Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

Um der Magie des Films „The Duke Of Burgundy“ gerecht zu werden, kann es sehr interessant, eine lohnende Variante, sein, auf Begrifflichkeiten wie „Sado“ und  „Maso“ und „Gequälte“ und „Quälerin“ zu verzichten. Diese Termini allein behindern das unvoreingenommene Einlassen auf die erzählte Geschichte. Weil sie so negativ konnotiert sind im Alltagsgebrauch. Als ich einst eine Geliebte hatte, die aktiv bei Amnesty International war, kam ich nicht so weit mit meinen, reiner Lust, Verliebtsein, munterer Experimentierfreude, entsprungenen Vorstössen, sie möge mir, bitte, Fesseln anlegen – zu schnell dachte sie an Folter, Unterwerfung, Misshandlung, wo mir nur der Sinn nach Hingabe und „Unterwerfung“ (der betörenden Sorte) stand. Der Sprache von BDSM entkommt man insofern nicht, als der Film auf der Klaviatur dieser speziellen, erotischen Erfahrungswelten spielt: es gibt Truhen, in denen frau über Nacht eingesperrt wird (mit Codewort); Toiletten, die es ohne Rückenverrenkungen erlauben, dem goldenen Strahl der Geliebten ausgeliefert zu sein (als Bestrafung) – solche Truhen und Toiletten gehören nicht zum Mainstream unserer Inneneinrichtungen. Sprache reguliert, selektiert, zensiert. Schaut man sich diesen Film an, ohne vorab in den Widerstand zu gehen („weil man so komische Sachen darüber gelesen hat“), begegnet man, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, einer sinnlich berauschenden, zugleich interessant inszenierten,  Liebesgeschichte (eine mit einem Knackpunkt, und einem offenen Ende). Eine Analytikerin braucht keine der beiden, Cynthia aber gewiss einen ChiropraktikerAlles weitere dazu im August, wenn ich in einem Strandkorb sitze, und der Text mit dem vorläufigen Arbeitstitel „Die berauschte und entrauschte Cynthia“ seine verwegene Gestalt annimmt –  Wörter wie „Erniedrigung“ und „Qual“ werden sich darin eher nicht finden. „Lass uns leben, das Etikett kleben wir später drauf“, sagte mir die atemraubende Petra in Kiel, tief im letzten Jahrhundert, als wir, mit einem unglaublichen élan vital und gespielter Ernsthaftigkeit, in einem seriösen Geschäft für Pferdesportfreunde, nach einer perfekten Reitgerte Ausschau hielten, und uns fachlich beraten liessen. Hernach lachten wir Tränen (ein Festival der Situationskomik), doch bald schon brach die Nacht herein, sie zündete ein paar Kerzen an, und wir betraten eine andere Welt.

Ich war vielleicht 15 oder 16, als ich in der Volkshochschule einen Vortrag besuchte, in dem ein Asienreisender (der auch Heilpraktiker war, mindestens), von seinen Erlebnissen berichtete und irgendwann eine Platte auflegte, die ihn sehr verzaubert habe im fernen Osten – und auch wir Zuhörer gerieten bald in den Bann der „Music For Zen Meditation“ (eine berühmte Scheibe, manche sehen vielleicht die hellen Blautöne des Covers vor sich, mit einem ruhenden Buddha). Buddha ruhte immer, was sollte ein Mann mit seiner Philosophie auch sonst machen.

Ganz unruhig wurde meine Wenigkeit allerdings, als ich Monate später einen gemeinen allergischen Asthmaanfall bekam, nur noch nach Luft japste, der Hausarzt unerreichbar, die Stunde spät, der Krankenwagen eine Option, und dann doch ausgerechnet jener asienkundige Heilprakiker, der ganz in der Nähe unseres Hauses seine Praxis hatte, herbeieilte, und mir, in meiner Erinnerung, Cortison spritzte, nah am Herzen, worauf sich die Bronchien bald entspannten. Da er über alternative Methoden verfügte, war ich bald in seiner Praxis, und er startete eine Kur mit dem Spritzen von Rinderblut.

Als ich dann,  auf die zweite Spritze wartend,  in seinem durchgrünten Wartezimmer hockte, öffnete sich die Tür des Behandlungszimmers, und eine hinreissend schöne Inderin rief mich in den Behandlungsraum. Der Asienmann hatte schon bei dem Vortrag erzählt, dass er in Delhi seine Lebensgefährtin gefunden habe, und irgendwie schien mein Rinderblutspezialist bei seinen Trips in dem fernen Osten der reinste Glückskeks gewesen zu sein.

Die Frau war an die Einmeterfünfunachtzig gross, schlank, rank, dunkelstes Braun, und unbeschreiblich. Sie sah eher aus wie eine Indianerin, auch wenn sich das so seltsam anhört wie die Sache mit dem Rinderblut. Sie sprach auch ganz gut deutsch. Freundlich wies sie mich an meinen Po freizumachen, und verabreichte mir die Spritze, sanft und gefühlvoll.

