Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Du kennst diesen Moment, wenn du zufallsfreudig durchs Plattenregal schaust, plötzlich dein Blick an einem Album hängenbleibt, und du aus unerfindlichen Gründen  grosse Lust verspürst, ohne jeden Aufschub diese und keine andere Schallplatte anzuhören. Mir ging es gestern Abend so. Es gibt Platten, die werden nicht sonderlich ernst genommen, weil sich da alte Meister*innen angeblich eine Auszeit nähmen im Land seliger Erinnerungen. Wie bei Bob Dylans „Triplicate“. „Pitchfork“ vergibt nur 6.5 – ein Stöbern halt im alten amerikanischen Songbook. Zusätzlich wird gern bemängelt, dass trotz manchen Tempowechsels und Bläsersatzes diese unzähligen, also bitteschön, dreissig Lieder allzu abgehangen dahinströmen in ihrem Ruhekissen aus (unter anderem) pedal steel und gestrichenen wie gezupften Bass. Ich höre das ganz anders, über sechs Schallplattenseiten. Kaum ist der erste Ton erklungen, bin ich gefangen von der Ruhe, die dieser Sänger hier weg hat, ohne auch nur einen Funken Intensität einzubüssen. Ich befinde mich im Reich der Vielstimmigkeit – auch wenn Bob Bob ist und Bob bleibt, enthüllt jeder Song eine neue alte Story aus 1001 Nacht, bildlich gesprochen. Zuviel noir ist in diesen Liedern, um zu verklären. „Bob, do you pick vocal approaches like an actor playing a role?“ „No, it’s more like hypnosis, you instill it in your mind and you keep repeating it over and over until you got it.“ Ein Song daraus ist gebucht für die letzten zwanzig Minuten der kommenden Klanghorizonte im Oktober, ich werde ihn auswürfeln. In other words, my conclusion: he just doesn‘t cover these songs, he haunts them.

 

Wie schon in der Jugendzeit, war ich viel zu früh im Stadion, aber ich mag es zu sehen, wie sich die Ränge langsam füllen, auch wenn seuchenbedingt nur eine bestimmte Zahl an Zuschauern zugelassen werden. Die gelbe Wand war so löchrig wie ein Schweizer Käse, aber Stimmung und Sound gut, und ich glücklich über meine Pressekarte, die ich kurzfristig von einem regelmässigen Berichterstatter des BVB bekam. Die guten Verbindungen in die alte Heimat. Ein Leben lang bin ich hier, in unregelmässigen Abständen, dabei, entweder im Westfalenstadion (der Fussballromantiker bleibt dem alten Namen treu), oder im benachbarten Stadion Rote Erde, wo ich, im zarten Alter von zehn Jahren ungefähr, mit Blutsbruder Matthias mein erstes Live-Spiel erlebte, ein Zwei zu Zwei gegen den HSV mit Lothar Emmerich und Uwe Seeler. Gestern zeigte sich mein Ballspielverein einmal mehr von den zwei Seiten, die klarmachen, dass wir zwar nicht Meister werden (zu instabil die Abwehr, ohne oder mit Mats), aber stets gut sind für berauschende Feste. Das Dionysische in seinem Element, und dazu gehört zuweilen Fritz Walter-Wetter, und der reine Wahnsinn wie gestern in der Nachspielzeit. Immer gut, wenn ein Ausserirdischer im eigenen Team spielt. Und alle anderen tun, wie wir Normalsterblichen, was sie können. Ein Sonderlob an Jude Bellingham und unseren neuen Goalkeeper. Ich wäre zwar vor Wochen zwar zu gerne im „Theater des Herodes“ gewesen, um „The Brian Eno Quintet“ live zu erleben, aber das hier war auch vitales Kino. Pure Gegenwart und Zeitreise in einem. Am Ende Hitchcock pur.

 
 

