Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: Oktober 2013

Dylan konnte ja angeblich, was für ein Quatsch, nie singen, und Cohen war angeblich schon immer ein Murmelsänger. Schwachsinn. Aber jetzt, wo die „eternal tour“ der beiden in die letzten Runden geht, eilt die belesene Frau Radisch herbei und faselt von den ruinösen Stimmen, als wäre der Verlust einstiger Stimmfestigkeit (die bei Dylan und Cohen sowieso stets Grenzen hatte, zum Glück für ihre Lieder übrigens) das Allerletzte. Nichts begreift sie, was der Verlust alter Spannkraft an Potential enthält, und wie intensiv gerade die Gesänge dieser Meister „on the verge of falling apart“ sind. Als würde da Würde verloren gehen! Zutiefst lächerlich, Frau Radisch. Wir empfehlen der Lady  gediegene Opernbesuche und die Songs von Katie Melua und James Blunt!

Nicht unbedingt ein typisches Thema für mich, wenn ich in der Radionacht von Freitag auf Samstag um 4.05 Uhr eine Stunde lang dieses von Norman Granz produzierte Doppelabum der grossen Jazzsängerin vorstelle. Aber ich liebe Zeitreisen, ich war knapp 1 Jahr alt, als Ella in den fernen USA  ALL THROUGH THE NIGHT sang, meine ständigen Begleiter waren Alete Babykost und ein kleiner Krabbel- und Laufstall. Wenn ich im „Sportwagen“ durch Dortmunds Süden kutschiert wurde, war „Auto“ eines meiner ersten Worte, und es sollte noch fünf Jahre dauern, bis ich meine frühen Lieben ausfindig machen sollte: Frau Funke in der Nachbarwohnung in Körne, Musik aus dem Loewe Opta Radio, und Borussia Dortmund. Also las ich nun interessiert Stuart Nicholsons Biographie, etwas staubtrocken, aber gut recherchiert. Einmal werde ich Stuarts Meinung zur Oberflächlichkeut der Porter’schen Songs widersprechen, aber deutlich! Dazu habe ich auch eine Bio über Cole Porter zur Hand genommen. Ausserdem werde ich mit Nostalgiefallen aufräumen, die gerne um sog. gute alte Zeiten errichtet werden. Es gibt falsche Ergriffenheiten, und kein Jazzmusiker ist heilig. Diese Heldenverehrung geht mir immer gegen den Strich. Grosse Kunst braucht keine Vergötterung.

Ich habe heute, zufällig, beim Stöbern, David Sylvian’s BLEMISH entdeckt, ich hatte die Cd schon lange nicht mehr gehört, und nun umso mehr Freude, herauszufinden, wie unverbraucht (und teilweise neu) diese Lieder in meinen Ohren klingen. Das erste Stück, 12 Minuten lang, öffnete mir eine Welt des Wunderns (wie man in der Trauer zum Entdecker wird, davon scheint es zu handeln). Das folgende Duo von Sylvians Gesang mit Baileys freiem Gitarrenspiel wirkte viel homogener als ich es in Erinnerung hatte, und bis zum Ende gab es kein Nachlassen. Später am Tag verfolgte mich eine ferne Erinnerung an eine Platte, die ich schon viel länger, vielleicht zwanzig Jahre, nicht mehr gehört habe, verloren irgendwann, keine Ahnung, und ich war auf einmal hungrig, die Musik zu hören, aufzusaugen, die Fragmente meiner Erinnerung, wahrlich flüchtig, legten in Sekunden das Puzzle an, desen Umrisse zumindest mein Unbewusstes rasch erahnte und mir  zuflüsterte: Seelennahrung, Michael. Ich habe sie mir sofort bestellt, aber werde sie erst Mitte November von einem obskuren amerikanischen Plattengeschäft bekommen: DON’T STAND ME DOWN, von Dexy’s Midnight Runners! Am selben Tag noch las ich in der neuen Dezemberausgabe von Uncut über grosse Singer/Songwriter-Alben und  die LOVE CHRONICLES  von Al Stewart, die  ich dann bei Spotify ausfindig machte. Der sanfte Barde (wir kennen sein YEAR OF THE CAT sicher besser) sang schon damals das Wort „fuck“ – kann in einem 18-Minuten-Song über fortlaufende Verluste und Desaster kaum ausbleiben, eigentlich:)

2013 30 Okt

A very interesting response to „Open“

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The first 10 minutes of “Open,” the 17th album by the Australian trio the Necks, trickle out slowly, as they do on albums by the Necks, leading toward the gradual arrangement of a pentatonic scale played on a piano by Chris Abrahams.

In comes Tony Buck’s drumming: deliberate tappings of a clenched high-hat, arriving intermittently but not regularly. (It’s like drops of pre-rain, when the sky hasn’t made up its mind.) Then more piano pentatonics, some malleted tom-toms, a snare-drum hit here and there, and the bassist Lloyd Swanton repeating a single note resonantly. Finally, at 15:32, splat: a snare and a sizzle cymbal struck at the same time.