Und dann – nichts. Ich war ergriffen, legte mich auf das warme Sommergras, fuhr an der Einstichstelle entlang, sie nahm mein Gesicht in ihre Hände, sie kam mit ihrem Mund nah an meinen, leckte mit ihrer Zungen in unendlicher Langsamkeit über meine Lippen … Als das Bild verschwamm, döste ich hinweg, und wie betrunken legte ich nach dem Erwachen in meinem Teenagerzimmer „Music For Zen Meditation“ auf. Was sollte ich auch sonst tun? Samsara und Samsalabim. Eine Alternative waren die Monkees und „Daydream Believer“. Die Sache mit der Inderin hatte in meinem Leben ein ausgedehntes Vorspiel, in Form eines Serientraums, der sich schätzungsweise 200 mal wiederholte, zwischen dem 5. und 7. Lebensjahr, immerzu in der gleichen Konfiguration, endlos erfüllend. Unvergessliche Wirkungstreffer der Kindheit. Initiationen.

 

 

Wo sehen wir uns wieder, sagte sie, und ich antwortete: wenn es gut läuft, am 5. August. Abends im Radio, und dann fast  schon am Meer. Zuweilen reicht ein Blick zum Himmel, und die Reise beginnt.  Fuchur, der Verbündete: Atreju kann von Glück sagen, so einen Gefährten zu haben, nie missmutig, oder beleidigt in der Art der Leberwürste. Mehr als zweimal gewiss spielte ich „Cutting Branches For A Temporary Shelter“ vom Penguin Cafe Orchestra in dem Klanghorizonten, und erst jetzt fand ich heraus, dass es die unwiderstehliche Adaption einer afrikanischen Vorlage war, und mit der guten alten Mbira wird es nun auch zu neuem Leben erweckt, auf der ersten Arbeit von Midori Takada seit Jahrzehnten. Als ich aus ihrem berühmtesten Album etwas spielte, das Porticos Tranceinduktion „Terrain“ inspirierte wie nichts anderes,  nachts auf Vinyl, erlebte ich zum ersten Mal, wie ein Tonabnehmer in Minuten den Geist aufgab, und es hörte sich an, als würde er die Musik in dissonante Zerrbilder zerlegen. Ich machte dem Spuk ein Ende. Und Jahre später korrigierte ich diese Gepensternummer mit der CD-Version. Midori Takada tat gut daran, nie dem alten Herrschaftsdenken der Klassischen Musik zu folgen, und entdeckte früh das Multiversum einer einzigen Trommel, und wie Cage fand sie, dass ein einzelner perfekter Ton auf der Shakuhachi zuweilen mehr Zauber verströmen könnte als manch hochfahrend-formbesessene Westliche Orchestermusik vergangener Jahrhunderte. The spellbinding art of elementary textures…

 

 

 

 

„Cutting Branches For A Temporary Shelter“ wurde live aufgenommen und mit Instrumenten gespielt, die in den Sammlungen des MEG-Museums aufbewahrt werden. Dabei handelt es sich um Midori Takadas ganz eigene Interpretation von „Nhemamusasa“, einem traditionellen Werk, das für das musikalische Repertoire der Mbira der Shona in Simbabwe emblematisch ist und vor allem dank der Version von Paul F. Berliner auf dem berühmten Album „The Soul of Mbira“ von 1973 weltweit bekannt ist. Midori Takada erklärt:

 

„Afrikanische Musik zeichnet sich durch ihre Polyrhythmik aus. Es gibt nicht nur mehrere rhythmische Motive gleichzeitig, manchmal bis zu zehn, sondern es kann auch sein, dass der von jedem Musiker gespielte Part seinen eigenen Ausgangspunkt und sein eigenes Tempo hat, die sich alle zu einem Zyklus zusammenfügen. Alle Zyklen verlaufen gleichzeitig nach einer einzigen metrischen Struktur, die als Bezugspunkt dient, aber nicht von einer einzigen Person von Anfang bis Ende gespielt wird. Die Struktur ergibt sich aus den mehrstufigen Teilen, die alle unterschiedlich sind. Bei den Shona basiert das musikalische System auf der Polymelodie: Man spielt gleichzeitig mehrere melodische Linien, die sich überlagern und jeweils ihre eigene rhythmische Organisation haben. Das ist wirklich fesselnd.“

 

