Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Es geht ja in der Kunst wie im Leben nicht immer darum (das wird jetzt nicht das Wort zum Sonntag!), neue Horizonte zu öffnen, aber es ist auch langweilig, permanent die gleichen Gewohnheiten des Sehens und Hörens zu pflegen. Eine Balance ist gefragt zwischen alten Vorlieben und neuen Entdeckungen. Es geht ja sowieso nicht „immer so weiter“, und das Brechen mit alten Mustern vergrössert existenzielle Spielräume

Es gibt Phasen, da überwiegen Rückschau, Ruhe und regelmässiger Schlaf. Dann wieder gewinnen Turbulenzen an Terrain, das Leben wird zur oft gar nicht so munteren Achterbahnfahrt. Musik, Bücher, Filme sind (solange sie Seelennahrung sind) ein „Trainingscamp“, das Staunen nicht zu verlernen, und den Schrecken zu überstehen.

In diesem Sinn kann auch ein und dasselbe Werk eine Art Rüstzeug darstellen, sich für das Unheimliche und das (unkomprimitierte) Schöne (das auch ausgehalten werden will, oder freigelegt) zu wappnen. In diesem Sinne mögen die Januarempfehlungen verstanden werden, die so nach und nach bis Jahresende auftauchen. Von Brian Eno bis Sun Ra, vom Klarträumen bis zum Krimi, und nicht zuletzt von „John From Cincinnatti“ („a gloriously bizarre TV-show, cut off in its prime“, Alan Jones, Uncut)

Eine Geschichte dazu: eines meiner Lieblingsthemen im Reich der Bewusstseinsveränderung ist das Luzide Träumen, oder, wie es in Deutschland oft genannt wird, das Klarträumen. Die Fähigkeit, im Traum zu erkennen, dass man träumt, und dann bei vollem Wachbewusstsein das Traumgeschehen aktiv zu gestalten (statt ohne Bewusstheit durch fremde Welten zu geistern), ist eine uralte Tradition des tibetischen Yoga, im Westen aber erst seit den Siebziger Jahren zum wissenschaftlichen Forschungsthema erhoben.

In den letzten zehn Jahren hat die „Neuroscience“ eine Reihe von Substanzen, Neurotransmittern, erforscht (keine Drogen, wie sie einst noch Castaneda einsetzte!), mit deren Hilfe man morgens, in der Phase der längsten Träume („extended REM-sleep“) vom ruhenden, realen Körper in den Traumkörper schlüpfen kann (eine abenteuerliche Transformation, wie ich aus drei Erfahrungen dieser Art berichten kann).

Und dann, in der Traumwelt, geht es ja erst richtig los, salopp gesagt: Sie wollen durch die Lüfte fliegen, zum Himalaya, über den Ozean, Sie wollen ein ernsthaftes Gespräch mit einem alten Freund führen, eine nie gehörte Musik hören, als gelernter Pianist ein paar neue Klänge erforschen? Machbar, und bewusstseinserweiternd. Nach einer längeren Pause bin ich jetzt wieder aktiv in einer Klartraumgruppe. Und warum? Weil eine kleine Achterbahnfahrt in den letzten Wochen es nahelegt, Muster aufzubrechen, und alte, brachliegende Ressourcen anzuzapfen. Wieder geht es um Staunen und Schrecken.

 

 
 
 

Mit ihrem zweiten Album STAND UP kamen Jethro Tull auf den grossen Bühnen an, man entfernte sich von dem Blues, der lange Zeit das Ticket für kleine Clubs war, man suchte vor der Produktion händeringend einen neuen Gitarristen, der Ian Andersons verspielten und vertrackten Songideen in die geheimsten Winkeln folgen konnte.

Die ganz frühe Zeit war hart, als die Band sich von Tag zu Tag durchschlagen musste, und Ian Anderson sogar den vom Vater bekommenen Mantel nachts überstreifte, um 1967 durch den Londoner Winter zu kommen. Wenn er mit langen Haaren und Schlottermantel morgens in Hampstead Heath frische Luft schnupperte, konnte er entfernt an eine der Figuren der späteren Herumtreiber von AQUALUNG erinnern, ihrem ersten Meisterwerk.

