Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2021 20 Feb.

Rundweg und Nachtwanderung

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Der gute alte Rundweg zählt eher zu den Ritualen als zu den Abenteuern. Auf Sylt hatte ich während dieser halben Robinsonaden inmitten der Lockdowns zwei Rundwege ausfindig gemacht, die ich perfekt fand, die ideale Mischung aus Feldweg und Dünengras, Menschenleere und Meeressaum. Auf einem wanderte in alter Zeit Max Frisch, ich kam ja immerzu an der Steintafel mit seinen zwei eingravierten Sätzen von Dämmerung und Mondhelle vorbei, und kurze Zeit darauf, oben auf dem hölzernen Plateau der Uwe-Düne (fast schon ein Gipfelgefühl), lag die Frage nah: ist das jetzt ein Traum, oder ein Traum? Die Erinnerung an alte Strandbuden mit kleinen Warteschlangen für Milchreis mit Zimt und Zucker ein halbes Leben her. Später dann, irgendwann nach Mitternacht, mit Taschenlampe und Neopren am wild rauschenden Meer, wurde das meditative Alleinsein (das auch schon den einen und anderen wohligen Schauer bereit hält), um einiges abgründiger. Dem horror vacui machte ich einmal den Garaus mit einem Trick – aus der Ferne funkelnde Erinnerungen an hingebungsvoll gelesene Gespenstergeschichten in einem warmen Bett voller Daunenfedern.

 

2021 20 Feb.

The first Poet I met

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A summer in the 1980s: F wore dark T-shirts and Palestinian scarves, he went to demonstrations and smoked home-rolled cigarettes without filters. Above all, F was the first poet I met in person. He lived only a few hundred meters away from us, and when I went down the stairs to his room in his parents‘ house and heard the rapid clacking of the typewriter keys and after a short hesitation (because I enjoyed that sound) I knocked at his door, he´d say, sit down, I just have to finish this poem. For me, it was the embodiment of freedom, how F sat at his desk, unperturbed by anything, and just wrote down what he was thinking at that moment. He pulled the paper out of the machine and read his latest work to me. I played the role of the critic, posed theses, interpreted, made suggestions. F was amused, and admitted again and again in amazement that he had by no means thought as much about his text as I had. It was unbelievable for me to experience how someone completely wrote down such a structure like a poem. F said it was quite easy and I should try it too. His poems were written in free verses in unjustified print, they took up political and private themes and, of course, I occasionally appeared in them. With all due respect, these works seemed to me to be too accessible, too little mysterious, and I thought that if I ever managed to write a poem, it would have to be very different.

 

2021 20 Feb.

„Break the curve“

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ZeroCovid  ist eine Vision. Eine konkrete Utopie. Der Begriff ist agitatorisch, in einem positiven Sinn. Und natürlich  hoch symbolisch. Auf eine Infektionsrate von null werden wir nie kommen. Aber, bitteschön, etwas didaktische Radikalität macht ja wohl Sinn! Ich glaube, dass wir bislang mit den falschen Begriffen operieren. Flatten the curve, hieß es am Anfang. Es sollte besser break the curve nennen. Das ist das Ziel.

2021 20 Feb.

Fischfrikadellen

von | Kategorie: Blog | | 4 Comments

 

Provisorische lilafarbene Küchen
Und dort Pommesbudengeburtstage mit gar nichts
second hand aber es macht mir nichts aus
an Weihnachten Zeitungen durchzuschaun

 

Wo das Fitnessstudio war und die Garage
und Reihen abgestandener Ehen
Keine Hand war so gut wie meine
Janet und John und Fischfrikadellen frittieren

 

Und wenn es eine Bedeutung hatte, und die hatte es
Immerhin lebten wir
Und wenn es eine Bedeutung hatte, natürlich hatte es die
Wir lebten immerhin
Immerhin lebten wir

 

Schule und Häuser zerfallen
in Ziegel und ihre Markierungslinien sind Gefängnis
Garagen und Kieselsteine klingen
Eichen aus Asbest hängen hoch

 

Ich wollte es nie, ich hab’s nie getan
Farbe und Bushaltestellen rühren was an
second hand aber es macht mir nichts aus
an Weihnachten Zeitungen durchzuschaun

 

Und wenn es eine Bedeutung hatte, und die hatte es
Immerhin lebten wir
Und wenn es eine Bedeutung hatte, natürlich hatte es die
Wir lebten immerhin
Immerhin lebten wir

 

Text: Sleaford Mods (Original siehe comment 1)
Übersetzung: Martina Weber

 

2021 19 Feb.