Die gute alte Tante Filmkritik hatte einst eine erzieherische Pflicht. Es galt, Spreu und Weizen zu trennen, und dem Publikum zu erzählen, ob das jeweilige Zelluloid sehenswert ist, erbaulich, oder verpulverte Zeit. Die Seele hebend, oder abgrundtief verstörend. Nun, Überraschung, es gibt Filme, die sind abgrundtief verstörend, und können doch (auf etwas andere Art), „die Seele heben“ – abseits von Seelenbalsam, Streicheleinheit und Sonnenlicht. Mehr im Sinne von: wenn man in den Abgrund blickt, glotzt nicht immer der Abgrund zurück, Freund Friederich. Also hier die forsche Ermunterung, sich ggf. tollkühn auf eine Reise ans Ende der Nacht einzulassen, aber nur, wenn Ihnen der Sinn prinzipiell nicht nach Suizid steht. Erschütterung, Subdepressves, Alpträume, Schlaflosigkeit und anderes nicht so Nettes, das mag hier als Nebenwirkung aufgelistet sein, nach dem Erleben oder Erleiden des Films „Annihilation“ (Netflix!), „Auslöschung“. Dann aber wieder gibt es die harten Hündinnen und Hunde, die dieses Meisterstück staunend erleben. Mit den Schatten tanzen. Diese Seltsam-Faszinierten begegnen sich hinterher (wenn sie das alles haben etwas sacken lassen) und sprechen über Texturen, doppelte Böden, Traditionen des Unheimlichen, über George Romero, Filmmusik („Slowly lumbering its way toward us is a dissonant, bursting synth melody, bathed in an astringent of distortion and flutter that ultimately moans with blasts of decaying horror“) – und darüber, dass Kino bedeuten kann, dem Tod bei der Arbeit zuzusehen. Das wusste schon Jean Luc. Nun aber auf, auf – werfen Sie eine Münze, setzen sie den Film auf die Watchliste, oder sagen lapidar „Sonst geht‘s gut!“ Ein einfacher „Trick“: Sie können jederzeit aussteigen! Wie konnte ich dieses Opus magnum, dieses Stück zeitgenössische Kinogeschichte, nur verpassen vor Jahren!? Aber jetzt, bald dann, früher oder später, eine von guten alten Tanten und Onkels befreite Filmkritik! Vier Augen sehen mehr als zwei, und die Nacht hat tausend Augen! 

 

Kirsten hatte es raus. Und ihre Eltern auch. Als Malte dort ein und aus ging, früh in den Siebziger Jahren, war er der ideale Schwiegersohn in spe, und nach dem Abendessen musste in ihrem Zimmer nicht mal das Schloss umgedreht werden. Es war Maltes erste Freundin, bei welcher der Sex so dazu gehörte wie Cat Stevens und die Beatles in mono auf dem Plattenteller. Ein langer Sommer, der tief Luft holte und eindampfte auf jene postkoitale Glücklichkeit, wenn er – danach – an der Haltestelle stand und sanft umrauscht auf den letzten Bus in den Süden der Stadt wartete. Malte war nicht sonderlich verliebt, aber Kirsten hatte es raus, ihre eigenen Orgasmus geschickt zu verzögern und ihm die „Squeeze“-Technik beizubringen. Malte fühlte sich wie in einem erotischen Trainingscamp, und das konnte ihm nur guttun – er bereitete sich vor, endlich das Mädel zu treffen, bei der „body and soul“ eins sein würden. Er würde ein gutes Quantum Erfahrung mitbringen, ein paar Kniffs, und nicht mehr der romantische Depp sein, der Luftlöcher in Lagerfeuer stiert und unter der Dusche Angie von den Stones singt. Der Sommer bewegte sich nur träge auf den September zu, und die Dinge schienen alltäglicher zu werden. Der Sex war zärtlich, mit einem Hauch von Versuch und Irrtum, und jeder konnte spüren, dass hier nichts auf Ewigkeit gepolt war. Das Ende hatte allerdings einen besonderen Dreh. Als Kisten in Berlin war, lernte sie einen weitaus erfahreneren jungen Mann kennen, und daheim im Ruhrgebiet, kündigte sie sich bei Malte telefonisch an, ungewöhnlich genug. Nicht mehr in der Poppelsdorfer Strasse, deren Namen Anlass für allerlei Heiterkeit war, sondern im Jugendzimmer von Malte, das noch Jahre zuvor als Kinderzimmer durchging. Wild things run fast, aber mit der Wendung, die dieser Abend nahm, hatte Malte nicht gerechnet. Es war noch nicht lange her, da las er bei spärlichem Nachtlicht Jules Vernes „Reise zum Mittelpunkt der Erde“, und als es eines Nachts blitzte und donnerte und wilder Regen niederging, sah der junge Malte hinter den Ritzen der Jalouisen ein wildes Geflacker, das die Lithographien der Taschenbuchausgabe seltsam lebendig werden liess – ein schönes Staunen und Erschauern. Kirsten zeigte ihm ein Bild ihres neuen Freundes, und dass es nun vorbei sein mit ihrer Liebelei. Sie trug schwarze Stiefel, und überhaupt glänzte ihr Gesicht. So hatte er sie noch nie gesehen, ihre blonden Haare, brilliant gelockt, verströmten die Aura einer elektrisierten Wildnis, und Malte wurde durchflutet wie nie zuvor bei ihren abendlichen Stelldicheins. Er sank vor ihr nieder, und bat sie, ihn zu nehmen, er werde folgsam sein und ihr dienen. Wo immer diese Ergebenheitsbekundungen herkamen, sie kamen nicht aus einem Schulmädchenreport, nicht aus einem Artikel in der Bravo, nicht aus den seltsamen Launen der Geilheit. Sie kamen von einem tiefen inneren Ort, den ein Schriftsteller mal „das innere Afrika“ nannte. Kirsten schloss die Tür hinter sich und ging.

