Manafonistas

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Archives: November 2011

Keine Angst vor Sentimentalitäten! Einige „Evergreens“ räumen mit dem Vorurteil auf, dass große Kunst und großes Pathos völlig unverträgliche Partner sind. Zum Beispiel dieser „schmachtige Fetzen“ von Harry Nilsson. Nur nutzt sich der „Evergreen“ leicht ab, verliert die Frische seines Grüns, weil man ihn mehr aus der Erinnerung erlebt,  nicht als  Soeben-Entdecktes. Genau da kann die gelungene Coverversion wertvolle Dienste leisten; sie übt den Blick auf das Alte/Liebgewonnene/Nostalgische, in dem sie die Perspektiven subtil verschiebt. Beispiel gefällig? Hören Sie ein Duett von Susanna Wallumrod und Will Oldham: 

„Without You“

 

– Das Loch da, das nehmen wir.
– Wo?
– Tomaten auf den Augen? Da!
– Jau, knorke! 

( … geschrieben letzten Samstag, kleines Cafe in Hombruch, plötzlich ein Song von den Kinks, schöner Zufall … ) 

Damals, als wir jung waren, fand Matthias die von einer Metallzange aufgeschnittene Öffnung im  Zaun. Wir stahlen uns am Ticket-Stand vorbei (damals hiess das „Kartenhäuschen“), kletterten durch das Loch und sparten uns das Taschengeld. Der FV Hombruch kam nun nicht annähernd heran an unsere früh erwachte Leidenschaft für den BVB, aber wir waren kleine Schlingel und ergriffen frech die Gelegenheit, Dortmunder Fussballwelten zu erkunden. Wir, mein Blutsbruder und ich, kannten die  großen Helden nur aus Radio und Fernsehen, der erste Besuch im Stadion Rote Erde stand noch aus. Aber wir konnten den Twist tanzen,  und das Hombruch Girl war wohl schon ein paar Jahre fort. Wir sind uns vielleicht mal im Kinderwagen begegnet, die Entfernung zwischen unseren Wohnungen betrug nur einen Katzensprung, wie wir viel später rausfanden. Heute habe ich mir den Ort angeschaut, an dem einmal der Sandkasten war, in welchem sie mit ihren großen Augen  eine kleine Welt erkundete. Es war die Zeit, als die zum Trocknen aufgehängte Wäsche noch vom Kohlenstaub dunkel wurde. Heute ist Derby, Dortmund gegen Schalke. Auf der Harkortstrasse sehe ich einzelne Fans und Fahnen. Ich laufe durch die alten Räume, Weissdornweg, Singerhoffstrasse, Wupperstrasse. Und jetzt, aus der Distanz, die völlig verloren gegangen ist, ist alles aufgeladen mit Sehnsucht, jede Parkbucht, jedes Fenster, der alte Marktplatz, die alte Apotheke, die Marktschreier, der neue Buchladen, der verschwundene Sandkasten sowieso.  Obwohl es verlockend ist, geht es hier überhaupt nicht um eine Zeitreise in die frühen Sechziger. Es geht nicht um kleine Fluchten.  Es geht darum, das Ticket für die Gegenwart zu lösen, das Loch im Zaun zu finden. Die Nachspielzeit ist angebrochen. Jetzt fangen wir erst richtig an.

– Es gibt kein Loch.
– Doch!
– Es gibt ja auch keinen Zaun, mein Lieber!
– Alles nur in meinem Kopf?
– Bingo. Es ist einfacher als du denkst.
.

„Der Kinks-Song aus dem Cafe“

Soeben ist ihr neues Album erschienen, „Diversions, Vol.1 – The Songs of Robert Wyatt and Anthony & the Johnsons“. Eine Live-Aufnahme aus der Union Chapel in London, die die Atmosphäre des Raumes wunderbar einfängt. Es war noch der Winter 2010/2011, als ich mit Rachel Unthank telefonierte; Anlass war das vierte Studioalbum der Unthanks, „Last“. Sie saß, an einem eiskalten, aber sonnigen Februartag in ihrer Wohnung in Nothumbria, einer englischen Grafschaft,  die an Schottland grenzt. Ich sass in einem Studio des Westdeutschen Rundfunks.

