Manafonistas

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Archives: Juli 2021

Der neue Band mit Graphic Novels von Adrian Tomine, „The Loneliness of the long-Distance Cartonist“, kommt im schwarzen Umschlag und mit Gummiband äußerlich wie ein Moleskine-Notizbuch daher. Auf der Vorderseite eine Skizze mit einem Selbstportrait des Künstlers am Zeichentisch, im Seitenprofil, er hält inne, schwitzt. Von welcher Art Einsamkeit handelt dieses Buch? Die Zeichnung suggeriert, es ginge um den kreativen Prozess an sich, vielleicht Themenfindung und Technik? Das ist aber nicht so. Adrian Tomine beschreibt in knapp zwei Dutzend Kapiteln Episoden aus seinem Leben, die er ohne seinen Beruf als Künstler nicht erlebt hätte – chronologisch geordnet von 1995 bis 2018 und mit Ortsnamen. Vorangestellt ist eine vielsagende Geschichte aus Fresno aus dem Jahr 1982. Der achtjährige Adrian kommt in eine neue Schule und soll sich vorstellen. Nach Hobbys gefragt steigert er sich in seine Comicleidenschaft hinein, wird ausgelacht, gemobbt und isoliert. Hier zeigen sich Eigenschaften Tomines, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichten des Buches ziehen: Er ist ein Nerd, verbissen und rechthaberisch, leicht cholerisch, aber auch sensibel, intelligent und reflexiv und er ist lernfähig. Die Geschichten des Erwachsenen handeln von Comic-Messen, Lesungen, Interviews, einem privaten Treffen mit etablierten Comicautoren, der Hoffnung auf Preise, einem Comic-Kurs für Kinder, einem Stalker oder einem Fan in einer Pizzeria, der Adrian Tomines Familie Nutellapizza spendiert, sie dann aber bezahlt haben will. Ganz gleich, ob die Geschichten tatsächlich so erlebt wurden oder nicht: Sie wirken glaubhaft und authentisch. Einmal sitzt Adrian Tomine mit seiner Frau in einem japanischen Restaurant und direkt neben den beiden sitzen ein Mann und eine Frau, die sich über Tomines Buch Summer Blonde unterhalten. Der Mann kritisiert nicht nur die Struktur der Geschichten (leider auf eine ziemlich intelligente Art, wie Tomine einräumen muss) sondern beleidigt auch die Frau, die ihm das Buch geliehen hat. In der ersten Geschichte, San Diego 1995, erhalten wir Einblicke in den Comicbetrieb. Auf einem Fest wirft jemand Adrian Tomine vor, er sei in seinen frühen Arbeiten gut gewesen, hätte dann aber den realistischen Stil von Daniel Clowes nachgemacht. Ein weiterer roter Faden betrifft eine Frage, die ich mir stelle, seit ich Adrian Tomines Werk entdeckt habe. Wie spricht man seinen Nachnamen korrekt aus? Für Tomine, der aus dem asiatischen Raum stammt, ist das ein ernsthaftes Problem. Auf einer Nennung der Nominierten plus Preisverleihung in San Diego (1996) weigert sich der Moderator Frank Miller, Tomines Nachnamen als Nominierten auch nur zu äußern. „Pink Frosting by … Adrian … I´m not even gonna try to pronounce that one.” – Lachen im Publikum. Der Moderator einer Lesung in Toronto (2004) hat es genau aufgeschrieben: Toe – Mih- Nay! Die soziale Einsamkeit verschwindet, als Tomine seine spätere Frau kennenlernt und eine Familie gründet. Als Single hätte er sich geweigert, die aufgedrängte Nutellapizza zu bezahlen, zumal jeder Tomine-Fan von Tomines Nahrungsmittelallergien weiß. Als Familienvater zögert er, blickt auf seine Frau und die beiden Mädchen, gibt dem Restaurantangestellten die Hand und bedankt sich.