 
 

… ich weiss, soooon Bart! Aber hier gut zur Illustrierung!

 

Der Duke of Burgundy (GB, 2014 von Peter Strickland; Michael hat ihn mir unlängst geschickt) ist hier kein sadistischer Feudalherr, sondern eher Opfer – ein Schmetterling, unsprünglich ein buntes und lebensvolles Geschöpf – tot und aufgespiesst samt vielen seiner Artgenossen im Labor der Schmetterlingsforscherin die mit ihrer „Haushälterin“ in einem bezaubernden Landhaus irgendwo in Europa (Südfrankreich? England?) lebt, seltsam unverortet und aus der Zeit gefallen, eine Anderswelt, in der nichts stattzufinden scheint als Vorträge über Insekten von Forscherinnen vor Forscherinnen. Seltsam statisch.

Der Film führt zunächst die sadistische Komponente der Beziehung auf befremdliche Art ein. Die Forscherin Cynthia traktiert mit versteinertem Gesicht feudalherrinnenmässig ihre „Häushälterin“ in offensichtlicher Unzufriedenheit mit deren Ausübung ihrer Pflichten. The Duchess of Burgundy? Evelyn gehorcht sichtlich gequält, der Zuschauer solidarisiert sich spontan mit ihr und fragt sich, in welchem Jahrhundert man hier gelandet ist. Die Sympathielenkung wird aber sofort wieder gestört, als man erfährt, dass es sich offensichtlich um ein sadomasochistisches Ritual eines Frauenpärchens handelt, beide sind Forscherinnen, lebend in einem etwas angestaubt wirkenden und völlig männerlosen Kosmos, aber umgeben von einer traumhaften Natur die an impressionistische Gemälde erinnert.

Somit wäre die Sache zunächst geklärt, und man erwartet die üblichen Beziehungskapriolen, Eifersuchtsdramen oder wenigstens einen jungen knackigen Gärtner als Unruhestifter. Der Regisseur Strickland macht aber seinem Namen und seiner Raffinesse alle Ehre, er hat anderes mit dem Publikum vor: es kommt zunehmend zu einem Verschwimmen der Rollen und der Übergänge zwischen der dominanten und der submissiven Position in dieser Beziehung. Hinter romantischem Dekor, sorgfältig wirkenden Bildkompositionen, eigenwilligem Soundtrack und Zikadengeschrill tut sich eine tiefe Melancholie auf, ein erschlagendes Es-geht-nicht und eine tiefe Verwirrung über den Modus der Gestaltung eines aussergewöhnlichen Beziehungsmodells.

Dabei kommt die Partnerschaft ohne körperliche Gewalt aus, Evelyn will lediglich beherrscht werden, das erregt sie. Soweit so gut. Nur entdeckt Cynthia zusehends ihre Unzufriedenheit mit der Rolle der Quälerin, wünscht sich eine Beziehung ohne dergleichen Rituale, wobei ich hier nicht von Ritualen, sondern von einer überdauernden Beziehungsform sprechen würde – vielleicht täte es dem Paar besser, hier eine feste Zeitstruktur einzuführen, um diese als Einsprengsel in den Alltag zu zelebrieren. So kommt es zum Teufelskreis und zur Belastungsprobe für eine der beiden Frauen.

So wird die dominante Cynthia zusehends auf subtile Weise zur Gequälten und die submissive Evelyn zur Quälerin, das Beziehungsmodell zusehends verwirrender und um 180° gedreht. Dabei verzichtet der Regisseur weitgehend auf dialogische Mitteilungen (das würde dann „kammerspielartig“ heissen und mich zum Schlagen eines weiten Bogens veranlassen), sondern der Regisseur versteht es, durch Mimik und Körpersprache der Schauspielerinnen ihr Befinden auszuloten.

So entfaltet sich die ganze Komplexität einer sadomasochistischen Beziehung und die Frage ihrer Lebbarkeit als durchgehendes Lebensmodell, in dem die Frauen aufgespiesst und fixiert scheinen wie ihre eigenen Schmetterlinge in ihren jeweiligen Positionen. Und es wird ein Raum zur Reflexion eröffnet – das macht die Qualität eines Filmes aus – wie SM-Beziehungen lebbar sind.

Wie schnell kommt der dominante Part in die gequälte Position wenn er sich zur Dominanz zwingt? Wie äussert man in einer derartigen Beziehung echte Aggression, wenn der Partner dies als Wohltat empfindet? Wie wird man überhaupt seine Wut los, wenn diese den Partner lediglich erregt aber nicht bestraft oder zum Umdenken bewegt? Also die Botschaft ihn nicht erreicht? Wie fühlt sich der Submissive, wenn er merkt, dass er den anderen quält, wenn er doch das Gegenteil möchte?

Ich hatte einen jungen Patienten, der ständig von seinen Freundinnen verlassen wurde. Er war ein Heimkind (in den 50ern!!), hatte sich angewöhnt in Zuständen von Angst oder Verlassenheit sich genital zu stimulieren um ein „besseres Gefühl“ zu bekommen. Man spricht hier bei Kindern von Angstonanie. Das führte dazu, dass er in allen Situationen von Auseinandersetzung oder Missstimmung in heftige sexuelle Erregung geriet und sich auf nichts anderes mehr konzentrieren konnte, es konnte kein Konflikt wirklich ausgetragen werden. Die Frauen machte das wahnsinnig. Hier stimmte die Passung nicht mehr, ebenso wie sie bei Cynthia und Evelyn immer brüchiger wird, die Rollen nicht mehr haltbar sind.

Die Situation scheint tragisch.

Erwähnenswert noch die Bildsprache des Films: bergende Natur als Aspekt des Weiblichen oder Mütterlichen, Textur (Textilien, Haut, über Haut gleitende Textilien) verleiht den Bildern eine starke Körperlichkeit, eine eindringliche weibliche Erotik.

Anhänger der feministischen Filmtheorie würden nun anmerken, dass die Frau als solche hier einmal mehr Opfer des männlichen Blicks geworden ist – sowohl in der ästhetisch drapierten Form, die wir aus dem patriarchal strukturierten Kino kennen und in der Verwendung von den bekannten bei Männern beliebten Fetischen, die hier frischfröhlich auf ein Frauenpärchen übertragen werden. Sieht weibliche SM-Sexualität wirklich so aus oder wird hier ein gängiges männliches Klischee übergestülpt? Der Regisseur hinterfragt es nicht. Die Rezensenten auch nicht.

Weiter bemerkenswert, dass hier die dominante Frau scheitert, eben weil sie nicht dominant ist, nicht die submissive Frau nicht, weil sie submissiv ist. Und weil Dominanz eben doch nicht zur Weiblichkeit passt. Und Unterordnung besser?

Über feministisch- analytische Filmtheorie kann man lange streiten, gottlob ist sie mittlerweile so evaluiert und kompliziert, dass kaum jemand noch durchsteigt, es wird also relativ wenig gestritten ausserhalb des inner circle.

Die Position der Gequälten bleibt bei Cynthia, als Evelyn mit der Nachbarin techtelmechtelt; in der letzten Einstellung wiederholt sich die Anfangssequenz: Cynthia bereitet sich vor und kostümiert sich wiederum für ihre Rolle als strenge Herrin, während Evelyn eben nach Hause kommt. Wird die nächste Schleife gedreht?

Ist Cynthia williges Opfer einer perfiden als Masochistin getarnten Sadistin und ihrer Psychospiele? Wie wird die Beziehung enden, wenn sie denn endet … oder erfolgt die Flucht in eine triste „Normalität“? Man würde sich eine Fortsetzung wünschen, die letzte Szene wäre ein guter cliffhanger. Vielleicht quält uns Strickland ja nochmal und wir werden uns willig und gespannt quälen lassen. Angefixt ist man bereits.

 

2022 30 Juni

When I was younger, so much younger than today

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ich war noch etwas schüchtern plünderte schon mal die eisweinvorräte im keller las edgar allen poe und werde das manuskript in der flasche nie vergessen ehrlich gesagt mag ich keine tulpen und es gibt auf super 8 heissere bilder aber nie so heiss wie meine pictures of lilly und nie bekam ich eine zweite chance bei regina als ich 16 war aber die welt ringsum duftete und die zukunft meldete sich beim längsten kuss aller frühen küsse in einem zimmer voller eichenschränke und das patchouli sorgte für grosses theater o petra in a gadda da vida und in einem fahrstuhl verliebte ich  mich später in die schönste frau des nördlichen ruhrgebiets und sechs wochen lang holte uns allein der zilpzalp draussen aus den federn

(der hintergrund dieser assoziationskette: aus meinen teenagerjahren gibt es ungefährt drei fotos, zufällige fundstücke, dies ist eins davon und eine stiefmutter wie aus grimms märchen schaffte einen gewaltigen vorrat an dias zur seite als ich in meinen zwanzigern war und obwohl ich nie an den bildern von damals hing und kein freund davon bin einen ganzen frühen lebenslauf durchzufotografieren ist es etwas spezielles ab und an solchen bildreihen zu begegnen die dann einfach erinnerungen fluten lassen)

 

 

So manches Albumcover von John Zorn lässt einen mit der Zunge schnalzen, oder etwa nicht? Beispielsweise jenes jüngst ins Haus geflogene, das Perchance to Dream beherbergt, mit darin enthaltenen ruhigen und wohlklingenden Köstlichkeiten: Nocturno-Stücke, die man gut und gerne vor dem Einschlafen hören kann, als Einladung zum Träumen vielleicht oder zur Abkühlung in heissen Sommernächten. Nichts rabiat Aufweckendes a la Naked City also, die man dann genüsslich frühmorgens hören darf, zum schwarzen Kaffee, inmitten intermittierenden Fastens noch, als good morning booster. Was die Herren Frisell (guitar), Medeski (organ), Marsella (piano, fender rhodes piano) und Wollesen (drums, chimes) hier gekonnt vortragen, reiht sich ein in die makellose Vielseitigkeit des New Yorker Tzadik Labels. Ach, da könnte man glatt zum Plattensammler werden auf seine alten Tage hin! Doch war es eher so, minimalistischer Zen-Ästhetik nie ganz abhold, dass man sich phasenweise immer wieder von unnützem Krempel befreite, der ja dem freien Fliessen der Chi-Energie, sollte es so etwas tatsächlich geben, im Wege stände. Als der PC kam, zum Ende der Gutenberg-Ära, und später dann das Streaming eine Revolution des Fernsehens einläutete, da begrüsste man die neu gewonnene digitale Leichtigkeit des Seins. Doch so manche Sinnlichkeit blieb dabei auf der Strecke. In jüngsten Tagen stelle ich nun fest, dass eine Rückkehr zum konzentrierten und audiophilen Hören, nach langer Zeit, einige Tore der Wahrnehmung öffnet. Es fällt mir beispielsweise angenehm auf, dass das Auge, während man hört, einen „ruhenden Blick“ gewinnt, den man unbewusst vermisste. Und auch die Haptik beim Stöbern im Booklet zentriert. Ich erinnere mich, als ich J einmal fragte, zu jener Zeit, als wir den Saxofonisten Gary Thomas gemeinsam abfeierten, warum er denn dieses eine bestimmte Album nicht in seiner Sammlung habe, das sei doch grossartig. Ja, aber das Cover sei doch unmöglich! Soviel zu den subjektiven Wunderlichkeiten eines Sammlers. Das Obige aber hätte gewiss Einlass gefunden in die erlauchte Glasvitrine seiner Huldigungen. Und meiner Wenigkeit bot es jetzt genügend Anreiz, diesen kleinen Text zu schreiben, und sei es nur, um ihn im Verbund mit dieser Schönheit auszustellen, with this fine artwork made by Madeline von Foerster. Und Wanderer, triffst den Zorn mal unterwegs, dann frage ihn doch, ob seine Objekte nicht auch Gesamtkunstwerke seien, in dem Klangwerk und das Visuelle eine kabbalistische Allianz eingehen.  

 

2022 30 Juni

Das aufregendste Jazzhörspiel des Jahres

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Mitte Juli erscheint David Mitchells Roman „Utopia Avenue“ in deutscher Übersetzung bei Rowohlt. Martin Chilton bemerkte dazu im „Independant“:

„An ambitious, rambunctious, hugely enjoyable tale . . . [it] is filled with sparkling dialogue and has stimulating things to say about creativity, mental health, the effects of domestic violence, the Vietnam War, grief, parental responsibility and what it was perhaps like to be an independent-minded female musician back in the day. Above all, Mitchell pulls off this bold attempt at a novel exploring the undefinable mysteries of music and why music has such an impact on people. — Martin Chilton ― Independent. Hierzu an dieser Stelle ein Gespräch aus dem Jahre 2020 zwischen David Mitchell und David Byrne … 

Zudem erinnern wir an seinen Roman „Die Knochenuhren“, und mein Interview mit dem Autor anno 2016, eine der letzten feinen Zusammenarbeiten meinerseits mit dem „Herrn der Jukeboxen“. 

 

 

Es ist schon einige Zeit her, da hat ein Lehrer aus Stuttgart ihr Buch „Der Wolkenatlas“ mit einer seiner Schulklassen behandelt, und nimmt jetzt an auch den neuen Roman „Die Knochenuhren“ mit seinen Schülern durch. 

 

Wow! Das ist eine Weltpremiere glaube ich! Eine Weltpremiere im Klassenzimmer für „Knochenuhren“!

 

Seine Schüler haben mir zwei Fragen  mitgegeben. Die erste: „Warum bringt er Fantasy-Stücke in sein Buch mit ein? Vielleicht, um der jungen Generation eine Geschichte der modernen Welt, mit all ihren Desastern, nahe zu bringen? Was war der Hintergedanke?“

 

Das war nicht die Idee dahinter. Ich habe mich gefragt, welchen Preis ich zu zahlen bereit wäre, um dem Alterungsprozess zu entkommen und unsterblich zu werden. Was wäre ich bereit zu opfern für diese Art eines faustischen Pakts? Für mich stellt der Roman meine eigene „Midlife-Crisis“-Literatur dar. Ich wollte ein Gedankenexperiment wagen: wie wäre es, wenn mein magisches Bankkonto der Lebenszeit nie erschöpft sein wüde.

Dafür brauchte ich unsterbliche Charaktere. Solche, die bereits einen solchen Pakt abgeschlossen oder ihn gar geerbt haben. Sie haben diese Unsterblichkeit, ob sie sie wollen oder nicht. Ich wollte den Tod aus der Sichtweise der Unsterblichen sehen. Da es keine Unsterblichen gibt, musste ich die Gattung des „Fantasy-Romans“ nutzen, jedoch wollte ich keinen reinen Fantasy Roman schreiben, sondern ein Buch das viele verschiedene Genres beinhaltet.