Nach WAS, dem Debüt, suchten Ian Anderson, Clive Bunker und Glenn Cornick, und der noch nicht ganz als ihr Mann an der Gitarre akzeptierte Martin Lancelot (!) Barre, ihren ganz speziellen Pfad durch die verzweigte Welt der Rockmusik, sie wollten keine zweiten Beatles, Zeps, Stones, Who oder Kinks werden – und ein Typ, der vornehmlich Flöte, gerne auch mal auf einem Bein spielte, und von Jazzmagier Roland Kirk inspiriert wurde, war da schon mal ein Anfang.

Dortmund-Kirchhörde, Ort meiner seltsamen Teenagerjahre, anno 1969, ein Sommer, in dem wir immer wieder bis in den Abend Badminton wie die Verrückten spielten, im grossen Garten am Rande eines Waldes. Eines Nachmittags hatte ich mir die englische Hitparade gegönnt (es war die Zeit, in der man noch Singles kaufte), da rief mich die Schwester eines Kumpels an, sie war allein zuhaus und lud mich in den Flachdachbungalow ein, um eine „ganz tofte Platte“ zu hören (wie sie es ausdrückte), und den Weinkeller ihrer Eltern etwas zu plündern. Sylvia.

Ich werde den Moment nie vergessen, als sie mir die Schallplatte in die Hand drückte und ich das Cover, aussen wie innen, auf mich wirken liess. Man konnte es aufklappen, und die vier Popmusiker sprangen einem als Pappkameraden entgegen. So was kannte ich bislang nur aus Kinderbüchern. Ich werde den Moment nie vergessen, wie wir zusammen auf der Couch sassen, die Musik von STAND UP den Raum erfüllte, und wir eine Flasche „Kleinwinternheimers Geiershölle“ in einer Nachmittagsstunde leerten. Ich werde den Moment nie vergessen, als, zwei Jahre später, der Bruder mir, mit Tränen in den Augen, mitteilte, seine Schwester sei in der Nacht an Herzasthma gestorben (so wurde es genannt, ich kannte mich mit Asthma aus, aber das Wort hatte ich noch nie gehört).

Seltsam, seit dieser Nachricht habe ich mir diese Schallplatte (die ich stets nur in jenem Bungalow gehört und mir selbst nicht gekauft hatte) nie mehr angehört. Als wäre mit der Nachricht vom Tod einer nahezu Gleichaltrigen nicht nur ein Stück Zeit und Kindheit weggebrochen, sondern auch etwas von der Musik nach hinten gekippt, welche lange Zeit mit diesem einem besonderen Nachmittag verbunden blieb.

Ich kaufte mit die Platte auch später nicht, als ich mich in R.D. verliebt hatte, eine Pfarrerstochter aus Dortmund-Bittermark (ein paar Häuser weiter lebte der Violinist Zbginef Seiffert, in einem kleinen Haus im Grünen), die mir im Westfalenpark auf einer Decke ihre (komplett windschiefe) Version des des Bach-und-Tull-Hits BOURÉ vorspielte. Im Falle der über Nacht Gestorbenen galt eine kaum wiederholbare, geteilte Nachmittagssehnsucht ganz der Musik, im Falle der schönen Regina galt mein ganzes Sehnen einem Kuss und mehr, aber mehr als ein paar Küsse und verplemperte Sehnsuchtsszeit sprangen nicht heraus.

Natürlich kann ich STAND UP nicht begutachten von allen Seiten, ohne die Wellen zu erwähnen, die sich in mir anfangs zumindest ausbreiteten (die Schauer massierten einen Wirbel nach dem anderen), als ich beim ersten Wiederhören nach so langer Zeit wieder in das Wohnzimmer jenes Bungalows transportiert wurde – ich sehe das Panoramafenster zum Garten vor mir, Silvia, die mir die Platte in die Hand drückt – nahm sie da nicht Form an, die Zukunft, auf die wir so begierig waren, das volle Programm – und die Rockmusik war der Botengänger, die Zeitmaschine ins weit geöffnete, unbekannte Leben).