 

Ab und zu kommen mir kleine Lese- und Filmempfehlungen zu, von guten Bekannten, die wissen, dass ich lieber einen Liam Neeson-Actionfilm sehe als einen Problemfilm mit hölzernen Dialogen und dem Gewicht der Welt hinter jeder Gardine. Abends zum Abhängen. Die Kumpels wissen auch, dass kluge Hunde jedem Film förderlich sind. Also, „Honest Thief“ war richtig was fürs Herz, und spannend. Und ein cooler Hund kam auch darin vor, oder, besser, ein empathischer Hund. Am besten sind coole und empathische Hunde. Liam spielt darin den „In & Out“-Banditen, eine tolle Liebesgeschichte ist auch noch dabei. Nicht so ein Quatsch mit Bindungsängsten. Vielleicht kennt ihr „The Art of Racing In The Rain“. Ein Hunderoman von Garth Stein, mit Tiefgang und hohem Flauschfaktor Die Hauptrolle wird von einem philosophischen Hund besetzt, der manche meiner damals im Proseminar hockenden Kommilitonen ziemlich alt aussehen lassen würde – jedenfalls ein ganz feiner Schmöker. Schon anspruchsvoll, wenn man nicht zu anspruchsvoll ist. Manche Menschen, die sich als sehr anspruchsvoll begreifen, haben meist einen an der Waffel. Paul Auster hat auch mal einen feinen Hunderoman geschrieben, der kam in der seriösen Literaturkritik nicht so gut an wie bei mir. Paul Auster konnte unfassbar langweilige Schinken schreiben, aber der mit dem Hund war einer der besseren. Aber was schweife ich nur ab. Es ist mal wieder Zeit für Laurie Andersons Hundefilm. Als Lesestoff habe ich zwei Romane mit dabei: „Der Nachtstimmer“ von Maarten t Hart, und „Der Hochsitz“ von Max Annas. Der erste spielt in den Achtziger Jahren in einer kleinen Hafenstadt, der andere 1978 in der Eifel, ein kleines Kaff, Sanne und Ulrike haben Osterferien. Die Koffer sind bald gepackt, für die Reise von Hinterland zu Hinterland.

Wie immer, gibt es auch heute mehr als einen Blumenstrauss zu gewinnen, nämlich die neue, vielgerühmte, und beeindruckende CD von Alice Coltrane, das später im Herbst erscheinende Soloalbum von Damon Albarn, und die kommende neue Arbeit von und mit Brian Eno. Ob das Eno-Teil 2021 oder erst im folgenden  Jahr  erscheinen wird, ist unklar. Der Gewinner dieses Musikrätsels erhält also sage und schreibe dreimal Post. Hier die vier Fragen. Alle vier müssen richtig beantwortet werden, der Rechtsweg ist eingeschlossen. Sollte innerhalb der kommenden Tage bis zum 7. August, 21.00 Uhr abends, kein Quizfuchs (keine Quizfüchsin) das Rennen  machen, wird der zum Sieger erklärt, der drei der vier Fragen als erster richtig beantwortet. Details im ersten Kommentar. Natürlich dürfen auch alle Manafonisten teilnehmen. 

 

1) Die Kinder von Künstlern der Rock- und Pophistorie haben das Leben ihrer berühmten Mütter oder Väter oft hautnah miterlebt, inclusive mancher Schattenseiten. Seit der zweiten Hälfe des 19. Jahrhunderts hat sich ein Name eingebürgert für etwas, das unserem alten Sofa sehr nahekommt. Es gilt als Sitz- und Liegemöbel für eine Person. Nun ist eine Lebensgeschichte in Buchform erschienen, die genauso heisst wie dieses Mobiliar, geschrieben von einem dieser Künstlersöhne, der später selbst Songschreiber wurden. Wie heisst das Buch, und wie der Künstler, der tatsächlich eine sehr bewegende Geschichte zu erzählen hat? 

 

2) Wie heisst der Musiker, dessen Album aus den Veröffentlichungs-Zeitraum 2020 und 2021, neben Eigenkompositionen auch drei Fremdkompositionen enthält, und zwar – was für eine Kombination – von Johann Sebastian Bach, The Doors, und Carla Bley? 

 

3) In der deutschen Jazzgeschichte gibt es eine witzige Ankedote. Auf einem Konzert, besonderen Umständen geschuldet, erhielt die Gruppe von Gary Burton den längsten Applaus seit Beginn der Konzertberichterstattung. Und wir reden hier nicht von zehn Minuten. Wo ereignete sich dieser Vorfall?

 

4) An einen kühlen Oktoberabend im Jahr 1974 führte die Polizei eine Razzia im Carib Club am Cricklewood Broadway durch, wo der Künstler, um den es  hier geht, mit seinem Sufferer’s HiFi Soundsystem auftrat. Die Gemüter erhitzten sich, es kam zu einer Schlägerei – die nichts mit unserem fraglichen Reggaemann zu tun hatte – aber am nächsten Tag wurde er wegen Anstiftung zu einer Schlägerei angeklagt. Am Ende verbrachte er sechs Monate einer dreijährigen Haftstrafe in Wormwood Scrubs, bevor seine Verurteilung aufgehoben wurde. Ein Beispiel für den widerlichen Rassismus, der im England der 60er und 70er Jahre gang an der Tagesordnung war, und an den der Regisseur Steve McQueen in seiner grossartigen Reihe „Small Axe“ mit fünf Spielfilmen erinnert. Um wen handelt es sich in dieser wahren Geschichte?

 

AND THE WINNER IS – INGO J. BIERMANN, one of two who knew all four answers: 1) Baxter Dury: Chaiselongue / 2) Marcin Wasilewski (erscheint im September 2021) / 3) Balver Höhle / 4) Dennis Bovell (u.a. Produzent grossartiger Linton Kwesi Johnson-Alben)

 

 

Tatsächlich ist damals der Rummel um Billie Eilishs ersten Wurf komplett an mir vorübergegangen, und ich bin auch in einem Alter, in dem einem das, was exaltierten Teenagern durch den Kopf geht, und dann Musik wird, tendenzell schnuppe ist. Aber dann hörte ich das Ding mal in Ruhe, was im Titel schon mal die spannende Frage stellte, wohin wir gehen, wenn wir träumen – und war sehr beeindruckt. Nicht gönnerhaft beeindruckt. Ich musste öfter schmunzeln, aber das war schon cooler heisser Scheiss. Und nun bin ich, nach der ersten Session mit „Happier Than Ever“, noch etwas beeindruckter. Seltsam eindringlich, und authentisch (echt jetzt, ich sage, „authentisch“, ich sage „organisch ausgereift“). Und ein Vergnügen, es durchzuhören. Ein absoluter Kopfhörer-Trip. Ein Wahnsinns-Kopfhörer-Trip (wie Nova Materias Reise durch die Ruinen am Rande eines Dschungels).


And, besides, hoppla-hoo-hoo: this is music for grown-ups, too.


“Things I once enjoyed / Just keep me employed now / Things I’m longing for / Someday, I’ll be bored of / It’s so weird / That we care so much until we don’t.”

 

Es hat diesen aalglatten Bossa-Nova-Stil, der sowohl Stil als auch Substanz hat. Eine langsam brennende psychedelische Atmosphäre schleicht umher. Zusammen mit der hervorragenden Produktion und Eilishs fantastischer Gesangsarbeit ist das einfach ein gefährlich perfektes Album, ein  intimes Projekt, das die knallige, ängstliche Teenager-Attitüde des Debuts eintauscht gegen eine düstere und konzentrierte Sammlung von Songs. Immer noch hypereklektisch und doch ein raffiniert eigenständiges Album. Hier und da richtet es sich Billie mit ihrem Produzenten-Bruder durchaus etwas zu behaglich in diversen Gesten der Innerlichkeit und Soundspielereien ein, aber das ist auch ein Angebot für den Hörer, es bei Scotch und Candlelight zu hören, (oder nach zwanzig Corona-Schnelltests an einem Swimmingpool in Gran Canaria), in bester Nachbarschaft von Joao Gilberto und den neuesten Streichen von Lambchop und Lana del Ray, die mich dann doch noch etwa tiefer berühren. Und, ähem, sie ist immer noch Teenager. Nennen wir es das „Rimbaud-Phänomen“. Möge ihre Kerze nicht an beiden Enden brennen. Der erste Song heisst „Getting Older“. Kennen wir alle, woll!? Four stars.

 

Music, for me, has always been a mountain railroad; erratic, often lonely, beautiful, unexpected, moving to its own strange time table. Many are the hours I’ve waited for a train; many are the trips I’ve taken. Dan’s record is one of the stops along the way. „Nobody’s Fool“ is exactly what a Dan Penn record should be – uneven, unexpected, funky, strange, cocky, defiant. It contains everything a southern soul classic should – country, funk, gospel, blues and soul. We put ‚If Love Was Money‘ on the first Country Got Soul compilation. My favourite moments are the quiet ones though, like „Ain’t No Love“ and „Time“. Songs where Dan stops his strutting and lets his guard down. Dan was always one of the great Southern Soul songwriters, and nobody sings a Dan Penn song better than Dan Penn.

(Jebloy Nichols)

 

Some nights ago, when I was tired for many interesting reasons I stumbled to the next floor, and lit a candle. I was so exhausted that I could imagine to be the first man standing asleep. The house was empty, the neighbours were gone. I had the idea that it would be fantastic to listen to an album from old days I’ve never heard. An album that I didn’t even know existed before I read a review. I somehow felt that it would be the album to make my night, with full volume.

Two options: I would sleep away during the first song, the needle running on empty till the morning comes. Or my senses would sharpen again. When I started  listening, a ghost was knocking on the balcony’s door. I let her in, and she took a shower. She was the girl I had loved a long time ago. The year the record came out. She’s long gone, but ghosts even make sandwiches in the middle of a dream.

It’s a short record indeed, Spooner Oldham on keyboards (yes, he‘s on the new Mountain Goats album, too). The singer, a crooner, „Southern style“. Every song hit me like a Zen teacher’s beat on the head of his pupils. The lyrics were strange and thrilled me. The ghost was offering some psychedlic pills, and I kindly rejected the offer. I was in a psychedelic mood anyway. I tried to catch some note mid-air. Free falling. The review writer said this fucking great album would be on par with short masterpieces, like „Pink Moon“, I forgot the other ones. Don’t streamline  the music by calling it country soul.

Under the surface this long-lost record is a treasure hunt, a series of chasing severely damaged dreams. The music flooded my body with ease and sent me rusty places. Old days‘ bars in Memphis, where heaven is a painting in the restroom, the parking lot a burying ground. Speaking of the blues: the ghost was long gone when the last song took its last breath. She waved a cold and drugged hand leaving the smell of burned mushrooms.

 

 

 

Ich kann „From Blossoms“ auswendig, und einmal trug ich es live vor, im Tranquil Club in Dortmund, in dem Monat, als die Berliner Mauer sich in eine Million Souvenirs auflöste (1989, für die Jüngeren unter euch), und hinterher fragte man mich nach einer Übersetzung, aber ich hatte keine, und konnte mir auch keine gute vorstellen, bei der letzten Strophe geriet ich schon damals regelmässig in einen dezenten Sinnesrausch – und ich kann sowieso nur drei Gedichte auswendig, und eines ist eben das von Li-Young Lee, und nur diesen einen Song da von Neil Young, „Tell Me Why“ (sonst bin ich nicht so gut im Mitsingen).

 

2021 28 Jul

Als wir wieder Surrealisten wurden

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Laura Marling ist auf dem zweiten „Lump“-Album, „Animal“ betitelt, noch etwas mehr im Tunng-Universum des kongenialen Fährtenlegers Mike Lindsay angekommen.  Dass sie sich gut mit Psychoanalyse auskennt, ist kein Geheimnis, und diese Songs hier könnten frei fliessenden Couch-Fantasien ohne Über-Ich-Einmischungen entsprungen sein. Laura weiss, wie gut es tut, die strengen Zügel schleifen zu lassen, die ihre Songschmiede, aller literarischen Eleganz zum Trotz, reichlich mit sich bringt. So treten die Texte in ein gebrochenes Licht, binden im Funkenflug Heiterkeit und Tiefe. „Thick blooded hedonist / seduced by what we cannot resist“. Es heisst auch: Surrealismus. Neu entdeckte Kreaturen lauern meist am unscheinbaren Ende des Lebenswunderspektrums: Seepocken, Motten, Lungenfische. Es gibt modulare Moogs und Klarinette, Post-Punk-Chill, und eine Girl-Group, die aus lauter John Carpenters besteht. Herrliche Verrückungen! 

 

Don Cherry Swedish TV Documentary 1978


This TV documentary was made for Swedish TV in 1978 and follows the Cherry family between Sweden and the streets of New York. Don can be seen setting up jams in classrooms and on the street with the donso ngoni, at one point cajoling a car of reluctant strangers waiting in traffic into joining him. When Don is interviewed, he is deeply sensitive about sound and environment, and the footage from the places they lived show how much Moki’s tapestries created a place for them all to be, wherever they were in the world. Essential.

 

2021 28 Jul

To The Headless Horsemen

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Früh aufbrechen, weiß jeder erfahrene Reiter
Halte ein gleichmäßiges Tempo, steady as she goes
Auf dem Weg zurück in die Stadt nach mehreren Nächten weit fort
Ich ritt heute auf der Straße wieder an dir vorbei

Sanfte Schatten im Nebel zwischen den Bäumen
Wer wacht auf und ist bereit, solche Anblicke zu ertragen?
Gott beschütze den Kopfgeldjäger, der Gnade mit seiner Beute hat
Ich bin heute wieder auf der Straße an dir vorbeigeritten

Und als du dich nähertest, konnte ich die Bedrohung spüren
Aber ein Fremder ist nur ein Freund, der seine Geheimnisse noch nicht geteilt hat

Schlagt das Lager bei Sonnenuntergang auf, das Wachfeuer brennt hell
Lieder blühen in der Dunkelheit und pochen in der Nacht
Ich suche das Tor der Weisheit, den geheimen Zustand des Spiels
Ich ritt heute wieder auf der Straße an dir vorbei

Steh auf, ruhelos, mach dich bereit für das Wasserwerk
Meide die hohlen Orte, wo mein Schütze lauert
Einer von uns wird müde und einer wird aufstehen und wegreiten
Ich bin heute wieder auf der Straße an dir vorbeigeritten

 

Ein Filmfest für die ganze Familie. Ich kann es nicht mehr so gut hören, wenn wieder mal ein besonders cooles Exemplar der Filmkritikergilde ins Jammern gerät über ein „Feelgood-Movie“, so als gäbe es mindestens einen Abzug in der B-Note, wenn mal wieder der Liebe zum Leben ein kleines filmisches Lied gesungen wird. „Revenge“ gehört im weitesten Sinn in diese Kategorie, auch wenn der Titel anderes vermuten lässt, und es hier eventuell mehr um die Liebe zum Überleben geht. Bitte tun sie sich den Gefallen, und schauen sie sich den Film auf verfügbaren Medien an, auf BluRay, DVD, oder „amazon prime“. Machen sie es sich auf dem Sofa bequem, bereiten sie sich einen Longdrink ihres Vertrauens vor, seien sie besser nicht allein, und auf geht‘s.

 

Es handelt sich um den ersten Spielfilm von Autorin/Regisseurin Coralie Fargeat  –  ein ultra-stylisches Opus (normal mag ich Wörter wie stylisch nicht, aber hier ist es gut aufgehoben) – mit einem herrlich verdrehten Sinn für Humor. Okay, okay, Kinder unter 18 sollten zuvor ins Bett geschickt werden. Ich bewundere jedenfalls die visionäre Kraft dieser Regisseurin, diese reine filmische Euphorie. Kräftige Neonfarben knallen von der Leinwand, die – begleitet von einem tranceartigen elektronischen Score – einzelnen Sequenzen eine hypnotische Anziehungskraft verleihen, während sich andere Szenen einer ebenso fesselnden wie leicht verstörenden surrealistischen Symbolik bedienen.

 

Ich habe in den letzten Jahren selten ein „Feelgood-Movie“ gesehen, in dem Spannungskurven so intelligent aufgebaut wurden. Mir ist nicht wirklich klar, warum die Hauptdarstellerin Matilda Anna Ingrid Lutz anno 2016 nicht in den Kreis der Oscar-Kandidatinnen vorgerückt ist, denn ihre grossartige Performance, trägt den Film so unwiderstehlich wie Frances McDormand all die entlegenen  Räume  von „Nomadland“ mit ihrer stillen, zurückgenommenen Intensität zusammenhält. (Kameraarbeit, Schnitt, Regie, alles erste Sahne!)

 

Intensität ist auch das Stichwort für „Revenge“, ein von subversivem Feminismus befeuertes Meisterstück, das ganz nebenbei auch gekonnt mit den Klischees hypersexualisierter Darstellung spielt. Vielleicht ist man hinterher vorübergehend etwas runter mit den Nerven, und muss noch einen Longdrink nachlegen, aber glauben sie mir: neunzig Minuten, in denen man voll bei der Sache ist, und ausserhalb jeder Routine in eine ferne, gottverlassene Welt eintaucht, sind doch exemplarisch für Achtsamkeit und Gewahrsein und Resilienz, all diese vieldiskutierten Merkmale rundum geglückten Wohlgefühls! Neben „Nomadland“, „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ (diesmal die synchronisierte Fassung) und „Mein Liebhaber, der Esel und ich“,  eines meiner ultimativen Heimkinoerlebnisse des Jahres!


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