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Archives: Buchtipps

 

 
 
 
Wir müssen ja Karl Marx nicht wörtlich folgen und den Fisch selber fangen. Aber ihn dann zu Mittag selbst zuzubereiten, liegt sicher in der gemeinten  Denkrichtung.
 
 
SEELACHS IM SENFMANTEL
 
4 Seelachsfilets

8 Eier

8 EL Senf (ich nehme den von Uwe mitgebrachten aus Schwerte)

1 Teelöffel Honig

1 Prise Salz und Pfeffer

Etwas Mehl und Öl zum Braten
 
(FÜR 4 PERSONEN)
 
 
Und dann empfiehlt Herr Marx, nach dem Essen zu kritisieren.
 
Ich habe für Euch gelesen:
 
Jaron Lanier: Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst
 
Ich habe die Bücher von Lanier gerne gelesen. Er war von Anfang an dabei, war Gründer und Insider im Silicon Valley. Er ist  Computerwissenschaftler und – bitte kritisch beachten – arbeitet für Microsoft. In seinem neuen Buch geht es um Datenmissbrauch und wie wir mit Social Media unser Verhalten modifizieren.
 
Ich zitiere:

In sozialen Medien ist die Manipulation sozialer Gefühle die einfachste Methode, um Bestrafung und Belohnung herbeizuführen (S.27…)

BUMMER (= Behaviors of Users Modified, and Made into an Empire for Rent) in etwa: Verhaltensweisen von Nutzern, die verändert und zu einem neuen Imperium gemacht wurden, das jedermann mieten kann. (S.43 …) Lanier unterteilt in 6 Komponenten:
 

Die Arschloch Herrschaft
 
– Totale Úberwachung

– Aufgezwungene Inhalte

– Verhaltensmodifikation

– Ein perverses Geschäftsmodell

– Fake People
 
 
Dazu ein Beispiel von Lanier selbst auf S.64:
 
Für eine Weile war ich Top Blogger der ‚Huffington Post‘, immer auf der Startseite. Aber dann stellte ich fest, dass ich wieder in die altbekannten Muster verfiel, wann immer ich die Kommentare las. Ich schaffte es nicht, sie einfach zu ignorieren. Bei solchen Gelegenheiten fühlte ich eine merkwürdige, verhaltene Wut in mir aufsteigen, manchmal auch einen absurden, glūhenden Stolz, wenn es den Leuten gefiel, was ich geschrieben hatte -selbst wenn das, was sie schrieben, eher verdeutlichte, dass sie sich nicht ernsthaft mit meinem Text beschäftigt hatten. Die Autoren solcher Kommentare suchten hauptsächlich Aufmerksamkeit für sich selbst …

S.77 Was wir brauchen, ist irgendetwas, das jenseits der sozialen Angeberei real ist. … Falls du auf Online-Plattformen aktiv bist und dabei etwas Unerfreuliches in dir selbst bemerkst – eine Unsicherheit, ein geringes Selbstwertgefühl, den Drang, jemanden zu attackieren: dann verschwinde von dieser Plattform.

S.94 Postings von Frauen werden häufig auf groteske Weise aus dem Zusammenhang gerissen, um sie zu demütigen, bloß zu stellen oder zu belästigen.

„Social Media tötet dein Mitgefühl “ S.107 …) Du kannst jdn. nicht verstehen, wenn du nicht zumindest ein bisschen was darüber weisst, was er erlebt hat.

S.124 BUMMER drängt mich in die Position eines Untergebenen. Schon seine Struktur ist eine Demütigung …

S.152 Ich werde also erst dann ein Nutzerkonto bei Facebook, Google oder Twitter anlegen, wenn ich dafür bezahlen darf -und wenn ich das eindeutige Recht an meinen eigenen Daten habe und den Preis für Sie SELBST FESTSETZEN kann …
 
Und zum Schluss die Frage an Karl Marx: Wann sollen wir Musik hören?

Ich höre seit zwei Tagen immer Ray Davies: Our Country, besonders The Getaway.