STAND UP war damals ein grosser Renner, Jethro Tull wurde Ende 69 vom NME hinter den Beatles zur zweitwichtigsten Rockband gewählt, noch vor den Stones. Das Quartett war damals in New York, als die Platte im Sommer 69 erschien, und ein gewisser Joe Cocker gratulierte den verdutzten Jungs im abgewrackten Hotel, dass sie es in England auf Platz 1 geschafft hätten. Das bedeutete nun unzweifelhaft, das sich die grossen Hallen und Open-Air-Räume für sie öffnen würden. Fillmore East, Fillmore West, die Royal Albert Hall, die Playbackscharaden von „Top of the Pops“ nahm man achselzuckend in Kauf. Es war alles ein wenig unwirklich: die Vier waren schlicht besessen davon, bessere Musiker zu werden.

Und so ging es auf Reisen, über den grossen Teich, auch Paris öffnete die Tore, und in kurzer Zeit begegnete die Band allen möglichen Grössen ihrer und vergangener Jahre. Ein schon beim Konzert den Faden, die Wörter, verlierender Elvis Presley wollte die Band in seiner Garderobe begrüssen, Ian lehnte freundlich ab, war nie ein Elvis-Fan, und wollte nicht vollends ernüchtert werden. In Kopenhagen traf er bei einer Pressekonferenz einen jungen, schüchternen, noch nicht von Drogen gezeichneten Jimi Hendrix – freundlich und gentlemanlike, so gar nicht das Bild des zornigen jungen Mannes, das die Presse gerne ablieferte. Hendrix war es auch, der dem deutschen Grossveranstalter Fritz Rau Jethro Tull empfahl, und so ging es alsbald auch durch Germanien.

Obwohl der junge Mr. Anderson rein äusserlich jedes Hippieklischee erfüllte (auch lange nachdem ihm sein Schlottermantel aus der Garderobe geklaut wurde), blieb er ein Skeptiker dieser Gegenkultur, mochte keine bekifften Hippies, und auch den grossen Zinnober drumherum nicht. Woodstock liess er einfach links liegen. Solcher Eigensinn macht unempfänglich für Imagepflegerei, und dieser Rigorismus befeuerte wohl nachfolgende Meisterwerke wie AQUALUNG und THICK AS A BRICK.

Aus der Distanz betrachtet, kommt der Zweitling nicht heran an die Klasse der gerade genannten Highlights (und auch A PASSION PLAY ist vertrackter, abgründiger). Ian Andersons Songlyrik war im Gegensatz zu späteren Werken noch leicht gestrickt – es ging um die Ablösung vom Elternhaus, schräge Vögel aus dem Bekanntenkreis, die gängigen Lovesongs, die noch nichts von Dylans Widerstand gegen rasche Deutbarkeit spüren liessen.

Was STAND UP aber wirklich jenseits privater Hörgeschichten zum gar nicht so gepflegten Sinnesrausch macht („Play it loud!“), ist die perfekte Mixtur aus fernen Bluesspiegekungen, Power-Flöten-Rock (no flowers in your hair, Mr. Anderson), feingesponnenen Balladen, urenglischer Vaudeville-Tradition, einer Prise Exotica als klingendes Fernweh (der Song mit der Balalaika, Fernöstliches, ein afrikanischer Moment – man kommt hier so schnell nicht an das Ende der Liste!) – ein lustvoller Eklektizismus macht sich breit, und die ohnehin gute Aufnahmequalität aus den Morgan Studios strahlt in den Stereo- und Surroundmixen noch heller: da wirbelt die Band um einen herum, dass alles Gerede von „wahrer Freude“ wahrlich wahre Freude wird (imitieren sie ruhig den Stil jener Jahre – ein verdunkelter Raum, Kerzenlicht, Räucherstäbchen, Wein, Weed, Couchknutschen!) – und Steven Wilson weiss genau, wie er die Spiellust all dieser Lieder steigern kann, ohne sich in Effekthascherei zu verlieren.

Wie schon bei AQUALUNG, THICK AS A BRICK und PASSION PLAY. Das sind allesamt „elevated editions“. Seltsam, wie demgegenüber der Viertling, BENEFIT, verblasst, und zwar allein wegen der überwiegend durchschnittlichen Lieder – da war, vorübergehend, die Luft raus. Ich sah die Band einmal live – neben dem Bandleader agierte mittlerweile ein anderes Team. 1982 in Nürnberg boten sie in mittelalterlicher Kleidung brilliantes Entertainment, der Sinn fürs Skurille gab den Ton an, die doppelten Böden, Stolperfallen und Abgründe waren allerdings komplett verflogen.