The first time around, up until that splat, “Open” — which is one 68-minute piece — sounded only vapid to me. I can’t think of a record I was less eager to go back to a second time, and I can’t think of a record I changed my mind about more on the second, third and fourth time, except maybe the Necks’ last one.

They look like a jazz trio, which is how they started in the late ’80s, and they retain a trace of that music: stepping in and out of a groove. But they’ve moved toward their own kind of collectively intuitive, process-oriented minimalism. It’s a music that toys with and questions typical narrative development, at a speed slower than what’s comfortable for most listeners. It frustrates our pattern-recognizing abilities, our need for emotional engagement, our desire for payoff. The music does grow intense, but that’s not the point. It does proceed through changes that sound logical, but that’s not the point, either.

If there’s a particular element in here you don’t like, the music will move on from it, at its own speed; it’s not going to make a neat return to it. And if you feel that Mr. Buck, the drummer, is the record’s through-line and heroic actor — I do — you will eventually try to feel his sense of time, anticipating exactly when he will hit the cymbal during the record’s final seven-minute denouement. You won’t get it right. BEN RATLIFF

2013 29 Okt

Uwe’s Top 20

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  1. Nautic Dephts: Elsewhere 1
  2. Klaus Schulze: Shadowlands
  3. Steven Wilson: The Raven That Refused To Sing
  4. Roy Harper: Man And Myth
  5. Bill Callahan: Dream River
  6. Pat Metheny: TAP – John Zorn’s Book Of Angels Vol. 20
  7. Nine Inch Nails: Hesitation Marks
  8. Steve Roach & Byron Metcalf: Tales from the Ultra Tribe
  9. Elton John: The Diving Board
  10. Quercus: Quercus
  11. Agnetha Faeltskog: A
  12. Paul McCartney: New
  13. Byron Metcalf & Rob Thomas: Medicine Work
  14. Mathias Grassow: Dragaz
  15. Solveil: Con Sense
  16. Lloyd Cole: Standards
  17. Billy Bragg: Tooth & Nail
  18. Fish: A Feast Of Consequences
  19. Reinhard Mey: Dann Mach’s Gut
  20. Gastón Arévalo: Rollin Ballads

2013 28 Okt

Ein erster Kreis

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Es war eines jener denkwürdigen Pat Metheny Konzerte in den Achtziger Jahren: nach einigen gespielten Songs betrat ein Musiker die Bühne, der namentlich mit Pedro Aznar vorgestellt wurde. „Er kam erst kürzlich zu uns, kennt das Programm noch nicht, doch seine musikalische Präsenz ist so stark, dass es reicht, wenn er mit einer Rassel in der Hand einfach nur dasteht.“

Der Argentinier sang dann aber doch noch jene Unisono-Passagen: diese hymnischen Melodielinien, die für lange Zeit den typischen Sound der Gruppe prägen sollten (Jahre später übernahmen dann die Herren Ledford und Blamires den Gesangspart) und eine Wendung zu lateinamerikanischen Einflüssen einleiteten. Das grammy-prämierte Album First Circle markierte Abschluss und Neuanfang. Es war das letzte ECM-Album der Gruppe und entstand in einer Zeitepoche, als Neuveröffentlichungen des Jazzgitarren-Reformators (seine Thesen schrieb er als Noten zu Papier) noch mit Spannung erwartet wurden.

Yolanda, You Learn hiess ein geradezu übermütiger Song darauf. Paul Wertico war der Schlagzeuger, mit dem der Gruppenchef laut Zeugenberichten und Selbstbekenntnissen eine manische Arbeitsgemeinschaft bildete. Denn da hatten sich Zwei gefunden, die besessen waren, ihr Spiel zu perfektionieren. Lebemensch Dan Gottlieb, seines Zeichens Drummer der ersten Stunde, passte wohl nicht mehr in dieses Arbeitsethos – ebensowenig wie die Produzentenauffassung, ein Album sei in gerademal drei Tagen fertigzustellen.

Unsereins hört die Musik der Pat Metheny Group – in der aus früherer Zeit noch Keyborder Lyle Mays und Bassist Steve Rodby dabei sind – nur noch selten, doch wenn einem Lieder wie Yolanda oder So May It Secretly Begin via Youtube wiederbegegnen, spürt man den Dritten Wind vergangener Tage, lauscht mit beiden Ohren, nimmt die Sechssaitige und spielt unisono mit, was einst die Vokalisten Aznar, Ledford und Blamires dazu sangen.

2013 27 Okt

Aus der Rotation des Radiohoerers

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Kneebody – The Line
Toshimaru Nakamura, Tomoyoshi Date, Ken Ikeda – Green Heights
Chris Abrahams – Memory Night
Machinefabriek & Sergio Sorrentino – Vignettes
Emptyset – Recur
Aaron Parks – Arborescence
Marc Cary – For the Love of Abbey
Fire! – (Without Noticing)
Daníel Bjarnason – Over Light Earth
Esmerine – Dalmak
Mostly Other People Do the Killing – Red Hot

 
 

 
 
 
Umeå ist musikalisch ein spezieller Ort mit seinem JazzFestival (jetzt in sechsundvierzigster Ausgabe).

Schon erstaunlich, was sich hier auf kleinstem Raum (örtlich und zeitlich) in der Weite der Landschaft drumrum trifft! Wo hat man schon die Gelegenheit, in so kurzer Zeitspanne mit den verschiedensten Musikern zu sprechen und zu lachen. No name-dropping! Kommt später …

Gestern um fünf Uhr nachmittag das wohl beste Pianotrio unserer Tage in Aktion: Bobo Stenson, Anders Jormin, Jon Fällt.
 
 
 

 
 
 
Die ätherischen Arco-Einleitungen von Jormin, das wundervolle Entfalten des Songs von Stenson (ohne jegliches Trara) und das scharf geschnittene, polyrhythmische und humorvolle Schlagwerk von Jon Fält! Und dann die Auswahl der Songs und ihre Reihenfolge! Dies ist ein Trio, in dem wirklich rein die Musik im Vordergrund steht, gebracht von Musikern, die so ganz drinstehen. Ist das der Grund, dass man dieses Trio in der Mitte Europas so wenig auftreten sieht? Die Musik hat ja alles, was das Herz von vielen Leuten höher schlagen lässt, oder!?

Im Zeitalter des fröhlichen Recyclngs und der noch beredteren Ausgrabungen kommen nun einige Werke ans Licht, um alten Ruhm zu festigen, oder Unerhörtes erstmalig zu Gehör zu bringen: etwa Robert Wyatts Songarchäologie aus dem Jahre 1968 (Cuneiform Records), oder „No End“, Keith Jarretts Multiinstrumentalaufnahmen  von 1986 (mit E-Gitarre, Blockflöten, Trommeln, und ein bisschen Klavier).  Neugierig bin ich auch auf diese en detail gehende Reissue eines legendären Albums der Waterboys. Ich habe oft Schwärmendes über dieses Opus mit dem Fisherman Blues vernommen, leuchtende Augen gesehen, es aber seltsamerweise nie gehört. Tommy, die Rock-Oper  von The Who wird nun auch neu und edel verpackt, aber ich traue meinen Kindheitserinnerungen und war schon damals nur scharf auf einzelne Songs davon. So war „Pinball Wizard“ mein Lieblingssong der Who. Neben „Pictures of Lilly“, einem der hinreissendsten Songs über Masturbation, nebenbei bemerkt.  Kulturell korrekt müsste man nun (was die grossen Songs angeht, und wenn man an The Who querbeet denkt), auch auf 20-Minuten-Versionen von „My Generation“ verweisen, aber das wäre nicht ehrlich, hat mich damals in der Abteilung „Monstersongs“ nicht halb so gepackt wie IN A GADA DA VIDA (haha) von Iron Butterfly!!!

2013 23 Okt

Naked Moments

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Wie Gregor mir erzählte, vor Jahren, konnte er sich meiner Begeisterung für das Necks-Album „Drive By“ nicht anschliessen, ein bestimmter perkussiver Sound, der ihm in den Ohren Schmerz zufügen würde und ja eine Stunde lang nahezu ununterbrochen ertöne, war der Grund, wenn ich mich recht erinnere. Martina hatte noch vor Wochen ihre Necks-Alben nebeneinander gelegt und „Drive By“ zu ihrem Lieblingsalbum des australischen Trios erkoren. Und Henning, Bob, Uwe, der sich in Luft auflösende Ian? Ich habe ernste Zweifel, ob sich etwa Jochen annähernd so für den „Minimalisten-Trance-Funk-Jazz“ von „Drive By“ erwärmen kann wie mein Favorit unter den Musikkritikern aus den 70er Jahren, Richard Williams, der für die Band in seinem jüngsten umd rundum gelungenen Musikbuch „The Blue Moment“ nur grosse Gefühle und feine Gedanken bereithält. Die Wahrnehmungen gehen auseinander, der amerikanische Jazzkritiker John Litweiler schrieb einen (wie ich finde) leicht verpeilten Hassartikel, ich halte die Gruppe für eine der zehn aufregendsten Bands auf dem Planeten, und ein älterer Musikhörer um die 70 harrte bei einem Konzert in Brighton bis zum letzten Ton aus, um die Musiker, mitten in der sensible Stille nach dem Schlussakkord und vor dem Appaus, mit den Worten „Wie traut ihr euch, solchen Mist zu spielen?“ zu attackieren. Ich liebe ihr neues Album „Open“, und rate Gregor dringend, dieser Band eine neue Chance zu geben. Auf die Frage nach Einflüssen nennt Chris Abrahms Chopin, Ravel, Joe Zawinul und Miles Davis: „I think a record like In A Silent Way and Joe Zawinul´s organ playing have been influential … with the Necks I´ve often gone towards using a wah wah pedal … I´ve always been fascinated with that sound, and being able to sculpt the frequencies in that way …“ Man kann ins Detail gehen, man kann schlaue und belanglose Benerkungen machen, Triviales, Existenzielles, was immer von sich geben: es gibt keinen Ersatz für eine mitternächtliche Begegnung mit „Open“.


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