Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: Dezember 2018

Es ist schon einige Jahre her, am 3. Januar 2012 war es, als ich an dieser Stelle etwas über das 927 Seiten starke Buch Gegen die Welt von Jan Brandt geschrieben habe. Es geht in diesem fantastischen Buch um die Welt des Daniel Kuper, geboren Mitte der 70er Jahre in einem kleinen Ort, Jericho, in Ostfriesland. Jericho, „nicht zu verwechseln mit dem an gleicher Stelle gelegenen Ort Ihrhove“.

Auf der überaus informativen Internetseite www.gegendiewelt.de erfahren wir, dass Jericho in Ihrhove, in der Gemeinde Westoverledingen im Landkreis Leer zu finden ist. Hier also wächst Daniel auf. Am Ende der ersten Klasse, 1983, beginnt der Roman mit der Erzählung von Daniels Kindheit. Das Buch endet 2010 in einer ganz anderen Welt.
 
 
 

 
 
 
Andere fahren nach Dublin, um am Bloomsday dem Roman Ulysses von James Joyce, der Geschichte eines einzigen Tages, dem 16.Juni 1904, nachzuspüren, was ich im übrigen auch sehr gerne einmal tun würde, vielleicht aber nicht gerade am Blommsday. Ich hatte nun aber die Idee, die Welt des Romans Gegen die Welt kennenzulernen. Im traurigen Monat November war es, dass ich mich auf den Weg machte, Ostfriesland, die Welt von Daniel Kuper zu entdecken. Das Fahrrad hatte ich dabei, um auch die kleinsten Ortschaften und Winkel anschauen zu können, aber nicht nur das, ich wollte auch wirklich in die Atmosphäre dieser Gegend eintauchen, was vom Auto aus ja nur in geringem Maße möglich ist.

Also ging es nicht nur nach Ihrhove, sondern auch nach Uthusen, Neuschwoog, Altschwoog, Eisinghausen, Bollinghausen, Heisfelde, Tergast, Oldersum, Pekum, Ditzum und Leer, über die Felder, Wiesen und Deiche. Natürlich gibt es die Drogerie von Daniels Vater, Bernhard Kuper, nicht mehr, überhaupt stehen viele Geschäfte leer, wie Brandt es in seinem Buch ja auch beschreibt: die Aldis, Lidls. KIKs oder Schleckers sind gekommen, die Schleckers allerdings inzwischen wieder abgelöst worden, wenn nicht von einer Müller- oder dm-Filiale, dann von einer Spielothek oder einem Tattoo-Laden. Ich konnte mir jedenfalls das, was Jan Brandt seinem Roman beschrieben hat, hier in Jericho und Umgebung sehr gut vorstellen, es war tatsächlich eine Fahrt in die Welt von Daniel Kuper.
 
 
 

 
 
 
Abends habe ich das neue Buch von Jan Brandt gelesen, Der magische Adventskalender, ein Weihnachtsmärchen. Wunderbar illustriert übrigens von Daniel Faller. Auch in diesem Buch geht es um die Welt eines Jungen und darum, sich in dieser Welt einzurichten.

Ein zehnjähriger Junge, Jonas, nicht gerade vom Leben mit Glück gesegnet, findet eines Tages vor seiner Haustüre einen seltsamen Kasten. Schnell erkennt er an den 24 Türchen, dass es sich um einen Adventskalender handeln muss. Er versucht das erste Türchen zu öffnen, was ihm aber nicht gelingen will, alle Türchen scheinen fest verschlossen zu sein. Allerdings entdeckt Jonas auf jeder Tür ein unterschiedliches Symbol, zum Beispiel einen Kuhkopf. Also macht er sich auf den Weg zum Metzger und bittet ihn, das entsprechende Türchen zu berühren, was dann auch sogleich aufspringt, und den Blick auf ein Stückchen Schokolade freigibt. Mit den anderen Türchen des Kalenders ergeht es ihm ähnlich, wobei Jonas so manches Rätsel zu lösen und allerlei Abenteuer zu bestehen hat.
 