Einmal, in ihren grossen frühen Jahren, spielten sie in London (ich habe den Namen des Clubs vergessen, und bin mir auch mit der Metropole an der Themse nicht ganz sicher, ich weiss auch, dass manch einer diese Story für erfunden halten wird, aber sie ist so wahr, als wäre ich selbst dabei gewesen). Die Band spielte inspiriert das Programm von STAND UP, und hier und da einen Song des in den Startlöchern der Fantasie schon gewaltig zuckenden Nachfolgers, improvisierte munter drauflos, mit dem Flötentänzer am Bühnenrand, dass es ein Glück gewesen sein muss für alle Anwesenden.

War es im Marquee Club, ich bin mir nicht sicher, war selbst nur zweimal in diesem Untergrundtempel der Londoner Szene, 1971 (?) sah ich dort (die Erinnerung kann den Zauber jenes Abends nie überflügeln, eine Inititiation!) Steamhammer, und 1982 (im schönschaurigen Liebeskummertaumel) Jah Wobble & The Invaders of the Heart. Zu der Zeit hörte Jah Wobble am liebsten DARK MAGUS von Miles Davis, und der ehemalige Bassist von P.I.L. trug einen langen Schlottermantel, der an den Schlottermantel des jungen Ian Anderson erinnerte.

Ich schweife ab, drehen wir das Rad der Zeit ein gutes Jahrzehnt zurück, lassen uns von genauen Zeit- und Ortsangaben nicht weiter ins Bockshorn rein historischer Betrachtungsweisen jagen, und tun einfach so, als wären wir vor Ort. Eine Tüte geht rum, Ian Anderson ist in seinem Element, und lässt den Blick schon mal übers Publikum schweifen, traut plötzlich seinen Augen nicht, und traut ihnen dann doch. Als sich ihre Augen treffen, hebt John Lennon seine rechte Hand und winkt zum Grusse. Ich glaube, Ian Anderson befand sich kurz in einem Zustand der Verwunderung (oder sollen wir es Ergriffenheit nennen). Es wäre ein leichtes gewesen, nach dem Konzert zu John Lennon zu gehen, aber Ian Anderson machte das nicht, zu sehr war er von dem Moment der zuwinkenden Hand beeindruckt, wollte diese Variante einer stillstehenden Zeit, einer unauslöschbaren Erinnerung (und Würdigung), nicht mit Small Talk und Schulterklopfen schmälern.

Wir sind wieder in dem mehrfach ins Spiel gekommenen Flachdachbungalow, es ist die Vorweihnachtszeit, die Sechziger Jahre haben nur noch drei Samstage vor sich, dann sind sie Geschichte. Im Partykeller hängen die Lampions jener Ära sturmfreier Buden, auf dem Plattenteller dreht sich der einzige grossartige Song von Iron Butterfly. Sylvia ist noch das blühende Leben und besorgt den Punsch, Manfred (der Bruder) schwärmt von Ten Years After, ein Raum voller Junghippies, die Girls haben noch Namen wie Sabine und Angelika, irgendwann singen Eric Burdon and the Animals vom „House of the Rising Sun“, die meisten werden den Wehrdienst verweigern, ein Mädchen wird bald schwanger sein und abtreiben. Jeder hat eine Lieblingsgruppe und ein Geheimnis.

 
 
 

 

 

1

Aber bevor der Leser mehr über diesen wunderbaren Autisten (oder Alien?) erfährt, der eine ganz grosse Nummer im Schneeräumen ist, verliert Fat Bob seinen Kopf, als er in einen Laster rast. Bald stellt sich heraus, das Fat Bob, der wegen seines Motorrades so genannt wird, auf seiner Fat Bob gar nicht das Leben gelassen hat, weil er es einem Kumpel geliehen hat. Ein Unfall, ein Verbrechen, eine Verwechslung? Der schwedische Kommissar in den USA, der öfter auf seine berühmten schwedischen Kollegen angesprochen wird, versucht, zusammen mit seinem vom Leben grundsätzlich frustrierten Partner, dessen einzige Sinnzuflucht in seiner geliebten Heim-Karaoke besteht, Licht ins dunkle Treiben zu bringen, und stösst dabei auf eine Gruppe, die Spendengelder sammelt, um Beagles vor dem Nikotintod im Labor zu bewahren. Meine Lieblingsfigur ist Connor, der sich in die scheinbare Ehefrau eines im Zeugenschutzprogramm befindlichen Gangsters verknallt, und ihr schliesslich tatsächlich mit einem Messer ihr Nachtkleid sorgfältig aufschnipseln darf. Das erotische Initiationsritual mit seiner Traumfrau nimmt allerdings einen keineswegs erträumten Verlauf (wie das so oft ist mit Traumfrauen im realen Leben). Man kann sich stattdessen natürlich auch über den grossen Deutschlandroman von Peter Prange hermachen, aber die Alternative gefällt mir, in aller Unbescheidenheit, besser: besorgen Sie sich die Taschenbuchausgabe von Stephen Dobyns unglaublichem Kriminalroman „Is Fat Bob Dead Yet?“, und lassen Sie sich von einem Sprachkünstler und Geschichtenerzähler par excellence in eine bizarre Halb- und Unterwelt entführen, die einen, allen Absurditäten zum Trotz, bis zur letzten Seite fesselt. Ganz grosses Kino, sagen manche an dieser Stelle. Ich sag es mal so: ganz grosses Kino.

 

2

 

Ich glaube, ich müsst bei Herrn Gregor noch etwas mehr Überzeugungsarbeit leisten, selbst wenn das Buch einmal übersetzt werden sollte (dann aber bitte kongenial!).

Tu ich jetzt mal: Stephen Dobyns ist auch ein ausgefuchster Lyriker, der die seltene Gabe besitzt, in jedem Genre, Witz und Tragik unserer endlos gezählten Tage (hach, was hat Lajla für wunderbare Gedichte ausgewählt!) zu kombinieren.

Das ist nicht einer dieser bloss grotesken Carlo Manzoni-Romane, die mancher mal gelesen haben wird, lang ist es her, im dtv-Taschenbuchformat.

Stephen Dobyns Roman hat unterschwellig (gar nicht so unterschwellig) eine existenzielle Dimension, im Sinne von: my god, what is this fuckin‘ life all about? Es erzählt vom Staunen und Wundern, von der Macht der Obsessionen und der Banalität des Bösen, von den kleinen Wundern und der Macht der Fantasie.

Es ist nicht ganz verkehrt, vor und nach den Abenden mit diesem Buch, die „wonder world“ von Sun Ra und seinen frisch ausgegrabenen SINGLES auf sich wirken zu lassen.

Ein Rezensent der SZ (nein, wir müssen jetzt nicht alles verlinken), der wohl zuviel Manafonistas liest, vermutet, man habe Sun Ras Gehirn immer wieder mal an eine JUKEBOX angeschlossen, und er hätte daraufhin, über Jahre hinweg, die wunderlichsten Skurrilitäten aus Funk und Jazz, aus Alien Exotica und Bebop-Pop aufs gute alte Single-Format pressen lassen. Die Auflagen waren gering.

Egal, egal! Wer Erich Kästner liebt, könnte Stephen Dobyns sehr, sehr schätzen lernen! Die Waisen aus dem Weltall greifen sowieso sofort zu!

A year of devastation, destruction and death. Farewell of great spirits, demolition of hopes. A „doom vibe“ in the air that doesn’t prevent musicians to create dark and shining beauty. Sometimes even escapism  is a pathfinder

 
 
 

 
 
 

01 Brian Eno: The Ship
02 David Bowie: Blackstar
03 Matmos: Ultimate Care II
04 Bon Iver: 22, A Million
05 Vijay Iyer & Wadada Leo Smith: A Cosmic Rhythm With Each Stroke
06 Lambchop: Flotus
07 Jon Balke: Warp
08 Radiohead: A Moon Shaped Pool
09 Nick Cave & The Bad Seeds: Skeleton Tree
10 Leonard Cohen: You Want It Darker
11 P. J. Harvey: The Hope Six Demolition Project
12 Kim Myhr: Bloom
13 Hamasyan, Henriksen, Aarset, Bang: Atmospheres
14 Darren Haymen: Pleasant Villages Vol. 1
15 Paul Simon: Stranger To Stranger
16 Tindersticks: The Waiting Room
17 Daniel Lanois: Goodbye To Language
18 Ian Craig Williams: Centres
19 Okkervil River: Away
20 Glenn Jones: Fleeting
 
 

P.S.: „Killing your sweetest babies“: that’s what film directors say, when they have to let go of great scenes for the greater good of the movie. So it’s hard not to at least mention all those great albums that could easily grow with time and end up, for example, in the last edition of this year’s „Klanghorizonte“. But I do resist the temptation. Hard. 

 

„BLUE AS IN BLEY“

 

Sometimes you open a door of your glittering advent calendar, and you are stunned – equally entranced and disappointed. Cause, as in this case, there’s no picture, just four words in big black letters (where are the winter birds at least?), like a promise made for an unknown future. This time I know the future. On February 3rd, Greg will find the solution and be a happy man.

 

I’m a bit quick, sorry, but I just did a two hours phoner with „American Wrestlers“. Yes, there are surprises here. I know. But it’s me, no clone. Your point of view keeps changing, when certain records with names known and unknown surpass your expectations by far. And a lot of it happened in the last weeks. Everybody knows: you hear a band you never knew it has even existed, and then, BANNGGG … like „American Wrestlers“. Me oh my! Did anyone expect the Monkees return with a game-changer of sorts: „Dead Men Don’t Wear Plaid“.  Don’t be too sure. I will wear my Sting shirts again – he’s the giant – the living message in the bottle. At the end of the day, these records had the deepest impact on me reaching out for the deepest bottom of my soul. Some changes in the last moment, intuition over habit. Hey, Lord, what a glorious collection of masterpieces! Thank you for listening.

 
 
 

 
 
 

01) The Rolling Stones: Blue and Lonsesome
02) The Monkees: Good Times!
03) Rumer: This Girl’s In Love
04) American Wrestlers: Goodbye Terrible Youth
05) Metallica: Hard-Wired … To Self-Destruct
06) Barry Gibb: In the Now
07) Nils Landgren: Christmas With My Friends V
08) Kaiser Chiefs: Stay Together
09) Victoria Tolstoy: Meet Me At The Movies 
10) Sting: 57th & 9th

 

Seit Jahrzehnten begegnet mir dieser Kulturjournalist, und einige seiner Artikel sind mir unvergesslich. Dabei kommt er musikalisch eher von der Klassischen Musik, bei der ich nicht gut mitreden kann (ausser bei Gustav Mahler und Strömungen der Neuen Klassischen Musik). Aber Harald Eggebrecht ist auch ein Literaturfreund, und da trat eine gewisse Seelenverwandtschaft immer wieder zutage. Damals etwa,  bei seinem Lobgesang auf Ernst Augustin und dem in Deutschland  natürlich untergegangenen Abenteuerroman „Mahmud, der Schlächter“. Ich besuchte Augustin wegen jenes „wilden Schmökers“ in München, und sein Haus glich architektonisch dem Bauch eines Schiffes aus einem Roman von B. Traven (nur dass es hier friedlich zuging, und Schwarzen Tee gab). Und wenn es denn heute morgen einen Grund zu einem breiten Grinsen  meinerseits gab, dann die Lektüre des SZ-Feuilletons auf Seite 14: „Leben frisst Leben / Die Selbsterschaffung eines Genies – und seine Zerstörung: Die ungeheure Vitalität und Empfindsamkeit Jack Londons vibriert auch heute noch in seinen Romanen und Erzählungen„. Geschrieben von Harald Eggebrecht. Es geht um die just bei Manesse und dtv aufgelegten Bücher „Martin Eden“ und „Mord auf Bestellung“ sowie eine Biografie. Mark Twain, Edgar Allan Poe und Jack London waren frühes und begeisterndes Lesefutter, und ich habe keinen Zweifel, dass man auch Londons Romane heute noch verschlingen kann. Zuletzt begegnete mir einer seiner Klassiker in der exzellenten TV-Serie „The Night Of“. Und es ist keine aufgesetzte Pointe, dass ich vorhin, auf dem Weg in mein Cafehaus, daran dachte, meinem alten Freund und Kanadaspezialisten Klaus S. eine Mail zu schreiben, dass ich grosse Lust hätte, im Februar 2017 mit ihm nach Alaska zu fliegen, um das grosse Finale des Yukon Quest zu erleben. Minuten später las ich diese allerfeinste Besprechung von Harald Eggebrecht. P.S.: Auch die Wölfe leben wieder unter uns, aber nicht die ausgewilderten.

„All you folks and fools / Cary Grant’s Wedding / All you folks and fools / Have been invited to / A new-wave personality / Stumbles out of the ruins / ‚cause he’s been invited to Cary Grant’s wedding / Buster Keaton he turned up / He wasn’t a woman /  He didn’t take hallucigens“

(The Fall)

 

I’ve always respected the howling of Mark E. Smith, but never had a knack for it. I only had one Fall record in my collection, „Live In Preston“, and it was a birthday gift from my old buddy David Webster who grew up in that fuckin‘ town, north of nowhere, as he put it into words. Weeks ago I had an appontment with another old chap, our master of dark Glasgewian humour, Ian McCartney, in Manchester. He met some old aquaintances, I saw Sebastian Schweinsteiger in a cafe. Well, nothin‘ I would give a dime for. But then, it’s always fun to meet Ian.

We went for some some fantastic Indian food and then to see John Carpenter live. It was a bit nostalgic, the old synthesizer vibes that made us shiver when we were lost in his Halloween and Fog movies. But this time it sounded like pastiche. Kind of. When I was 23 I was ready to fall into love with Jamie Lee Curtis.

Nevertheless John Carpenter once was married to the beautiful DJ at the lighttower of his horror movie „The Fog“, and she really became the role model of Mireia Moreorless, main figure of our review and story about Brian Eno’s „The Ship“. I had another name for her in mind , but Ian’s creation was a stunner. So, to be honest, in that movie I was ready be infatuated  with two women at the same time.

For Ian the show had been pretty un-memorable, too, but for the fact he met Mark E. Smith, the punk legend, John Peel’s hero. I shook hands but stayed a bit behind. Have to say, he was quite funny.

Ian said something like, sorry but can I get selfie?

He said, sure, just let me get drink first.

Ian said „I’ll buy you a fucking drink as long as I can get a selfie“.

He then proceeds to order two cans of beer for himself and a gin & tonic for his wife! Bastard cost me £12, as Ian told me later.

It’s Ian’s decision to publish the selfie here, or not. For me, the encounter was not such a great delight, cause I never got into the Fall’s records. Though I always loved the title „Cary Grant’s Birthday“. I liked their attitude more than their music. Maybe if I would be a native speaker, it might have been different from the start. Home again I had a deeper look into some of his lyrics.

Mark E Smith’s lyrics are incredibly cryptic, Ian wrote me a week later when I offered my state of not really getting to the point, different to John Peel’s obsessiveness. Ian: „Nobody knows for sure what he is actually on about, regardless of whether they are native speakers or not. He seems to see the world through a mid-19th Century filter. A lot of the music is very atmospheric, up to about 1986, after that I tuned out.“

Atmospheric? Well, I must have missed something. But don’t we all?

In a second mail Ian quoted a part of a 1983 song: „The man whose head expanded was corrupted by Mr Sociological Memory Man, could not get a carrier bag for love nor money“. Andre Breton, Salvador Dali, Mark E Smith – all quite similar really, Ian added. Not to forget the mid-19th Century filter!

For Love Can Turn Us Still (FLOTUS) – the wonderful new album of Lambchop is on par with their classics – the subtle electronic innovations intensify their palette instead of reaching for a bigger audience. The album of December. The album for the subversive christmas tree. The album for friends of Frank O’Hara poems. The album for people who love albums they can listen to forever. In one way, and this is no joke, it even supasses SGT. PEPPER. Not one weak track! Or will anybody tell me that „Good Morning Good Morning“ is not rather crappy?!