Himmel über dem Atlantik

von | Kategorie: Blog | Tags:  | | 5 Comments

 


 

INITIALLY CENTRED around sentimental ballads voiced by young black British women, lovers rock provided the thrilling soundtrack to the late ’70s and early ’80s blues parties immortalised in Steve McQueen’s excellent BBC film, Lovers Rock. One standout scene featured a crowded dancefloor united in singing Janet Kay’s Silly Games, the reggae subgenre’s breakthrough tune. Written and produced by Dennis Bovell, Silly Games took lovers rock into the mainstream in 1979 when it reached Number 2 in the UK singles chart; it also made Kay the highest charting black British female of that time.

(Mojo, April 2021)

 


 
 

 
 

 

 

In den vier Stunden waren zu hören: Mapstation (das Interview mit Mapstation / Stefan Schneider findet sich im blog diary am 12. Februar) James Yorkston (seine beiden O-Töne zu zwei Songs des Albums „The Wide, Wide River“ sind hier zu hören), Sleaford Mods, Mats Eilertsen, Pauline Anna Strom (erste Stunde), Jakob Bro, Trio Tapestry (in einer Ankündigung des DLF als „Trip Tapestry“ ausgewiesen), Fire!, Tindersticks, Brian Eno (zweite Stunde), Augustus Pablo, David Darling, Al Green, Chick Corea, Billie Holiday, M. Ward, John Lee Hooker, Leonard Cohen, Nick Cave (dritte Stunde) – und, in der letzten Stunde, der wunderbare Tiziano Popoli. Als special guests in Gedichten Teil der Nacht: Dana Ranga und Martina Weber. Zwei Filmempfehlungen zudem: „Red, White and Blue“ sowie „Lovers Rock“ – beide Filme von Steve McQueen setzen sich, wie die ganze fünfteilige Serie „Small Axe“, mit dem strukturellen Rassismus im England der Jahre 1968 bis 1982 auseinander (als DVD erhältlich, im engl. Original mit engl. Untertiteln). Mein Dank an HDK, der mir soundfiles und Interviewpassagen des schottischen Sängers in bestmöglicher Qualität aus der „Klinger Factory“ zusandte. In der Audiothek des DLF wird man die vier Stunden sieben Tage lang nachhören können. Einen Tag vor der Radionacht hatte ich ein intensives Hörerlebnis mit der neuen Arbeit von Pauline Anna Strom (unter Kopfhörern).  Get high without drugs!

 

2021 16 Feb.

Zwei Buchempfehlungen

von | Kategorie: Blog | | 10 Comments

 
 

Das erste Buch habe ich am Meer gelesen. Gustav Mahler sitzt auf einem Schiff, das ihn von New York nach Europa bringt. Er sieht meistens auf’s Meer, das ihm eine ruhige Unterlage ist für seinen Lebensrückblick. Dass er ein weltberühmter Musiker ist, wird in Robert Seethaler s Roman Der letzte Satz zur Nebensache. Es ist schon so viel über Mahler geschrieben worden. Nun will Seethaler den letzten Satz über den Mensch Mahler sagen. Natürlich weiß auch er, dass der 4. Satz der Abschiedssymphonie gemeint ist. Trotzdem erzählt er uns hauptsächlich über einen Mann, der krank, gebrechlich und übellaunig ist. Seethaler gelingt es, eine Innenansicht eines Genies zu erzählen.

Das andere Buch ist über einen Musiker, über den wir auch schon viel wissen. Ich habe die Interviews in So Long Leonard Cohen gerne gelesen. Neugierig hat mich der Name des Verlags gemacht. KAMPA. Es gibt ihn erst seit 2018 in Zürich. Erstaunlich, welche Schriftsteller im KAMPA Salon editiert werden.

 
 

 
 

Mich haben auch die Interviewer interessiert, die sich für Leonard Cohen die Schreibmühe machten:

Christian Fevret

Er war Anfang der 80er Radio Journalist in Frankreich und gab als Musikkritiker die Zeitschrift „Les Inrocks 2“ heraus.

Paul Zollo

Er ist Musiker, Journalist und gab früher „ SongTalk“ heraus,  heute den „ American Songwriter“.

