Was würdest du von einer Insel mitnehmen? Das Tolle an der deutschen Sprache ist, dass kleine Präpositionen eine ganze Meinung verwerfen können. Hier geht es nun um Naturveränderungen durch größtmöglichen Gewalteinfluss. Ich war aktuell zwei Tage auf La Palma. Als ich hinkam, gab es 8 „Münder“, heute sind es 11. Weitere werden folgen. Der Cumbre Vieja hat viel Gas angesammelt, die Magma findet keine Kammern, in die sie fließen kann, sie sucht ihren Weg nach draußen – die Folge sind diese Vulkanausbrüche mit den verheerenden Zerstörungen. Es ist einmalig, Zeuge dieses atemberaubenden Schauspiels zu sein, aber ich habe auch den naiven Wunsch, dass diese Bilder alles nur Aufnahmen aus Robert Emmerich‘s Katastrophenfilme sind. In veridad sind es rotglühende Lavamassen, die sich Wege suchen und alles niederwälzen. Zum Glück sind noch keine Menschen darunter.
Das Knallen der Gasexplosionen, der kilometerhohe Feuerschweif lösen bei den Bewohnern Ängste und Nervosität aus. In El Paso, dem noch nicht evakuierten Ort, wo ich zwei Tage verbringe, läuft das Leben nur vordergründig normal ab. Achtet man auf die Leuchttafeln, die mitten im Ort funkeln, weiß man, dass hier Alarm angezeigt ist. Es gibt Anleitungen zum Verhalten der Einwohner, sollte das Lavamonster auch dieses „Pueblo“ erreichen. Von einer Bar aus kann ich beobachten, wie übervoll beladene Pickups schwankend vorbeifahren, kleine Busse mit Evakuierten, die nur zwei Stunden hatten, sich von ihrem Hab und Gut zu trennen und jetzt zum Fußballstadion gebracht werden, zur ersten Verteilung. Ich sehe uniformierte Guardia civil, die Tiere schultern, sie versuchen, einfach alles zu retten. Die sehr Alten und Behinderten waren schon vor dem Vulkanausbruch in Sicherheit gebracht worden.
Ich stehe in sicherer 2 km Entfernung von der lodernden Feuerfontäne, filme und knipse. Ich weiß, dass der jüngste Vulkan auf El Hierro 100000 Jahre alt ist. Hier bin ich nun Taufpate eines neuen Vulkans, der Millionen Jahre alt werden wird. Was für ein grandioses, einmaliges Lebensereignis für mich. Wie jung ich bin 😀 Ich denke aber auch an Adorno‘ s Satz: die Natur ist feindlich und an Paul Virilio, der in „Fahrn, Fahrn, Fahrn“ so schön den Urkontakt von Fuß zu Boden beschreibt. Das ist hier, wo sich eine scheußliche rotgetränkte Feuermasse vorwärts wälzt, unvorstellbar geworden.
Ich gehe mit Asche bedeckt zurück in die einzige Bar, trinke ein Dorada Bier und denke an Deutschland, das ein Jahr in der Pandemie gebraucht hat, die Schulen wieder zu öffnen. Hier nahebei wurde eine Schule zerstört, Tags drauf waren Schulspots für die Schüler eingerichtet. Ich höre von Juristen, die Vorort gekommen sind, um den Evakuierten bei den ersten Versicherungs- und Hilfsanträgen beizustehen. Und im Ahrtal?
Es gibt viele Ferienhausbesitzer aus dem In- und Ausland, die selbstverständlich ihre Domizile den Evakuierten zur Verfügung stellen. Ich bewundere die hervorragende Organisation, die unmittelbare Hilfe und Solidarität. Ich konnte noch aufgrund von viel Geschick, Freundlichkeit und unbürokratischer Erfindungslogistik der Airlineangestellten mit einem kleinen Flugzeug rüber nach Teneriffa fliegen. Auf meinem Balkon auf El Hierro war die Asche schon vor mir angekommen.