Going back in time: some of you may have a decent memory about the second Jethro Tull album, the one with the stand-up cover. STAND UP now got THE ELEVATED EDITION, with lots of footage, films and, excellence as usual, Steven Wilson‘ stereo and surround remixes. Even Ian Anderson’s Bach-Bourée can still create a shiver in this new ambience. And the elevated edition is a book, too, full of stunning episodes. 1968, 1969 revisited. Brian Whistler’s tales of the SACD of Weather Report’s TALE SPINNIN‘ would be perfect, too, here (I got it, I heard it, I love it – a rediscovery!), but the comments there have an extra-value, so we leave it in the blog diary for its own good.

And a small change in our third column of monthly appraisals: the term „philosophica“ can from now turn into „psychologica“, „artistica“, „graphica“ etc., dependant on the object of desire. Anybody who has something in mind? Mail your proposal of a review to manafonistas@gmx! The first idea is often the best and will be taken! That is, by the way, the address of the real Manafonista headquarter, 500 miles away from my living place. Otherwise (a quiet bravo for my understatement, please!) my enthusiastic review of the wonderful #42 of MONO.KULTUR incl. the adventurous, spellbinding talk with thrill-seeking SOPHIE CALLE, mastress of Houdini-esque ego-dissolution, will find its place there. (A day later: oh, wonderful, from the backyard of the MHQ, someone went enthusiastic about a book that has a very special, vague, nearly ungraspable topic: MOOD.)

 
 
 

 
 
 

The MANA THRILL PRIZE FACTORY 2016 is offering a fine collection of new thrillers and crime novels beyond mainstream, and Stephen Dobyn’s eccentric, funny, dark, hilarious „IS FAT BOB DEAD YET?“ is such a wonderful book with a beating heart, in spite of all its obliqueness. A thriller that evokes Elmore Leonard and Donald E. Westlake at their best, but adds several layers of absurdity and a narrative voice that suggests metafiction meets a Greek chorus meets Jane Austen …

In our BINGEWATCH TRANCE DECEMBER corner, two series of 2016 take center stage: as different as they are, these legal dramas offer rather dark tales: GOLIATH (season 1), a fresh take on the old John-Grisham school (it’s not written by Grisham though) with fabulous Billy Bob Thornton, and THE NIGHT OF (one season only!), mirroring the neo-realistic grittiness of the „noir“- underworlds of „The Wire“ or „True Detective“, in this case with fabulous John Turturro.

 

P.S. January 2017 will be the month of promising new works by Brian Eno (purely ambient this time, and, nevertheless, another landscape, another thinking space for sure), Tinariwen, The Necks (on Mego now), Ralph Towner (guitar solo, recorded in Lugano,  release date: February (!) 3rd), and „the fearless freaks“ (watch the documentary!) of The Flaming Lips.

 

2016 26 Nov.

Jan Kath

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Die Kunstwächter haben oft ein Faible für Autonomie. Ein grosses Kunststück möge in seiner vollkommen eigenen Sphäre existieren, nicht funktionalisiert werden, oder gar zum Gebrauchsgegenstand degenerieren. Die frühen Arbeiten Wassily Kandinskys dienten mitunter der Dekoration, und wurden entsprechend milde belächelt, als zweitrangig abgekanzelt. Von minderer Bedeutung! Dabei waren diese Teile von Innenausstattungen (Gardinen etc.) teilweise hinreissend. Mittlerweile hat sich die Szene etwas entspannt, obwohl nach wie vor hinter manchem Darsteller eines Freigeists eine Krämerseele lauert. Diese Teppiche von Jan Kath sind schon speziell. Dass er damit meines Wissens auch schon in Kassel war, und anderen Ausstellungsorten, interessiert mich nicht. Mich beeindruckt seine Vita zwischen Peru und Bochum, all die frühen Schritte. In etliche  seiner Teppichkreationen und Teppichrekreationen bin ich geradezu vernarrt. Man könnte den Herstellungsprozess auch „remixing carpets“ nennen. Ich schicke jetzt aber keinen Brief ans Universum (these carpets are quite expensive). Ich könnte höchstens, individualisiert und objektbezogen, für einen Raum mit einem seiner Teppiche einen Soundtrack anbieten, als Mixtape. Unser Blogroll hat sich erweitert. ENO WEB ist auch wieder da, mit etlichen interessanten Verlautbarungen, u.a. Brian Enos Mail an seinen alten Freund Steward Brand zum Ausgang der US-Wahlen.


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