 

  1. Keigo Higashino: Unter der Mitternachtssonne
  2. Ray Celestin: Höllenjazz in New Orleans
  3. Laura Lippman: Sunburn
  4. Jordan Harper: Die Rache der Polly McClusky
  5. Hannah Tinti: Die zwölf Leben des Samuel Hawley
  6. Iori Fujiwara: Der Sonnenschirm des Terroristen 
  7. Hideo Yokoyama: 64
  8. Lisa Sandlin: Ein Job für Delpha
  9. Harlan Coben: In deinem Namen 
  10. Kathleen Kent: The Dime 
  11. Jean  Echenoz: Unsere Frau in Pjöngjang
  12. Pauline Rhinehart: The Jukebox of St. Augustin 

 
 
 

 
 

„Keigo Higashino’s Journey Under the Midnight Sun is a subversive treasure. One reviewer dubbed him the Japanese Stieg Larsson, and he definitely deserves to be ranked with the titans of the crime genre. And even more so: if David Foster Wallace had written a thriller, it would probably read something like a novel by Keigo Higashino. Compulsion, games, systems within systems, cultural bewitchment, politics: these two writers would have had a lot to discuss.“

(MTFP HQ)

2017 29 Dez

My Favourite Three Music Books of 2017

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1) Robert Forster: Grant & I (Grant und ich – Die Geschichte einer aussergewöhnlichen Freundschaft) 

2) Rob Sheffield: Dreaming The Beatles (The Love Story Of One Band And The Whole World)

3) Colossal Youth, by Michael Blair & Joe Bucciero
 
 
 


 
 

„I was so pleased to see this album had been tackled in the 33 1/3 series, and even more so when I read the book which is a cover-to-cover delight. I find the 33 1/3 series a bit hit and miss, but this is one of the best I have read. More than just a historical retelling (although that is also done very well) the author includes connections to the wider musical and literary world which is fascinating to read.“

(Wayne Davidson)

 

 
 

Düsseldorf is the sound of quiet confidence.

The sound of Glasgow is the echo of Ireland colliding with Scotland.

(Ian)

 

Gestern Abend haben zwei Journalisten in der hiesigen Solobar ihr Buch SOUND OF THE CITIES vorgestellt. Ein Überraschungsgast aus der Düsseldorfer Musikszene sollte nach der Pause dazukommen.

Die Autoren begannen ihre Lesung über ihre zweijährigen Erkundungen durch die musikalischen Metropolen der Welt mit einem Gedanken von Bruce Springsteen. Er dachte bei der Anreise auf London 1975, dass er nun seinen absoluten Heroes der ersten Musikgeneration folgen würde. The Kinks, die Beatles, die Rolling Stones, The Who … bescherten ihm ein zweites Erwachen. Er würde nun Vertreter der zweiten Generation sein.

Die beiden Herausgeber hatten sich im Vorfeld folgende Fragen gestellt: Was passierte damals in Städten wie Düsseldorf, Glasgow, Seattle, New York …? Was waren die urbanen subkulturellen Gründe, dass sich gerade dort Musikszenen gebildet haben? Gestern Abend haben sie zu meiner Freude und meinem Bedauern, dass Michael und Ian nicht dabei waren, aus den 24 aufgesuchten Städten Düsseldorf, Glasgow, Wien und Austin ausgewählt.

Zu der Düsseldorfer Szene gehörten Dieter Süverkrüp, Die Krupps, DAF, Kraftwerk, Neu, Fehlfarben, Marius Müller Westerhagen … und natürlich der Ratinger Hof mit den Künstlergästen aus der nahegelegenen Kunstakademie. Die Maler Brüder Albert und Markus Oehlen gingen ein und aus, Beuys, Immendorff …

Diese Wechselwirkung hat die Musikszene ähnlich stark beeinflusst und geprägt wie die von Glasgow. Auch dort gibt es die beiden Seiten, Kunstakademie hier und grosses Musikerpotential dort. In Glasgow sind die Pioniere, die die Musik in die Hand nehmen, besonders zahlreich.