 
 

 
 
 
Jonas, ein verschlossener Außenseiter, wird auf diese Weise gezwungen, sich mit seiner ihn umgebenden Welt auseinanderzusetzen, wenn er denn die Türchen seines Kalenders öffnen möchte.

Jan Brandt gelingt es auch in diesem Buch, Menschen wahrhaftig und mitfühlend zu beschreiben, ähnlich vermag das auch der amerikanische Autor Stewart O´Nan, von dem übrigens kürzlich auch ein neues, sehr lesenswertes Buch erschienen ist, Stadt der Geheimnisse, aber das ist eine andere Geschichte.

2018 5 Dez.

Interview with David Mitchell

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https://www.theguardian.com/books/2020/jul/03/david-mitchell-i-think-most-writers-have-a-deep-seated-envy-of-musicians?utm_term=RWRpdG9yaWFsX0Jvb2ttYXJrcy0yMDA3MDU%3D&utm_source=esp&utm_medium=Email&CMP=bookmarks_email&utm_campaign=Bookmarks

2018 5 Dez.

Babylon Berlin

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By the way, during the recent couple of days I’ve read Volker Kutscher’s novel „Babylon Berlin“ (German title: „Der nasse Fisch“) that became the template for the TV series. A good read! But the more I got through the book, the more the TV adaptation got ridiculous. It’s really unbelievable how the TV series violently deformes the original characters and stuffs dramaturgical nonsense and all kinds of clichés into the plot until it squeaks, just to get what the makers seem to think is „Berlin in the Twenties“. The novel is a bit sluggish at times, but much better than the series, seriously. It’s annoying.
 
 
 

 

 

 
 
 
Ein neues Album von Janis Joplin! Ein Doppelalbum sogar! Yay!

Na gut. Die Story des Cheap Thrills-Albums ist wahrscheinlich bekannt: Big Brother & The Holding Company (der Name ist bis heute seiner Zeit voraus) hatten sich im Studio so oft verspielt, dass der Produzent letztlich auf die Idee verfiel, Publikumsgeräusch dazuzumischen und das Ganze als Live-Album auszugeben. Dort würden die Fehler glatt als „authentisch“ durchgehen. Einzig „Ball And Chain“ war eine wirkliche Live-Aufnahme, aufgenommen im Fillmore in San Francisco. Wenn mich nicht alles täuscht, ist der für den Rest der Platte verwendete Beifall derselbe, der auch für das (ebenfalls gefakte) Live-Album der 13th Floor Elevators von 1968 eingesetzt wurde.

Columbia hat damals weder das ursprünglich vorgesehene Coverfoto

 
 
 

 
 
 

noch den eigentlich beabsichtigten vollen Titel des Albums akzeptiert. So ließ man es denn bei Cheap Thrills, und Janis Joplin höchstpersönlich bat Robert Crumb um einen Comic, den dieser mit Freuden lieferte. Und weil er so schön war, kam er aufs Frontcover. Auf die ihm angebotenen 600 Dollar verzichtete Crumb: „I don’t want Columbia’s filthy lucre“. Wer sich’s denn leisten kann …

 
 
 

 
 
 

Weil Crumb davon ausging, dies solle das Backcover werden, visualisierte sein Comic die einzelnen Titel des Albums und nennt die Musiker. Eine der Zeichnungen war mit „Harry“ beschriftet. Das war der Titel eines sehr kurzen und sehr schrägen Stücks, das die Seite 2 eröffnen sollte. Da die Plattenfirma dieses Stück ebenfalls rauswarf, wurde im Nachhinein „Harry“ aus der Zeichnung entfernt und „Art: R. Crumb“ eingefügt. (Crumb selbst hat seine Zeichnungen nie signiert.) — Das Original des Comics übrigens ist 1971 aus dem Columbia-Archiv geklaut worden, wohl von einem Mitarbeiter. Zwölf Jahre später wurde es bei Sotheby’s für 250.000 Dollar versteigert; das Auktionshaus hat den Verkäufer nie bekanntgegeben.