Das Buch sollte auch einen politischen Teil besitzen, dabei gibt es kaum Bücher, in denen Fantasy und Politik erfolgreich vereint wurden, eins davon zum Beispiel ist „Hundert Jahre Einsamkeit“ von Gabriel Garcia Marquez, ein anderes „Mitternachtskinder“ von Salman Rushdie. Und das berühmte Werk von Mikail Bulgakow. Es ist also machbar, ich wollte herausfinden, ob auch ich Politik und Fantasy so vereinen könnte, dass kein Ungleichgewicht besteht.

Es war also nicht dazu gedacht, um junge Leser auf mein Buch aufmerksam zu machen; so schlau, geschickt und verschlagen bin ich nicht, aber ich habe gelernt darauf zu vertrauen, dass, Bücher die mir gefallen, oft  auch anderen Menschen gefallen.

 

Ich fand es interessant zu sehen, dass der Anteil an Fantasy Im Verlauf des Buches langsam, aber stetig, zunimmt. Sie mussten also den Aufbau geschickt planen.

 

Ja, ich brauchte guten Füllstoff, um die verschiedenen Kapitel miteinander zu verknüpfen, da sie in verschiedenen Gattungen geschrieben sind. Von sozialem Realismus über Politik bis hin zu Satire und Fantasy und Dystopie. Also beschloss ich, das Buch in verschiedene Teile zu teilen, um jedem Genre einen Abschnitt zu geben.

Ich wollte zudem das Fantastische dezent einführen. Deshalb musste Hollys übernatürliche Erfahrung am Anfang des Buches aus ihrer Erinnerung gelöscht werden – sonst hätte das einen zu großen Einfluss auf ihr Leben gehabt. Erst im fünften Teil bricht die „Fantasy“ vollends durch, explodiert. Ich glaube, dass ein Buch nur dann gut wird, wenn ich als Autor Angstschweiß und Herzblut investiere.

 

Nun kommen wir zu Holly Sykes. Ich könnte mir vorstellen, dass es gewisse Parallelen zwischen Ihrem und Hollys Leben gibt, vor allem, da das letzte Kapitel auch noch in Ihrem Wohnort spielt.

 

Und Holly und ich haben dasselbe Geburtsdatum. Dass wir in der gleichen Ära aufgewachsen sind, erleichterte mir das Schreiben, da brauchte ich nicht viel recherchieren. Die Sechziger Jahre waren eine spannende Zeit, jene Generation ist wahrscheinlich die letzte, die sich noch an die Zeit ohne Internet erinnern kann. Hollys Charakter basiert auf einem Mädchen, das ich während meiner Schulzeit kennengelernt habe. Die Zeiten damals waren aufgrund vieler unterschiedlicher sozialer Schichten kompliziert. Durch diese Vielfältigkeit habe ich als Schriftsteller einen Vorteil gegenüber denen, die Privatschulen besuchten. In meiner Schulzeit bewunderte ich Mädchen wie Holly aus der Ferne. Holly sollte ursprünglich irischer sein, aber schlussendlich entschied ich mich doch dagegen. Der letzte Teil des Romans  spielt in der Zukunft und katapultiert den Leser in  eine komplett neue Umwelt.

 

Immer wieder geht es um Parallelwelten, Verstörungen des normalen Alltagsbewusstseins, bis hin zu sog. Psychosen. 

 

Ja, wir reden über Schizophrenie. Einer meiner Freunde leidet an Schizophrenie, er ist der Sohn meines Uni-Tutors, dem ich immer noch ziemlich nahe stehe.

 

Ich glaube, das war vor allem früher noch verbreiteter als heute, dass die Leute, die Stimmen im Kopf hören, einfach die Gegenmedikamente bekommen. Inzwischen gibt es andere Entwicklungen, wo man diese Personen ernst nimmt, ihnen zuhört und sich in sie einfühlt. Also gibt es inzwischen Brücken von einer Welt in die andere, es gibt nicht nur die getrennten Welten der Gesunden und der Kranken.

 

Amen, Hallelujah! Über dieses Thema könnten wir sehr lange reden. Meine Antwort, kurz gefasst, dass es ein nutzloses und reduzierendes System ist, in Gesunde und Kranke aufzuteilen. Aber wir dürfen auch nicht glorifizieren oder romantisieren, wie schwierig es ist, mit irgendeiner Form von Abnormalität zu leben. Mit Schizophrenie kann man nur sehr schwer leben, mit Autismus genauso … selbst in einer viel abgeschwächteren Form der Sprachfehler ist es nicht leicht, das kann ich Ihnen aus erster Hand sagen.

Allerdings bringt es auch nichts, in den Krieg gegen sein eigenes Gehirn zu treten, das macht es nur noch schwerer. Das erste Mal in meinem Leben, dass ich wirklich Fortschritte machte, die Auswirkungen meines Sprachfehlers, meines Stotterns, in meinem Leben zu reduzieren, war, als ich aufgehört habe, dagegen zu kämpfen, als ich aufhörte, an eine magisches Mittel zu glauben, das mich heilen könnte, als ich aufhörte, es als Krankheit zu sehen. Ich machte erst Fortschritte, als ich es als ein Teil von mir anerkannte, und lernte, dass es okay ist zu stottern. Und ich sah mein Stottern nicht mehr als Feind, sondern als etwas, was genauso das Recht hat zu existieren, dem ich Unterschlupf geben kann. Sobald ich anfing, es besser zu behandeln, behandelte es auch mich besser.

Aber im Vergleich zu Schizophrenie oder Autismus ist das nur eine kleine Sache, und ich will auch nicht so tun, als hätte ich die gleichen Hürden wie die Menschen mit Schizophrenie, also vielleicht sind es die gleichen, aber sie sind  viel kleiner.

In „Die Knochenuhren“ war bei Holly die erste Reaktion auf die Stimmen in ihrem Kopf, dass es Schizophrenie sein müsse. Es muss irgendein neurologischer Fehler sein, ein extremes  Merkmal, und ich hätte mit Sicherheit das Gleiche gedacht, wäre es mir passiert. Aber im fünften Teil des Romans wird gezeigt, dass diese Stimmen, unabhängig von einem Krankheitswert, Realität sind und wirklich existieren! Also ist dieser Teil vielleicht eine Art Hoffnung für Menschen mit Schizophrenie, demnach die Realität eben ein Spektrum von Graustufen ist, nicht von Schwarz und Weiß, wie es die traditionellen Modelle Hinstellen. Ich weiß, meine Antwort dreht sich ein wenig um sich selbst, aber …

 

Nein, nein, so kommt etwas Licht in die Sache. Ich glaube auch nicht an diesen Kontrast zwischen erfundener und realistischer Welt. Alles ist immer nur eine Version, alle erzählen Geschichten, ob das jetzt der Irak ist oder jemand mit einer psychischen Krankheit, das ist immer nur eine Version, eine Geschichte, die erzählt wird. Und mit jedem Erzählen wiederholt man nur, was man beim ersten Mal erzählt hat, man legt sich die Wahrheit zurecht, und entfernt sich leicht von der ursprünglichen Erfahrung. Und es gibt andere Realitäten als die, in der wir uns common sense-mässig befinden. Das ist meiner Meinung nach auch eines der größten Vorteile von Fantasy-Lektüre: sie öffnet Türen der Wahrnehmung. Ich meine nicht Leute auf einer Drogenreise, es ist schlicht hilfreich, offen zu sein für die „Andersheit“ der Dinge. Wenn ich als Psychotherapeut arbeite, ändere ich die Geschichten, die Wahrheit ist, überspitzt gesagt, sekundär, immer nur eine Annäherung, und meistens ein Mythos. 

 

Ganz gewiss, und das haben Sie spannend auf den Punkt gebracht. Was, wenn Fantasy gar keine Fantasie ist? Sondern einfach nur eine andere Realität, die wir bis jetzt noch nicht getroffen haben. Überhaupt, was meinen wir eigentlich mit Realität? Ich habe ein iPhone, das vor 200 Jahren, ganz zu schweigen von der Zeit vor 800 Jahren, wie reine Magie ausgesehen hätte. Selbst die vernünftigste Antwort darauf, wie ich mit meinem iPhone einfach mit Menschen auf der anderen Seite der Welt reden kann, wäre nicht Wissenschaft, es wäre Magie gewesen für die Leute damals. Also scheint es mir unvernünftig, in unserer digitalisierten Welt eine so klare Linie zwischen Realität und Fantasie zu ziehen.

 

Insofern geht es in den „Knochenuhren“ auch nicht um Wahn und Wirklichkeit, sondern zm einen Pool von Realitäten. Das kann Menschen Angst machen. A propos Furcht und Erschauern: „Fear of Music“ von den Talking Heads kommt eine spezielle Bedeutung zu in dem Roman. Ein fantastisches  Album, von Jonathan Lethem in einem brillianten Buch gewürdigt, als junger Mann bewohnte er diese Songs geradezu, über einen langen Zeitraum. Eines der grossen drei Talking Heads-Alben. Holly liebt es, und Sie bestimmt auch …

 

Ja, „Fear of Music“ ist wahnsinnig gut. Es klingt heute, 2016, fast noch besser als damals, als es herauskam. Ich habe das Album in Japan entdeckt, als ich so 26, 27 Jahre alt war. Die Musik klirrt und funkelt. David Byrnes Gitarre ist nicht schön, das versucht er auch gar nicht, sie verströmt einen sehr industriellen Klang. Aber, mein Gott – trotzdem schön!

(übersetzt von Michelle Mages & Mitra Estiry, beide Theodor-Heuss Schule Reutlingen).


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