 
 

Orange Juice
Primal scream
The Blue Nile
Gun
Middle of the Road
Dire Straits
The Commotion
Travis
Belle and Sebastian
Niko s Bar war und ist noch immer angesagt.

 
 

Auch für Wien und Austin gilt, dass die vorhandene Kunstszene ausschlaggebend für die Musikentwicklung war. In Wien waren es die Wiener Aktionisten und die Jazzszene, die den Punk (Chuzpe 1977) hervorbrachten. In Austin begann sich der Country und Blues mit der Befreiung der Künstler zum psychodelischen Rock weiterzuentwickeln.

Der Überraschungsgast war Ralf Dörper von den Krupps. Er erzählte, dass man früher in Düsseldorf viel Radio gehört hätte, besonders englische Sender, das hatte wiederum einen Zusammenhang mit der damaligen britischen Besatzungsmacht gehabt. Man kannte sich also in der britischen Musikszene bestens aus und fuhr auch schon mal nach London. Sie seien ja mit ihrer MaschinenMusik (Wahre Arbeit, wahrer Lohn) bekannt gewesen.

Kraftwerk hätte man weniger im Ratinger Hof angetroffen, aber umso mehr bei Fahrrad Müller. Da lachte er laut, die hätten ja einiges von ihnen übernommen und ausser über ihren Auftritt im Moma hätte man ja nicht viel von ihnen gesehen und gehört in den letzten Jahren. (In Düsseldorf gehen die Meinungen über Kraftwerk extrem auseinander, man mag sie oder eben nicht). Diese popmusikalische Entdeckungsreise ist bestimmt spannend zu lesen. Mich hätten noch besonders Brüssel, Antwerpen und Seattle interessiert. Aber auch Berlin, ob da das Berghain etwas losmachen kann?

 

Philipp Krohn und Ole Löding: Sound of the Cities. 22.95 EUR

Jobst war in die Jahre gekommen. Wie er jetzt nassgeschwitzt und mit lädierten Knien unter dem Waschbecken im Badezimmer die defekte Sanitärinstallation zu reparieren versuchte, das erinnerte ihn an seinen Lieblingshelden, den Chemielehrer und späteren Drogenproduzenten Walther White aus der Fernsehserie Breaking Bad: mit allerletzter Kraft sich aufstemmen gegen Verhältnisse, die immer heikler wurden. Das Leben als ein Floß auf einem langen, ruhigen Fluss, aber mit zunehmend unruhiger Strömung, während sich die Floßstämme Stück für Stück verabschiedeten und am Ende nicht Nicaragua sondern Niagara wartete. Doch so solle Jobst das nicht sehen, denn derartige Vorstellungen seien self fullfilling prophecy, sagte ihm jüngst ein Freund, der Psychologe war. Einen spielerisch heiteren Umgang mit der Entropie, zudem Übungen in Gelassenheit, solcherlei Strategien hatte er ja seit Längerem ins Auge gefasst, auch kürzlich auf den schwesterlichen Rat gehört: würdevoll älter werden sei zukünftig das Gebot der Stunde. Hierzu passte nun genau das Buch, das neben seinem Bett auf der Kommode lag, der Titel: Eine Art zu leben. Er pickte sich dort gerne markante Stellen heraus und strich Bemerkenswertes mit Bleistift an, reflektierte dann ausgiebig über einzelne Gedanken. So lebte er mit Büchern, die ihn dann lange Zeit begleiteten und die er immer wieder zur Hand nahm (gut, dass er hier das Taschenbuch wiedermal dem e-book vorgezogen hatte). Der Autor dieser aktuellen Lektüre war Jobst bekannt, er hatte dessen Werk Das Handwerk der Freiheit schon gelesen und wusste auch, dass sich hinter dem Pseudonym Pascal Mercier und dessen (sogar verfilmten) Bestseller Nachtzug nach Lissabon der Philosoph Peter Bieri verbarg. In einfachen und erzählerischen Worten gelingt es dem Schriftsteller nun, Wesentliches zum Thema Würde minuziös zu schildern. Aber jetzt erst einmal sich frischmachen, aufs Fahrrad schwingen und zum Baumarkt radeln, um fehlende Dichtungsringe zu besorgen, denn es half ja nichts: liess man Dinge erstmal schleifen und reagierte nicht sofort, dann wurde es erst recht prekär, das wusste Jobst. Wie Walter White, so wollte er nicht enden.

