Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

Author Archive:

 


„Die Funken fliegen, wenn Cary Grant und Katharine Hepburn in einem der schnellsten und lustigsten Filme, die je gedreht wurden, aufeinander losgehen – ein Hochseilakt der Erfindung, der die amerikanische Filmkomödie zu neuen Höhen der Absurdität führte.“
So bringt es Criterion auf den Punkt, und wer bis Juli wartet, kann den restaurierten Film in einer neuen Edition der amerikanischen Filmenthusiasten bestaunen, mit vielversprechenden Extras. Wer aber den schnellen Kick bevorzugt, wartet, bis es dunkel ist, und schaut sich diesen Film, im amerikanischen Original auf YouTube an. Viele alte Streifen, selbst von Cracks wie Herzog oder Truffaut oder Wenders, produzieren bei mir heute lang nicht mehr das Staunen, die Verblüffung, das Atemlose, von damals. Anders geht es mir, zumindest in bestimmten Aspekten des Wieder-Sehens und  Wieder-Entdeckens, mit Klassikern von Hitchcock, des film noir – oder solchen screwball comedies wie „Bringing Up Baby“. Warum, keine Ahnung (muss ich auch gerade nicht ergründen). Lieber her mit einem herrlich grasigen Sencha-Tee (grün, dekoeffiniert), dem Abenddunkel, und Katherine und Cary in Hochform!

 

2021 12 Apr.

Sansibar Lockdown Memory

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off

 

 

Mechtild Borrmann ist eine Schriftstellerin, die darauf spezialisiert ist, abgerissene Zeitlinien der (weitgehend) deutschen Geschichte zu verbinden. In ihrem zurecht mit dem Deutschen Krimipreis 2012 ausgezeichneten Roman „Wer das Schweigen   bricht“ zeichnet sie die Geschichte von sechs Freunden, die sich im Nazi-Deutschland schworen, immer füreinander da zu sein. Das geht gründlich schief.

Ein erfolgreicher Arzt stösst im Nachlass seines Vaters auf das Foto einer unbekannten, attraktiven Frau, und wünscht sich insgeheim, dem selbstgerechten Vater endlich eine kleine Unvollkommenheit in dessen perfekten Vita nachweisen zu können. Das geht ebenfalls gründlich schief.

Der Roman bewegt sich zwischen den Zeitzonen des Zweiten Weltkrieges und des Jahres 1998. Jede Person  ist lebendig gezeichnet, meine Lieblingsfigur ist der kauzige Polizist, der nur darüber schmunzelt, wenn man ihn „Dorfsheriff“ nennt, und seine Liebe zur Langsamkeit mit einer Sammlung von Sanduhren kultiviert.

Muss man noch extra erwähnen, dass Mechtild Borrmann sehr feinsinnig mit Sprache umzugehen weiss, ob es sich um Naturschilderungen handelt, die immer auch Seelenzustände skizzieren, um Dialoge, oder das angemessene Tempo des Plots?! Ihre Kenntnis der deutschen Historie (und ihrer dunkelsten Zeit) erzeugt Schrecken mit klaren, alles Pathos vermeidenden Schilderungen, in denen das Grauen zu  irrationalem  wie irrsinnigem  Alltag gerinnt.

 
(eine bearbeitete Besprechung aus dem Jahr 2012) 

2021 6 Apr.

An instant classic

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off

1 – STATEMENT –  I like to announce an instant jazz (or whatever you may call it) classic. Not really instant. It took a while, and then it blew me away, this album of Floating Points aka Sam Shephard, Pharoah Sanders and The London Symphony Orchestra. „Promises“ is will be in my top 5 of 2021. I listened to it on the highest dune of my northern island, I listened to it inside a deserted beach chair at the sea, after midnight, with crushing waves adding the fourth element to a mélange of archetypal  jazz, modern classical  & electronica. I listened to it at home, and it felt like a homecoming horizon.

