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2021 30 Sep
Manafonistas | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: recommended by JS | 3 Comments
2021 29 Sep
Martina Weber | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
Eine Zeile aus einem Kinderlied, der Refrain. Es ist eine Zauberformel aus dem Lied „Auf einem Baum ein Kuckuck“, das, wie Wikipedia weiß, zuerst 1838 in einer Sammlung von Volksliedern erschien. Ich schlug das Buch auf, las den Liedtext, und versuchte, die Melodie, wie ich sie kenne, singend hinzubekommen, bin aber aus der Übung. Der erschossene Kuckuck, der nach einem Jahr wieder da ist. Ein Fall von Magie, auch von Symbolkraft, aber in der dritten oder vierten Klasse haben wir darüber bestimmt nicht gesprochen. Der zweite, der wieder aufgetauchte Kuckuck wirft Fragen auf, auch die nach der Identität. Martina Bilke hat ihren dritten Roman nach diesem Lied betitelt: „Auf einem Baum der Kuckuck“. Die Frage nach der Identität steht hier im Zentrum. Inwieweit wird die Persönlichkeit eines Menschen durch Gene, Erfahrungen in der Familie, durch Erziehung geprägt und inwieweit durch das eigene Umfeld und den eigenen Willen? Die traditionsreiche nature-nurture-Debatte. Können wir ausbrechen, uns lösen? Martina Bilke konzentriert sich auf die Frage, wie es sich auf ihre Hauptfigur auswirkt, wenn sie etwas über eine Verwandte erfährt, was nicht nur ihr Bild von der nahe stehenden Person radikal verändert, sondern auch ihre eigene Selbsteinschätzung.
Ánaca ist 23 Jahre alt und dabei, ihr Studium abzuschließen. Sie lebt seit ihrem dritten Lebensjahr in Venezuela, sie ist Deutsche, zweisprachig bei der Großmutter aufgewachsen, glücklich verliebt. Der Plot wird nicht verraten. Der Roman ist atmosphärisch dicht, aus der Perspektive von Ánaca geschildert und doch mit diskreter Distanz, fein und klug komponiert, und schafft es bei mir nach ein paar Seiten, bis ich mich in die Perspektive eingefunden habe, einen Lesesog zu erzeugen.
In dem Roman steckt Sprengstoff. Es mag wichtige Gründe dafür geben, warum das Buch erst 24 Jahre nach der Handlung, die sich im Buch über einige Monate des Jahres 1996 erstreckt und in der Reflexion einen großen Sprung rückwärts macht, erscheint. Es werden Namen eingestreut, Orte, Titel wissenschaftlicher Bücher, die existieren. Eines der Bücher, die im Roman genannt werden, erschien im Jahr 1996, und könnte es wegen seiner eminenten Bedeutung für die Aufarbeitung eines Kapitels der Medizingeschichte auch in die kleine Bücherei eines Ortes namens „Himmelsteig“ geschafft haben. „Himmelsteig“ – eine kleine Gemeinde, die ich ohne zu zögern ins Baden-Württembergische Mittelgebirge verorten würde. Einen Bahnhof Himmelsteig, an dem Ánaca ausgestiegen hätte sein können, kennt das Internet jedoch nicht. „Himmelssteig“ mit zwei „s“ dagegen gibt es. Eine winzige Schraube, an der hier gedreht wird, vielleicht um Distanz zu schaffen. Letztlich spielen meine kleinen detektivischen Recherchen keine Rolle. Es hätte geschehen sein können, so oder ähnlich, hier oder da, mit diesem oder anderem Personal. „Auf einem Baum der Kuckuck“ ist Fiktion. Simsalabim. Oder, wie ein alter Indio im Roman in Kolumbien sagt: „Es gibt keine Zeit, Zeit ist nur im Kopf.“
2021 28 Sep
Olaf Westfeld | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Little Simz, Patiencen 2021 | Comments off
I love you / I hate you Orchester Kinderchöre Basslines Beats Fuck your blunts man I want my spliffs War „Grey Area“ vor zwei Jahren noch ein Hip-Hop-Album auf dem die Liebe zu dem Sound siebziger Jahre Soul und Funk Alben durchschimmerte ist dieses goldene Klangbild auf Little Simz neuen Album „Sometimes I Might Be Introvert“ tragendes Stilelement I bottle up and then spill it in verses/One day I’m wordless next day I’m a wordsmith Opulenz Wärme Harfen Diamonds Are Forever I was always the illest, there’s never been no cure (no medication) Bei den ersten beiden Hören war ich ein wenig enttäuscht I’ve been in my zone, movin’ lowkey in Berlin/ You can get the smoke nigga das ist kein Problem Das vorherige Album höre ich immer wieder gerne (seitdem ich es vor knapp zwei Jahren gekauft hatte, nach einem Hinweis von Ingo hier) die Erwartungen waren hoch, ich war vielleicht auch in Mäkelstimmung meine Ohren brauchten ein wenig um sich auf das Album einzustimmen I write words for a living and still can’t communicate Die pathetischen Interludes überzeugen mich immer noch nicht doch wabern immer wieder einzelne Textzeilen oder Melodien durch mein Bewusstsein und veranlassen mich das Album aufzulegen Is you a sperm donor or a dad to me Die erste und die letzte Plattenseite haben es mir jeweils besonders angetan all killers no fillers There ain’t no easy way out drownin’ internally/When you’re stuck in a ocean of doubt with all this uncertainity/Lived bein’ angry my whole life like it’s part of my DNA/I couldn‘t tell you why it became something that we embraced/Then we take the same anger and turn it into someone else’s pain/nothing’s changed here, the cycle still remains
2021 27 Sep
Jan Reetze | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Donald Fagen, Steely Dan | Comments off
Is it really seven years ago already that I had the pleasure to see Steely Dan on stage? My review says so.
Now they released a live album. Northeast Corridor.
The line-up is more or less the same as seven years ago — only Walter Becker is missing, of course. The album is dedicated to his memory.
Recorded at four different venues, probably in 2019, the Steely Dan Band, as it’s called now, played a sort of Greatest Hits set, from „Black Cow“ to „Reelin‘ In The Years“, even „Rikki Don’t Loose That Number“ is on the setlist, a track they didn’t want to play formerly. One song from the Everything Must Go album is presented live for the first time, „Things I Miss The Most“, „A Man Ain’t Supposed To Cry“, an old Frankie Laine number, which appears as track 12 here, was the last encore.
The musicians and singers, without exception, are superb. Even when Donald Fagen gets a bit into fights with the higher notes (he’s 73 now, so I think he’s allowed to), the four back-up singers stand in perfectly, you hardly notice how well they do it.
As you would expect from Steely Dan, the sound is absolutely first-class, the audience is audible but not mixed into the foreground, you can follow the overall sound as well as every single instrument, especially when using headphones. What else could you wish for!
But there’s more!
There’s also this:
The Steely Dan Band plays Donald’s full solo album The Nightfly from 1982. The sleeves don’t tell the recording dates, but it’s same band and same venues, and the sound tells me that it’s probably been a part of some of their 2019 shows. The vocals in „Maxine“ are left completely to the back-up singers which works beautifully.
These two albums — I think they belong together — could easily be my records of the year. Just fantastic!
Ich schaute durch die Schießscharte auf die Linden, auf Birken, Robinien, in das trübe Wasser des Burggrabens oder auf sich nähernde Attrappen von Menschen in Ritterrüstung. Ich erinnerte mich. Ich habe viele Sonntage meiner Kindheit auf Burgen im Odenwald oder im Pfälzer Wald verbracht, es waren Ausflüge, die meine Eltern mit Freunden meines Vaters und dessen Familien geplant hatte, Wanderungen durch herbstlich verfärbte Wälder mit Kindern, die ich nicht ausgesucht hatte, mit denen ich mich arrangieren musste. Es endete meist, etwas erschöpft, mit der Einkehr in ein Gasthaus, dann Rückreise, der Neckar zieht sich wie ein gerades Band dunkel neben der Straße entlang. Und ganz sicher war ich auch schon hier, sagte ich. Schandkorb, Eiserne Jungfrau, Streckbank, im Gewölbe des Kriminalmuseums, in dem man immer fror. Erinnerung an das Schaudern, das Gruseln, der leichte Druck im Bauchbereich, die Vision unabwendbarer staatlicher Gewalt, die die Atmosphäre evoziert, auch ohne die Geräte nochmal zu sehen. Die Sonne schien, wir gingen den Hochpfad an der Stadtmauer entlang, es war eine Einbahnstraße, ein Einbahnweg genauer gesagt, pandemiebedingt, aber andere hatten das Schild nicht wahrgenommen und so ging es dann doch in beide Richtungen. Es gab eine Unterbrechung des Hochwegs und eine Treppe hinunter. Und dort, zwischen Klingentor und Strafturm, erwartete uns, unter freiem Himmel, etwas überraschendes: eine Kunstausstellung.
Um die Kunst zu den Menschen zu bringen, hatten die „aktiven Mitglieder“ des Kunstkreises sich entschieden, ihre Arbeiten einen Sommer lang der Witterung auszusetzen und sie als Ausstellung an der Stadtmauer zu präsentieren. Das war das kulturelle Highlight meines Ausflugs nach Rothenburg ob der Tauber. Bedenkt man die Einwohnerzahl von 11273 (Stand 31.12.2020), ist die Dichte an bildnerisch künstlerisch Tätigen vermutlich sogar deutlich höher als die Dichte von Romanautoren in Berlin. Die Gemälde lassen den Rückschluss zu, dass im Kunstkreis viel über Theorie gesprochen wird. Alle Richtungen der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts sind vertreten: Collagen, ungegenständliche Farbflächen, in wilden schwarzroten Ornamenten verborgene halb illegale Anbandlungsgespräche, Landschaften, Stillleben, Reales, Irreales, Hilfloses, ein Triptychon, die Brooklyn Bridge, Malen nach Zahlen sogar vielleicht. Dies sind die zwei Bilder, deren Atmosphären mich am meisten berührt haben. (Zur Vergrößerung einfach anklicken.)
2021 26 Sep
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 2 Comments
Some months ago, Floating Points‘ album „Promises“ saw the light of day, and turned into one of my favourite albums of the year (after a solitary performance on Sylt’s Uwe Düne in lockdown). It got a lot of great reviews (which, per se, doesn‘t mean a thing, but some of them seemed to have a very fine look into the music). „Throughout its emotional 46 minutes, Promises stirs feelings that can be hard to name“, thus starts Mark Richardson’s 9.0 pitchfork review. On his blog, Richard Williams had a more ambivalent opinion, and every comment there was more on the sceptical side. New age, old-fashioned, losing the bite etc. I thought, well, there should be at least one who sings the praise when reading Richard’s thoughtful mini-essay and its echoes.
„Now a bit late, to be a vital part of the discussion but anyway: I belong to those who love this album from start to end. In the beginning, I didn‘t even want to listen to it: it seemed just a good marketing idea to bring together a legendary saxophone player, a rising star of electronica, and some elements of new classical music. But finally I listened to it. And was thrilled.
Nothing here is underwhelming in my ears. And I‘m a huge fan of Pharoah Sanders‘ TAUHID, and other Impulse stuff with his name. In the 70‘s John Coltrane‘s Live In Japan was a regular companion, with Pharoah, Alice, Rashied… that said, what these albums from the past and PROMISES have in common: I only want to listen to them as a whole, no bits and pieces, and they send me places. A record for special moods and occasions, for sure. Absolutely sublime, even on a Saturday night.“
2021 25 Sep
Lajla Nizinski | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 20 Comments
Was würdest du von einer Insel mitnehmen? Das Tolle an der deutschen Sprache ist, dass kleine Präpositionen eine ganze Meinung verwerfen können. Hier geht es nun um Naturveränderungen durch größtmöglichen Gewalteinfluss. Ich war aktuell zwei Tage auf La Palma. Als ich hinkam, gab es 8 „Münder“, heute sind es 11. Weitere werden folgen. Der Cumbre Vieja hat viel Gas angesammelt, die Magma findet keine Kammern, in die sie fließen kann, sie sucht ihren Weg nach draußen – die Folge sind diese Vulkanausbrüche mit den verheerenden Zerstörungen. Es ist einmalig, Zeuge dieses atemberaubenden Schauspiels zu sein, aber ich habe auch den naiven Wunsch, dass diese Bilder alles nur Aufnahmen aus Robert Emmerich‘s Katastrophenfilme sind. In veridad sind es rotglühende Lavamassen, die sich Wege suchen und alles niederwälzen. Zum Glück sind noch keine Menschen darunter.
Das Knallen der Gasexplosionen, der kilometerhohe Feuerschweif lösen bei den Bewohnern Ängste und Nervosität aus. In El Paso, dem noch nicht evakuierten Ort, wo ich zwei Tage verbringe, läuft das Leben nur vordergründig normal ab. Achtet man auf die Leuchttafeln, die mitten im Ort funkeln, weiß man, dass hier Alarm angezeigt ist. Es gibt Anleitungen zum Verhalten der Einwohner, sollte das Lavamonster auch dieses „Pueblo“ erreichen. Von einer Bar aus kann ich beobachten, wie übervoll beladene Pickups schwankend vorbeifahren, kleine Busse mit Evakuierten, die nur zwei Stunden hatten, sich von ihrem Hab und Gut zu trennen und jetzt zum Fußballstadion gebracht werden, zur ersten Verteilung. Ich sehe uniformierte Guardia civil, die Tiere schultern, sie versuchen, einfach alles zu retten. Die sehr Alten und Behinderten waren schon vor dem Vulkanausbruch in Sicherheit gebracht worden.
Ich stehe in sicherer 2 km Entfernung von der lodernden Feuerfontäne, filme und knipse. Ich weiß, dass der jüngste Vulkan auf El Hierro 100000 Jahre alt ist. Hier bin ich nun Taufpate eines neuen Vulkans, der Millionen Jahre alt werden wird. Was für ein grandioses, einmaliges Lebensereignis für mich. Wie jung ich bin 😀 Ich denke aber auch an Adorno‘ s Satz: die Natur ist feindlich und an Paul Virilio, der in „Fahrn, Fahrn, Fahrn“ so schön den Urkontakt von Fuß zu Boden beschreibt. Das ist hier, wo sich eine scheußliche rotgetränkte Feuermasse vorwärts wälzt, unvorstellbar geworden.
Ich gehe mit Asche bedeckt zurück in die einzige Bar, trinke ein Dorada Bier und denke an Deutschland, das ein Jahr in der Pandemie gebraucht hat, die Schulen wieder zu öffnen. Hier nahebei wurde eine Schule zerstört, Tags drauf waren Schulspots für die Schüler eingerichtet. Ich höre von Juristen, die Vorort gekommen sind, um den Evakuierten bei den ersten Versicherungs- und Hilfsanträgen beizustehen. Und im Ahrtal?
Es gibt viele Ferienhausbesitzer aus dem In- und Ausland, die selbstverständlich ihre Domizile den Evakuierten zur Verfügung stellen. Ich bewundere die hervorragende Organisation, die unmittelbare Hilfe und Solidarität. Ich konnte noch aufgrund von viel Geschick, Freundlichkeit und unbürokratischer Erfindungslogistik der Airlineangestellten mit einem kleinen Flugzeug rüber nach Teneriffa fliegen. Auf meinem Balkon auf El Hierro war die Asche schon vor mir angekommen.
Mana-Eintrag, 30. Oktober 2012. Ich wurde nach Mitternacht wach, und statt mich auf die andere Seite zu drehen, oder die wirren Fäden eines Traums zusammen zu fügen, legte ich die beiden Cds des Doppelalbums MAGICO – CARTA DE AMOR auf, das Trio Garbarek – Gismonti – Haden im Amerikahaus, München, 1981. Allein im Haus, verzichtete ich auf die Sittsamkeit der Zimmerlautstärke und liess die Musik so laut erschallen, wie sie damals wohl glücklichen Hörern zu Ohren gekommen sein muss. So viele Jahre liegen zwischen damals und heute, ohne dass irgendwas an diesem Mitschnitt gediegen, in die Jahre gekommen oder sonstwie museal erscheint. Auch die beliebte Rede von „feinen kammermusikalischem Jazz“ oder „weltmusikalischem Horizont“ straft die Intensität dieser Musik Lügen. Selbst wer die zwei Studioaufnahmen des Trios, MAGICO umd FOLK SONGS, kennt, wird hier aus der Verblüffung kaum heraus finden. Und eine Live-Aufnahme aus dem Jahre 1981 kann, denke ich, kaum besser klingen. In dieser Nacht war der intensivste Traum dem Wachsein vorbehalten.
Michael wrote: This is purely „magico“. I listened to it some nights ago, very late in the night, and I could afford to play it loud, on a great sound system. 31 years old, and it sounds fantastic! How do you call it: „world chamber jazz“? Doesn’t matter. This music is so relaxed and intense at the same time, my goodness! How can one bury such a treasure for such a long time! Well, John, old companero of Kristiansand, my enthusiasm for this live document might even surpass your surprisingly cool praise:)
John Kelman wrote: I wouldn’t say my praise is cool…I love the disc….I just don’t get particularly effusive, rat her, I describe the music and let readers make up their own minds.But you are absolutely correct; this is magical stuff, and I can only hope there’s more archival material that might see the light of day from ECM.
Henning Bolte wrote: I’d say: Jan is the magic piper here … (although it’s out of past)
2021 25 Sep
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
In der wunderbaren Serie „Nine Perfect Strangers“, die einige Leser dieser Zeilen sicher nicht so wundervoll finden wie ich, gibt es eine herrliche Stelle, in der eine Protagonistin sagt: „Ich weiss, wie das hier läuft. Ich bin mit amerikanischen Serien aufgewachsen“. Die beiden Barden Stevens und De Augustine haben sich im Lockdown eine Weile zurückgezogen von der Welt, wie Millionen und Millionen andere Menschen auch, und sich ausgewählte Kinofilme angeschaut, Klassiker zumeist, wie Millionen andere auch. Am jeweils nächsten Tag haben sie dann allerdings Songs entwickelt, die von ihren Filmerlebnissen beflügelt waren. Ob „All About Eve“ oder „Night Of The Living Dead“ oder „Point Break“ oder „Taxi Driver“. Daraus entstand eine verblüffend herzensoffene Sammlung von Songs, die ein wenig an Sufjan Stevens‘ allerfeinste Weihnachtslieder erinnert (hier werden wieder ein paar Leser stöhnen), und überhaupt an Kammer-Folk der innigen Art. Keine intelektuellen Scharaden, vielmehr Ausschau nach einer Funkensammlung Hoffnung in einer Welt, die mehr denn je an ihrem eigenen Untergang werkelt. Es wäre dreist und weltfremd, wäre es nicht, auf eine besondere und leise Art, ziemlich betörend. Ich empfehle erstmal, die lyrics auf sich wirken zu lassen, dann gehen die Lieder gleich eine Etage tiefer! (Ein wenig Haschisch begleitete mich durch den Nachmittag, aber mein Urteil würde auch stocknüchtern, sagen wir, in einem calvinistischen Geisteszustand, sehr positiv ausfallen. „Amid a clouds of ganja smoke, my thoughts were allowed to settle and flourish.“ Ich vergass, den Titel des Albums zu erwähnen: „A Beginner‘s Mind“. Damit bin ich fast schon wieder bei Donovan gelandet, und bei „Nine Perfect Strangers“.)
2021 25 Sep
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
Zwei Meter waren es wohl, abwärts, harter Aufprall, abends um 23 Uhr vielleicht, nah an den Triberger Wasserfällen. Das Rauschen in den Ohren verdoppelte sich erstmal. Das Glück, ein anderer Nachtspaziergänger, der mich wachrüttelte, als ich benommen an einem Abgrund lag, der den Namen Abgrund wohl verdient hat. Statt einer Nacht im 4-Sterne-Hotel meines Vertrauens, eine Fahrt ins Krankenhaus, eine Röntgenaufnahme, nichts ist gebrochen, nur verstaucht. – Sie haben grosses Glück gehabt, Herr Engelbrecht! Über Nacht also dortgeblieben zur Sicherheit, wegen des Brummschädels, und heute morgen mit besten Wünschen entlassen. Aber weiter als zum Obstgarten des Hotels zieht es mich nun nicht. Ich konnte schon Post beantworten, von Jan und Richard. Alle Symphonien von Gustav Mahler, Jan, ist das nicht eine Überdosis?! Mein privater Weltrekord bleibt bestehen, ich habe mir noch nie etwas gebrochen. Ich summiere die guten Dinge: die unheimliche Freundlichkeit des Personals, im Hotel, auch die betörende Nachtschwester (wow, dieses Antlitz im Neon, alle Geschenke des Himmels sind irdischer Natur!), die äusserst bequeme Liege, die Kunst von Donovan, jedes Kapitel seiner Lebensgeschichte mit einem unter die Haut gehenden, „blue moment“ abzuschliessen (mentale Notiz: in meinen letzten Klanghorizonten einen Donovan-Song spielen, und einen von der Incredible String Band!) Allmählich addieren sich die Taxifahrten. Es dauert noch bis zum 14. Oktober, bis ich meinen Führerschein zurück erhalte – bin zweimal auf lächerlichen Niemandsstrassen nur halb so schnell wie der Blitz gewesen, und lerne nun die Freuden anderer Transportmittel kennen. Übermorgen dann zurück in die zweite Heimat, Die Grünen wurden schon per Briefwahl gewählt, die Nachtwanderung auf Sylt, am ältesten Kliff dort, vor Monaten, meine Stunde mit Jon Hassell aus dem Lautsprecher, in tatsächlich mondheller Nacht, war eindeutig das etwas feinsinnigere Abenteuer. Und bitte keine Genesungswünsche, das war mehr Slapstick als Trauma.