Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: Juli 2014

2014 11 Juli

Das Sentimentale und das Scharfzüngige

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Die Lieder von Lambchop sind im Schnitt sieben Meter lang und vier Meter hoch. Kurt Wagner und sein Kollektiv sind Stammgäste im lokalen Museum für Musikinstrumente in Nashville. Der ehemalige Fliesenleger arbeitet mit breiten Borsten und feiner Maserung. Wäre Burt Bacharach ein schwarzer „soul brother“, er könnte sich in den Cinemascope-Studien der Schallplatte „Nixon“ zuhause fühlen. Es ist genung Sand und Pastell in den Notationen, und Dionne Warwick ist nur einen Tagtraum entfernt. Wäre Curtis Mayfield nicht tot, er wäre mit einem langen weissen Automobil nach Tennessee gefahren, um sich zu bedanken. Für das, was Kurt und seine Kumpel aus dem Song „Baby, It’s You“ machen. Herr Wagner ist ein Flüsterer und Schleicher. Manchmal fällt ein Farbtopf um, und tiefes Blau fliesst aus dem Panorama. Macht nichts. Er singt von Liebe und Politik, ohne einen einzigen dummen Satz. Die Herumtreibereien widersetzen sich jedem kurzen Weg von A nach B, Alltägliches und Skurriles sind handgearbeitet und eins. Es geht um abgenagte Knochen und Sternguckerei, Sonntagsschulen und Nixon, goldene Pantoffel und das frühe Stereo. Einmal klatschen alle mit den Händen, ein Gospelchor verbreitet keine geistliche Botschaft, und ein paar alte Instrumente verglühen, in Superzeitlupe, vor lauter Lebenslust.

 
 
 

 

2014 11 Juli

Grateful Dead in Cicely, Alaska

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In den Neunzigern wäre ich fast nach Cicely, Alaska, gezogen, und hätte den Radiojob von Chris übernommen, nach dem letzten Dreh der letzten Staffel von „Ausgerechnet Alaska“. Denn, auch wenn es eine TV-Serie war, ist der Ort real, der lokale Radiosender intakt. Ich träume zwar immer noch von einem Sender mit Blick auf das offene Meer (Kalifornien, Dunwich Beach, Langeoog, egal), aber Arve Henriksen auflegen, und draussen zwei Elche auf der Strasse sehen, hätte mich auch glücklich gemacht. Es kam anders. Chris spielte nicht nur Grateful Dead, er legte auch Brian Eno und John Cale auf. Als die Serie aus dem Fernsehen verschwand, und DVDs erstellt wurden, passierte etwas Trauriges. Die „music companies“ verlangten extrem hohe Summen für viele der von Chris ausgewählten Songs, und so wurde der Soundtrack der kompletten Serie kastriert. Ein paar Highlights blieben erhalten, aber etliche, die Stories bereichernde Songs, mussten durch Allerweltsgedudel ersetzt werden. So ist auch, meines Wissens, Chris‘ Abrechnnung mit Spyro Gyra so wenig für die Nachwelt dokumentiert, wie der Morgen, als er Velvet Underground in Cicely spielte. Es war ein eiskalter Dezembertag, und es herrschte Beerdigungsstimmung. Die Elche bewegten sich, als hätten sie psychedelische Pilze gefuttert, und Moe Tuckers Trommeln besorgten den Rest. Die schöne Buschpilotin sass in der Bar und hatte den Blues. Jahrzehnte später mutierte sie, im wahren Leben, zu einer glühenden rechten Republikanerin. So werden Träume geschreddert.

 

 
 
 
Sometimes something really happens
 
 
 

 
 
 
and emerges
 
 
 

 
 
 
finds energy and form
 
 
… the great Tyshawn Sorey with the great Nils Davidsen and Jakob Anderskov
 
and …
 
it was recorded happily!
 
here, in this building
 
 
© FoBo_HenningBolte

2014 10 Juli

Alltagskultur

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Es sind die kleinen Dinge, die zeigen, wenn Revolutionen von einst und ihre Protagonisten in die Alltagskultur übergegangen sind.