In sechs Jahrzehnten spielte dieser weise alte Mann des Trommelns mit so unterschiedlichen Meister*innen wie Coleman Hawkins, Carla Bley und Cecil Taylor. In seiner Spielweise geht es ihm dabei nicht zuletzt um – Reduktion. Zuhören und Reduktion. Cyrilles verborgene Handpräsenz zeigt sich in „taps“, „ticks“, und leise knackigen Beckengrooves, gedämpften „snare rolls“ und Offbeat-Akzenten – und dem Flüstern des Besens auf einer Zeitung, die im Titeltrack über die Trommelfelle gelegt wird.“ (John Fordham, The Guardian, heute). Ich habe dem haitianisch-amerikanischen Musiker stets gerne gelauscht, ein fantastischer Teamplayer, und irgendwann ging mir leider im Laufe von Umzügen eine unvergessliche Schallplatte verloren, auf der er an der Seite von C. Taylor und J. Lyons so impressionistisch wie feurig wirbelte. Er ist auch auf einer frühen ECM-Platte zu hören, Marion Browns „Afternoon Of A Georgia Faun“, HDK‘s erste Begegnung mit ECM, und offensichtlich eine folgenreiche. (Meine erste ECM-Platte war wahrscheinlich „Sart“, und auch das hatte Folgen.) Das Spiel des haitianisch-amerikanischen Meisters kommt stets so unangestrengt herüber, spielerisch leicht (flirrend, schwebend), und ist doch alles andere als simpel. Es gibt auf seiner neuen Arbeit mit Bill Frisell, David Virelles und Ben Street, die Sun Chung produzierte, so viel zu entdecken, was sich zwischen „free improv“ und einem Hauch von „exotica“ luftig entfaltet, zwischen Jazzkammermusik, „spoken word“, Ballade und Blues. Ich habe in den Klanghorizonten neulich das Stück „Dance of the Nuances“ gespielt, und es enthält genau das, „einen Tanz der Nuancen“.

 

 

 

Nach dem Besuch in der wunderbaren und exzellent geführten Firma Abacus in Nordenham war klar: mein Abacus APC-Aktivlautsprecher funktioniert einwandfrei, der Fehler liegt anderswo in meiner „elektrischen Höhle“, die bis auf weiteres geschlossen wird. Denn nun muss ich als alles andere als technik-affiner Typ kleinere Routinetests ausführen, um rauszufinden, ob die Schaltzentrale, der „Raumoden-Killer“ Trinnov, einen Defekt hat, was wahrscheinlich ist, oder ob alles nur an einem banalen Kabelproblem liegt. Support erhalte ich dabei von Mediatlantic, Hamburg, von HDK, und den Meistern von Abacus (allen, die sich für eine neue Anlage interessieren, oder eine Modifikation / Erweiterung, empfehle ich diese Manufaktur, die High-End in bezahlbare Regionen rückt und so einiges an Innovationen zu bieten hat – auf dem Foto die C-Box von Abacus, ein Nahfeldmonitor mit hervorragendem Klang, den ich seit Jahren an meinem Apple laufen habe – auf den Rat von Abacus hin werde ich die limitierte Soundkarte am Computer austauschen, mit dem preiswertesten Teil der DragonFly-Serie von AudioQuest, und dann angeblich staunen). 


Eine kleine klangorientierte Anekdote: als mir Herr Sonder, der Magus der Firma, drei seiner Aktivboxen vorführte, war ich fasziniert, neben andere Dingen, vom Sound und der Musikalität eines Trompeten-Bass-Duos, das einen Song in eine Instrumentalversion verwandelte, den ich sehr, sehr mag, Leonard Cohens „Thousand Kisses Deep“. Und, obwohl ich kein Freund seiner meist gefälligen und kommerziellen Unternehmungen bin, hatte ich da meinen „Till Brönner“-Moment. Der Bassist an seiner Seite ist Dieter Ilg.

 

2021 26 Aug.

Arnaud und Jean Marie Larrieu

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haben 2008 einen Film gedreht, der etwas für zwei nicht wirklich ruhige Abendstunden ist, und nun in der Arte-Mediathek zu sehen ist. Er ist ein Film aus einer Zeit, in der „dystopische Literatur“ noch unter „Science-Fiction“ zu finden war und nicht in den Regalen des „Sozialen Realismus“. Es ist ein Film mit viel Seele, auch wenn sich dieser Eindruck nicht sofort (und wahrscheinlich überhaupt nicht) aufdrängt. Der Film hat ein gutes Tempo, ein besonderes Flair, und Eric Rohmer hätte ihn nie gedreht. Er hat nichts Katholisches, und nichts Calvinistisches. Und erzählt keine „moralische Geschichte“. Es wird auch schnell, wild und mitunter völlig verzweifelt Liebe gemacht. Am Ende erklingt eines der ergreifendsten Chansons der Musikgeschichte, und es beginnt mit den Zeilen: „All das Geschrei auf der Straße, diese Typen, diese Läden / Wo ich dich in den Regalen als Beleidigung sehe / Zum Dreigroschenschmuck zur billigen Unterwäsche / Die Schatten in den Augen der Frauen, wenn du vorbeigehst / All diese Geräusche, all diese Lieder und Düfte, die vorbeiziehen / Wenn du dich darauf einlässt / oder wenn ich dich ins Exil schicke / Dich von weiter weg zu lieben, so im Vorbeigehen / All dieses verrückte Zeug, das ist dein Stil“. Als Leo Ferré den letzten Vers gesungen  hatte, dachte ich kurz, „Die letzten Tage der Menschheit“ könnten von dem Song allein inspiriert sein. Fast unwiderstehliches, verstörendes Kino! Es gibt ein Wort für das, was dieser Film veranstaltet, aber es fällt mir gerade nicht ein. Ich bin nie nackt durch Paris gelaufen, aber  am Ende einer amour fou schon mal, in Jeans, mit C. unter dem Eiffelturm her, und später küsste sie mich wild in diesem berühmten Museum, und mir liefen die Tränen aus dem Rand der Sonnenbrille, nah an diesen Statuen für die Ewigkeit. Ich war in einem Chanson von Leo Ferré gelandet, diesem alten, wunderbaren Anarchisten. Immerhin.