 

 
 
 

„Die 60er, das ist eine Geschichte mit einem Anfang, einem Mittelteil und einem Ende. Mein Leben hat keinen Anfang, keinen Mittelteil und kein Ende, es streift umher, es hat keine dramatische Struktur.“

 

„Die 60er begannen 1956 und endeten 1973. Der Grund, warum sie 1973 endeten war der, dass der Ölpreis stieg. Dieser Umstand veränderte die Leichtigkeit des Lebens. Bis dahin konnten die Leute einfach ein bisschen arbeiten – und leben. Sie hatten Zeit, Songs zu schreiben und Drogen zu nehmen und umher zu reisen und an etwas glauben und auf ihren Instrumenten üben. Niemand glaubte an Karriere, an Hypotheken, an Krankenversicherungen, … an so was dachte niemand.“

Ich sende meine Sonde in den Orbit von Horst Janssen. Ich versuche herauszufinden, was sich unter der Gewaltdecke von diesem genialen Zeichner verbarg. Er hat seine Partnerinnen verprügelt, doch keine hat Vergeltung geuebt. Die Philosophin Svenja Flasspoehler sagt: „Verzeihen heißt Verzicht auf Vergeltung.“ Nicht nur seine beiden Hauptfrauen bleiben ein Leben lang seine Freundinnen.

Warum halten sie ihn aus und zu ihm? Ist es die Kunst des Gebens? Ist es der Stolz, dabei sein zu können, wenn seine Eingebungen in Kunst umgesetzt werden? Ihr mütterliches Verständnis fuer ein ungeliebtes Kind? Horst Jannsen weiß um seine Dämonen. Wenn die zerstörerischen Tiefflieger vorübergeflogen sind, wirbt er um die Geflohenen, die Malträtierten mit allem, was er kann: mit zeichnen.

Er gewinnt sie mit liebenswerten Worten, Kunstwerkchen und Spielereien zurück. Die klugen Zurückeroberten strecken ihre Fühler aus, um rechtzeitig vor seinen Attacken fliehen zu können. Der Künstler und Alkoholiker ist einerseits ein r/echter Kotzbrocken und andrerseits ein Faszinosum der Kunst.

In den 70er Jahren hingen in den WGs Poster von Frank Zappa im Badezimmer und Kalender von Horst Janssen überm Studischreibtisch. Der Tausendstrichzeichner wurde bewundert, obwohl er keine riesigen Ölgemälde schuf. Man musste schon genau auf die Linie achten, die er talentiert wie kaum ein anderer in dieser Zeit auf’s Büttpapier brachte. Horst Janssen arbeitete immer. Aus Geld machte er sich wenig.

Einmal zerriss er vor den Augen einer Käuferin einen Druck im Wert von 100 000 DM. Der Dame war der finanzielle Wert höher als der künstlerische. Mich begeisterte er schon früh. Mir gefiel sein gesunder, mutiger Menschen- und Kunstverstand neben seinen hervorragenden Drucken natuerlich. Er erkannte und prangerte an, dass der Kunstmarkt zum Kapitalmarkt mutierte. In honorigen Gesellschaften trank er sehr viel, um deren Heucheleien aushalten zu können. Oft zerschlug er deren Mobiliar und beschimpfte sie auf Erniedrigendste.

Als ich mir vor ein paar Jahren in Oldenburg (daher kam H.J.) im Horst-Janssen Museum, eine Ausstellung von Luepertz ansah, dachte ich, dass der „Fürst“ der würdigste Nachfolger von Janssen sei. Dass Hamburg sich mit ihm so schwertut, liegt sicherlich daran, dass sie sich nicht von diesem genialen Zeichner und Graphiker den Spiegel vorhalten lassen wollten und ihre Lieblinge, z.B. Anselm Kiefer, entlarvt sehen wollten.

„Der Motor fuer den Kunstzirkus – den Preisauftrieb, die immer neuen Moden, die Verkäuflichkeit von jedem betrügerischem Schwachsinn als „Original‘ – sei die „Blähung“ und „Verdummung“ der Mittelschicht gewesen, sowie deren „satte Angst, etwas nicht zu haben, was alle haben“: das Wohlstandwachstum der Nachkriegsepoche. Jetzt seien „die Blinden“ zahlreich und die „Blindenparties, eingepeitscht von einer tollgewordenen Händlerliga.“
 
 
Sehr empfehlenswert zu lesen: Horst Janssen – Ein Leben.

Von Henning Albrecht, Rowohlt 2016.
 

2016 29 Mai

Gregor öffnet seinen Bücherschrank

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Stewart O´Nan ist für mich ein zutiefst menschlicher Autor, einer, der das Schicksal der Verlorenen, Verlassenen, vergeblich Hoffenden, sich abmühenden, aber scheiternden Menschen in den Mittelpunkt seines Schreibens gestellt hat. Sein Erstlingsroman Engel im Schnee (1993) erzählt das tragische Leben der Annie Morchands.

1999 veröffentlicht der 1961 in Pittsburgh / Pennsylvania geborene Autor Sommer der Züge: 1943 kehrt der schwer verwundete älteste Sohn eines vollkommen zerstrittenen Ehepaares in die Heimat zurück. Die Familie muss ihr Leben neu ordnen.

Ebenfalls 1999 erschien in Deutschland Das Glück der Anderen: Jacob Hansen bemüht sich als Pastor, Sheriff und Totengräber in einer Person um das Glück seiner Mitmenschen und das in aussichtsloser Lage, im Kampf gegen eine alle bedrohende Seuche.

Von einem letzten Treffen einer Familie in einem Sommer für Sommer von allen Familienmitgliedern besuchten Ferienhaus erzählt der große Roman Abschied von Chautauqua (2005) (siehe auch der Beitrag vom 28.2.2012, manafonistas.de).

Halloween (2004): Bei einem Autounfall sterben drei Jugendliche, zwei überleben. Die Geister der Verstorbenen kehren zurück.

Eine junge Frau, gerade verheiratet, schwanger, muss, nachdem ihr Mann einen Einbruch begangen hat, bei dem jemand umgekommen ist, und der nun viele Jahre im Gefängnis zuzubringen hat, allein mit ihrem Leben fertig werden: Eine gute Ehefrau (2007).

Erst kürzlich las ich einen kleinen Roman O´Nans, der von einem einzigen Winterabend im Dezember handelt: unwirkliches Wetter, Schneesturm, auf dem Gelände eines riesigen Einkaufszentrums gibt es auch ein Fast-Food-Restaurant, das allerdings wegen zu geringem Umsatz schließen soll. Erzählt wird in dem Roman Letzte Nacht (2007) von der letzten Schicht der Angestellten dieser Kneipe, die dann für immer schließen wird.

2011 veröffentlicht der Rowohlt-Verlag Emily, allein.  Eine alte Frau, von allen verlassen, muss einen Neuanfang wagen (siehe auch manafonistas.de vom 28.2.2012).

Die Chance (2012) handelt von einem vollkommen zerstrittenen Ehepaar, verschuldet, arbeitslos, das den Hochzeitstag dazu nutzt, eine letzte Chance zu ergreifen, um ihrem Elend zu entkommen (siehe auch manafonistas.de vom 21.2.2015).

Das 2003 in deutscher Sprache erschienene Sachbuch Zirkusbrand setzt den Toten, den Verlorenen und Trauenden ein Denkmal. Am 6. Juli 1944 starben 167 Menschen bei einem Zirkusbrand in Hartford / Connecticut, viele wurden schwer verletzt, gezeichnet für ihr Leben.