 

2 – DETAILS – Die einzelnen Teile von „Promises“ fliessen nahezu nahtlos ineinander über, aber einmal geschieht etwas, dass diese Organik bricht. Was passiert da in der Schlusssequenz von „Movement 8“? Es ist etwas, das man so ähnlich schon gehört hat auf dem Klassiker der Band „Love“, und auf „Laughing Stock“ von Talk Talk. Ein unerwartetes Einreissen der Musik, als hätte ein Stromschlag ihr Weiterklingen verhindert. Ein wie aus heiterem Himmel fallender Vorhang. Hier, auf „Promises“, kommt diese Störung daher wie ein Störsound, und kurz fürchtet man einen Kapitalschaden der eigenen Lautsprecher. (Nicht, dass ich hier auf ein Mängelexemplar reinfalle, und da einen Sinn hineindichte, den es gar nicht gibt.) Diese „Verstörung“ ist eine recht tollkühne Idee, und wenn sich die Entstehung dieser Grosskomposition von Sam Shephard tatsächlich über fünf Jahre hingezogen hat, hatte er genug Zeit, über diesen Showdown der achten Bewegung nachzudenken.

 

3 – HISTORY –  Die Achtziger Jahre waren sicher nicht Miles Davis’ kreativste Dekade. Seine Popularität stieg, sein Spiel wurde gefälliger. Eine Ausnahme, vielleicht, das  Album „Tutu“, produziert von Bass-Mann Marcus Miller. Keyboards, Sequencing, Dub-Effekte, Drum-Maschinen und Tonalitäten, die oft die Helligkeit und Schärfe der Fairlight-Ära hatten: ein harter Sound, dem man aufnahmetechnische Brillianz bescheingen kann. Es ist das einzige Album von Miles Davis, aus jener Dekade, von dem ich glaube, dass ich es zuweilen noch sehr gerne hören würde. Ich mochte die Härte. Das Strahlen. Die Grooves. Brian Eno mochte es gar nicht: er empfand den Trompetenklang als geradezu „rechtwinklig eingekastelt, verschraubt, vernietet“. Er liebte weitaus mehr die Weite von „He Loved Him Madly“: Teo Macero schuf damals ein geisterhaftes Ambiente, eine fliessende Landschaft für die Trompetensounds des Meisters, der diese Schattenwelt selbst noch mit verhuschten Orgeltupfern verstärkte. Die Liebeserklärung an Duke Ellington findet sich auf dem Doppelalbum „Get Up With It“. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Brian Eno in diesen Tagen „Promises“ von „Floating Points“ hören – und begeistert sein wird. Alles andere würde mich wundern.

 

2021 5 Apr.

Düne

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off

 

Eine typische Farbsättigung alter Postkarten von Nordseeinseln. Das Blau wird gleichsam tiefenblau, der Holzton regelrecht erwärmt. So imitierten Fotografen einen alten Mechanismus von Urlaubserinnerungen: die Intensität der Farben lässt alles so glühend und expressiv wirken, dass dem Verblassen der Erinnerung ein, letztlich vorläufiger, Riegel vorgeschoben wird. Nur dass dieses Foto erst ein paar Tage alt ist, und mit einem simplen Trick so viel älter erscheint. Ich wollte es so haben, kenne mich mit Inselfotos gut aus, und dieses sieht aus wie 1976, ich bin 21 Jahre jung, erstaunlich! Das Ende der Kindheit ist erreicht, und ich sammle schon lange keine Miniaturleuchttürme mehr. I‘m floating.

 

A typical color saturation of old postcards from North Sea islands. The blue becomes  a very deep blue, the wood tone downright warmed up. This is how photographers imitated an old mechanism of vacation memories: the intensity of the colors makes everything seem so glowing and expressive that the fading of the memory is prevented, at least temporarily. Except that this photo is only a few days old, and with a simple trick it appears so much older. I wanted it that way, know island photos well, and this one looks like 1976, I’m 21 years young, amazing! The end of childhood has arrived, and I stopped collecting miniature lighthouses a long time ago. I’m floating.

 

Entfalte Meine Hand / Die Anker Los / Denn Auch Jedes Tief Dreht Sich Ins Hoch / Fall Auf Meinen Fuß / Die Feuer Sind Gesetzt / Und Die Nebel Leuchten

 

Deutung: Das lyrische Ich macht sich auf den Weg auf die hohe See. Es ist sicher, dass nach schlechter Zeit auch mal wieder eine gute Zeit kommt. Herzlichen Glückwunsch, schon mal vorab, zu dieser Erkenntnis!

