Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Category: Gute Musik

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Hold Everything Dear
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(für Terje Paulsen, ein Spezialist für solche Sounds, und größter Cindytalk-Fan von Kristiansand)

Besser spät als nie. Wenn mir jemand vor Wochen den Namen “Cindytalk” präsentiert hätte, mir wäre eine schlechte amerikanische Sitcom in den Sinn gekommen, womöglich ein Chatroom für Barbarella-Syndrom-Geschädigte. Dann schickte mir Ed Dense, ein Meister der Underground-Promotion,  das Album „Hold Everything Dear“, mir gefiel das spartanische Cover, ich machte mir einen Espresso, und hörte in der Folge eine Musik, die mich verstörte, in ihren Bann zog und ein wenig sprachlos zurück liess. Alles beginnt und endet mit Kinderstimmen (es könnte ein Schulhof sein, ein Kindergarten, ein Schwimmbad im August). Das wäre ja nun nicht gänzlich neu, eine atmosphärische Einstimmung, eine dramaturgische Klammer. Aber was sich dazwischen dann abspielt, straft jene Lügen, die immer irgendein Etikett brauchen: das Schlimmste wäre hier „elektroakustische Musik“. Sofort hätte man ein falsches Bild von den Klängen im Kopf.

Es gibt keine Songs, dafür gibt es Feldaufnahmen, bearbeitete Feldaufnahmen, spärliche Klaviertöne, die völlige Abwesenheit des Prinzips „Groove“, und lauter Undefinierbares von elektronischen Klangerzeugern. Ich wusste (kleine Phantasie am Rande) allerdings nicht, dass es Synthesizer gibt,  die als Windmaschinen taugen und sich mit einer empfundenen Windstärke 11 über einen japanischen Zengarten hermachen: aber da diese Gärten eh recht leer sind, fehlt hinterher nichts, nur ein wenig Wasser ist über die Steinumrandung des kleinen Teiches getreten, die Pfützen trocknen schon auf der roten Asche. Das sind natürlich private Bilder, jeder Kopf reagiert anders auf Cindyalk: doch, ja, im allerbesten Sinne erscheint mir  die Welt von Cindytalk als  „windige Angelegenheit“. Das ist meditative Musik, wie ich sie noch nie gehört habe. Ich sehe mir den letzten Satz noch einmal an und bleibe dabei: denn immer wieder dringen höchst beunruhigende Dinge aus den Lautsprechern, die man niemals zu „versunkenen Tönen“ zählen würde: Reste einer postindustriellen Industriewelt, Staccato-Feuerwerke beschädigter Landwirtschaftsmaschinen.

Anders als bei den monochromen Klangwelten eines Thomas Köner oder auch Fennesz changieren die Klangfarben permanent, chamäleonartig, die „Drones“, die Bordunklänge machen den Raum weit, enorm weit, aber sie suggerieren  – statt wundersamem Rauschen – die  Permanenz flüchtiger Momente. Da aber nun auch die Ewigkeit aus lauter einzelnen Schnappschüssen besteht, rückt man nicht unruhig auf dem Hörsessel hin und her, man taucht einfach ein in diesen Strom, der etliche unbehagliche Hochfrequenzerkundungen betreibt, auch subsonische Tiefbässe im Repertoire hat, Windspiele (auch die zarten, die im Bäumen klingeln), Kaleidoskope, Teleskope. Nehmen Sie sich ruhig ein wenig Zeit für all diese Wege, auf denen man aus dem Staunen nicht mehr rauskommt! Cindytalk ist Gordon Sharp. Matt Kinnison wirkte an diesem Album mit, das in drei Studios entstand, in Tokio, in London, und irgendwo in Essex. Matt Kinnison ist inzwischen gestorben, habe ich gelesen: ihm und dem Schrifsteller John Berger ist die Musik gewidmet. Wir hören hier also auch die Musik eines Toten, und dieser Schlusssatz ist nicht billig: hold everything dear, my friend!

https://editionsmego.com/

  • 1. How Soon Now… (5:01)
  • 2. On The Tip Of My Tongue (1:21)
  • 3. In Dust To Delight (6:38)
  • 4. Fly Away Over Here (9:14)
  • 5. Waking The Snow (1:25)
  • 6. From Rokko-San (6:01)
  • 7. Hanging In The Air (8:27)
  • 8. Fallen Obi (1:42)
  • 9. Those That Tremble As If They Were Mad (6:13)
  • 10. Floating Clouds (8:47)
  • 11. I See You Uncovered (1:42)
  • 12. …Until We Disappear (7:29)

2012 16 Nov.

Ein spiritueller Kuss

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Die Formationen des Schlagzeugers Paul Motian wurden stets bereichert von Gitarristen wie Bill Frisell, Ben Monder, Jakob Bro oder, auf dem Album Reincarnation of a Love Bird der Electric Bebob Band: Wolfgang Muthspiel und Kurt Rosenwinkel. Reinkarnation des Sun Ra, so könnte man jetzt Rosenwinkels frisch erschienenes Doppel-Album Star of Jupiter nennen, das einer musikalischen Entwicklung die Krone aufsetzt. Eine interstellare Sehnsucht schwingt mit bei diesem Musiker: Wir kommen alle von weit her.

Im Kosmos ist es kalt und diese Musik lässt leicht frösteln, ist zuweilen aufwühlend, aber eben auch unheimlich, zauberhaft, fremdartig schön. Anders als Hybridguitar-Kollege Pat Metheny, dessen Unity-Band kürzlich allzu Gewohntes präsentierte, lässt sich Rosenwinkels neues Quartett – mit den Marsalis-Musikern Aaron Parks (Piano) und Eric Revis (Bass), ferner Drummer Justin Faulkner – nicht als Ambientsound für den Supermarkt verwenden, es sei denn: Shopping auf die abgefahrene Art.

Sind auf dem Cover Weise aus dem Morgenland, tanzende Derwische zu sehen oder sind es vier Manafonistas, die auf den fünften warten? Die elektrische Gitarre ist ja klanglich oft limitiert, monoton. Der Trick des Rip van Rosenwinkel: er passiert Joe Pass, hat einen eigenen Sound entwickelt und bereichert ihn durch Vocoder-verfremdeten, hymnischen Gesang. Und noch ein Effekt ziert sein Spiel, man kennt das von der Malerei der Jungen Wilden: an den Rändern verläuft die Farbe und der Zufall diktiert entzückende Muster.

Auch die Licks hier, sie zerfransen und zerfasern. Ist es nur ein Mythos, Überlieferung: dass Gitarrenkönig Kurt gelegentlich sein Instrument willkürlich umstimmt, um nicht zu wissen, was er spielt und so den Grenze setzenden Bünden und Mensuren ein Schnippchen schlägt? Wie anders kann es sein, dass es ihm gelingt, völlig fremdartige und unerhörte Läufe hinzulegen? Mir jedenfalls gefallen solche Eskapaden – man zieht Profit daraus. Ein Song auf diesem Album nennt sich „Spirit Kiss“, und genau das ist der Gewinn.

Die Meisterwerke. Die 5-Sterne-Alben. Die Sternstunden. Bei Eberhard Weber lauten sie „The Colours of Chloe“, „Yellow Fields“ und „The Following Morning“, dicht bedrängt von „Chorus“ und „Later That Evening“. Der Rest: guter Stoff, okay, vertraute Ware, Beigabe, Nostalgie. Alles Wesentliche schien formuliert. Oder doch nicht?

Denn jetzt erscheint ein kleines Wunderwerk, zwingender als alles, was unter dem Qualitätssiegel „Eberhard Weber“ seit Beginn der Neunziger Jahre noch auftauchte. Der Schwabe hat sein Archiv geöffnet und Fundstücke gesichtet: zahlreiche, vom Elektro-Bass in der Jan Garbarek Group dargebotene Solo-Passagen (oder Konzert-Passagen, in denen der Bass den Ton angab). Quellenstudium. Interludien, das Grundmaterial für „Resume“. Eberhard Weber hört kritisch, wählt aus, bearbeitet die historischen Aufnahmen.

Mitunter spielen Jan Garbarek (Saxofone, Flöte) und Michael Di Pasqua (Schlagzeug) neues Material ein. Alt und neu lässt sich schwer trennen. Wie hat Weber beispielsweise seine Soli bearbeitet? Neue Klänge hinzu fabriziert? Alte Aufnahmen übereinander geschichtet?. Wie funktioniert Klangforschung, wenn man den eigenen Erinnerungen begegnet? Wie kann man die alten Stoffe im bestmöglichen Sinne „fälschen“ – und ihnen gleichzeitig neues Leben einhauchen?

Das Hören von „Resume“ stiftet bei Hörern, die Webers Musik seit Jahrzehnten kennen, interessante Verwirrungen. Denn das Kunststück ist ja, dass aus all diesen Zwischenspielen originelle Kompositionen werden, Erinnerungen gleichsam neu erfunden werden. Ein weiteres 5-Sterne-Album also? Das nicht, aber ein faszinierend inszeniertes Werk, das die ganze Bandbreite der Weberschen Spielkunst noch einmal vor Ohren führt. Hier muss enorm viel Kleinarbeit und Feilen am Detail mit eingeflossen sein. Das Resultat wirkt vollkommen mühelos. Es ist eine helle Freude, sich auf diese  „Fälschungen“ einzulassen. Sein (s.o.) sechstbestes Album!

Ist schon eine knappe Woche her. Ich wurde nach Mitternacht wach, und statt mich auf die andere Seite zu drehen, oder die wirren Fäden eines Traums zusammen zu fügen, legte ich die beiden Cds des Doppelalbums MAGICO – CARTA DE AMOR auf, die an diesem Freitag erstmals erscheinende Aufnahme des Trios Garbarek – Gismonti – Haden aus dem Amerikahaus, München, 1981. Allein im Haus, verzichtete ich auf die Sittsamkeit der Zimmerlautstärke und liess die Musik so laut erschallen, wie sie damals wohl glücklichen Hörern zu Ohren gekommen sein muss. 31 (!!) Jahre liegen zwischen damals und heute, ohne dass irgendwas an diesem Mitschnitt gediegen, in die Jahre gekommen oder sonstwie museal erscheint. Auch die beliebte Rede von „feinem kammermusikalischem Jazz“ oder „weltmusikalischem Horizont“ straft die Intensität dieser Musik Lügen. Selbst wer die zwei Studioaufnahmen des Trios, MAGICO umd FOLK SONGS, kennt, wird hier aus der Verblüffung kaum heraus finden. Und eine Live-Aufnahme aus dem Jahre 1981 kann, denke ich, kaum besser klingen. Und, in dieser Nacht vor eimer knappen Woche, hatte ich echte Probleme, wieder einschlafen zu können.
 
1. Carta de Amor 07:25
2. La Pasionaria 16:26
3. Cego Aderaldo 09:51
4. Folk Song 08:10
5. Don Quixote 08:25
6. Spor 14:01

1. Branquinho 07:37
2. All That Is Beautiful 15:35
3. Palhaço 09:13
4. Two Folk Songs 03:40
5. Carta de Amor, var. 07:35

Discussion on allaboutjazz:
 
Michael Engelbrecht wrote (see John Kelman’s review at www.allaboutjazz.com): This is purely „magico“. I listened to it some nights ago, very late in the night, and I could afford to play it loud, on a great sound system. 31 years old, and it sounds fantastic! How do you call it: „world chamber jazz“? Doesn’t matter. This music is so relaxed and intense at the same time, my goodness! How can one bury such a treasure for such a long time! Well, John, old companero of Kristiansand, my enthusiasm for this live document might even surpass your surprisingly cool praise:)

John Kelman wrote: I wouldn’t say my praise is cool…I love the disc….I just don’t get particularly effusive, rat her, I describe the music and let readers make up their own minds.But you are absolutely correct; this is magical stuff, and I can only hope there’s more archival material that might see the light of day from ECM. Am in Heidelberg now, and will be at Manfred’s evening as part of Enjoy Jazz on November 3, so we’ll see then,perhaps.In the meantime, glad we agree on this one…. :) Cheers!John

Henning Bolte wrote: I’d say: Jan is the magic piper here … (although it’s out of past)

John Kelman wrote: Hey Henning!Yes, Garbarek’s playing here truly stands out….but I really do think this was an inspired combination, across the board…. Cheers! John

Michael Engelbrecht wrote:  This is such a great year for ECM: CARTA DE AMOR, Tim Berne’s SNAKEOIL, the „sleeping“ Jarrett album, John Surman‘ best solo album ever, SALTASH BELLS, Eivind Aarset’s forthcoming album DREAM LOGIC (a silent „killer“; tonight, in my German radio show, I played two pieces of DREAM LOGIC, framing Brian Eno’s new ambient work LUX – these two records replace a good trance session at your hypnotherapist, deep, deep music…) the list could go on for a while even leaving out ECM’s NEW SERIES. There is one really boring ECM album, easy listening without any profoundness, and that is, well, Manu Katche’s work, a hugely overrated composer, and here the cliche of „coffee shop jazz“ becomes reality. on the other hand, who wants to drink his caffe latte while hearing Coltrane’s MEDITATIONS!?:)

John Kelman wrote:  Well, I agree with you Michael..almost.; I like the Katché. Doesn’t break and new ground or shatter any rules, but solid grooves and strong playing…..saw ythe group last night (with another trumpeter replacing NPM) and it was actually smokin‘ hot. I think Manu is like Robert Fripp always said about King Crimson: the studio records are love letters, the live ones a hot date :) Cheers from Heidelberg, my friend! – and I’m wearing my Pat Metheny Trio shirt today, by the way :) John

Michael Engelbrecht wrote:  I saw Manu Katche in Dortmund some days ago, and, well, our idea of „smokin‘ hot“ may differ a bit. You might ask: why did you go there? The answer is: I thought, mhm , he might be smokin‘ hot live. If that music was smokin‘ hot, then I am a burrning potato:) Ups, a Pat Metheny TShirt. I know you love this guy, I will never understand why. He was great in the 70’s. And early 80’s. He has lost it all over the years. Few exceptions. This solo guitar album, for instance, a year ago. might work in the waiting room of your local dentist. Michael

 
 

 
 

Bish (n. sl.), bitch
Bosch, Hieronymous (c. 1450-1516), Dutch Painter
Bish bosh (sl.), job done, sorted

 
„I was thinking about making the title refer to a mythological, all-encompassing, giant woman artist.“  (Scott Walker)
 

Heute früh traf die neue Arbeit von Scott Walker ein, ich setzte mich ins Cafe und las den langen Einführungstext von Rob Young. Die CD kommt mit einem ausführlichen Begleitheft daher, mit allen Texten, Instrumentenangaben etc. Am 30.11.2012 wird „Bish Bosch“ veröffentlicht. In meinem Büro legte ich die CD ein, die Idee war, die Musik Stück für Stück auf mich wirken zu lassen, mit längeren Pausen zwischen den neun Songs. Es kam anders. Das Textbuch legte ich rasch zur Seite, und ich muss ein zugegeben etwas blödes Gesicht gemacht haben, als mein Unterkiefer von Minute zu Minute mehr herunterklappte. Die Musik ist von solch einer klanglichen Erfindungskraft, dass es einem schier den Atem raubt. Ich rauschte durch sie hindurch, die Songs drückten mich noch tiefer ins Sitzkissen, keinen Ton wollte ich verpassen. Ich habe im Moment nicht mal Lust, all die Finessen und Frakturen zu beschreiben, die abenteuerliche Dynamik, das Wechselspiel von Stille (es gibt auch schreiende Stille), unerhörten Tönen (Tönen, die ich wirklich noch nie gehört habe), und brachialen, zugleich raffiniert komponierten Soundwirbeln. Ach nein, keine handelsüblichen, keine originellen Worte mehr. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn meine Couch ihre Bodenhaftung verloren hätte, zwei Bilder von der Wand gefallen wären, und noch ein Fenster aus den Angeln gesprungen wäre. Mir liegt nun auch noch das viel zu heilige Wort „Ergriffenheit“ auf den Lippen. Die erschütternste, aufwühlendste Musik seit Jahren, und bei all den Todestänzen und Erforschungen finsterer und ferner Räume, nicht ohne (natürlich schwarzen) Humor. Ziemlich unfassbar. Ein Monolith, der rockt! Dabei sollten sie mehr an rollende Felsen denken als an die Konventionen der Rockmusik. Und es gibt zärtliche Passagen, da werden manchem Hörer die Tränen aus den Augen schiessen. Genug fürs erste!

2012 20 Okt.

Nik Bärtsch´s Ronin – Live

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Wozu solche Musik gut sei, fragte mal einer hinsichtlich dessen, was oft als „Zen-Funk“ tituliert wird und seinen Ursprung hat im Land, wo Präzisionsmechanik Grundlage ist für richtiges Timing: in der Schweiz.

„Ein gutes Kunstwerk will nichts!“ wäre eine Antwort auf obige Frage. Musik wie diese behutsam ausgesuchte Zusammenstellung von Live-Mitschnitten der Gruppe Ronin um den Pianisten und Komponisten Nik Bärtsch lebt und atmet aus sich selbst heraus.

Der Covertext des Bandleaders besagt, Ronin habe sich immer, von Beginn an als eine Live-Band verstanden, auch wenn die ausgeklügelten Studioalben mit ihren als Module bezeichneten Songs etwas anderes vermuten liessen. Beim Genuß dieses vitalen Albums gerät man zunehmend in einen Sog – man möchte diese Musik immer wieder hören, denn sie wirkt als ein Appetizer, der angenehm unangestrengt daherkommt.

Auch als eine ECM-Produktion ist dies auf wohltuende Weise völlig melancholiefreie Musik – in der dafür die Zen-Funken nur so sprühen. Yin und Yang heisst hier: das Gefühlvolle trifft zuweilen auf recht rabiate Krach- und Kraftexplosionen – alles bleibt aber im Rahmen einer disziplinierten und konzentrierten Vorgehensweise. Ronin sind tüftelnde Teamworker und der Reiz ihrer Stücke besteht im Zusammenspiel vielfältiger perkussiver Elemente.

2012 13 Okt.

Three stars for „Sunken Condos“

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„Each new Donald Fagen album is like trading in your old car for a new version of the same model“, Andy Gill writes. Hmm. Sometimes it seems to be nice when things stay the same. Always crashing in the same car, David Bowie once sang. Donald Fagen is never crashing, everything is well-oiled. There is coolness, there is irony, there is sarcasm, there is a constant feel-good groove, there are old lovers and young women. There is only one reason Woody Allen never used a Steely Dan-song for end titles or a theme song: he prefers Dixieland. Within its constraints of good taste and old formulas, „Sunken Condos“ works fine. But, as Paul Simon writes, „pity there’s still too much syrup to wade through (…). Next time, please, less smooth, more rough.“

„Diese Musik ist wie ein Schlüssel!“, entgegnete ein musikverständiger Zeitgenosse, als unsereins einst überschwänglich Begeisterung für das Paris-Concert des Bandleaders und Saxofonisten Tim Berne zeigte. Den Bass auf dieser legendären Liveaufnahme spielte damals ein gewisser Michael Formanek. Der war mir vorher schon zu Ohren gekommen, auf Parias Pariah beispielsweise – im Quartett mit Gary Thomas, Greg Osby und John Arnold. Wuchtige polyrhythmisch-harmonische Strukturen legten dort den Grundstein für das abstrakt-kühle Spiel der Kompositionsarchitekten Osby und Thomas.

Als Nachfolge des hochgelobten Formanek-Debüts The Rub and the Spare Change erschien nun Small Places. Von der Wucht des auch im echten Leben stabil gebauten Bassisten hört man viel und gerne. Und kein Eicher wäre im Spiel, käme nicht zu dieser Kraft auch Feingefühl und Atmosphäre. Man munkelte schon von „muskulösen Ostinati“, doch der Hörer sei besänftigt: diese Musik wurde nicht im Kraftraum eines sterilen Fitnesscenters ausgeschwitzt – sie entstand enspannt unter der federführenden Hand Formaneks und entfaltete sich dann weiter vor den Mikrofonen der New Yorker Avatar-Studios.

Als Einstieg empfielt sich das letzte Stück des Albums: der von dem Bordun-Ton einer Shruti-Box getragene Song „Soft Reality“. Hier hört man diese schnörkelig feinen Linien, diese hingehauchten Verspieltheiten des Tim Berne, wie er sie schon auf dem Paris-Konzert zelebrierte. Dann aber, im anfänglichen Titelstück „Small Places“, geht es zur Sache. Das ganze Album gewinnt seine Spannkraft durch den Gegensatz von kraftvollen, geradezu rockigen und dann den leiseren, lautmalerischen, tentativen Passagen. Was ist hier noch komponiert, was schon improvisiert?

Das Zusammenspiel Tim Bernes – dessen Ton immer auch etwas ungehobelt, raubeinig und organisch klingt – mit dem Pianisten Craig Taborn und seinen leichten, kühl-ätherischen Klangfarben ergänzt sich gut. Hört er den Letzteren spielen, fragt sich der Klassik-Laie einmal mehr: „Wo ist eigentlich der Unterschied zwischen E-Musik und Jazz?“ Ist das hier Ravel, Schönberg, Webern oder gar Strawinsky? Auch an den kaskadenhaften, klassisch angehauchten Spielwitz des Frank Zappa erinnert zuweilen die Musik auf Small Places.

Keith Jarrett und sein Trio spielen bekanntlich seit Jahren Standards auf hohem Niveau. Jazzstandards sind basis-komponiert im Gefüge von Funktionsharmonik oder Modalität. Darin ähneln sie dem Bossa Nova und den Songs von Steely Dan. Die Musik Formaneks, Bernes, Taborns funktioniert anders: es sind verschachtelte, rhythmische Melodielinien, frei von funktionsharmonischer Struktur – sie bieten Gerüst und Rahmen für die sich öffnenden Räume der Improvisation. Wäre dies Malerei, sie wäre teils abstrakt, teils gegenständlich.

Schlußendlich gehört Small Places zu jenen akustischen Schauplätzen, wo sich auf offener Bühne etwas vollzieht, das sowohl dem leidenschaftlichen Jazzliebhaber als auch dem selbst Musizierenden so manch inspirierenden Aha-Effekt verleiht; die Lust auf Musik macht und – um zappaesk zu schließen – einem die Einsicht vermittelt, der Jazz sei noch lange nicht dahingeschieden, vielmehr ein ewiger Phoenix, aus Asche entsprungen.

„Enoesque“ doesn’t necessarily mean, that the artists do know Eno’s music very well, some do, some don’t. The word means that a certain record contains, consciously, unconsciously, or even by pure chance, elements that can be perceived as, well, Eno-related, in an obvious or hidden way. Strangeness is a rare thing. And, for sure, sometimes critics use the term for music they don’t understand at all :)

The word has become another word for „weird“, „exotic“, „melodic with a strange twist“, „minimal, but with emotional impact“, „uncommon“. And, yes, quite often, the word is linked to compositions of artists who may even have no idea who Eno really is, maybe, because they are too young, or too old, or simply not interested. So, read this with a smile, but be sure, some of these artists know his Ambient Music rather well, believe me! And that leaves traces. Moments. Ideas. Sounds. Sometimes sounds on the verge of falling apart. And sometimes, yeah, sometimes, nothing at all.

 

1) Eivind Aarset w/ Jan Bang: Dream Logic

Eclecticism can be so inventive. Music to get lost in. Brian’s defintion of „Where am I-music“ fully realized. And a brilliant extension of a lost classic of Ambient Music, Michael Brook’s „Infinite guitar“-playing on „Hybrid“. That milestone once was created in the famous Grant Avenue Studios in Hamilton, Ontario. The producers: Brian and Daniel. The golden years. And now this: „Dream Logic“ is the kind of album critics will attest an „almost hallucinatoric“ quality – and they are right! One of the best albums of 2012 recurring on traditions where many others only offer cheap pastiche!

 

2) Jon Hassell: Power Spot

The only ECM opus with the direct involvement of Brian Eno, Eno/Lanois create another masterpiece! Dreamscapes made of electronica, minimalism, Asian and African influences.

 

3) David Darling: Cello

I knew Brian would love this solo-cello work, when I send it to him in the  early Nineties. Slow Music with cellos overlapping and delayed sounds. Drifting  in circles – and moving skywards!

 

4) Steve Tibbetts – Marc Anderson: Northern Song

Produced by ECM – mastermind Manfred Eicher within two days in Oslo. Guitar and percussion and a lot of silences that never sound sacred  – but always arresting! Tibbetts‘ fear: not enough notes. But then he remembered the  passion with which he has listened to Eno’s „Music for  Airports“ – and knew everything was okay!

 

5) Eleni Karainrou: Music for Films

Manfred Eicher chose the title as hommage to Eno’s „Music For Films“. When hearing the record, Eno fell in love with the textures, the melodies, the recurrimg themes.

 

6) Jon Hassell: Last Night The Moon Came …

Okay, Eno’s old friend again, this  time without Brian. But with Eivind Aarset and Jan Bang among others. See: number one! Amazing and endlessly subtle. Will not be continued, the Norwegian connection. Sad ending. Pasttime paradise. 

 

7) Arvo Pärt: Alina

Pärt at his most minimal, and that is to say something. Compare the spacious piano notes of these pieces that can easily be linked to his „tintinnabuli“ style, with those piano and keyboard figures Robert Wyatt plays on „Music for Airports“, or Roger Eno plays on „Thursday Afternoon“. „Alina“ is sparse, and some would even say simple, but it’s personal and human and at times nearly devastating.

 

8) Hans Otte: Buch der Klänge

The German composer of new classical piano music was tired of the loss of deep feeling in his scene. He changed that by creating this simple and profound music. Beautiful in a never-ending way!

 

9) Bill Connors: Swimming With A Hole In My Body

Lost gem of the late Seventies, solo guitar album with lots of space, and sounds floating; even the title and the cover are enoesque; Bill Connors was obviously tired of further following scientologist Chick Corea to the Seventh Galaxy!

 

10) Terje Rypdal: After The Rain

Very quiet solo work by Terje Rypdal. The guitarist even plays instruments he can not play very well – sounds like he used some „oblique strategies“ from  Brian’s game: „Honour thy errors as hidden intentions“.

 

P.S.: It may not be fair to call Heiner Goebbels‘ album „SHADOW / Landscape With Argonauts“ enoesque in the first place (for that you should listen to „Stifter’s Dinge“), but it was probably the ECM album that had the biggest influence on Brian Eno himself, concerning the way Goebbels uses 100 voices from the streets of Boston to make the reading of the dark prose of E. A. Poe a new and thrilling experience. So there are, without doubt, connections between „SHADOW“ and Eno’s exquisite work „Drums Between The Bells“ (2011)

“The title track was the beginning. People have asked me where the inspiration for the synthesizer loops on my albums comes from and I think I had an insight … My father used to be a dinghy sailor, and on we’d go out on a Wednesday evening on Saltash Passage – that’s the narrowest point between Devon and Cornwall – and from across the river there would be the sound of bell ringing practise at Saltash Church. As a kid, I loved the way the sound would echo across the water and all around the river valley. I would find myself inventing melodies as I listened to it. I’m pretty sure that’s where my fondness for the bell-like tonalities and repeating patterns of the synthesizer has its origin. So the composition ‘Saltash Bells’ recalls those evenings, with echoing bells, the river going by, gulls turning in the sky … It’s that kind of feeling. And it set a tone and direction for the album.“ (John Surman)

Wann hatte ich meine erste Begegnung mit der Musik von John Surman? Es war wohl sein frühes Soloalbum WESTERING HOME, nicht viel später sah ich ihn im Westfälischen Landesmuseum in Münster mit seinem furiosen Trio S.O.S (mit den großartigen Jazzveteranen Alan Skidmore und Mike Osborne). Schon sehr früh stieß er zur ECM-Familie, bestens erinnere ich mich an sein Album THE AMAZING ADVENTURES OF SIMON SIMON, mit Jack DeJohnette. Und dann stand er auf einmal mit dem Bassisten Barre Phillips auf einem weitläufigen Platz in Paris und improvisierte live, während die Kamera lief; der Regisseur Jacques Rivette ließ die Briten im Bild, schenkte ihnen die gleiche Aufmerksamkeit wie den handelnden Akteuren, die, typisch für den Altmeister der Nouvelle Vague, einigen Rätseln und Geheimnissen der französischen Metropole auf der Spur waren.

Später folgten etliche feine Alben, wobei seinen reinen Solowerken immer eine besondere Bedeutung zukam. Berühmt seine ROAD TO ST. IVES, die mich zu einer Cornwallreise inspirierte. Das ganze Album war nach Orten von Cornwall benannt, und einer dieser Plätze entpuppte sich als alter keltischer Steinhaufen: ringsherum war alles von den Bewohnern eines abbruchreifen Landhauses vollgemüllt, und in dieser tristen Szenerie konnte ich nur lauthals lachen, natürlich nicht über die Anwohner, sondern über dieses herrliche Durcheinander von Trash und Historie. Die haben das wohl missverstanden. Es war das einzige Mal in England, dass ich von einer Horde Betrunkener mit leeren Bierdosen beschmissen wurde, und statt tiefer Kontemplation das Weite suchen musste.


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