 
 
 

 
 
 

Im Frühjahr dieses Jahres folgt nun der Roman Westlich des Sunset: Tragischer Held der Geschichte ist Francis Scott Fitzgerald (1896-1940), bei uns bekannt vor allem mit seinem Roman Der große Gatsby, 2013 erneut verfilmt mit Leonardo DiCaprio als Jay Gatsby. Aber O´Nan erzählt nicht von der Zeit des erfolgreichen Schriftstellers Fitzgerald, nichts von den rauschenden Partys in New York, Rom oder Paris, nichts von der Freundschaft zwischen ihm und Ernest Hemingway, den Trinkgelagen, den Frauengeschichten.

O´Nan beginnt seine Geschichte in Hollywood des Jahres 1937. Der Ruhm des großen Schriftstellers Scott Fitzgerald ist bereits verblasst, abhängig von den Filmbossen in Hollywood, fristet der Autor das Leben eines Lohnschreibers, der froh sein kann, wenn ein Drehbuch oder Teile davon in irgendeinem drittklassigem Film Verwendung finden. Die größte Freude für ihn: wenn sein Name im Abspann eines Filmes erwähnt wird.

Meistens werden seine Entwürfe aber abgelehnt oder von anderen Schreibern bis zur Unkenntlichkeit verändert. Zelda Fitzgerald, Scotts langjährige Ehefrau, lebt in einer psychiatrischen Klinik, die Rechnungen der Anstalt kann ihr Mann kaum zahlen, muss sich ständig Geld zusammenleihen. Die einzige Tochter Scottie studiert, der Kontakt zum Vater ist alles andere als eng. Scott sucht Trost bei Sheila Graham, einer Klatschrepoterin. Beruflich scheitert Fitzgerald vollkommen, versinkt mehr und mehr in Schulden, Alkohol und Verzweiflung. Am 21. Dezember 1944 stirbt der erst 44jährige Scott Fitzgerald in Sheila Grahams Apartment in Hollywood.

O´Nan erzählt – wie immer – höchst einfühlsam über die letzten drei Jahre eines Menschen, der seinen Absturz unbedingt verhindern will und scheitert.

 

 
 
 

Gestern wäre der amerikanische Musiker, Komponist, Autor, Instrumentenbauer und Philosoph Moondog (= Louis Thomas Hardin) 100 Jahre alt geworden. Da ihm aber die Zahl 9 symbolisch von besonderer Bedeutung war, erschienen eine Festschrift und eine CD bereits vor einem Jahr zum 99. Geburtstag. Das Buch – herausgegeben von Arne Blum und Wolfgang Gnida (der auch die spannend informative Website „moondogscorner.de“ betreibt) – ist sehr schön aufgemacht mit vielen Fotos, Texten, Noten, einer Biographie, musiktheoretischen Beiträgen und persönlichen Erinnerungen. Moondog’s corner war lange Zeit die New Yorker Straßenkreuzung 6th Avenue und 52nd Street; dort stand er in einem Wikingerkostüm und verkaufte seine Musik, Lieder und Gedichte; wohl gab ihm als nach einem Lausbuben-Dynamit-Unfall Erblindeten die bekannte Gegend Sicherheit. Ein Fels in der Brandung, ein Riese mitten im New Yorker Verkehr, und mehrmals am Tag fährt Robert de Niro in seinem Taxi vorbei – so habe ich ihn mir vorgestellt, ohne YouTube, vielmehr wie immer gut versorgt mit (kurzen) Informationen von den Radiophon-istas um Achim Hebgen, Harry Lachner und Francis Gay. Die Sendung Radiophon gibt es schon ewig; es ist eine der seltenen am Mixtape-Prinzip orientierten, nicht spartengebundenen Sendungen – gewidmet, so der Untertitel, der Musik aus Klassik, Jazz, Rock und Grenzgebieten. Und in diesen Grenzgebieten bewegt sich die Musik von Moondog, unverwechselbar und immer auch etwas rätselhaft. Der Klassik entspricht das exakte Ausnotieren, das strikte Einhalten von Regeln (des Kontrapunktes, des Kanons, der Tonalität). Zur Improvisation erhält der ausführende Musiker keine Erlaubnis. An Jazz erinnert dagegen der oft akzentuierte Rhythmus, irgendwie swingend. Moondog beschäftigte sich auch mit der Musik der Indianer und baute Trommeln. Er war mit Musikern aller Genres befreundet. Auf Philipp Glass, Steve Reich und die minimal music hatte er wesentlichen Einfluss. Aber auch die Schattenseiten dieser Musik zeigten sich hier wie da: wird sie nicht abwechslungsreich dargeboten, wie dies auf der Jubiläums-CD gut gelungen ist, dann kann es auch mal langweilig oder gar nervtötend werden – wer einmal Michael Nymans Filmmusik ohne Film angehört hat, weiß was ich meine. Die vielen noch nicht aufgeführten Kompositionen warten nicht nur auf werktreue Aufführungen; man darf auf die Coverversionen gespannt sein, die entstehen werden. Das erste Moondog-Cover ist vermutlich „All is loneliness (before me)“ mit Janis Joplin und Big Brother and the Holding Company (unbedingt in der langen Version anhören). Mitten im Stück wandelte Janis Joplin den Text um: „No more loneliness before me“. Optimistisch. Moondog zeigte gemischte Gefühle: er ärgerte sich über nicht dem Original entsprechende Phrasierungen, zeigte sich aber über das Interesse des jungen Publikums an seiner Musik hoch erfreut. Bei moondogscorner.de gibt es ganz neu die Noten zur CD. Vielleicht ist Moodog mit 100 Jahren nicht mehr so streng – falls die Kompositionen das Klavier zum Swingen bringen.

 

 
 
 

Ich habe mich fuer einige Tage ins belgische Hinterland begeben, um diesen literarischen Wackerstein zu lesen. FROHBURG von Guntram Vesper, 1000 Seiten. Um es vorwegzunehmen, ich habe das Buch bewaeltigt. Mit gewissen Techniken ist es auch gar nicht schwer.

Auf keinen Fall darf man diese Familiengeschichte mit dem Atlas auf den Knien lesen. Guntram Vesper hat einen genauen kartografischen Blick, man nimmt ihm die Oertlichkeiten unbesehen ab.

Auf keinen Fall sollte man sich all die vielen Namen merken. Guntram, sein Bruder, sein Vater, der Arzt ist und seine schoene Mutter. Das sind die Hauptpersonen, die ihm am wichtigsten sind, zu denen er immer wieder zurueckkehrt, die ihm ein Daseinskorsett geben, das er nicht gerne verlaesst. Um diese Personen webt er historische und alltaegliche Begebenheiten ein, die in manchmal dreifach ueberlagerten Erzaehlebenen mit seitenweisen Abweichungen dem Leser hohe Aufmerksamkeit abverlangen.

Auf keinen Fall Anstoss nehmen bei den original saechsischen Einlagen, am besten nur wundern angesichts der fremden Schreibweise: „Naeschoerr“ = Neger …

Was mir in meiner DDR Zeit immer besonders gefallen hat, waren die erzaehlstarken Personen, die ich ueberall angetroffen habe. Guntram Vesper ist ein vorzeigbares Prachtstueck dieser Art. Er ist sehr wortstark, meist findet er fuer ein Nomen zwei, drei Synonyme. Er vermag, eine Situation kurz anzureissen, weicht dann weitschweifig, aber nie langweilig ab, erzeugt dadurch eine Spannung, der Leser fragt sich, ja was war denn nun mit den ausgestochenen Augen der beiden Frauen und dann erzaehlt er landvermesserisch genau den Hergang der Tat. Immer sitzen dann decameronemaessig mehrere zusammen und erzaehlen oder hoeren nur geduldig zu, einmal nennt er solche Zusammenkuenfte, die „Bratheringabende“.

Guntram Vesper ist ein Geschichtensammler, wahrscheinlich schon ein Leben lang. Seine Freude an der Weitergabe ist ihm grossartig gelungen.

 

Ich sitze mittlerweile wieder in einem Café in der Stadt: garcon, un café, une cigarette et un journal. Je suis en train de me preparer pour le nouveau livre.


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