Wenn eine Band wie die Grateful Dead als Sponsor der litauischen Basketball-Nationalmannschaft auftritt (die bei den Olympischen Spielen 1992 ins Halbfinale kam und zur Siegerehrung in Batik-Tees antrat), ist das vielleicht noch nicht unbedingt ein Zeichen dafür.

Wenn sowas allerdings – wie heute – als 100.000-Dollar-Frage im amerikanischen „Who Wants To Be A Millionaire“ auftaucht, dann spätestens weiß man: OK, I’m old.

Es könnte Paris sein …
 
 
 
 
 
 
 
ist aber Kopenhagen.
 
 
 

 
 
 
Live-Musik: muss man halt hingehen, damit sie zu einem kommen kann und kommt. Unwiederholbar.
 
 
 

 
 
 
Natürlich sind wir tief geprägt durch das, was man auf Platte und im Radio hören kann.
 
 
© FoBo_HenningBolte

Thou hast nor youth nor age
But as it were an after dinner sleep
Dreaming of both.

Here I am, an old man in a dry month,
Being read to by a boy, waiting for rain.
I was neither at the hot gates
Nor fought in the warm rain
Nor knee deep in the salt marsh, heaving a cutlass,
Bitten by flies, fought.
My house is a decayed house,
And the Jew squats on the window sill, the owner,
Spawned in some estaminet of Antwerp,
Blistered in Brussels, patched and peeled in London.
The goat coughs at night in the field overhead;
Rocks, moss, stonecrop, iron, merds.
The woman keeps the kitchen, makes tea,
Sneezes at evening, poking the peevish gutter.
I an old man,
A dull head among windy spaces.

Signs are taken for wonders. ‘We would see a sign!’
The word within a word, unable to speak a word,
Swaddled with darkness. In the juvescence of the year
Came Christ the tiger

In depraved May, dogwood and chestnut, flowering judas,
To be eaten, to be divided, to be drunk
Among whispers; by Mr. Silvero
With caressing hands, at Limoges
Who walked all night in the next room;

By Hakagawa, bowing among the Titians;
By Madame de Tornquist, in the dark room
Shifting the candles; Fräulein von Kulp
Who turned in the hall, one hand on the door.
Vacant shuttles
Weave the wind. I have no ghosts,
An old man in a draughty house
Under a windy knob.

After such knowledge, what forgiveness? Think now
History has many cunning passages, contrived corridors
And issues, deceives with whispering ambitions,
Guides us by vanities. Think now
She gives when our attention is distracted
And what she gives, gives with such supple confusions
That the giving famishes the craving. Gives too late
What’s not believed in, or is still believed,
In memory only, reconsidered passion. Gives too soon
Into weak hands, what’s thought can be dispensed with
Till the refusal propagates a fear. Think
Neither fear nor courage saves us. Unnatural vices
Are fathered by our heroism. Virtues
Are forced upon us by our impudent crimes.
These tears are shaken from the wrath-bearing tree.

The tiger springs in the new year. Us he devours. Think at last
We have not reached conclusion, when I
Stiffen in a rented house. Think at last
I have not made this show purposelessly
And it is not by any concitation
Of the backward devils.
I would meet you upon this honestly.
I that was near your heart was removed therefrom
To lose beauty in terror, terror in inquisition.
I have lost my passion: why should I need to keep it
Since what is kept must be adulterated?
I have lost my sight, smell, hearing, taste and touch:
How should I use it for your closer contact?

These with a thousand small deliberations
Protract the profit of their chilled delirium,
Excite the membrane, when the sense has cooled,
With pungent sauces, multiply variety
In a wilderness of mirrors. What will the spider do
Suspend its operations, will the weevil
Delay? De Bailhache, Fresca, Mrs. Cammel, whirled
Beyond the circuit of the shuddering Bear
In fractured atoms. Gull against the wind, in the windy straits
Of Belle Isle, or running on the Horn,
White feathers in the snow, the Gulf claims,
And an old man driven by the Trades
To a sleepy corner.