Alberto Manzano

Er ist ein spanischer Schriftsteller, der die Gedichte von Leonard Cohen übersetzt hat

Arthur Kurzweil

Er ist ein amerikanischer, jüdischer Schriftsteller: „Ich bin der der kleine Jude, der die Bibel geschrieben hat …“

Jian Ghomeshi

hmmm, da war doch was …

Er ist kanadischer Musiker, Schriftsteller und ehemaliger Radio CBC Broadcaster.

 

„There‘s a crack in everything. That‘s how the light gets in.“

(L.  Cohen)

 
 

Nun mit vergrössertem Bildausschnitt. Und neuen Herausforderungen. Beteiligen dürfen sich alle Leser ausser den Manas selber. Es gibt für jeden nur eine Ratemöglichkeit. Bei diesem Rätsel geht es um einen Ort der Magie und der Verwandlung. Daniel Lanois hatte mal ein Traumstudio in einem mexikanischen Kino eingerichtet, Brian Eno hatte einige Jahre lang sein „Wilderness Studio“ im heimischen Suffolk. Jeder kennt Aufnahmen aus legendären Studios in Oslo und New York. Und der eine und andere wird Aufnahmen aus diesem Tonstudio haben. Der Eingang sieht der Hintertür einer Garage zum Verwechseln ähnlich. Ein Klick aufs Foto macht die Lupe überflüssig, und Sherlock hätte zumindest einen Teil des Falls bald gelöst. Unsere Fragen: In welcher Stadt findet man dieses Studio? Und welcher Klangkünstler arbeitet dort? Wer beides glaubt zu wissen, vermerkt es in den Kommentaren. Den Namen der City nicht vergessen. Der erste und einzige Preis ist eine CD des Musikers aus genau diesem Studio. Deadline: 20. Februar.

 

2021 14 Feb.

geradlinigkeitstest

von | Kategorie: Blog | | 1 Comment

 
 

weite schneefläche
 
 
 

 
 
 

geschlossene augen
 
 
 

 
 
 

einhundert schritte

 
 

 

ENTENDRE ist für mich ein Album, das man sich am besten in aller Ruhe und Hochspannung von Anfang bis Ende  anhören sollte in einem Stück hören sollte. Was war der Hintergedanke des finalen Stückes, das kein Modul im Titel trägt und  Deja-vu, Vienna heisst?

 

MODUL 55 ist in seiner Realisierung  ungewöhnlich: zum einen, klar, ist es fast ein Ruhepol, platziert zwischen der  ersten und dritten Komposition, mit ihren, in Passagen, expressiven Verwirbelungen. Stand hier vielleicht weniger das „Kernmodul“ im Fokus, und mehr die Peripherie? Es klingt ja fast wie ein „richtiges“ Jazzstück.

 

Patience, intense focus and lightness“ heisst es im Pressetext, und das scheinen bei ENTENDRE die Massstäbe zu sein. Wie bringst du dich bei so einem Aufnahmetag in Lugano in die richtige Geisteshaltung? Gibt es da Rituale, Meditationen – oder ist es einfach ein Urvertrauen, sich voller Raumgefühl durch, zumindest in den Gerüsten, vertraute Module zu bewegen?  Auch der bestens verinnerlichte Raum braucht ja (fürs Kreative) stetig neue Nahrung, in Ecken, Winkeln – und sei es nur der wechselnde Einfall des Lichts.

 

Du sagst, dass deine Reisen in ferne Ländern dein Bewusstsein über den Zusammenhang von (pianistischer) Solo-Performance und ritueller Musik in verschiedenen Kukturen weiter vertieft haben. Die Verbindung von „Ronin“ zu Elementen japanischer Kampfkunst ist bekannt.

 

Wie war das „Zusammenspiel“ mit Manfred Eicher? Ihr seid ja beide meinungsstarke Wesen. Für jemanden, der so intensiv mit den gewiss flexiblen Klangräumen der Module verbandelt ist… gab es da im Austausch spezielle Ideen, Anreize, Herausforderungen?

 

ENTENDRE ist nicht das erste Dokument deines Solopianospiels, aber es unterscheidet sich doch von dem, was ich bisher von dir solo gehört habe. Irgendwas scheint mir anders gelagert, aber ich kann es nicht genau fassen. Vielleicht ist das auch nur meine Einbildung. Den immensen Raum in Lugano hast du ja auch nicht zum ersten Mal bespielt.

 


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