latin IS a very musical language, I agree. Not, maybe as intimate as portugese (which most vocalists love), but with an extremely dignified aura and humanistic character. As a composer, I will never know if the listener hears and experiences only the sound of syllables and lets her own hart interpret the music- or if he/she directly understands every single word. There is so many ways of listening…

 

Was it new territory for the two singers, too. I have no idea where their stylistic roots are. Was this moving between stilistic boundaries another idea during the writing of these pieces?

 

Composing for a certain ensemble for me means both imagining what each artists contributions could be- and how I as a composerat the same time can challenge them. Erika and Mariam are both ”originally” working with electronics and with a multi-instrumental approach, with free improvisation pointing towards contemporary creative pop- and they both lead groups and compose with strong integrity. It was for them totally new territory, yes. They have worked hard, I know, to find a way of singing together. Finding a mutual character they found relevant for the material and, at the same time, still being able to stay personal and intuitive. This, they have very much achieved working together only the two of them- once I had choosen and asked them, my trust was complete. The same goes for Jon and Fredrik.

 

The piece ”Clamor”, is it totally ”wordless”? Fredrik´s playing works fine in this old, contemporary music. He seems somehow to move, not through centuries, but through different eras of jazz, from a touch of Sidney Bechet to free playing?

 

Clamor (Call/Scream) starts without words, but when bass enters (and during sax solo) the vocalists sing, like an invocation: ”Mare vastum, scopulosum. Mare caeruleum. Mare infimum”. (Infinite sea. Frightening sea. Ocean of blue. Waters of eternity) And, well, Fredrik is a true improviser with an ear, instrumental knowledge and a sensitive focus of exceptional level. For me he is unique, totally Fredrik – but I understand your thought: from Bechet to contemporary music. Tradition, love, respect – and true revolutionary personality in one.I really want to point out that this my deep admiration and gratitude goes to all my four artistic contributors on Ad Lucem!

 

An edition of „Milestones“, to be broadcasted at the Deutschlandfunk on June, 21.  This hour of great music, with some background analysis and stories, would not come true without the creative input of Manfred Eicher (I remember conversations, carried by enthusiasm, over the past decades (and some slightly controversial telephone talks that have been, in retrospect, fun, too), without the pianistic knowledge of HD Klinger who will add some fine „recherche en detail“ in regards to the pianist‘s art of playing (he doesn’t know yet, but our favourite music teacher from Kronach is my perfect „man in the background“), without the immediate support for this „double take“ from Harald Rehmann, my „CEO Jazz“, without Ingo J Biermann‘s excellent and ego-less „interview“ with Richie (that started the ball rolling), and of course, the heartfelt support of Mr. Beirach who, to my surprise, is living not so far away from my town. To make a long story short: some circles will be closing, for all the good reasons).

 

 


 
 

 

Es war einmal, in den Siebzigern, da trat Gary Burton mit seiner damaligen Band im Sauerland auf, in der Balver Höhle, im Rahmen des dortigen Jazzfestivals. Für ihn muss es ein sehr ungewöhnliches Erlebnis gewesen sein, denn er wusste erstmal nicht, dass dieses Event in einer Höhle stattfand. Das ist ja irgendwie etwas Seltsames, Spezielles. Man denkt an Höhlenmalerei, an Steinzeitmenschen und Affen. Da landete also der filigrane Vibraphonist (der meiner Meinung nach einige der besten Alben seiner Karriere bei ECM veröffentlichte, die meisten in den frühen Jahren, und das ist auch eine Story, die in jenem alten Jahrzehnt begann) an einem solchen Kristallisationspunkt der Menschheitsgeschichte. Gary Burton spielte am Ende des Tages, das Publikum war enthusiastisch, teilweise betrunken, teilweise bekifft, und teilweise bei klarem Verstand. Die Band gab mehrere Zugaben. Nach der ungefähr fünften Zugabe war man der Meinung, das sei nun genug und zog sich zurück, obwohl das Publikum mittlerweile in ein rhythmisches Klatschen verfallen war. Man ging auf die Bühne, packte die Instrumente zusammen, doch das Publikum hörte nicht mehr auf mit dem Klatschen, schien sich selbst in eine Klatschtrance versetzt zu haben – das Echo des Klatschens wurde durch die Höhle getragen, sprang von den Wänden zurück. Der Höhlenraum war sehr eng, und so musste die Band etliche Male von der Bühne, an den Klatschenden vorbei, zum Bühneneingang, zum Tourwagen, und zurück. Nachdem alles verstaut war, setzte sich Gary Burton noch mit dem Veranstalter zusammen, regelte den Papierverkehr und nahm das Honorar entegegen. Und selbst dann noch, als man sich anschickte loszufahren, war das kollektive Klatschen aus der Höhle zu vernehmen.

Jetzt, kurz vor dem 4. Advent, erinnere ich mich an den Wunsch von Anonymous – wer immer das sein mag.

 
Keith in Kronach, die ganze Geschichte, please …
Vor Weihnachten
 

Den Wunsch möchte ich jetzt erfüllen, zumal Micha nichts dagegen hat, eine spannende Ausgabe über Keith Jarretts KÖLN CONCERT zu lesen, besonders wenn Manfred Eicher und Keith Jarrett Erinnerungsarbeit leisten. Meine Erinnerungen sind natürlich provinziell, gemessen an den Erzählungen weltberühmter Personen. In typischen Urlaubsgesprächen werde ich gelegentlich gefragt, „where do you come from?“. Ich antworte dann kaltschnäuzig „I come from Kronach“. Meistens geht es dann so weiter: „Krounäck? Never heard.“ Dann ziehe ich eine Trumpfkarte. „Kronach is the native town of Lucas Cranach the Elder“. Mehr als 90% antworten dann „Never heard“. Werfen wir einen Blick auf älteres Kronacher Gemäuer.

 
 
 

 
 
 

Auf der Suche nach Bildern des Hotel Sonne – letztlich habe ich selbst eines geknipst – habe ich im Internet eine treffliche Kundenbesprechung entdeckt.

 

Das Hotel Sonne ist zentral gelegen, unweit des Bahnhofs in Mitten der Fußgängerzone. Schon beim Betreten spürt man den verblassenden Charme des ehemals ersten Hauses am Platz. Die alten Porträts vieler kleiner und großer Stars zeugen von einer großen Geschichte. Doch das Haus ist mit seinen Besitzern gealtert und bedarf nun dringend der Renovierung. Sein angestaubter Charme ist, dass es „wie aus der Zeit gefallen“ wirkt, die Gefahr ist, dass es bald selbst „aus der Zeit fällt“. Wer das Morbide liebt, der wird sich hier wohl fühlen, alle anderen sollten lieber auf die Renovierung warten …

 

Dieses Jahr wurde das Hotel geschlossen. Die Besitzer haben aus Altersgründen aufgegeben. Das Hotel wird nie mehr eröffnet werden, es ist Geschichte, es gehört zu meiner Weihnachtsgeschichte. Kurz nach Weihnachten, vom 17. auf den 18. Januar 1975 haben Keith Jarrett und Manfred Eicher im Hotel Sonne übernachtet.

 
 
 

 
 
 

Der 17. Januar 1975 war ein ziemlich aufregender Tag für mich. Ich musste mich ab 13 Uhr im Hotel bereit halten, so war es im Vertrag vereinbart. Erst gegen 17 Uhr trafen Jarrett und Eicher ein. Ich war nervös aufgrund des langen Wartens und unsicher wegen des Flügels. Im Kreiskulturraum stand ein betagter Bechstein. Meine ersten Worte an Keith: „I hope you’ll enjoy the piano“. Nach einer Stunde – einloggen in die Zimmer, erfrischen und nach einer leichten Mahlzeit – fuhren wir zum Konzertsaal. Der Hausmeister führte uns durch das Foyer zu einem seitlichen Treppenaufgang. Er öffnet die Tür, man blickt in ein schwarzes Loch. Wir mögen warten bis das Licht angemacht ist, es bestehe Stolpergefahr. Es dauert ein wenig, bis der Warden durch den Saal in den Bühnenbereich zur Beleuchtungstechnik gelangt. Es wird hell und man blickt über die Stuhlreihen hinunter auf die Bühne. Keith Jarrett steht sekundenlang, lässt den Blick schweifen, sieht die Reihen ansteigender Sitze, die dunkle edle Holzverkleidung der Wände – und sagt „Oh!“. In diesem Moment hatte ich des Klaviers wegen keine Bekümmernis mehr. Alte Bilder des Saales habe ich nicht. Er ist renoviert, sieht jetzt so aus.

Jarrett fand das Piano ganz ok, die Mechanik angenehm leichtgängig. Ganz besonders gefiel ihm, dass der Klang seines Spiels aus dem Saal zurück kommt auf die Bühne. Man liest ja oft, dass für Jarrett neben dem Instrument der Raum und das Publikum entscheidende Faktoren für das Gelingen seiner Solo-Recitals seien. Überliefert sind auch diese Sätze: Das Wichtigste bei einem Solokonzert ist die erste Note, die ich spiele, oder die ersten vier Noten. Wenn sie genug Spannung haben, folgt der Rest des Konzerts daraus fast selbstverständlich. Es fällt mir nicht schwer, all das für den 17. Januar 1975 zu bestätigen. Schon die ersten Töne waren so verführerisch! Im Publikum, dem Jarretts körperliches Spiel wohl befremdlich erschien, hörte man anfangs von hier – oder war es von dort? – leises Kichern. Es verstummte bald. Etwa zwei Drittel der Zuhörer waren Schüler des Gymnasiums. Möglicherweise war es im Altersdurchschnitt das jüngste Auditorium, vor dem Jarrett je gespielt hat.

 
 
 

 
 
 

Der Saal war ausverkauft, und vor den Türen standen noch viele Leute ohne Ticket. Ich hatte mächtig Werbung gemacht, weil ich nicht einschätzen konnte, wie die Nachfrage in Kronach ausfallen würde. Im Gymnasium hatte ich versucht, für Kaufdruck zu sorgen, indem ich über die Klassensprecher Subskriptionslisten in Auftrag gab, mit dem bedrohlichen Hinweis, das Konzert könne ausverkauft sein. Nur wer sich in eine Liste eingetragen habe, bekäme Eintrittskarten. Die bestellten Karten holte ich beim Kreisjugendring ab und verteilte sie. Zwei Tage nach Eröffnung des Vorverkaufs kamen zwei Klassensprecher in den Musiksaal. Sie bräuchten noch ca. 30 Stück, leider hätten sie keine Liste in ihren Klassen angefertigt. Beim Kreisjugendring anrufend erfuhr ich, dass nichts mehr zu bekommen sei.

Man sieht auf dem vorigen Bild ein Mikrophon. Es gehört nicht Martin Wieland. Es ist eines meiner beiden einfachen Sennheiser Kondensatormikrophone, die ich mit meiner Revox A77 in den Kreiskulturraum mitgebracht hatte. Wer nicht fragt, bekommt keine Antworten.

 
„Mr. Jarrett, would you please allow a recording of your concert?“

„No“

„You see, an important reason for organizing your performance was, to give my pupils the opportunity to experience your music live. Many of them didn’t get a ticket after the concert is sold out. I’d like to present them a recording in my music lessons“

„Ok, but just mono.“
 
Ich baute auf, glücklich. Da mischte sich Manfred Eicher ein.
 
„Hast du nur 1 Mike dabei?“

„Nein, ich habe 2, darf aber nur Mono aufnehmen“

„Pack das zweite aus, ich klär das mit Keith.“
 

Das Konzert erklang also auch im Musiksaal des Kronacher Gymnasiums und noch viel häufiger in meiner Wohnung, damals im Schloss Haig. Eine Zeit lang war am Freitag Abend bei mir die Bude voll mit jarrettsüchtigen Gymnasiasten, die mir den Kühlschrank leer aßen und das KRONACH CONCERT reinzogen. Irgendwann ruhte die Tonbandspule in meinem Archiv. Vor etwa 10 Jahren wollte ich eine digitale Kopie anfertigen. Da musste ich feststellen, dass die Beschichtung des Bandes sich völlig auflöste, wie Kleber an den Tonköpfen haften blieb – letalis …

Nach dem Konzert saßen wir zusammen im Hotel Sonne. Ich war viel zu befangen, um mit Keith Jarrett ausführlicher zu plaudern, außerdem vertraute ich meinem Schulenglisch nicht besonders, andere ihrem schon. Am nächsten Morgen ging ich mit meiner Freundin zum Frühstück ins Hotel. Ich wollte Manfred Eicher und Keith Jarrett voraus fahrend aus der Stadt lotsen. Bei einer Tasse Tee erzählte Mr. Jarrett von den enorm hohen Treppenstufen, die er als Dreijähriger zu erklimmen hatte, wenn er to his piano teacher gegangen ist. Er zeigte uns einen simplen Münzen-Trick, den his piano teacher zu seiner Verblüffung vorführte. Seitdem habe ich nicht mehr mit Mr. Jarrett sprechen können. Die Kritik in der Neuen Presse Coburg – man kann sie hier nachlesen – schrieb Reiner Nitschke, damals Volontär bei jener Zeitung. Er ist heute Verleger, u.a. FONO FORUM. Wenn ich die Artikelseite vom 20. Januar 1975 betrachte, muss ich immer an “A Day In The Life“ denken.


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