Die Geschwister Unthank wuchsen in einem Teil Englands auf, der stark mit der alten Folklore verbunden ist; die Geschwister mit den markant unterschiedlichen Stimmen studierten lokale Liederbücher, historisches Liedgut – von klein auf wuchsen sie auf mit Liedern eines Graeme Miles, meist vorgetragen von der Wilson Family. In diesen Songs schlug die  Zeit langsamer, aber nicht weniger gnadenlos. Eine urwüchsige Natur war oft Schauplatz für Liebesgeschichten, die sich in Mordgeschichten verwandelten. Geschichten wurden endlos erzählt, die Stoffe gingen nie aus.

Alte Zeiten werden wach bei The Unthanks, die sich anfangs „Rachel Unthank and the Winterset“ nannten, und mit „The Bairns“ ein meisterliches Werk aufnahmen. Ob sie Traditionelles interpretieren, oder bei Robert Wyatt und King Crimson fündig werden: immer bewegen sie sich durch eine eigene Sphäre: Folklore in einem kammermusikalischen Gewand, dezente Einflüsse des Minimalismus sind spürbar, aber auch Neoromantiker wie Vaughn Williams haben Spuren hinterlassen, die in ihrer Musik einen Vogelflug und weite Küstenzonen nachzeichnen konnten.

 


 

„Das Bild auf dem Cover unserer aktuellen Arbeit „Last“ ist sicher verknüpft mit einigen Themen des Albums. Es finden sich auch etliche ¾- und 6/8-Takte, was der Musik ein mitunter walzerartiges, auf jeden Fall ein romantisches Gefühl verleiht:   Tanz und Romantik in dunklen Zeiten, das war eine unserer Vorstellungen von der Musik.  Und da sind diese  tanzenden Paare, die Männer streng gekleidet:   eine Zeichnung von Winslow Homer aus dem Jahre 1863, eine wogende Menge; Homer war ein amerikanischer Maler, der nach England umzog, und in einem Dorf an der Küste von Newcastle lebte, in dem zufällig meine Mutter jetzt wohnt. Er machte  viele Bilder von den Menschen, die dort lebten, den Fischern, den Arbeitern. Und in dieses Bild waren wir  ganz vernarrt; da ist so ein Gespür von  Bewegung darin, auch von Gemeinschaft …“ (Rachel)

Portishead, Radiohead und viele andere Künstler haben ihre Bewunderung ausgedrückt für die Kunst der Unthanks, vorwiegend alte Stoffe neu zu beleben, ohne dabei das Etikett “Folk“ mit angestrengt modernen Mitteln aufzubrechen. „They have that blue moon magic about them“, hiess es in der  BBC, und Paul Morley bemerkte im Observer: „Diese Musik ist gleichermassen eisig trostlos und  schmerzhaft intim.“ Umso wichtiger, die Akustik der Aufnahmeorte mitwirken zu lassen – und da kommt eine Wärme her, die uns erlaubt, den Stimmen und Klängen in dunkelste Räume zu folgen:

„Ich denke, wir erwähnten das, weil wir dieses Mal, für das Album „Last“, die Musik in verschiedenen Räumen aufnahmen. Adrian (McNally) nahm einige der Piano-Passagen auf in einem Konzertsaal in Suffolk, ein Ort, der ursprünglich eine Brauerei war; der Komponist Benjamin Britten ließ sie  nach seinen Vorstellungen umbauen. Wir hatten da zuvor einige Male gespielt, und auch dank der Holzvertäfelungen ergab sich eine sehr warme Akustik. Die Streichinstrumente nahmen wir hier in Northumberland auf, in einem sehr kleinen  Raum, der aber einen  massiven, voll tönenden Sound hatte. Und die Kombination dieser  Räume schuf den Grundton für das Album. Man könnte da denken, wir hätten den Streichern eine Menge Nachhall verpasst, aber das war einfach der natürliche Sound. Wir versuchten also nicht wie ein Orchester zu klingen – wir klangen einfach so.“ (Rachel)

Hier  das ganze Telefongespräch (Sie hören allerdings nur die Stimme von Rachel Unthank, und wie sie zwischendurch meinen Fragen lauscht). Die Fragen beziehen sich auf die Historie der Unthanks und ihr letztes Studioalbum „Last“.  Zum Ende hin frage ich Rachel auch nach der Aufführung mit den Robert Wyatt- und Antony & the Johnsons-Liedern, die gerade veröffentlicht wurde. Es ist nicht wichtig, die Fragen zu kennen, um die Antworten zu verstehen (wen es dennoch interessiert: meinen damaliger  Fragenzettel habe ich als Kommentar 1 beigefügt). Enjoy the silences. They are not totally silent, by the way. Am Anfang hört man die Stimme ihres Lebens- und Musikgefährten Adrian McNally ihr etwas ins Ohr flüstern. Willkommen in der Welt der Unthanks:  