 

Weg Mit Dem Fixen Problem / Ich Will Mehr / Schiffsverkehr / Endlich Auf Hohe See / Endlich Auf Hohe See

 

Deutung: Ein fixes Problem will das lyrische ich loswerden; es soll nicht starr sein, sondern in Bewegung geraten. Schau, schau: „Wenn man sich bewegt, bewegt sich was“. Hey, diese Textzeile hätte auch noch gut gepasst. Das ist nicht Küchenpsychologie, das ist Besenkammerpsychologie.  

 

Werde, Wer Ich Bin / Gute Fahrt & Die Dämonen Sind Versenkt / Aufgeklart / Es Gibt Kein Damals Mehr / Es Gibt Nur Ein Jetzt, / Ein Nach Vorher

 

Deutung: das lyrische Ich will in der Gegenwart leben. Es hat die Dämonen versenkt. Hoffe, die waren schon tot, als er sie versenkt hat. Die Vergangenheit gibt es nicht mehr. Das ist natürlich Blödsinn, Herr Grönemeier. Und für das Jetzt erfinden Sie einen neuen Ausdruck, das „Nach Vorher“. Entschuldigung, aber dieser Ausdruck hat keinerlei sinnliche Präsenz und wirkt ein bisschen lächerlich.   

 

Stell Mich Vor / Das Leere Tor / Ich Schlag Mich Fein / In Seide Ein / Geb Mir Ewigen Schnee / Pures Gold, Wohin Ich Seh / Und Leb Mich Voran / Und Leb Mich Voran / Und Ich Verliere Mich In Mir

 

Deutung: ich fürchte, hier brennen dem Dichter die Sicherungen durch. Vor einem leeren Tor trägt er Seide und wünscht sich ewigen Schnee. Befindet er sich in Todesnähe? An einer Schwelle? Oder meint er Koks? Oder ein El Dorado im ewigen Eis? Wird er hier gar vieldeutig? Er sieht überall pures Gold. Welche Drogen sind im Spiel? Ein bisschen holzschnittartig ist das für so viel Psychedelik. Dann wird’s ganz hart: das lyrische Ich lebt sich voran und verliert sich in sich; das ist nicht mehr Besenkammerpsychologie, das ist trivialer Totalblödsinn!  Er spielt wieder mit Pseudotiefe und kalauert dabei vollkommen unfreiwillig.

 

Brauch Meinen Tag / Kein Schicksalsschlag / Das Salz In Mir / Die Vorfahrt / Radikalkur / Klare Natur / überholspur / Kein Radar Den Abendstern

 

Deutung: Na, klar, jetzt zieht es unsern Freund zum Abendstern, natürlich auf der Überholspur. Schliesslich will er keine Zeit verlieren. Er reimt im Staccato, will sagen: auf Teufel komm raus, Radikalkur auf klare Natur. Da steckt natürlich Potential drin, wenn eine Brauerei mal wieder einen Song für einen Werbespot sucht. Da passen auch Form und Inhalt, denn wenn man Lyrik auf einen Promillegehalt untersuchen könnte, wäre das hier schon was für eine Zwangausnüchterung.

 

Endlich Freie Sicht / Die Segel Sind Gefüllt / Und Keine Liebe Bricht Mich

 

Deutung: das lyrische Ich hat freie Sicht. Prima. Die Segel sind gefüllt: ich ahne, es weht eine steife Brise (da fällt mir ein Bierwerbespot mit Joe Cocker-Musik ein). Und er ist frei von allem Liebeskummer. Das überrascht nicht: denn die Vergangenheit hat er ja abgeschafft (s.o.), und eine Braut ist bei dem Verrückten glücklicherweise nicht mit an Bord.

