Tatsächlich ist damals der Rummel um Billie Eilishs ersten Wurf komplett an mir vorübergegangen, und ich bin auch in einem Alter, in dem einem das, was exaltierten Teenagern durch den Kopf geht, und dann Musik wird, tendenzell schnuppe ist. Aber dann hörte ich das Ding mal in Ruhe, was im Titel schon mal die spannende Frage stellte, wohin wir gehen, wenn wir träumen – und war sehr beeindruckt. Nicht gönnerhaft beeindruckt. Ich musste öfter schmunzeln, aber das war schon cooler heisser Scheiss. Und nun bin ich, nach der ersten Session mit „Happier Than Ever“, noch etwas beeindruckter. Seltsam eindringlich, und authentisch (echt jetzt, ich sage, „authentisch“, ich sage „organisch ausgereift“). Und ein Vergnügen, es durchzuhören. Ein absoluter Kopfhörer-Trip. Ein Wahnsinns-Kopfhörer-Trip (wie Nova Materias Reise durch die Ruinen am Rande eines Dschungels).
And, besides, hoppla-hoo-hoo: this is music for grown-ups, too.
“Things I once enjoyed / Just keep me employed now / Things I’m longing for / Someday, I’ll be bored of / It’s so weird / That we care so much until we don’t.”
Es hat diesen aalglatten Bossa-Nova-Stil, der sowohl Stil als auch Substanz hat. Eine langsam brennende psychedelische Atmosphäre schleicht umher. Zusammen mit der hervorragenden Produktion und Eilishs fantastischer Gesangsarbeit ist das einfach ein gefährlich perfektes Album, ein intimes Projekt, das die knallige, ängstliche Teenager-Attitüde des Debuts eintauscht gegen eine düstere und konzentrierte Sammlung von Songs. Immer noch hypereklektisch und doch ein raffiniert eigenständiges Album. Hier und da richtet es sich Billie mit ihrem Produzenten-Bruder durchaus etwas zu behaglich in diversen Gesten der Innerlichkeit und Soundspielereien ein, aber das ist auch ein Angebot für den Hörer, es bei Scotch und Candlelight zu hören, (oder nach zwanzig Corona-Schnelltests an einem Swimmingpool in Gran Canaria), in bester Nachbarschaft von Joao Gilberto und den neuesten Streichen von Lambchop und Lana del Ray, die mich dann doch noch etwa tiefer berühren. Und, ähem, sie ist immer noch Teenager. Nennen wir es das „Rimbaud-Phänomen“. Möge ihre Kerze nicht an beiden Enden brennen. Der erste Song heisst „Getting Older“. Kennen wir alle, woll!? Four stars.