Germany interview

Alankomaat

 

Mother bought a jacket for the rain
With a capuchin
Lightning strikes an aeroplane in a dream
Sister talks about hello and goodbye
Passing ‚the Anger and the Hope‘
Frightened by the world

She said the angel takes your soul away
She changed the darkness in the light of the day
Sister takes her bear to the zoo
To the elephant and the little bird blue
Frightened by the world

Love is a roomful of strangers
Love is a suitcase filled with danger
Frightened by the world

Mother where are you, father where are you
We can never find our home anymore

Three sisters in the back of the room
Three sisters hand in hand at the zoo
Frightened by the world

https://www.youtube.com/watch?v=Jl-ue32qlxU

 

Ich fahre regelmäßig mit der Bahn und ab und zu bin ich auch mit dem Auto unterwegs.
Als ich mit dem Auto unterwegs war ( ausgeliehen ), befand sich dort nur ein Kassettenradio. So steckte ich einige Kassetten in eine Geschenktüte (ich fand nichts besseres und sie steht von alleine) und aus dieser wurden diese Kassetten zu Zeitpatronen. Jede war ein kleiner oder großer Zeitsprung. 7Stunden nur mit diesen Kassetten, das werde ich so schnell nicht vergessen….
Doch in der Regel ist stets mein MP3 Player (4GB) mit unterwegs. Darauf befindet sich Musik, die übrig geblieben ist oder durch neues ersetzt wurde. Auch wenn 4GB viel klingen, so muss man dabei bedenken, das diese Musik für alle Stimmungen passen muss. Man ist ja lange unterwegs und kann dabei nicht mal schnell was anderes drauf spielen.
Manches ist schon älter als 1Jahr, dh. es ist mir so lieb geworden, das ich darauf nicht verzichten will. Dabei ist die Mischung sehr bunt. So sind The XX noch immer darauf und sie werden es wohl auch bleiben. Da wird wohl eher der Player den Geist aufgeben.
Hier also ein kleiner Blick auf meinen MP3 Player:

 

The XX – zeitlos schön, unaufgeregt und passt fast immer

Gil Scott Heron – I’m New Here – diese große, alte Stimme, so kraftvoll

Burial – Street Halo – magische und außergewöhnliche Lieder

Ben Frost – By The Throat – kraftvoll und Urgewaltig, jedes mal ein Ereignis

Supersilent – 10 – Melodien, zart und abstrakt verwoben

Fink – The Perfect Darkness – Lieder die immer wieder gerne höre

Radiohead – The King Of Limbs – noch immer die besten, wen es um Rock geht

Tyonday Braxton – Central Market – seine Kompositionen verblüffen mich immer wieder

Thomas Köner – La Barca – damit bin ich immer weit, weit, weg

Gianmaria Testa – Solo – was für eine Stimme, tief und melancholisch

Sinikka Langeland – The Land That is Not
– ungewöhnlich und mit Hackbrett

King Crimson – Starless and Bible Black – diese Alten Helden, waren für
mich nie besser

Fire – Unreleased – eine einzige, geballte Energieladung

Stefano Battaglia Trio – The River of Anyder – Das Klaviertrio überhaupt und wunderbar

Apparat – The Devils Walk
– Seit seinen ersten Liedern kenne ich ihn und ich mag es einfach
 

immer Charles Mingus, Miles Davis und natürlich aktuelle Sendungen aller Art

„And who could feel sorry for a drunkard like this,
In a democracy of dunces with a parasites kiss?“

(David Sylvian)

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Her skin was darker than ashes | And she had something to say | Bout being naked to the elements | At the end of yet another day | And the rain on her back that continued to fall | From the bruise of her lips | Swollen, fragile, and small | And the bills that you paid with were worth nothing at all | A lost foreign currency | Multi-coloured, barely reputable | Like the grasses that blew in the warm summer breeze | Well she offered you this to do as you pleased …

And where is the poetry?
Didn’t she promise us poetry?

The redwoods, the deserts, the tropical ease | The swamps and the prairie dogs, the Joshua trees | The long straight highways from dirt road to tar | Hitching your wheels to truck, bus, or car … |  And the lives that you hold in the palm of your hand | You toss them aside small and damn near unbreakable | You drank all the water and you pissed yourself dry | Then you fell to your knees and proceeded to cry … | And who could feel sorry for a drunkard like this | In a democracy of dunces with a parasites kiss?