 

Well, I don’t care what they think Drag racing my little red sports car I’m not unhinged or unhappy, I’m just wild. die produktion von lana del rays album chemtrails over the country club ist kurz vor genial. warum? weil es bei allem drumming so nah am element der luft entlang produziert ist. so hauchfein, dass die cocteau twins nicht mehr allein referenz sind. manches ist kurz vor auflösung, und lana zieht genau solche short stories auf, die durch lauter flüchtige erinnerungsbilder geistern, und man spielt das detektivspiel, macht mit auf dieser melancholischen schnitzeljagd voller sternschnuppen und schmauchspuren, und nur wenn ihre stimme unterwegs mal eine halbe, eine dreiviertel oktave tiefer rutscht, aus elfengleichen eiseshöhen, hakt sich sowas wie ein groove ein, für den zeitraum zwischen einem augenzwinkern und einer halben minute down to earth, manchmal auch einen ganzen song lang, aber nicht auf diesem hier:  I’m on the run with you, my sweet love There’s nothing wrong contemplating God Under the chemtrails over the country club

 

August 2018. Da scherten die Erinnerungen gleich aus, als ich das Bild von der Insel da unten sah, mit der ich soviel Kindheit und frühe Jugend verbinde, und ich huschte nur über ein paar Zeilen, die von der Entrüstung eines Paares handelten, das jetzt Brüssel verklagen möchte, weil es die Klimaschutzbestimmungen missachtet sieht. Sofort fesselte mich der Wald von Langeoog, durch den ich so oft geradelt bin, die geliebten Lichtungen, die Verdunstungskälte, der Weg zum Teehaus. Ja, ich glaube, auf dem Foto erkenne ich die kleine Einbuchtung, in der es damals stets riesengrossen Apfelkuchen (gedeckt, heute eine Seltenheit) und ostfriesischen Tee mit Sahne und Kluntjes gab. Die Erinnerungen schwappen stets zwischen Borkum und Langeoog hin und her, nirgendwo war ich damals öfter in den grossen Ferien. Unzweifelhaft verliebte ich mich auf Langeoog in die Pensionsbesitzerin des Hauses Westfalen (habe ich tatsächlich den Namen behalten?), es war der Urlaub, in dem ich 8 Jahre alt war, und einen Drachen besass und einen Roller. Einmal stand der Wind so kräftig im Rücken, dass ich mit dem linken Fuss nur einmal zum Schwung auf Asphalt ausholte, und dann gelangte ich ohne jedes Absetzen bis zur Bäckerei am Stadtrand, und war ganz glücklich, ein Rosinenbrötchen zu erstehen. In Langeoog gab es, und gibt es noch heute, das Cafe Leiß, und dort ass ich zum ersten Mal eine Eisspezialität jener Jahre, komm, sag mir, wie sie heisst, eine Porzellanschale mit Vanilleeis und einer heissen Banane, ordentlich Sahne dazu. Ja, den Michael Naura und seine magischen Jazzsendungen habe ich auf Borkum entdeckt, auf Langeoog hatte ich frühe Kinoerlebnisse. Am Bahnhof hingen die Plakate, was wann zu sehen ist, aber ich kann mich an keinen einzigen Film erinnern, nur an die Vorfreude, und dass es gar nicht genug Western sein konnten. Ich weiss auch nicht, welchen Strand ich vor mir sah, den von Langeoog oder Borkum, als meine Mutter mir geschichtenhungrigem Kind immer wieder (auf meinen Wunsch) diese zwei erfundenen Märchen erzählte, in einer kam dieser Strand vor, ohne Menschen, nur das Meer, und ihr Satz: – In hundert Jahren sind wir alle tot. Vielleicht habe ich mich deshalb als Teenager so sehr für Gespenstergeschichten interessiert, die oft genug von Toten handelten, die nicht in weissen Gewändern durch ein Schloss, sondern gern auch in luftiger Höhe, am Meeresaum, entlang schwebten. Jahre später erstand ich in der Inselbuchhandlung Krebs (ich glaube, sie heisst Krebs) Peter Rühmkorffs Lyrikband mit dem Titel „Haltbar bis Ende 1999“. Auf dem Umschlagcover ein überquellender Aschenbecher. In diesem Gedichtband habe ich eine gute Woche gelebt, in dem ich wahlweise in einem Strandkorb sass, oder abseits von dem Getümmel in den verbotenen Dünen.

