Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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2017 5 Sep.

Sidsel

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Now again, it has been special, the 13th or 14th installment of Kristiansand’s outstanding Punkt Festival, who wants to count? The live-remixes did often live up to, and extended the original performances. There are some stories to tell (and I will), but this blog doesn’t need quick shots, it’s always the gap, the in-between, the unspeakable that matters first. In the end it all comes to story-telling, gotcha!? After her duo with David Toop, and the mind-blowing „live remix“, Sidsel Endresen was standing outside, her eyes met my eyes, and instantly we embraced one another, and I heard her whispering two words into my ears: „my sweetheart“. Well, we never had an affair going on, so what was that? It simply was a purely improvised moment, with the much-quoted beating heart. David Toop has written a book about the history of free improvisation, and this way to communicate has never just been an attitude of music at the margins, it has always been, in many aspects & not so mysterious ways, a model for breaking patterns in the everyday life.

 

 

In einem Text, der schon ein paar Monate alt ist (s. comment 1) mokiert sich ein gewisser Michael Rüsenberg, manchem Leser vom Radio bekannt, über die Entscheidung, Nadin Deventer, ab 2018, und für drei Jahre, das Jazzfest Berlin leiten zu lassen. Warum poltert da wohl jemand dermassen substanzarm drauflos, statt im Vorfeld etwas sauberer zu recherchieren? Natürlich hat Nadin Deventer reichlich kuratorische Erfahrungen gesammelt, kennt Kulturmanagement und Jazzszenen aus dem Effeff – ihr Lebenslauf lässt sie geradezu als Idealbesetzung erscheinen, als erste Frau in Berlin Festivalgeschichte zu schreiben. Aber Rüsenberg zieht es vor, in der leicht erbärmlichen Landschaft der eigenen Vorurteile rumzustromern, und dabei auf chauvinistische Beifallspender zu zählen, die den Jazz für eine Männersache halten. Da ist mal wieder die „Kölsche Jazzpolizei“ unterwegs, mit pseudorheinischem Humor, und herzlich wenig Sachverstand. Bert Noglik und Richard Williams, Freigeister im besten Sinne des Wortes, kenne ich gut genug, um zu wissen, dass sie Nadin Deventers Programm mit Vorfreude entgegensehen.

 

2017 2 Sep.

Before The Necks

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2017 1 Sep.

Pocahontas unter der Dusche

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Da NPR Neil Youngs „Hitchhiker“ streamt, den bald erscheinenden Solovortrag aus lang vergangenen Zeiten, nur Young und sein Gefährte David Briggs an den Reglern (in Europa hat wir 1976 einen legendären heissen Sommer!), war das natürlich die ideale Musik zum Duschen. Ich platzierte die wasserfesten Miniboxen neben den Duschköpfen, und folgte den selbstvergessenen Gesängen des gebürtigen Kanadiers, während ich abwechselnd warme und kalte Wasserstrahlen herabströmen liess. Manchmal dusche ich gerne eine Viertelstunde lang, und halte mich mit diesen Marginalien nur auf, um den seltsamsten Moment des Morgens etwas hinauszuzögern. Gestern hatten wir uns kurz begrüsst bei „Mother of India“ (gesehen hatten wir uns zuletzt vor einem Dutzend Jahren, und ich war mir nicht ganz sicher, ob er mich überhaupt erkannte), heute früh, sehr früh („the early bird syndrome“) begegnete ich Daniel Lanois zufällig wieder, am Eingang der Frühstückslounge, er winkte mich zur Seite. Er meinte, wir sollten nicht hier, aber in einigen Wochen, ein umfassendes Interview machen, „something comprehensive“, „über das Leben“, und er gab mir seine kanadische Telefonnummer. Er scheint wieder in die Heimat zurückgekehrt zu sein, ich erinnere mich an das erste lange Kapitel seiner Lebensgeschichte, in der keines der Häuser der Kindheit und Jugend seine Dämmerung verloren hatte.

 

 
 
 

It’s a beautiful day. I have all the words piled up, stuffed, caused to collapse reflecting those Lucinda Williams vibes still running through my veins. But not now. In the very early morning I saw a ship appearing out of a milky horizon. My borrowed blue metallic caravan did a risky thing tonight, wild camping in the Netherlands. Before sleep, a cold swim, and Björn Meyer’s forthcoming „Provenance“ from discreet loudspeakers. Where-am-I-drifting-music. I can’t get enough from small waves‘ tender touch. There’s an anti-nostalgic side in everything. That’s the way the mind works suddenly turning a different page. Remember Sgt. Pepper, remember „A Day in the Life“. The song is overpoweringly heartsick, John sings in his most spectral voice, treated with what he calls his „Elvis echo“, a la „Heartbreak Hotel“. As the hours go slowly by, and in the company of appel pannenkoek and Bessen Genever, one of the darkest albums of the ’70s springs to mind, Neil Young’s „On The Beach“. Beauty hurts, and darkness works as medicine. I blame it on C.J. Box’s „Paradise  Valley“ that a serial killer visited me tonight. Learned my lesson, do love all these empty pages of a fucking beautiful day, all these empty pages …

2017 27 Aug.

Lucinda

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Zwei von der Klasse von ’73 fahren von Dortmund nach Köln, der eine spielt, sammelt, und liebt Gitarren, der andere liebt gute Gitarrenmusik und gute Songs, tun sie natürlich beide. Dennoch, ganz andere Hörgeschichten. Das Konzert von Lucinda Williams in der Kantine wird zu den unvergesslichen zählen, für beide. Auf der Rückfahrt schöne Sprachlosigkeit, viele Geschichten.

 
 

2017 25 Aug.

Testbild

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Vor fünfzig Jahren wurde in der alten BRD das Farbfernsehen eingeführt, und das alte Testbild, vom griseligen Rauschebild ganz abgesehen, verschwand zügig aus deutschen Wohnzimmern. Dem neuen farbigen Textbild war nur eine kurze Dauer beschieden. Es wird vermisst (schwarzweiss oder koloriert), denn es stand für asketischen Leerraum, der später, von Spassvögeln aus den Redaktionsstuben, von Aquarien, oder einem flackernden Kaminfeuer, ersetzt wurde. Da wurde es schon wieder zu heimelig, man stelle sich vor, angestrahlte Gartenzwerge hätten das nächtliche Ambiente noch vervollständigt. Jede Form von Leere, ausser der hirnlosen, ist heute aus dem TV verschwunden, schade eigentlich.

 

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Es war in Münster, im Kunstmuseum, ich hatte einen ultraschweren Schinken von Edmund Husserl gelesen, und beschlossen, dass die Philosophie mich nur weiter bringt, wenn sie mit Lust betrieben wird. Da liefen auch zuviele Kantianer rum, dann lieber später, in Würzburg, ein paar durchgeknallte Bhagwans, und wohldosierte Analytikerinnen.

Zur Bekämpfung leichter Ungleichgewichte von „body & mind“ kamen die drei Gentlemen gerade richtig, Mitte der Siebziger Jahre – und als sie auf einer Empore den Raum betraten, brandete der Applaus auf. „Gateway“ war ein trefflicher Name für das Trio, das der guten alten Tante Powertrio tatsächlich neue Töne beibrachte. Nach Jimi Hendrix war die Messe noch nicht gelesen. Da waren auf alten Holzstühlen und geschrubbtem Boden viele Zuhörer versammelt, die seitdem gewiss ihre ECM-Plattensammlung stetig vergrössert haben. Eine versprengte Wahlverwandtschaft, und etliche auch schon tot.

Ganz gleich, welche Historie Abercrombie, Holland und DeJohnette mitbrachten (zwei hatten danken Miles D. und Charles L. schon Legendenstatus, und Abercrombie fabrizierte, rückblickend weiss man es, in jenem Jahrzehnt diverse Meilensteine, oder gestaltete sie mit, ich sage nur Timeless, ich sage nur Sargasso Sea, ich sage nur Gateway, ich sage nur Mountainscapes, ich sage nur Grazing Dreams, ich sage nur Deer Wan, ich sage nur Eventyr) – sie waren damals Underground, und sie prägten eine Sprache, a living thing.

John Abercrombie strebte nach Transparenz, und konnte dieses Spielideal, in nachfolgenden Jahrzehnten, mit einem besonderen lyrischen Kammerjazz realisieren. Meine letzte Lieblingsplatte, Class Trip. Time is a hunter. Thank you for the music, John!