And where are the stars?
Didn’t she promise us stars?

Nothing will ever be as it was | The price has been paid with a thousand loose shoes | Pictures are pasted on shop windows and walls | Like a poor mans Boltanski | Lost one and all … | Sell, sell | Bid your farewell | Come, come | Save yourself | Give yourself over | Pushing your consciousness | Deep into every atom and cell | Sell | Bid your farewell | Come, come | Save yourself | Give yourself over | Pushing your consciousness | Deep into every atom and cell | Sell | Bid your farewell …

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Atom And Cell“ ( Video-Clip)

2011 25 Nov

Brian Eno / Rick Holland: Panic of Looking (David Stubbs)

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Eno’s third collection for Warp, and his second collaboration with the poet Rick Holland following Drums Between the Bells, is an EP on which the duo again explores an inverted, shifted relationship between words and music in song. Eno’s backdrops, on In the Future for example, are spare, darkly turquoise, semi-ambient, yet insinuate themselves into the foreground, like a servant overshadowing the master. Holland’s words, meanwhile, are placed discreetly but tellingly in the mix, as if somehow ‘soundtracking’ the music. The collaborative effect is most telling on West Bay in which the words „alone on this island with only the stones“ somehow underwrite the isolated, carefully placed and plotted piano notes dropped by Eno. In a tradition that goes back to St Elmo’s Fire on Another Green World and Julie With… on Before and After Science, there’s a faintly nautical air to some of these tracks, a hint of salt and faded shanty on the wind as these tracks lilt and breeze. That said, If These Footsteps has a distinctly urban, bustling, strobe-lit feel, an abrupt and vivid shift in mood, while Watch a Single Swallow in a Thermal Sky, and Try to Fit Its Motion, or Figure Why It Flies, an instrumental ironically, lives up practically syllable by syllable to its title. As a concept, Panic of Looking is open to interpretation – but in a ‘post-everything’ era in which the desensitising blur of the sheer flow of data from all sides is greater than ever before, this album acts as a corrective. It attempts to create a context of isolation from all that, an aquarium-like zone of contemplation, in which audiovisual detail can be savoured, in stillness and without fear of missing out for a few seconds on the relentless info-stream of modern life.

(source: BBC Music)

Well, David,  „in a ‘post-everything’ era in which the desensitising blur of the sheer flow of data from all sides is greater than ever before“, this review should not vanish into the blue nowhere!  

I was unafraid, I was a boy, I was a tender age
melic in the naked, knew a lake and drew the lofts for page
hurdle all the waitings up, know it wasn’t wedded love
4 long minutes end and it was over it’d all be back
and the frost took up the eyes

pressed against the pane could see the veins and there was poison out
resting in a raze the inner claims I hadn’t breadth to shake
searching for an inner clout, may not take another bout
honey in the hale could fill the pales of loving less with vain
hon, it wasn’t yet the spring

aiming and it sunk and we were drunk and we had fleshed it out
nose up in the globes, you never know if you are passing out
no it wasn’t maiden-up, the falling or the faded luck
hung up in the ivory, both were climbing for a finer cause
love can hardly leave the room
with your heart

„Michicant“ – Bon Iver

2011 22 Nov

Leonard Cohen: Old Ideas (January 2012)

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„Show Me The Place“ – Leonard Cohen

Old Ideas, Leonard Cohen’s first album of new material in eight years, will be released January 31st, 2012. Old Ideas will be Leonard’s twelth studio album with Columbia Records since signing with the label in 1967. Consisting of ten new songs, Old Ideas poetically addresses (no surprise) spirituality, love, sexuality, loss and death.

Fans were given a hint of what to expect when Cohen made remarks as the recipient of the 2011 Prince of Asturias Award for Letters in Spain in October:

„As I grew older, I understood that instructions came with this voice. And the instructions were these… Never to lament casually. And if one is to express the great inevitable defeat that awaits us all, it must be done wtihin the strict confines of dignity and beauty.

Recorded at four in the morning after a session that had started 10 hours earlier, and in which the musicians had done little but play cards while Dylan worked on the lyric, this draws its sepulchral power not just from the glinting ambiguities of his magnificent wordplay but from an arrangement that ebbs and flows like a slow tide. Not having been given a clue as to the length of the song, the musicians surged to a climax at the end of every chorus, only to find the singer pulling them into yet another verse. Eleven minutes and 21 seconds long, the one and only take was given its own special setting, isolated on the fourth side of a double album. It presented itself as a masterpiece, and it was.


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