 


Vorspiel 2006
: Das waren noch Zeiten, als, gerade mal zehn Minuten von meiner Haustür entfernt, die Platten und Bücher des Londoner Labels Soul Jazz Records ankamen, bei einer kleinen PR-Agentur. Alle paar Wochen kam ich vorbei, und mit neuem Stoff aus dem Hauptquartier von Stuart Bakers Label nach Hause: die Roots Reggae-Fundgrube von Sir Coxsone Dodd schien unerschöpflich, aber es gesellten sich auch brilliante Kompilationen aus Brasilien, der New Yorker-Noise-Szene und etlichen anderen Quellen hinzu. Ein Sammelsurium mit Sinn und Verstand. Stuart Baker ist ein Musikdetektiv, ein Jäger fast verlorener Schätze: wilder, nie gehörter Jazz aus den 60er Jahren, kubanische Ritualtrommeln, harsche Elektronik aus New Wave-Zeiten. SoulJazz Records wurde eine Bereicherung meiner Klanghorizonte im Deutschlandfunk, von Anfang an. Ein kleines Interview nun, per Telefon, das damals als Corso-Gespräch im Radio lief.

 

Woran arbeiten sie gerade in ihrem Büro in Soho?

 

Wir arbeiten an einem Buch mit dem Titel „New York Noise“ – ein Buch über die New Yorker Musik- und Kunstszene der 80er Jahre, mit Bildern von vielen Protagonisten und mit Texten, etwa von David Byrne oder Cindy Sherman. Und da nähert sich die Deadline, heute muss der komplette Text in die Post gehen! Zudem beende ich gerade die Begleitexte für unsere zweite „Tropicalia-Compilation“, die brasilianische Musik in den Siebzigern!

 

In früheren Jahren zogen sie ja länger durch die USA, stets mit der Musik im Blickfeld. Wieso waren sie so scharf auf Raritäten, unabhängig von ihrem komerziellen Wert?

 

Ich war eigentlich besonders an schwarzer amerikanischer Tanzmusik interessiert. Ich weiss gar nicht so genau, woher diese Faszination rührte. Auf jeden Fall war es ein guter Weg, die USA zu erfahren, und nebenher eine Art musikalische Erziehung zu erhalten.

 

Sie sagten einmal: man kann dieselbe Faszination für eine Jazzplatte aus den 50er Jahren empfinden wie für ein modernes Tanzalbum. Man muss es nur in der richtigen Weise präsentieren.

 

Es ist meine eigene Erfahrung, dass ich die Musik einer anderen Kultur und einer anderen Zeit genauso genießen kann, wie Musik aus dem heutigen England. Hermann Hesse kann für einen 16-jährigen englischen Jugendlichen  genauso spannend sein wie ein brandneuer Roman. Es geht halt  um die Weise, wie man eine Umgebung präsentiert, die sich außerhalb deiner eigenen, gewohnten Kultur befindet. Und das ist die Freude daran, eine Plattenfirma wie Soul Jazz Records zu haben.

 

Soul Jazz Records ist berühmt geworden für all die immer  noch sprudelnden Veröffentlichungen aus dem legendären Archiv des Studio One von Sir Coxsone Dodd. Können Sie etwas erzählen von ihrer Beziehung zu Coxsone, und zu ihren Kämpfen gegen die „englische Reggaepolizei“?

 

Ja, das ist wahr. Unsere Beziehung  begann vor etwa 10 Jahren – wir sagten ihm, dass wir gerne mit ihm zusammenarbeiten würden, und sandten Coxsone eine Sammlung unserer Arbeiten. Er mochte es, daß wir kein reines Reggae-Label waren, sondern alle möglichen Genres von Musik im Programm führten. Nicht zuletzt  Jazz und Soul – diese Musik liebte er sehr! Er gab erst mal sein Ja für ein Projekt. Ich traf ihn in New York, und  das führte mit der Zeit zu einer Freundschaft – und zu Reisen nach Jamaika. Er gab uns auch grünes Licht für einen Film! Von da an haben sich die Dinge stetig  weiterentwickelt. Und was die etwas sarkastische Bemerkung von der „Reggae Polizei“ betrifft – nun, die Wege, die Soul Jazz Records ging, waren in den frühen Jahren ziemlich gewöhnungsbedürftig für viele Leute. Uns ging es ja darum, Verbindungen aufzuzeigen zwischen Reggae, Soul- und Funkmusik! Und was jetzt ziemlich offensichtlich erscheint, löste vor gut zehn Jahren noch ziemlich viel Befremden aus. Und viele Leute, die mit ihrer Liebe zum Reggae aufgewachsen waren, hatten da eigene Empfindsamkeiten entwickelt. Und die richteten sich gegen unsere Vorgehensweisen. Da gab es einige Reibereien, und das war auch ein Generationenproblem!