Tenants of the house,
Thoughts of a dry brain in a dry season.

Der Distelfink von Donna Tartt

 

Der dreizehnjährige Theo Decker lebt mit seiner Mutter in New York. In der Schule gibt es Probleme, Mutter und Sohn werden gebeten, die Schulleitung aufzusuchen. Die beiden sind zu früh dran und so schlendern sie noch etwas durch das Metropolitan Museum. Vor einem Bild von Carel Fabritius, einem Schüler Rembrandts, mit dem Titel „Der Distelfink“, verweilen die beiden. Die Mutter erzählt dem Sohn von ihrer Begeisterung, ja Liebe zu diesem Bild, das sie bereits als Kind in einem Buch entdeckt habe, davon, dass der Maler bei einer Pulverexplosion in einer Schießpulverfabrik in Delft getötet, sein Atelier zerstört, seine Bilder vernichtet wurden. Theo beobachtet während des Vortrags der Mutter ein Mädchen, das mit ihrem Großvater ebenfalls dieses Bild anschaut.

Kurze Zeit später verlässt die Mutter den Ausstellungsraum, um im Museumsshop noch schnell ein paar Karten zu kaufen. Plötzlich wird das Museum von einer gewaltigen Explosion erschüttert. Theo bleibt unverletzt, entdeckt aber zwischen den Trümmern den sterbenden Großvater, zwischen beiden kommt es zu einem kurzen, aber intensivem Gespräch. Theo erhält den Auftrag, das Bild „Der Distelfink“ einzustecken und mitsamt eines schweren Goldringes, den der Alte dem Dreizehnjährigem noch geben kann, einem gewissen Hobbie vom Antiquariat Hobart and Blackwell zu bringen. Nach diesen Worten erlischt sein Leben. Wo war das Mädchen geblieben, wo seine Mutter? Soviel sei verraten: die Mutter kommt bei diesem Terroranschlag ums Leben.
 
 
 

 
 
 
Auf den folgenden mehr als 1000 Seiten wird nun die Geschichte Theos als gewaltige Rückblende packend erzählt. Mich hat das Buch sehr fasziniert, es geht um Freundschaft, Liebe und Verrat, Verzweiflung und Tod und um die Suche nach wahrhaftigem Leben. Und dabei ist das Buch auch noch spannend, ich möchte vielleicht eher sagen: wirklich fesselnd. Ein kurzes Zitat aus dem Buch, das sich am Schluss des Werkes findet:
 

„Was immer uns lehrt, mit uns selbst zu sprechen, ist wichtig: was immer uns lehrt, uns singend aus der Verzweiflung zu lösen. Aber das Bild hat mich auch gelehrt, dass wir über die Zeit hinweg miteinander sprechen können. Und ich habe das Gefühl, ich habe dir etwas sehr Ernstes und Dringliches zu sagen …: dass das Leben – was immer es sonst sein mag – kurz ist. Dass das Schicksal grausam ist, aber vielleicht nicht beliebig. Dass die Natur (also der Tod) immer gewinnt, was aber nicht bedeutet, dass wir buckeln und um Gnade winseln müssen. Dass es, wenn wir nicht immer so froh sind, hier zu sein, unsere Aufgabe ist, trotzdem einzutauchen: geradewegs hindurchzuwaten, mitten durch die Jauchegrube, und dabei Augen und Herz offen zu halten. Und inmitten unseres Sterbens, da wir uns aus dem Sumpf erheben und schmählich in den Sumpf zurücksinken, ist es herrlich und ein Privileg, das zu lieben, was der Tod nicht anrührt. Denn wenn Unheil und Katastrophe diesem Gemälde durch die Zeit gefolgt sind – so hat es auch die Liebe getan … “ (S.1022)

 

Natürlich spielt auch die Musik eine wichtige Rolle, mal werden konkrete Komponisten genannt, auch einmal ganz bestimmte Titel, dann sind es einfach nur Fetzen einer Liedzeile und der interessierte Leser muss zusehen, ob er herausbekommt, um welches Musikstück es geht. Folgende Komponisten und Musiker werden im Buch genannt: Schostakowitsch, Eric Satie, Thelonious Monk, Magnetic Fields, Mazzy Star, Nico, Nirvana, Oscar Peterson, Avo Pärt, Gustav Mahler, Bill Withers, Glenn Gould, Bee Gees, ja, und fröhliche Siebziger-Jahre-Musik. Folgende Einzeltitel, bzw. Liedzeilen finden sich im Buch, die dahinter sich versteckenden Titel habe ich versucht zu ermitteln, ob die dazu gehörenden Musiker immer die richtigen sind, kann ich natürlich nicht versprechen:
 
 
Velvet Underground: After Hours
Beatles: Dear Prudence
Radiohead: Karma Police
Billy Joel: Piano Man
Billy Joel: Only The Good Die Young
Elliott Smith: Pretty (Ugly Before)
Panda Bear: Comfy in Nautica
Captain & Tennille: Love Will Keep Us Together
John Coltrane: Greensleeves
Vince Guaraldi: Tannenbaum
 
 
Was für eine Liste! Es macht übrigens wirklich Spaß und Freude, sich eine CD zum Buch zusammenzustellen. Also, auf gehts, durchforsten wir den Plattenschrank.

Still to be confirmed, but on its way: „Storytelling for burning songs (Or: how to make radio magic)“. There are some radio shows in the world that ignore the limitations of genres. For instance, Fiona Talkington’s „Late Junction“ (BBC) or Michael Engelbrecht’s „Klanghorizonte“ (Deutschlandfunk). A song by Mark Hollis (Talk Talk) can be played in a row with a John Cage piano track, an interplanetary Sun Ra excursion, some weirdness from the infamous „Punkt“ family, Brian Eno’s latest prog rock-shot from a deserted area of the Crimson King,  „krautrock vibes“, an ECM classic from the 70s – and a field recording from the Outer Hebrides. The question is how to create a unified vision from such different sources without delivering a „high brow“ post-modern exercise in „anything goes“. One answer: you have to spend a lot of time on the „sequencing“ of the tracks, and the stories you’re telling. In fact, the future of non-mainstream radio is in parts connected to old traditions of griot, campfire stories, and very personal contributions of the „nighthawk“ at the microphone. Listen to a special „radio perfomance“ by Michael Engelbrecht that will combine controversial thoughts on music, with a series of tracks from the broad field of „textural minimalism“ – and some late night stories told in the middle of the day!

 

„Some people have asked me about my heroes of DJ’ing radio shows. In fact, I have a lot of respect for many music maniacs who love to dance on architecture. But I only have one hero. It’s Christopher „Chris“ Stevens, from the TV series „Northern Exposure“. A philosopher of everyday life, an ex-prisoner and  amateurish part-time shaman with a healthy dose of self-irony. And we both share a strong disdain for the jazz-rock of Spyrogyra! :)“ (m.e.) 

 
 


 
 

„Fellow Cicelians, my heart is pounding, dancing to the drum of a free people, a city on a hill, e pluribus unum. I feel at one with Whitman, shepherd of the great unwashed: ‘O democracy, near at hand to you a throat is now inflating itself and joyfully singing.’“ (Chris himself)

2014 10 Juli

An guten Tagen

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„Woran berauschen Sie sich?“, fragt die Sueddeutsche – ganz im Sinne des Bonmots, wonach ein Mensch, der nicht geniesst, auch nicht geniessbar sei. Besonders erfreulich, wenn sich unter den Antworten Gleichgesinntes findet:

„Als begeisterter Ausdauersportler genieße ich jene Stunden, in denen es mir gelingt, das Denken komplett zu vergessen. An guten Tagen kann ich ganz in Bewegungsmeditation versinken. Das klappt am besten auf dem Fahrrad.“ (Wigald Boning, Komiker)

2014 10 Juli

Collector’s Item from Ancient Times

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