Nun ist „Harry“ wieder da. Diesmal unter dem vollständigen Originaltitel des Albums, für das vorgesehene Originalfoto allerdings mochte man sich aber auch diesmal nicht entscheiden. (So originell war’s auch wirklich nicht.) Zweieinhalb Stunden Outtakes und Live-Mitschnitte aus der Cheap Thrills-Ära gibt es zu hören — 30 Stücke insgesamt, davon 25 bislang unveröffentlicht, fünf erschienen bereits als Bonustracks auf anderen Zusammenstellungen oder Re-Issues. In vielen Fällen, so ehrlich sollte man sein, erschließt sich recht schnell, weshalb das Stück ein Outtake geworden ist. Spielfehler, falsche Noten, Abbrüche und Aussetzer kommen immer mal wieder vor. Es wird (wieder einmal) klar, dass BBHC zwar eine für damalige Normalverhältnisse brauchbare Band war, mit Janis‘ Ausnahmetalent aber schlicht überfordert war. Auch Janis scheint nicht in allen Stücken bei 100 Prozent zu sein, dafür übertreibt sie in anderen Stücken mit voll durchgetretenem Gaspedal. Aber die meisten Stücke sind hörenswert. Und überhaupt: 80 Prozent Joplin sind immer noch mehr als das meiste, was heute gern mal als „neue Joplin“ gehandelt wird. Es bleibt dabei: Es gibt nur eine.

Das Booklet beinhaltet einen kurzen Gruß von Grace Slick und einen längeren Text von BBHC-Drummer Dave Getz, der einiges an interessanten Hintergrundinformationen liefert.

2018 4 Dez.

„The Opener“

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2018 4 Dez.

Vilde&Inga

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Gestern Abend traten zwei junge Norwegerinnen in der Filmwerkstatt in Düsseldorf auf. Sie waren im Rahmen der „Soundtrips NRW'“eingeladen, ein mittlerweile qualitativ hochwertiges Konzertforum.

Vilde und Inga spielen gerne mit anderen Musikern zusammen, zuhause in Oslo z.B. mit Sidsel Endresen, hier im zweiten Teil mit L. Heinz an der elektrischen Gitarre und mit der exzellenten Geigerin Gunda Gottschalk.

ECM hat sie bereits mit ihrer Cd Makrofauna bekannt gemacht, Diedrich Diederichsen ist ihnen auf dem Osloer ULTIMA FESTIVAL begegnet.

In einem kleinen Kinosaal vor 9 Zuhörern zu spielen, hebt sicherlich nicht die Stimmung. Trotzdem war den beiden die Freude am Improvisieren anzusehen. Vilde holte wirklich alles aus ihrem Klangkörper heraus, improvisierte auf Geigenteufel komm raus. Sie zauberte kratzige, reibeisenartige Töne hervor. Inga, über ihr großes Instrument gebeugt, startete mit tiefen, ruhigen Tönen, als ob sie die hektischen Schrillereien der Violine einfangen wollte, um eine harmonischere Komposition hinzukriegen. Sie schaffte es fast, Inga strich dann etwas sanfter über das Geigenkastenholz. Ein paar trotzige Woody Woodpecker Klopfgeräusche noch und dann wurde es ganz still.

Ich kann mir gut vorstellen, dass Laurie Anderson, die auch in Oslo auf dem Festival auftrat, nach so einer Stille die Anwesenden zu einem kollektiven Urschrei gegen Trump und Erderwärmung aufforderte. Sie soll diese Idee umgesetzt haben, so steht es im vorletzten SPEX.

 

2018 4 Dez.

Meine Alben 2018

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Record of the Year: Jakob Bro – ReturningsECM in 2018: Christjan Randalu – Absence / Andy Sheppard Quartet – Romaria / Nik Bärtsch – Awase / Bobo Stenson Trio – Contra La Indecisión / Shinya Fukumori Trio – For 2 Akis / Mathias Eick – Ravensburg / Florian Weber – Lucent WatersVarious from 2018: Sonar w. David Torn – Vortex / Dave Holland – Uncharted Territories / Dave Liebman – Fire / Dhafer Youssef – Sound of Mirrors / Julian Lage – Modern Lore / Gilad Hekselman – Ask For Chaos / Ben Wendel – The Seasons / Aaron Parks – Little BigDiscovered in 2018: Marc Copland & Dave Liebman Quartet – Lunar (2002) / Chico César – Mama Mundi (2000) / Eliane Elias – Dance of Time (2017) / Chico César – Respeitem Meus Cabelos, Brancos (2002) / Anna-Lena Schnabel – Books, Bottles & Bamboo (2016) 

 

 

 
 
 

Zwei Dinge sollte man sich spätestens 2019 gönnen, den Remix des „White Album“ der Beatles, und dieses Opus eines kritischen Rationalisten, dessen angestammte Vernunft  in den letzten Jahren einige Sinn stiftende Erschütterungen erlebt haben dürfte. Wenige Sachbücher haben mich in meinem Leben so fasziniert wie Michael Pollans Buch. Neben Albert Hofmann und Timothy Leary tauchen da historische Figuren auf, aus deren Lebensabschnittsphasen HBO packende Serien schöpfen könnte, eine davon wäre Cary Grant. Der Autor ist Jahrgang 1955, und als Junghippie begegnete er damals der bewusstseinserweiternden Droge LSD mit grosser Vorsicht, und mied jeden Kontakt. In diesem Buch rollt er ein historisch, psychologisch und philosophisch hochinteressantes Feld neu auf, als eine Art teilnehmender Beobachter, berichtend, erzählend, und „aus der Innensicht“. Ich habe dieses Buch Seite für Seite im Original gelesen, und natürlich werde ich mit LSD auf Reise gehen, mit reflektiertem Blick für Set und Setting. Es ist allerdings nicht leicht, ob im Dark Net, Strassenverkauf, oder bei kalifornischen Freunden, die richtige Qualität zu erhalten. Niemand sollte sich naiv auf diesen Weg begeben. Ich wünsche diesem Buch viele aufmerksame Leser. Wer auf andere Art geläufige Ich-Erfahrungen transzendieren möchte, dem  lege ich das Gebiet luzider Träume nah, da bin ich wirklich Spezialist und kein Amateur. Und, tja, für den Winter habe ich mir ein feines Taschenbuch zugelegt, ideal auch für Zeitreise-Freaks, die mal ernstmachen, und sich gepflegt „abschiessen“ wollen mit einem Stück Weltliteratur (als solche wird es jedenfalls gehandelt): Tom Wolfe – The Electric Kool-Aid Acid Test. Habe ich nie gelesen, und jetzt einen ganz anderen Blick darauf!

MICHAEL POLLAN – PSYCHEDELICS – HOW TO CHANGE YOUR MIND

2018 3 Dez.

ManaMory (2018, February)

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Eros In Arabia was originally self-released in 1981. Full of sustained harmonies and supernatural winds. Whispering ancient tales of heroes and heroines. Twisting chimes and percussion. Distorting into an Industrial mystic. Rhythmic chant colliding with bar room piano and harpsichord. Increasing in frequency, gamelan-like. Machines melting the hammered gongs to mercury. Steel screams and close mic`ed stress fractures. Ladies and gentlemen, Mr. Richard Horovitz!

 

Marc Copland is one of those pianists who is forever on the road to new discoveries. He never seems to go for the obvious thing; he is simply incapable of playing a lick. A supple and elastic player who can be surprisingly muscular at times, he is also one of the most melodic pianists on today’s scene. He is one among a shortlist of players who, over the years, have honed their unique voice in an overcrowded field of post-Evans sound-alikes.

 

 

 

I believe in Zufall (chance). I guess it was before 1995 when I became aware of Marc Copland, so it was just the same time when Brian met the music of Marc Copland. It was the time when the internet stepped out from governmental, universitary or military institutions to conquer the world and knit a world wide web. How did it happen that I heard Marc Copland in older days? You know (or even not) that German TV-stations didn’t broadcast a full 24-hour-program then. The station 3sat for example showed overnight only Teletext, underlaid by Jazz and some additional information about the presented tune. One morning I listened to an electrifying Piano Trio, Marc Copland treating the keys, as I could read. Two Way Streetis the title of this fine album, starting and ending surprisingly muscular.

 

This is a love-it-or-leave-it-hour about the music of Flying Saucer Attack. David Pearce and his lo-fi-aesthetics don‘t mess with modernity, persona, technology – and create a world full of distant echoes. His unexpected return in 2015 with the album „Instrumentals 2015“ didn‘t deliver anything different, except the fact that it WAS different, in the most subtle ways. Turn on the volume, and lose yourself in a twilight world of distortion and disturbing beauty. This is the end of campfire guitar romance in the British pop culture, so to speak.

 

Hier nun die Musik aus der Grauzonevon 1981. Eine C-60-Cassettenveröffentlichung von Asmus Tietchens, deren Auflage und genaues Veröffentlichungsdatum nicht mehr feststellbar ist. Die Parallele zu frühen Cluster-Aufnahmen drängt sich auf, harsche Klangflächen beherrschen zunächst das akustische Bild. Rhythmus, wenn überhaupt vorhanden, wird durch die Verwendung eines Echogerätes erzeugt. Doch die akustischen Landschaften verändern sich langsam aber stetig, bis der Cluster-Eindruck am Ende verschwunden ist und ein eindeutiger Tietchens vorliegt. Hauptinstrument ist der Moog Sonic Six. Plattenknistern mischt sich in die Kulisse, unverständliche, teils elektronisch verzerrte Wortfetzen tauchen auf, ein sich überschreiendes Saxophon, dessen Herkunft ebenso unbestimmt bleibt wie das gelegentlich hineingehämmerte Klavierspiel.

 

Wir wussten, dass in Deutschland Zauberer unterwegs waren, manche hatten magische Pilze, andere makriobotische Ernährung im Repertoire. Bei der Volksmusik konnten sie nicht fündig werden, die Eltern sprachen von Hottentottenmusik, und die von ihrer Nazizeit Heimgesuchten fanden kleine Fluchten in Bella Italia, in deutschen Schlagern – und Fleischfondues incl. Diashows und James Last. Deutschland wollte ja wieder unschuldig werden und wählte die Regressionen, die schlechter Geschmack und gut gefüllte Geldbeutel eben möglich machen.

 

Er war gerade sechs Jahre alt geworden, als er zum ersten Mal allein in die Innenstadt fahren durfte. Zunächst galt es zur Straßenbahnhaltestelle zu schlendern und dann zu hoffen, dass eine alte Straßenbahn kommen möge, die mit den Holzsitzen und der langen Lederschnur unter dem Straßenbahndach, an dem der Schaffner kräftig ziehen musste, um ein schrilles Läuten auszulösen, was dem Fahrer bedeutete, dass er nun abfahren durfte. Diese alten Bahnen, die 1959 manchmal noch durch Hannover fuhren, hatte er ins Herz geschlossen. Und tatsächlich, an diesem Tag kam die betagte Bahn mit der Nummer 5. Er kaufte beim Schaffner eine Kinderfahrkarte und los ging es bis zum Aegidientorplatz. Dort führte sein Weg zunächst zu einer Filiale der Firma MOST.

 

Mit vertrauten und fast vergessenen Magiern der „Deutschen Elektronischen Musik“ hat Soul Jazz Records jetzt eine dritte Kompilation rausgebracht, zwei CDs, drei Vinylscheiben. Krautrocker, Sphärenforscher, Trancegroover – die Palette der Jahre 1971 bis 1981 war ein üppiger Strauss der Vielfältigkeiten. Vieles wurde durch die Zeit an den Rand gedrängt, dabei hält der Underground jener Jahre immer noch  wilde, und nicht nur wohlige, Schauer parat.

 

Bis 1999 konnte man bei MOST edle Süßigkeiten kaufen, Ende der fünfziger Jahre, da gab es die Firma schon 100Jahre, bekam man zumindest hier in der hannoverschen Filiale für ein paar Groschen ein große Tüte Süßigkeiten-Bruch. Weiter führte der Weg des Jungen an den Mercedes-Benz-Ausstellungsräumen vorbei, magisch angezogen von den wunderschönen Autos, konnte er sich von den Schaufenbstern kaum lösen. Dann am Theater-Am-Aegi entlang – das Theater sollte 1964 in Flammen aufgehen und ein riesiges schwarzen Loch hinterlassen, was den Jungen stets in Schrecken versetzte – in die Maschstraße.

 

Und so driftet man durch allerlei Welten hier, zwischen willkommenen „Dejavus“ und augenreibenden „Was-ist-das-denn-Momenten“. Ich gestehe, mehr als ein breites Grinsen fiel mir nicht ein, als ich, im Laufe dieser zwei Stunden (am Stück im Dunkeln gehört, mit Kiff, Ananas und Kerzenschein) zwei lange Tracks von Michael Bundt lauschte. Ich kannte nicht mal den Namen. Stuart Baker liess im übrigen, als die Archäologen im Londoner Hauptquartier den letzten Staub aus den Regalen gefegt hatten, seine Designabteilung wissen, das sei nun nicht mehr zu steigern, und sie mögen auf das geplante Cover noch einen Untertitel platzieren: „That‘s All, Folks!“

 

Hier gab es nicht viel Interessantes zu schauen, außerdem war diese uninteressante Straße auch noch sehr lang, bis sie dann schließlich in die Meterstraße mündete. Hier, auf dem Gelände einer Schule waren die Übungsräume des Knabenchor Hannover, dem der Junge nun angehören sollte, untergebracht. Er hat das Singen im Chor gemocht, sehr sogar, aber die Fahrt und der Weg dorthin und wieder zurück, nach Hause, das war für ihn einfach nur großartig und er freute sich immer darauf, allein unterwegs zu sein.

 

The most exhilirating of my recent time travel activities has been the return of „Twin Peaks“, 25 years after leaving Agent Cooper in a disturbing trap. 18 episodes rush over you with the inventiveness of radical cinema, anti-nostalgia (what an ability to disappoint our expectations – and then to fulfill at least some of them when we are ready to give up) – and an even higher level of bleakness that can only be handled with a big step into surrealism, dream territories, and some fleeting moments of relief.

 

Da ich mein Aufnahmegerät nicht länger als 45 Minuten allein lassen kann, höre ich Michaels Sendung seit einigen Monaten komplett live mit, diesmal zum ersten Mal die ganze Zeit über Kopfhörer, was ein leichtes outlaw-Gefühl verschafft, wenn ich den Lautstärkeregler nach oben drehe. Ich bin von einer Begeisterung in die nächste getaumelt.  Die Retrospektive von Flying Saucer Attack etwa!  Ich mag solche Rückblicke, Spurensuche, und habe mir von Flying Saucer Attack fast alles bestellt, was ich noch nicht hier hatte. Manchmal denke ich an Gregors Satz, dass Musik überlebensnotwendig ist und wie er es gemeint hat oder eher, wie ich es verstehe. Es klingt pathetisch, aber wir wissen, dass es so funktioniert: Das aufmerksame Zuhören, die Konzentration auf eine musikalische Arbeit, die uns im Innern berührt, bewirkt, wie jede gelungene Kunst, eine Transformation.

Als 1990 klar war, dass dank intensiver Untersuchungen der amerikanischen Wirtschaftsberatungsfirma McKinsey, die beiden Kulturprogramme des Südens aus wirtschaftlichen Gründen zusammengelegt wurden, da verabschiedete sich Achim Hebgen tief enttäuscht von dieser kulturellen Entwicklung während einer seiner Sendungen sehr persönlich. Über 60% der Jazzsendungen seien dem Rotstift zum Opfer gefallen, auch das Format MUSIC AVENUE. Während der letzten Sendung der MUSIC AVENUE beklagte Hebgen öffentlich diese Entwicklung und legte dann eine Platte auf, die diese Sendung für immer beenden sollte. Diese letzte Platte hatte es mir damals angetan. Überhaupt, der Gedanke, einmal eine letzte Platte, ein letztes Musikstück zu hören, welches Stück könnte das sein und wird es dann letztlich wohl sein? Hebgen jedenfalls legte eine Schallplatte von John Surman auf: „Road to Saint Ives“ und wählte das Stück „Tintagel“, ein Stück, das seit vielen Jahren zu meinen liebsten zwanzig Stücken gehört (meine Lebenshitparade).

 

Mein neuer Drucker führte mich in die Versuchung, alle meine Posts seit 2014 zu materialisieren. Jetzt liegen 4 gebundene Teile meiner Schaffensschreiberei auf dem Tisch. Mein Schöpfernarzissmus ist zweifelsfrei befriedigt. Bei so manchem Beitrag wäre ich auch froh, er wäre nicht von mir. Trotzallem ist die Relektüre ein fröhlicher Genuss, auch wenn er nichts mit dieser Wissenschaft zu tun hat.

 

I think it was in January that I posted a review of Edgar Froese’s autobiography here. In March 2018, a documentary on Tangerine Dream was published on DVD: Revolution Of Sound.

 
 
 

 
 
 
The movie was made by Margarete Kreuzer with the help of Arte, WDR, RBB and some crowdfunding. As Edgar Froese had wished, a 55-minute version was made for Arte TV, a long version (89 minutes) was made for DVD and cinema.

Don’t expect any revolutionary news, but it’s an interesting trip. The docu starts with Edgar Froese, walking with a strange construction of microphones recording his breath and electrodes on his chest through obviously hot sunshine into the ocean to use the sounds and data to control a synthesizer (it’s a pity we don’t hear the result). The film then walks chronologically through the story of the band, with the focus mainly on Froese. Most of the used material was known before, like the „Bathtub Session“ or the snippets from the „scandalous“ Reims Cathedral concert, but we also get a lot of stuff here that was filmed by Froese himself — obviously this was one of his obsessions. Besides this, there are several interviews with people who were involved in the band or in projects the band had to do with. We see Brian May (guitarist of Queen who’s also an astrophysicist) who performed with TD using the sounds of radio stars. There’s Jerome Froese (son of Froese and his deceased wife Monika) who talks about playing with David Bowie’s son as a child. There are snippets of a teaching by Pierre Schaeffer, a statement by Virgin head Richard Branson, and a sort of working report by director Michael Mann about the Sorcerer soundtrack. More interesting is Jean-Michel Jarre who was in the Reims audience and in 2015 recorded a track with TD. He talks about his theory that electronic music was a French and German invention. This is for sure not wrong, but it should be said that in France and Germany „electronic music“ was a very academic thing that used technical devices that were usually not made to be used as musical instruments. The Moog Synthesizer changed that, and I think it was not by chance that this device was not a German but an American invention. But — and in this respect Jean-Michel is right — the American musicians tried to integrate the synthesizer into their rock music as a sort of interesting sounding addition, while the German musicians radically waved goodbye to their classic rock instruments and were the first to use the synthesizer as main or even only instrument. But most interesting of course are the things Peter Baumann and Johannes Schmoelling have to say because they know the real story. It becomes clear that the high time of Tangerine Dream were the 1970s and 1980s, after this the band turned out to be more and more a solo project of Froese with guest musicians.

And of course we hear Froese’s famous sentence: There is no death, there is only a change in the cosmic address.

Most of the commentary is from Froese’s autobiography. Originally it was planned to use statements of Froese. A lot was taped, but when the accident on black ice happened and his broken jawbone adhesed a bit awry, he had difficulties to speak. So director Margarete Kreuzer decided to use the autobiography instead, spoken by Alexander Hacke (of Einstürzende Neubauten). Bonus material has interviews with Johannes Schmoelling, Peter Baumann, Jean-Michel Jarre, Linda Spa, Michael Mann, Bianca Froese-Acquaye and Margarete Kreuzer; and two concert snippets — unfortunately from a late phase of the band with a lineup that was not that interesting anymore. I would have preferred to see some material of the „classic“ years which I’m sure exists.

The DVD has the movie in a German as well as in an international version, but for some reason the region code is 2, so it might be some American DVD players and computers won’t play it.


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