 

Die Reggaemusik hat ja oft ein sehr verklärtes Sonnenschein-Image. Aber die Wahrheit ist eine andere: einige Protagonisten wurden ermordet; Armut machte sich breit, Wohlstand war kaum zu erlangen, wenn man keinen Vertrag von großen Labels bekam. Wieso, denken Sie, strahlen diese alten Reggaeklänge heute noch eine eigen Magie aus?  

 

Ich denke nicht, dass Reggae einfach nur eine Emotion verkörpert. Es hängt von der jeweiligen Zeit ab: „Ska“ war sehr turbulent und aufregend, spiegelt die Unabhängigkeit und die eigenen Wurzeln; in den 70ern wurde der Reggae nicht melancholischer, aber teilweise dunkler. Wieder spiegelte die Musik die Zeit, aber, wie bei aller Musik, die ich mag, kam hier stets etwas Rohe und Raues zum Vorschein, etwas Ungeschliffenes. Diese Reggae ist sehr roh, und das kommt bei den alten Aufnahmen sehr klar zum Ausdruck.

 

Nachspiel 2021Various Artists – Cuba Music And Rvolution – „Culture Clash in Havana Cuba – Experiments In Latin Music Vol. 1) – „This compilation, curated by Gilles Peterson and Soul Jazz’s Stuart Baker, collects together some of the most exploratory items from the catalogue of Cuban label EGREM. Irakere appear with a track from 1976’s Grupo Irakere, finding them mixing Afro-Cuban percussion and syncopated vocals with bursts of brass and distorted guitars. On ‘Y No Le Conviene’ Juan Formell & Los Van Van blend son with a classic 60s beat bassline, while Grupo de Experimentación Sonora del ICAIC’s ‘Sondeando’ could be a Curtis Mayfield soul soundtrack gem in disguise. At times there appears a kinship with Brazil, Pablo Milanés‘ ‘Te Quiero Porque Te Quiero’ having more than an echo of Milton Nascimento’s orchestral pop, while Paquito D’Rivera is a samba delight. Surprise of the record must be Juan Pablo Torres y Algo Nuevo’s ‘Rompe Cocorioco’, a funky sonwith a lunatic arrangement: synths bleeping, harpsichord hooks, in-your-face percussion and a relentless pace that somehow gives it a proto-disco feel. The bittersweet conclusion after listening is that while salsa was exploding around the world, its progenitor, son, was having its own adventures back in Cuba, its light burning just as bright. Such a shame that only a few saw it flicker at the time.“

 

2021 31 März

Mr. Darkwood und die Langsamkeit der Steine

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off

 

My theme hour on David Darling, in „Klanghorizonte“ on April 17, will be quite a surprise. Deep in the archives Odilo C. found two portraits I did about the music and thoughts of the late composer and cello player, from the years 1994 and 2001. What a strange feeling to listen to David’s voice from nearly another era, and following him, amongst other things, through the days of creating „Cello“ in Oslo with producer Manfred Eicher. With Jan Erik at the controls. And my young voice on tape – a special time travel experience! The second show from 2001 has a better title: „Mr. Darkwood und die Langsamkeit der Steine“, but I think I‘ll take the first encounter – it is so revealing in regards to his central inspirations.  Odilo sent both features to the island, but I could, for technical reasons, only listen to the early program. No idea what I meant with „the slowness of stones“. Mr. Darkwood – right, „Darkwood“ was the title of his third solo cello album for ECM, the one Jan R. listened to, just before hearing about David‘s passing away.

 


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz