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2021 27 Jul

Matilda Anna Ingrid Lutz

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 4 Comments

Ein Filmfest für die ganze Familie. Ich kann es nicht mehr so gut hören, wenn wieder mal ein besonders cooles Exemplar der Filmkritikergilde ins Jammern gerät über ein „Feelgood-Movie“, so als gäbe es mindestens einen Abzug in der B-Note, wenn mal wieder der Liebe zum Leben ein kleines filmisches Lied gesungen wird. „Revenge“ gehört im weitesten Sinn in diese Kategorie, auch wenn der Titel anderes vermuten lässt, und es hier eventuell mehr um die Liebe zum Überleben geht. Bitte tun sie sich den Gefallen, und schauen sie sich den Film auf verfügbaren Medien an, auf BluRay, DVD, oder „amazon prime“. Machen sie es sich auf dem Sofa bequem, bereiten sie sich einen Longdrink ihres Vertrauens vor, seien sie besser nicht allein, und auf geht‘s.

 

Es handelt sich um den ersten Spielfilm von Autorin/Regisseurin Coralie Fargeat  –  ein ultra-stylisches Opus (normal mag ich Wörter wie stylisch nicht, aber hier ist es gut aufgehoben) – mit einem herrlich verdrehten Sinn für Humor. Okay, okay, Kinder unter 18 sollten zuvor ins Bett geschickt werden. Ich bewundere jedenfalls die visionäre Kraft dieser Regisseurin, diese reine filmische Euphorie. Kräftige Neonfarben knallen von der Leinwand, die – begleitet von einem tranceartigen elektronischen Score – einzelnen Sequenzen eine hypnotische Anziehungskraft verleihen, während sich andere Szenen einer ebenso fesselnden wie leicht verstörenden surrealistischen Symbolik bedienen.

 

Ich habe in den letzten Jahren selten ein „Feelgood-Movie“ gesehen, in dem Spannungskurven so intelligent aufgebaut wurden. Mir ist nicht wirklich klar, warum die Hauptdarstellerin Matilda Anna Ingrid Lutz anno 2016 nicht in den Kreis der Oscar-Kandidatinnen vorgerückt ist, denn ihre grossartige Performance, trägt den Film so unwiderstehlich wie Frances McDormand all die entlegenen  Räume  von „Nomadland“ mit ihrer stillen, zurückgenommenen Intensität zusammenhält. (Kameraarbeit, Schnitt, Regie, alles erste Sahne!)

 

Intensität ist auch das Stichwort für „Revenge“, ein von subversivem Feminismus befeuertes Meisterstück, das ganz nebenbei auch gekonnt mit den Klischees hypersexualisierter Darstellung spielt. Vielleicht ist man hinterher vorübergehend etwas runter mit den Nerven, und muss noch einen Longdrink nachlegen, aber glauben sie mir: neunzig Minuten, in denen man voll bei der Sache ist, und ausserhalb jeder Routine in eine ferne, gottverlassene Welt eintaucht, sind doch exemplarisch für Achtsamkeit und Gewahrsein und Resilienz, all diese vieldiskutierten Merkmale rundum geglückten Wohlgefühls! Neben „Nomadland“, „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ (diesmal die synchronisierte Fassung) und „Mein Liebhaber, der Esel und ich“,  eines meiner ultimativen Heimkinoerlebnisse des Jahres!

This entry was posted on Dienstag, 27. Juli 2021 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

4 Comments

  1. Lajla:

    Nomadland ist außergewöhnlich. Ein realistischer Zeitzeuge.

    Und my countrymusic in it! Am Abend dann ein Gespräch über einen anderen Zeitzeugen. „Where are all the rebels gone?“ Van Morrison singt Corona ohne Corona zu erwähnen. Van was always one of my heroes. His voice is better than ever. Great new Album.

  2. Susanne L:

    Tolle Filmkritik mit schöner Irreführung der Leser. Meine Freundin ist nach einer halben Stunde nach Hause gegangen, war ihr zu hammerhart.

  3. Michael Engelbrecht:

    @Susanne: ich habe immerhin dezente Warnungen eingeschleust:) – aber inhaltlich stehe ich dazu!

  4. Michael Engelbrecht:

    Noch ein Feelgood-Movie:

    MYSTIC PIZZA (kann man auf Netflix sehen):

    Dank der einfühlsamen Regie ist das Ergebnis ein durch und durch ansprechender Film, der ohne Gewalt, Sex oder Schnulzen auskommt, um emotional zu überzeugen.

    Mit Julia Roberts, was früher eher ein Grund für mich war, nicht neugierig zu sein:)


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