2021 25 Aug.

„After the rain“ and other surroundings

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Die Herren von The Grid & Robert Fripp reisen auf „Leviathan“ durch die Geschichte ihres Gewebes / Gewerbes, vom Sphärensummen  zu Groovestudien. Klangteppiche, deren beats per minute zum Finale hin an Zug gewinnen. Ganz und gar nicht steril. Für die erste Hälfte empfehle ich leises Hören, dann aber allmähliches Aufdrehen des Lautstärkereglers. Spätestens „After The Rain“. Für Freunde von Surround, Surrender, und Kif. Für Freundinnen von Surround, Surrender und Molly Dookers „Two Left Feet“. Den ganzen Tag geistert mir eine verrückte Traumgeschichte der letzten Nacht durch die Sinne und Gedanken. Mit den letzten drei, vier Tracks fangen einzelne Szenen an zu wirbeln wie in „Chungking Express“. Ich sollte mir für jeden Tag des kommenden Monats Ananaskonserven zulegen. Und den einen Song von Dennis Brown.

 

2021 24 Aug.

Ein Krimitipp am Dienstag

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Auf meiner Reise in den Norden nach Nordenham habe ich nur einen kleinen Roman dabei, manche würden es einen Krimi nennen, andere einen historischen Roman, oder eine „coming of age“-Geschichte. Ich bin auf Seite 92, und völlig angetan von der Erzählkonstruktion, und der Story. Die superknappe Beschreibung auf der Rückseite dieses Buches aus der Reihe „Rowohlt – Hundert Augen“ trifft es schon gut: „Ein Bankraub. Ein Toter. Terroristenpanik. Die Polizei hat keinen Durchblick. Aber Sanne und Ulrike.“ Nur sind diese beiden Mädels gerade mal 11 Jahre alt. Es ist die Osterzeit 1978, in der Eifel. Mehr wird nicht verraten. Mein erstes Buch von Max Annas. Nicht mein letztes.

 

 


(Aus der Echokammer, nach Jans Artikel über alte Kinos)

 

 

Ich kann mich an dieses Plakat gut erinnern. Damals schrieb sehr oft Peter Buchka in der SZ über neue Filme unseres Stars. Ich ging mit Edwin schon früh zum „City Kino“, unserem studentischen Programmkino in Würzburg, um die Ankündigungen genau zu lesen, die in den liebevoll gestalteten Fenstern aushingen. In Wenders-Filmen passierte an der Oberfläche sowieso nie viel, es sei denn, er erlag der Lust des Wildrumerzählens wie in dem Film, auf den ich heiss war wir kaum auf einen anderen, und der mich mehr enttäuschte als ich für möglich hielt, „Bis ans Ende der Welt“. Drum verschlang ich jede Zeile von Buchkas überschwänglicher Filmkritik hinter dem Schaukasten. Und damals versanken wir in diesem „Roadmovie entlang der ehemaligen Zonengrenze“, endlos fasziniert, obwohl der Kinofilm sein „Actionfeuer“ mit der Landung des Bullis im Wasser verschossen hatte. Aber natürlich war ich bereit für den meditativen flow, die Gemächlichkeit des Erzähltempos, die unverschämte Ruhe der Kameraführung. Später konnte ich mich nicht mehr auf den Film einlassen, und ganz sicher nicht, weil meine Aufmerksamkeitsspanne sich drastisch verkürzt hätte. Es war, als hätte der Film für die Siebziger Jahre seinen Job gemacht, und wäre dann direkt ins Museum gewandert, wo er  seinen Platz in der Zeit- und Kulturgeschichte sicher hat. Das Schönste, was ich über den Film sagen kann, war alles um das erste Mal herum angesiedelt, als ich ihn sah. The first cut is the deepest.  Höre ich da Rod Stewart im Ohr? Ich erlebe es jedenfalls so, dass einst geschätzte Filme oft in ihrer Zeit hängen bleiben, während die Platten von damals, von ECM, von Brian Eno, von Impulse!, und viele andere, heute die gleiche seltsame Verführungskraft besitzen. Ich glaube, damals bin ich mit Ed zurück ins Studentenwohnheim gegangen, ich habe den Glühwein angerichtet, und wir haben die ganze Vinylseite von Terje Rypdals „Rolling Stone“ gehört.

2021 21 Aug.

„Let it be“

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Es dauerte ja damals etwas, bis wir begriffen, dass die Beatles uns nicht dazu anhielten, etwas seinzulassen, sondern loszulassen. Aber, gut, wir hatten verstanden. Im wahren Leben dauert es etwas mit dem Loslassen, bei den Herzensangelegenheiten. Im Dezember lasse ich los – offiziell und ohne Rücktritt vom Rücktritt: die Klanghorizonte im August, Oktober und Dezember werden meine letzten Nachtsendungen im Deutschlandfunk sein, und die Sendung heute Nacht enthielt schon alles, was einen Abschied besiegelt, es könnte schon die letzte sein. Mit Jon Hassell in South Kensington sitzen, in einem tropischen Sommer 1990 und vom Pearl Hotel erzählen, in 40, West Cromwell Road (es war einmal) – gibt es ein besseres „see you down the road“? Meine erste Ausgabe der Klanghorizonte war im Frühjahr jenes Jahres. Wenn alles wie geplant läuft, verabschiede ich mich im Oktober mit einer ganz „normalen“ Sendung  incl. einer „Rhapsody in Dub“ in der Mitte (Garvey‘s Ghost wird dabeisein), und im Dezember mit dem, was mein Freund Brian Whistler „free form radio“ nennt. Dann wird jeder Track eine Spur, ein Thrill, und eine Zeitreise sein. Bevor ich jetzt in Stimmung komme, von Herman‘s Hermits „My Sentimental Friend“ aufzulegen (ich erinnere mich an einen heissen Augustnachmittag, in dem der Song aus dem Transistorradio erschall, im Wildbannweg in Dortmund-Kirchhörde, und ich den bis dahin unerwartetsten, heftigsten Kuss meiner Teenagerjahre bekam),  verrate ich ihnen, was gerade auf sechs Schallplattenseiten läuft, während ich diese Zeilen mit kleinen Atempausen uptempo runterspule, ein Album, für das die Worte „turn the volume up!“ erfunden wurden, Robert Hoods „Minimal Nation(die Ausgabe mit weissem Vinyl). Mehr Bauhaus als Jugendstil!

 
 

Loslassen Nr. 2

 

Dieser Groove stammt vom Juno 2. Es war eine Art „Grauzonen-Sound“, wie ich ihn nenne. So einen Sound hatte ich noch nie gehört. Ich erinnere mich, dass ich mich mit King Britt zusammengetan habe und ihn ohne Führerschein durch die Gegend gefahren habe, um ihm Detroit zu zeigen, und wir wurden von der Polizei angehalten. Und die Polizei hielt mich einfach an. Es war einfach hart, Mann. Am Ende hat mich die Polizei einfach gehen lassen, ohne Führerschein, ohne Versicherungsnachweis. King Britt war bei mir in der Wohnung und hörte sich ein paar Tracks an, und ich weiß noch, wie er sagte: „Wow, was du da mit diesem Juno 2 und all dem machst – das ist einfach anders. Du hast etwas Gutes damit. Das ist dein Sound.“ Und so wurde daraus, das ist mein Rhythmus, „The Rhythm of Vision“, denn „The Vision“ wurde ich genannt, als ich bei Underground Resistance war. Es passte einfach zu dem Sample und dem Groove, es machte einfach alles Sinn.

(Robert Hood)

 

Loslassen Nr. 3

 

Take your time, let‘s say, three weeks, one for each season of „The Leftovers“, learn „The Boxer“, each verse, no  other preparation required, sit back and float downstream, be ready to join the karaoke version of that Paul Simon song, and let every episode rush over you. As the show broadens geographically it does the same tonally, newly injected with a kind of mordant humor as its characters begin to give in to rather than resist its grand, apocalyptic currents. 

 

2021 21 Aug.

the light, the serious, and the showdown

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While „My Name Is Nobody“ feels like a step down from the grandeur of Leone’s spaghetti Westerns, that’s part of the point, and part of the charm. Nevertheless it is based on an idea by Sergio, and in its mix of the absurd, the non-sensical, and the tragic dimension of its core theme it is a journey worth the ride. Henry Fonda. Terence Hill. The soundtrack. And a film rarely fails with a dog in the first scene. 

 


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