Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

Das bislang beste Album des Jahres 2018 kommt aus den ersten Septembertagen des Jahres 1973 und heisst „Roxy“. Kurze Zeit nach der Aufnahme des Klassikers „Tonight‘s The Night“ wird das dunkle Material live dargeboten, unendlich inspiriert, und mit einem Neil Young in durchaus humorvoller Stimmung. Die Schwärze der Songs dringt dennoch durch, diese Lieder waren von Anfang an Rohfassungen, und blieben Rohfassungen, auch wenn sie früh schon ins Rollen und Rocken kamen.

 

Das Foto einer Favoritin auf der Zeitreise in die Lyrik der 1970er Jahre. Gut, dass ich nicht der Lover aus einem ihrer Texte war, der mit dem „ausgeleierten Arsch“. Als ich ihren ersten Gedichtband las (in dem einzigen Jahrzehnt, in dem ich mich brennend für Gedichte interessierte), lief bei mir „801 Live“ auf dem Plattenteller. Im „Zündfunk“ war es das Album der Woche. Hätte ich einfach mal begriffen, dass die 1970er Jahre kein Ende kannten, wäre ich immer noch dort unterwegs.

 
 
 

 
 
 

Ein anscheinend hinreissendes Album, das ich nicht kenne, stammt von Milton Nascimento und Lô Borges, „Clubo Da Esquina“. März 1972. „Casual and inspired, studied and spontaneous, the album is Pet Sounds, Innervisions and The White Album all rolled into one and it remains beloved even for those who know just a few Brazilian albums.“ Naja. Grosse Worte, gelassen ausgesprochen, in einer vor Tagen gelesenen, langen Pitchfork-Besprechung. Drei Stücke auf youtube wecken meine Neugier, wegen des Patchworks, des Gesangs, und der starken Melodien. Da verkrafte ich auch eine elektrische Gitarrennummer aus der Mottenkiste. 

2018 5 Sep.

Fahrradkultour

von | Kategorie: Blog | | Comments off

 

200 Jahre Fahrrad Briefmarke, schlägt jeden Leuchtturm.


 
 
 

Fahrradständer aus den altdeutschen Kulturlandschaften –
gesehen auf der Insel Wolin.


 

 

Michael: What a beautiful, intricate, deceptively naive, profound, heartbreaking, elevating album. It won‘t storm the indie charts, but it touches me similarly deep like, in days long gone, Julie Tippetts‘ „Sunset Glow“.

 

Aby: What a very lovely bunch of words to describe it, thank you so much Michael! Luckily I’m not interested in storming the indie charts – I measure my success in teardrops shed! 

 

2018 4 Sep.

Der LSD-Experte

von | Kategorie: Blog | | 3 Comments

 

Abends. Ich bin so groggy, aber angenehm groggy. Ich weiss gar nicht, woher dieses Beschreibungswort stammt, aber es war schon in der alten BRD in Gebrauch, vor der grossen Lust an anglisiertem Deutsch. Meine kleine Wanderung zwischen Sansibar und Seepferdchen unterbrach ich hin und wieder, in dem ich mich lustvoll in den weichen Sand fallen, in der FKK-Zone die Hüllen fallen liess, und ins Wasser sprang. Mit weisser Vaseline war der Wattebausch getränkt, und so mein kleines Loch im Trommelfell abgedichtet. Das zeitweise Empfinden vollkommenen Lebendigseins. Zum zweiten Mal lese ich, haarklein, mit vielen Pausen fürs Unbewusste, Absatz für Absatz, und sinnenfroh, Michael Pollans Buch über die alte und junge Erforschung von Psylocybin und LSD. Dieses Buch fasziniert mich total, weil es von einem kritischen Rationalisten geschrieben wurde, der in seinen Interviews mit teils kauzigen, teils tiefernsten Wissenschaftlern – und in seinen Drogenreisen – sein angestammtes Weltbild einem Radikaltest unterzieht. Vor meinem Zimmer steht ein Strandkorb, vor dem Strandkorb steht ein Tisch mit einer kleinen Box. „This precious time  / This passing time / This joyful time / This desperate time / This crucial, lonely, hopeful, helpless, impossible, precious time …“ Ich höre Aby Vulliamy. Ein High folgt dem nächsten. Das Plündern der Mini-Bar. Bin ich schön müde!

 

2018 4 Sep.

On the way to the peak of north (Elmshorn)

von | Kategorie: Blog | | Comments off

 

 
 
 

Es gilt, zu ignorieren, dass man stets nur etwas mitteile, wenn man glaubt, etwas Besonderes zum Mitteilen zu haben.

2018 2 Sep.

„master of the primitive“

von | Kategorie: Blog | | Comments off

 

„Although Glenn Jones’s recording processes are very technically simple, with single microphones best capturing the required sound from either his guitar or banjo, the location has always been very important to him, and for The Giant, he decided to revisit a spot last used six years back for My Garden State. “We decided the best of our options was to head back to Forest Hill Farm, where that one was recorded,” he tells us. “So it was a bit of a homecoming in a way because I love that spot, it’s about a quarter mile off the main road down a gravel track. It’s super quiet too, you can hear airplanes way off in the distance; in fact, on ‘River in the Sky’, the field recordings of the airplanes and the insects buzzing and all that stuff was recorded by Laura [Baird] at Forest Hill Farm, probably a couple of years ago. It’s a remote spot where you can relax and forget about the world for the week or so that you’re making the record.”

(From FOLKRADIO)

 

 
King Crimson und die Reduktion auf das Wesentliche
 

Vorgestern war ich im Konzert von King Crimson in München. Wer die Band nicht kennt: sie sind eine Art „Grateful Dead“ der Prog-Rock-Szene – seit nun gut 50 Jahren schart die inzwischen 72-jährige Gitarrenlegende Robert Fripp […] immer wieder neue und stets sehr gute Musiker um sich, um die Band (in der er ursprünglich auch „nur“ Gitarrist und ein Bandmitglied von vielen war) als „King Crimson“-Projekt am Leben zu halten.

„King Crimson“ spielte 2x in der Philharmonie im Gasteig und konnte den Saal beide Male problemlos bis auf die letzten Plätze mit Zuschauern füllen. […] Die Zuschauer waren durchaus auch ergraut, aber nicht ergrauter als das typische Klassikpublikum (und meistens wesentlich jünger als zumindest Robert Fripp). Auch junge Zuschauer waren zu sehen, und zwar deutlich mehr als bei einem typischen Klavierabend im Herkulessaal, bei dem die einzigen jungen Menschen Klavierstudenten sind.

Warum das so bemerkenswert ist, dass ich darüber erzähle? Hierzu muss man die Musik von „King Crimson“ ein wenig kennen. Es handelt sich hier um eine besonders experimentierfreudige Band im Genre des sogenannten „Progressive Rock“, das seit einigen Jahren eine bemerkenswerte Renaissance erlebt. „King Crimson“ waren hierbei schon in den 70er Jahren Vorreiterband, die schon sehr früh verschiedenste Einflüsse amalgamierte und in ihrer experimentierfreudigsten Phase sogar fast eine Art Free Jazz mit Heavy Metal-Elementen spielte und selbst bei quasi „rockigeren“ Titeln wie „21st Century Schizoid Man“ nie vor komplexen Rhythmusstrukturen und dissonanten Riffs zurückschreckte. Man kann sich kaum eine Band vorstellen, die weiter von dem entfernt ist, was man allgemein als „Mainstream“ bezeichnet.

Das Konzert in München begann mit dem Stück „Lark’s Tongue in Aspic“ und bestand aus einer Mischung älterer und neuerer Stücke. Keinerlei Bühnenshow, die Musiker stehen/sitzen einfach nur da und spielen, einzig und allein beim letzten Stück des Abends färbt sich das Licht Rot, das war’s. Keine Ansagen, kein Herumalbern mit dem Publikum, es geht nur um die Musik (die es lautstärke- wie energiemäßig in sich hat, mit einer komplexen Rhythmusgruppe aus drei Drumsets, die fast ständig verschachtelte Rhythmen spielen). Tausende Menschen lauschen musikalisch durchweg anspruchsvoller Musik, applaudieren wild, sind treue Fans.

Was funktioniert hier, was bei „Neuer Musik“ oft nicht funktioniert? Geschenkt – „King Crimson“ nehmen den Vorteil mit, als Band eine lange Geschichte zu haben, das zieht treue Fans an, die die Stücke aus zahlreichen Einspielungen fast auswendig kennen. Aber dennoch waren sie nie „kommerziell“, haben sich in ihrer langen Bandgeschichte komplett zunehmend unabhängig von den üblichen Popmusik-Kompromissen und Deals mit „Major Labels“ gemacht und füllen dennoch als äußerlich unscheinbare Männer fortgeschrittenen Alters die Säle. Sie sind genauso „klassische Musik“ des 20. Jahrhunderts wie die sogenannte „Neue Musik“.

Das typische Klassik-Publikum kennt viele Klischees, warum die Neue Musik „böse“ ist, u.a. weil sie angeblich keinen Hörgewohnheiten entspricht und zu „atonal“ ist. „King Crimson“ beweist spielend, dass das alles Bullshit ist: über lange Strecken sind sie ebenfalls „atonal“, Fripp hat z.B. Vorlieben für dissonante Riffs die sich in komplexen Taktwechseln entgegen der „Hörgewohnheit“ unendlich transponieren, das ist weder traditionell noch eingängig, dennoch schütteln Tausende Menschen beim Konzert begeistert die Köpfe im (meistens 5/8 oder 7/8) Takt.

Man muss ab und zu mal solche Konzerte besuchen um zu begreifen, dass es manchmal einfach nicht mehr braucht, als konsequente Musik und gute Musiker, um ein gutes Konzerterlebnis zu vermitteln. Wo sich die meisten E-Komponisten heutzutage in Konzepte flüchten, in denen das eigentliche Musikerlebnis, ja das Gehörte an sich immer weniger eine Rolle spielt, […] wird bei „King Crimson“ einfach nur (gut) gespielt, und es überzeugt. Auch das kann gehen, und das ist auch gut so.

In der Reduktion auf das Wesentliche liegt (vielleicht) auch eine Chance für das, was in den nächsten Jahrzehnten „Neue Musik“ sein wird.

 
Moritz Eggert, 18. Juli 2018
 
 
Das Original der Rezension ist hier zu Hause

 

2018 1 Sep.

Chemnitz en marche

von | Kategorie: Blog | | 1 Comment

Gundermann, den ich hier schon mal vorgestellt habe, singt zur aktuellen Lage in Sachsen:
 
 

Die suchen ein Vergnügen und finden nur den Schmerz. Die können lügen, aber leben können die nie.

 

Hier bin ich geborn, wo die Kühe mager sind wie das Glück.

 

Hier sind wir noch Brüder und Schwestern, hier sind die Nullen ganz unter sich. Hier ist es heute nicht besser als gestern und ein Morgen gibt es hier nicht.

 

Vater, sag, wo ist der Projektor, ich spul den Film zurück – bis zu jenem Tag, bis zu jener Stunde, als es noch nicht weg war das Glück.

 

 

 
 
 

The new Trygve Seim album, Songs from Helsinki, is an exquisite gem and a standout in what has been a banner year for the ECM label.

While listening to this album, comprised entirely of ballads,  Seim’s smoky tone almost reminded me of a European Stan Getz. However, Seim possesses a tonal range that gives him the ability to add a lot more colors, sounding at times like a Bulgarian duduk, at other times deploying passionate screeches and squeals in the upper registers, (although except for the last tune, he reins in his wilder musical instincts in this predominantly restrained session.)

Seim’s sense of melody is virtually unerring in both his writing and his soloing. Understated, sensitive, even when skirting the edges of unabashed sentimentality – a lesser player might regress to the saccharine – somehow Seim has an unflagging intuitive discipline that avoids the obvious cliches. 

Since the very beginning as a leader, Seim has been a risk taking artist who approaches every project with a beginner’s mind, constantly reinventing himself, coming up with unique concepts and approaches for each new recording. Thus far, I haven’t heard an album from him as traditional sounding as this one is, in terms of a straight ahead quartet setting, and it succeeds brilliantly.

One more thing: After listening to this recording several times, I’m  utterly convinced that Kristjan Randalu is one of the best “new” pianists around (I’ve had his solo piano album for several years, so he’s not really new to me, but new to the world stage perhaps.) I love his brilliant first ECM record, Absence, as well as his amazing duo album Equilibrium with Ben Monder on guitar. His playing here is the perfect embodiment of support and taste in the role of sideman. His phrasing reminds me a bit of Jarrett at times, but make no mistake, he’s definitely his own man. I would be hard pressed to name a jazz pianist today with the degree of classical technique he possesses, and he puts his prodigious technical skills to good use – always in the service of the music. Randalu’s touch is for this listener at least, absolute perfection, like a mixture of butter and honey. His solos here are worthy of study – an improvisational touchstone, a how to manual for playing through changes in a contemporary European jazz setting.

In many ways, this is the Seim album I’ve been waiting for. I listened to it 3x yesterday, something I almost never do. Like a snifter of good cognac, it goes down easily, smooth yet complex. Pure listening pleasure, to be savored again and again.

 


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz