Manafonistas

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Category: Gute Musik

Jason Williamson hat die Schnauze voll. Kann man mit so einer Wut, und den Mund voller Wörter, grossartige Lieder machen? Ja, kann man. Sogar fettarme Lieder. In dem Song „Fizzy“ schnappt er sich einfach dieses Wort, „Fizzy“, zerbeisst es, zerkaut es, zerlegt es. Und dann, am Ende, haut er noch ein unübersetzbares letztes verächtliches Stöhnen raus, pure unheitere Emotion. (An dieser Stelle gilt es, kurz Einhalt zu gebieten. Leute, die meinen Musikgeschmack nur relativ oberflächlich kennen, würden nie denken, dass ich ein Loblied auf solche Songs singen würde. Sich von meiner Begeisterung anstecken zu lassen, geschieht also auf eigene Gefahr. Ausserdem sample ich hier viele Stellen einer Rezension aus dem Netz, deren Lesen und teilweises Übersetzen mir so viel Spass bereiteten wie das Schreiben für sich allein.) Geräuschmusik, Noise, ist das nicht. Wieso erscheint es also auf einem Label, „Harbinger Sound“, in dem Lärm, zerbrechendes Glas, und rabiates Feedbackgedröhne zum guten Ton zählen?! Weil „noise“ Interferenz ist, und „noise“ eine Kraft darstellt, die existierende Systeme aufbrechen und Erwartungen verstören kann. in dieser Hinsicht ist das erbarmungslose Duo aus Nottingham eben auch geräuschig. Jason Williamson wurde in Grantham geboren, und auch ohne Reiseführer zu befragen, gilt dieses Städtchen als die langweiligste Stadt Englands. Die sogenannte „eiserne Lady“, Maggy Thatcher, kam auch dort auf die Welt, auch das noch! Jahrelang hat sich der junge Jason in Bands getummelt, ohne seinen Ton zu finden. Dann, irgendwann, in einem „fucking studio“ in Nottingham, hat er seine Sprechwutgesänge über einen Metalltrack gelegt. Mit diesem schmutzigen Dialekt, mit lauter seltsamen Wörtern und Codes, die einem Outsider noch fremder vorkommen müssten als der abgedrehteste Graffiti in einer leblosen Industrieanlage. Zynismus, Verachtung, Verzweiflung brechen sich Bahn in seinen Liedern. Warum sollte man sich das antun? Weil der Humor so gut ist! Nach einer Weile gesellte sich Andrew Fearn zu diesen gesammelten schwarzhumorigen Wutattacken und half, den Songs einen feinen groben Schliff zu verpassen: minimale Elektronik, eine Extraidee für jeden Song, zweite Gesangsspur, und andere Details. „Austerity Dogs“ ist eine unglaubliche Schallplatte. Die Stücke gehen in einander über ohne die kürzeste Atempause, die Lieder sind so hart und schmucklos wie „Pink Flag“ von Wire, so trockenbassorientiert wie „Bass Culture“ von Linton Kwesi Johnson, die Atmosphäre ist so dicht, das sich Bass und Tamburin wie der bedrohlichste Klang auf Erden anhören. „I worked my dreams off for two bits of ravioli and a warm bottle of Smirnoff under a manager that doesn’t have a fucking clue.” Wäre „Sozialer Realismus“ nicht so ein abgefackelter Ausdruck, man könnte ihn hier bestens verwenden. Aber das lässt man besser. „Austerity Dogs“ ist ein Meisterwerk aus den dunklen Winkeln Englands. Fizzzzzzyyyyy. Fizyyyyyy. Fizzzzyyyyy.

 
 
 

 
 

(Im letzten Jahr war ich schon sehr angetan von diesem Duo, das so jenseits meiner vertrauten Vorlieben die Säge auspackte und blanken Sarkasmus verströmte. Jetzt, in der Juni-Ausgabe von MOJO, ist ihr neues Werk, eher eine Compilation älterer Tracks, zur Platte des Monats gekürt worden. Aber wirklich doof, dass ich nicht mitgekriegt habe, dass sie einen Tag vor unserem „legendären“ Stuttgarter Klassentreffen im Aachener Musikbunker auftraten, wo ich zuletzt Lamchop sah. Ich hätte sie so gerne gesehen. Fu**!)

 

 
 
 

Burnt Friedman loves this music, Elvis Costello loves this music, and Manafonistas might love it, too.

MAHMOUD AHMED — YALEM BAYTEWARNEGN (1974)
Mahmoud Records
Superb super-super-rare unplayed Ethiopian original vinyl in original sleeve.

Awesome vocals of Mahmoud Ahmed and the killer Dahlack Band.

Ahmed is one of the legendary figures of the Ethiopian music scene, who rose from being a shoe-shine boy to handyman at the Arizona Club, after-hours hangout of Haile Selassie’s classic Imperial Body Guard Band, where he got his first break as a singer. The Derg coup in 1974 led to the Ethiopian music going back underground after Selassie’s earlier easing of restrictions.

This Ethiopian record came out on Mahmoud Ahmed’s own label in 1974. It is very rare!

These records are the bomb! (So said Soul Jazz Records Headquarter, London)

… a small collection of extreme rare singles … every single  costed a little fortune and has doubled its value easily…sold out in a few hours….and one of these strange treasures are played in the next edition of „Klanghorizonte“ … (ideal fooder for Greg’s jukebox! the friend’s price: 40 english pounds! :)) – m.e.

Ich habe heute, zufällig, beim Stöbern, David Sylvian’s BLEMISH entdeckt, ich hatte die Cd schon lange nicht mehr gehört, und nun umso mehr Freude, herauszufinden, wie unverbraucht (und teilweise neu) diese Lieder in meinen Ohren klingen. Das erste Stück, 12 Minuten lang, öffnete mir eine Welt des Wunderns (wie man in der Trauer zum Entdecker wird, davon scheint es zu handeln). Das folgende Duo von Sylvians Gesang mit Baileys freiem Gitarrenspiel wirkte viel homogener als ich es in Erinnerung hatte, und bis zum Ende gab es kein Nachlassen. Später am Tag verfolgte mich eine ferne Erinnerung an eine Platte, die ich schon viel länger, vielleicht zwanzig Jahre, nicht mehr gehört habe, verloren irgendwann, keine Ahnung, und ich war auf einmal hungrig, die Musik zu hören, aufzusaugen, die Fragmente meiner Erinnerung, wahrlich flüchtig, legten in Sekunden das Puzzle an, desen Umrisse zumindest mein Unbewusstes rasch erahnte und mir  zuflüsterte: Seelennahrung, Michael. Ich habe sie mir sofort bestellt, aber werde sie erst Mitte November von einem obskuren amerikanischen Plattengeschäft bekommen: DON’T STAND ME DOWN, von Dexy’s Midnight Runners! Am selben Tag noch las ich in der neuen Dezemberausgabe von Uncut über grosse Singer/Songwriter-Alben und  die LOVE CHRONICLES  von Al Stewart, die  ich dann bei Spotify ausfindig machte. Der sanfte Barde (wir kennen sein YEAR OF THE CAT sicher besser) sang schon damals das Wort „fuck“ – kann in einem 18-Minuten-Song über fortlaufende Verluste und Desaster kaum ausbleiben, eigentlich:)

Es ist stets interessant, dem Barden Devendra Banhart gut zuzuhören, wenn er von Lieblingsplatten spricht. Man hört seinen Liedern unzählige Einflüsse an, und man tut ihm unrecht, ihn als ewigen Hippie in die Ecke sanfter esoterischer Songschmieden abzuschieben. Sein letztes Album, MALA, ist eines der besten. Verspielt und vertrackt. In Paris wäre er vor langer Zeit fast vor die Hunde gegangen, fand aber dort auch Musik, von der er behauptet, dass sie ihn gerettet habe. Hier nun das, was er zu zwei alten Jazzplatten erzählt, von Heroen, die aus ganz verschiedenen Welten stammen. (me)

 

„Ich entdeckte Sun Ra durch Andy Cabic von der Gruppe Vetiver. Er ist für mich sowas wie ein älterer Bruder und besitzt eine riesige Plattensammlung. Ich erinnere mich, wie ich in Andys Appartment sass, und er diese Platte auflegte. Die Coverkunst und jeder einzelne Song hauten mich um, jeder Song fühlte sich an wie eine Lektion. Die Musik aus dem Jahre 1967 ist gleichermassen Stoff fürs Hirn und metaphysisch, und brachte mich dazu, Sun Ra auch als Philosophen zu entdecken.“

 

 

„Jimmy Giuffre war ein amerikanischer Klarinettist und Saxofonspieler. Dies ist eine Art von Jazz, die ich besonders mag: langsam und minimalistisch, fast zufällig – wie „blue jazz“ – und in ihrer schrägen Art ist diese Aufnahme aus dem Jahr 1959 ihrer Zeit voraus. Ich mag Musik, die sich immerso anfühlt, als würde sie auseinanderfallen, wo das perkussive Element entweder ausgelöscht wurde oder in einem Raum 20 Blocks weiter hinten existiert.“

 
 

 

2013 25 Juni

„Help“ restored, on BluRay and DVD

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Hello, my name is Johnny Appleseed! Fun! That’s what’s in this package. No serious message, no brutal revelations; just fun, historic fun. From a time when the Beatles (and a whole generation) took themselves less seriously, HELP! provided the soundtrack to many of our lives and times. Ringo’s life is imperiled by an ancient sacrificial ring stuck on his finger. The ring makes him the target of a group of hilariously demented oriental mystics, who chase the boys from London to the Swiss Alps to the Bahamas. But wait! There’s more to this perfectly restored classic than meets the eye – namely an electrifying encoded Hi-Fi soundtrack, adding an unprecedented dimension to the original songs: HELP! „You’re Gonna Lose That Girl,“ „You’ve Got to Hide Your Love Away,“ „Ticket to Ride,“ „I Need You,“ „Another Girl“ and „The Night Before“. The visual execution of these songs is incredibly stylish – so just relax and experience this movie event, and let the memories of a lost era flood your mind! Best wishes from Mr. Appleseed!

To read them, you have to click on the photo! The record leads back to 1982. i always loved the cover of Steve Tibbetts‘ NORTHERN SONG, the rainy street, the blackness, the damaged paper. It was the only Tibbetts record Manfred Eicher has ever produced, in Oslo, during a long weekend. Doing something in real time, and using no overdubs, was a unique experience for the duo of Steve (with acoustic guitar, a kalimba, some tapes only), and Marc Anderson’s percussion instruments. NORTHERN SONG is a music full of holes, silences, pulses, and breath. Though you can call it meditative, it didn’t interfere with the terrible sweetness of that era’s „new age“ garbage. I never got bored by the breathtakingly concentrated execution of a silent state of mind. Hearing this, you have no Maharishi-disciple in mind, no hippies, who desparately want to share their spiritual messages. Nevertheless, it’s pure and simple and profound, on the ambient side of life. P.S.: There’s a subtle, nearly ethereal connection between NORTHERN SONG, MUSIC FOR AIRPORTS, and Dennis Johnson’s NOVEMBER.

Genau. These New Puritans zetteln eine bislang so noch nicht gehörte Musik an, die sich aus unzähligen Quellen der Klassik- und Popkultur speist, und dabei all jene Lügen straft, die Erneuerungen im weiten Feld des Art-Rock nur noch in Nuancen für möglich halten. Gerne wird für dieses an Traumszenarien erinnernde Werk Laughing Spirit und Spirit Of Eden als Inspiration angeführt. Das stimmt gewiss nicht, was den Sound betrifft, wohl aber, was die Radikalität der Mittel, und diese durchweg unwirklichen Stimmungen angeht, die alle Lieder auszeichnen. Natürlich nutzen TNP auch Strömungen der klassischen Avantgarde (und eine Prise Tubular Bells), und mit Henry Lowther wirkt ein Jazztrompeter mit, den einst auch Mark Hollis ins Studio lud. Doch damit hat es sich. Es braucht Zeit und Einfühlung, sich in diese Klangräume einzufinden, seltsam disparat wirken einzelne Elemente (ein fragmentierter Chor, ein verloren wirkendes Vibraphon, leise Murmelgesänge), doch dann geht irgendwann ein Licht auf, und der Hörer geht auf Erkundungsreise. Dabei handelt Field Of Reeds nicht von abstrakten Dingen, mit denen kühle Klangtheoretiker ihren Elfenbeinturm ausstaffieren, sondern um lauter existenzielle Angelegenheiten. Die hochgradig originäre Musiksprache verhindert jedoch, dass man auf den uralten Stoff (Liebe, Tod, Hoffnung, und all diese Habseligkeiten unseres Lebens) mit den üblichen popmusikalischen Konditionierungen oberflächlicher Anteilnahme reagiert. Hier werden neue Blickwinkel erprobt, alte Rezepturen ratzfatz abgeschafft. Der harte Schnitt. Zudem bewegt sich diese in jeder Hinsicht einmalige Musik in einem weitgehend melodiösen Raum, Dissonanzen sind nur spärlich, dann aber umso effektiver, eingestreut. Aber Vorsicht: anfängliche Befremdnis ist unvermeidlich! Unwiderstehlich geht anders, These New Puritans entziehen sich jedem geübten Zugriff.

2013 1 Mai

Radiohoerers CD Tipp

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CD des Monats: Aki Takase “My Ellington”. Mit der Post gekommen ( das Cd Abo bei Intakt Records !!!), läuft diese CD quasi “in der Rotation”.

Es ist einfach wunderbar zu hören, wie sich Aki Takase die Musik Duke Ellingtons zueigen gemacht hat. Das ist kein spielen der Standards, wie es üblicher Weise ist. Hier geht Aki in die Welt der Kompositionen von Duke hinein. Sie forschte wie sie funktionieren und was sie eigentlich ausmachen. Das besondere eben, wie es nur der Duke machte.

Sie setzte sich auch damit auseinander, wie der Duke selber am Klavier spielte, sein Reichtum an Varianten, Nuancen und seine unvergleichliche Eleganz. “Was nicht oft genug betont werden kann, ist Takases tiefes Gefühl auf My Ellington“, schreibt der amerikanische Journalist Bill Shoemaker in den Linernotes zur CD.

Seit ihren Duo-Arbeiten gefällt mir das Spiel von Aki Takase immer besser. Ihr Witz und ihre Spielfreude machen mir riesigen Spass. Auch der “New Blues” mit Eugene Chadbourne, Nils Wogram, Rudi Mahall und Paul Lovens ist eine reine Freude. Und nicht zu vergessen das fantastische Duo mit Han Bennink: “Two for Two”.

Also, entdeckt diese Pianistin für euch, es lohnt sich. Vergesst die Alten Meister nicht. Wo wäre der Jazz heute, ohne die Welt Duke Ellingtons!?

The best thing you can say about a long lost solo guitar album from 1968, is that you can, with cold blood, separate its soulfulness from the delight of discovery. This is not even an album for guitar nerds with a special knack for old time folkies. There is something on Don Bikoff’s CELESTIAL EXPLOSION that transcends the level of technical skills, studio wizardry (limited to some echo effects) and spiritual fashions of that era. Though the old liner notes heavily rely on celestial dimensions and spiritual awakening, the music is ideal stuff for the right and the left part of the brain. There is structural sharpness and, at the same time, emotional depth. Bill Meyer tells the whole story. (me)

Musically speaking, the 1960s is the age of the dinosaurs, and I’m not talking about dinosaur rock. It would seem that enough musicians deposited a record in the mud of commercial failure that we remain flush with black gold just waiting to be discovered, just as the compressed remains of countless generations of brontosauri sit beneath the ground, just waiting for some enterprising vandal to blast it into your gas tank or drinking water.

Don Bikoff’s sole LP Celestial Explosion is just the latest example. The Long Island-based acoustic guitarist recorded it in 1968, when he was just 20, for the long-extinct Keyboard Records. The record went the way of all non-viable species, appearing less and less often in cutout racks and used bins until the advent of internet-facilitated record trading rendered copies as rare as Passenger pigeon chicks.

But while the technology to raise up new dinosaurs from fossilized DNA is still a ways off, it’s possible to reanimate a record simply by mastering a new copy from old vinyl. That’s what’s been done with Celestial Explosion. While Bikoff never made another record, he’s still alive and well, spooking his grandkids with Skip James covers and playing the occasional gig at church fundraisers and motorcycle stores. He connected with Tompkins Square, a label that has undertaken the championing of new talents and rescuing undeservedly obscure older ones from out-of-print limbo.

Anyone yearning for more of the kind of music that filled that first Takoma sampler, Contemporary Guitar (they didn’t call it American Primitive back in the day), will likely be well pleased by Celestial Explosion. Like John Fahey, Harry Taussig and Max Ochs, Bikoff synthesized elements of blues and country to come up with powerfully evocative music. Bikoff is an unhurried picker, the better to let one hear the beauty that lies beyond the technique, and a fluid slide guitarist. Since he made the record in 1968, there’s a tinge of psychedelic seasoning, mostly judiciously applied echo. But what makes this record hold up after you get over the thrill of discovery is its unfussy soulfulness. Like so many in the Takoma stable, Bikoff made music that told stories encoded with personal significance. Hiding behind the Leslie effect on “Riverside Park Blues” is a walk down a path of reverie and yearning. “Bathing Prohibited In The River Styx” never oversells its winking premise, but it’s hard not to smile as it gently tugs at your leg. And a discordant lead makes “Today Has No Tomorrow” exude quiet, yet absolute trepidation, which is only partially ameliorated by the sweeter melodies that try to take a step back from the edge. Was he imagining a draft notice when he wrote it, or maybe a Dear John letter from his girlfriend? Whatever the inspiration, its music with feeling, and it’s good to feel it now. (Source: dustedmagazine, Bill Meyer)

1 PORPOISE MOUTH

Steven Spielbergs Filme sind in der Regel familienfreundlich. Vor vielen Jahren habe ich UNHEIMLICHE BEGEGNUNG DER DRITTEN ART im Kino gesehen. Dass Aliens durchaus freundlich gesonnene Galaxienbewohner sein können, war die etwas moralinsaure Botschaft des Films. Jetzt begegnete mir der Film wieder, in dem Francois Truffaut einen ernsthaften Sprachwissenschaftler in verdeckter Mission spielt, ich war allerdings zu müde, um mehr als die ersten fünfzehn Minuten zu sehen. Ganz in der Ferne sieht man einen rätselhaften Streifen. Eine Wolke? Eine Gebirgsformation? Bevor die Kamera die Irritation beseitigt, ist die eigene Wahrnehmung in Erklärungsnot: was um Himmels willen ist das? Auf jeden Fall fern und gefährlich, ein lockender Horizont.

Zunächst entdecken Forscher auf einem Schrottplatz in der mexikanischen Wüste Sonora die 1945 auf mysteriöse Weise im Bermudadreieck verschwundenen Flugzeuge des Flugs 19. Die Flugzeuge erweisen sich als unbeschädigt und funktionstüchtig. Der Besitzer des Schrottplatzes berichtet, die Sonne sei in der Nacht aufgegangen und sie habe zu ihm „gesungen“. Der Mann hat einen starken Sonnenbrand. Ich bin zu müde und wandle schlaftrunken ins Bett.

In der Nacht sitze ich im Cockpit eines alten Fliegers und erkenne in der Ferne eine schneebedeckte Gebirgsformation. Es ist tiefe Nacht, aber die Schneeschicht der Gipfelregion sendet ein seltsames Leuchten aus. Langsam nähere ich mich mit der Maschine dieser bizarren Bergwelt, als plötzlich ein heftiges Rumpeln mich erstarren lässt. Ich habe offensichtlich Entfernungen unterschätzt und einen schwarzen Ausläufer des Berges gerammt. Ich versuche, den Rückwärtsgang einzulegen, und habe grosse Angst, Heidenangst.

Die Maschine ist beschädigt, aber irgendwie gelingt mir eine Bruchlandung. Unangenehmes Motorengerassel, dann Totenstille. Keine Menschen. Nirgendwoland. Fuck, wo ist der CD-Player? Ich weiss genau, um nicht den Verstand zu verlieren, brauche ich jetzt gute Musik. Ich bin doch DJ, und kein Pilot. Ah, da ist der Player, ich fische eine Cd raus. Genau die richtige: ELECTRIC MUSIC FOR THE MIND AND BODY. Ich finde sofort „Porpoise Mouth“. Drehe laut auf. Ah, wunderbar! Fange an zu lachen, heftig zu lachen, und werde dabei wach. (Sie kennen vermutlich Träume, aus denen Sie erwachen, und sie lachen auch noch in den ersten Sekunden des Wachwerdens, während Sie realisieren, dass Sie geträumt haben.)

Ich kenne den Song erst seit einer Woche. Er stammt aus dem ersten Album von Country Joe & The Fish. 1967. Ich suche Informationen zu dem Lied und staune nicht schlecht, wenn ich daran denke, dass ausgerechnet dieser Song im Traum zu meinem ganz privaten Happy End beigetragen hat. Wusste mein Unbewusstes mehr als ich? Die ersten Zeilen lauten:

„The white ducks fly on past the sun, Their wings flash silver at the moon, While waters rush down the mountain tongue, My organs play a circus tune.“

Laut Landjohann (Country Joe), erfahre ich nun, beziehen sich die Verse u.a. auf seinen ersten LSD-Trip. Bruce Barthol bemerkt dazu: „Einiges an diesem Song ist der englischen Musik geschuldet. irgendwie bewegt sich das Lied in der Welt von „Greensleeves“.“ Und dann sagt er, ich möchte den Satz nicht übersetzen,

There was a thing about not sounding „where“ you were“.

 

2 ROCK YOUR DREAMS

Aber was brachte die Verbindung zwischen dem Spielberg-Film und dem Country-Joe-Song zustande? Neben dem „Tagesrest“, der gerne in die Träume fliesst? Nun, der Song beginnt mit einem immer höher werdenden Orgelsound, der unterschwellig den Soundtrack alter Science-Fiction-Filme suggeriert. (Es gibt Leute, die halten dieses Lied gar für die Verarbeitung einer UFO-Erfahrung.)

Zudem hatte Country Joe John Cages „A Year From Monday“ gelesen, und seine Gedanken zur Stille. In meinem Traum herrschte ja auch zeitweilig „Totenstille“. Und der Songschmied wollte in den ersten Sekunden des Liedes den Hörer ganz bewusst von der „Abwesenheit von Sound befreien“, mit einem unheimlichen Sound, der sehr wohl aus dem Nichts kommt, kurz etliche Umheimlichkeiten anklingen lässt, um dann in das herrliche Walzermotiv zu wechseln. Dass man in so kurzer Zeit von einem Schreckensszenario in eine Zone grosser Freiheit gelangen kann, ist ein Verdienst der Musik, und erklärt den anschliessenden Lachanfall im Traum. Was für eine Befreiung. Da drohte ja zuvor an allen Ecken und Enden ein Alptraum. Tiefe Nacht im Nirgendwo etc.

Traumdeutung war mein Lieblingsthema während meines Psychologiestudiums, und hier hatte ich das Gefühl, beim Lesen über den Song mehr und mehr zu einer Teildeutung zu gelangen. Eine Pointe kommt noch. Gary „Chicken“ Hirsh: „Der Song bringt mich zum Lachen, wenn ich ihn höre. Da ist etwas, was mich als Drummer glücklich macht. Eine Rockband, die von 3/4 in 6/8 wechselt, ist gross. Das ist meine Art von Rock’n’Roll.“

(Das Album ist kürzlich neu veröffentlicht worden, mit dem originalen Stereo- und Mono-Mix. Das Werk gilt als eine der ersten psychedelischen Rockplatten, es erschien sechs Wochen bevor der „summer of love“ eingeläutet wurde. Vor meinem Traum hatte ich keinen einzigen Blick in das Begleitheft geworfen.)


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