 
 
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Es war bewegend, gestern Abend, nach zwanzig Jahren, mein altes Portrait erneut zu hören, das anlässlich des Todes von John Abercrombie im Deutschlandfunk wiederholt wurde. (Sie können die ganze Sendung, incl. der einleitenden und abschliessenden Worte von Harald Rehmann,  unter „comment 1“ nachhören.) Es kam mir gelegentlich so vor, als würde der sehr bescheidene, zugleich beredte Gitarrist einzelne meiner „Sternstunden“-Erinnerungen mit seiner Sicht der Dinge pulverisieren – sehr interessant zudem  die Passagen, in denen er von der Zusammenarbeit mit Manfred Eicher erzählt – da wird einmal mehr deutlich, dass die Siebziger eine grosse Zeit des Experimentierens waren, in denen auch Zweifel und ständiges Hinterfragen zum kreativen Prozess gehören konnten. Es gab keine fertigen Rezepturen für „sound and vision“.

Die Alben, die John  Abercrombie als  „Sammlerstücke“ erwähnt, sind schon längere Zeit wieder erhältlich, so etwa „The First Quartet“, drei CD’s in einer weissen Box, mit dem eingangs gespielten Stück „Madagascar“, sowie „Five Years Later“, sein zweites Duo-Album mit Ralph Towner. Letzteres ist sicher auch ein „Klassiker“, und es sollte mich wundern, hätten wir es in der Jazzredaktion nicht schon in der Reihe „Milestones“ gewürdigt.

 

He or she, an alien, young dude, young girl, sweet seventeen, eighteen, a future full of promises, some blessed, some cursed. The world, currently on edge. The madman in the White House can start a nuclear attack any time his disturbed mind tells him to do so. He has to be taken away from duty, peacefully. The Geriatric Center for Millionaires might take care. Or some Golden Coast Resort with a team of life coaches for hoplessly narcisstic fascists. Fucking Nixon, drunk, once tried a strategic nuclear attack, Kissinger (one of fucking Kissinger’s few good deeds) stopped him in the process.  But, imagine, the world will not yet have reached its next end to come, imagine a young lad or lady who never have heard or read or seen anything of our recommendations for September. He, she starts from top, works to the bottom. First, an Austrian with a knack for empty spaces in music will put our earth-bound alien into a deep trance. Takes a day to come back to so-called real life. The four Eno albums will open one gate of perception after the other. Takes weeks to resurface. Alien buys a damaged synthesizer. Alien sings „The Fat Lady of Limbourg“ in the shower. Diving into a fresh and witty (though profound) book about The Beatles then leads to different stages of being lost. Alien, or Innocentia, will learn the „yeah-code“ and loose innoence. Fifty-five „yeahs“ in „It won’t take long“ – it won’t take long?  Takes months to resurface. The story does not end yet, here we go:  „Flamingo“, by master writer James Lee Burke. Another 480 pages to get lost in. At the end, „Ozark, season 1“: welcome to the third (!)  golden age of TV. The world is a dark place. Everything is broken, everything falling apart. Time for love, real, good, strong love. „Nunc stans“. „This is the first day of the rest of your life.“ Lessons to fight, lessons to surrender.

 

2017 24 Aug.

„Der fünfte Streich“ (Finale)

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Innerhalb von vier Jahren waren also, zwischen Januar 1974 und Sommer 1977 (ten years, after the summer of love, Mr. Whistler!) die vier „Songalben“ von Brian Eno erschienen. Und, bei allem Respekt, hatte mich Roxy Music nur am Rande interessiert. In den ersten zwanzig Jahren eines Lebens ändert sich selbiges mitunter über Nacht, mit bestimmten Platten, später schafft das Musik nur selten. Die Tigerbergmusik war so ein Ding, wie Sgt. Pepper, eine Einstiegsdroge, und die Instrumentalalben verzauberten mich nicht weniger. Was aber die Songs angeht – da war, nach Ray und John und Paul, nach Neil Young und Leonard Cohen und Joni Mitchell und Robert Wyatt, eine neue Lieblingsstimme aufgetaucht, DIE Stimme, eingewickelt in fantastische Klänge.

Nun kam „der fünfte Streich“ (der mir gespielt wurde), das lange Schweigen der Stimme. Ich weiss heute noch, wie ich als Stadtkind, im einsamen Furth i. W., an einem trostlosen Kiosk, ein Interview von Harald InHülsen mit Eno las, der nach New York umgezogen war, und verkündete, keine Lust mehr an weiteren Songalben zu haben. Ich lebte mein erstes Psychotherapeutenleben an der tschechischen Grenze,  und bekam ab und zu Besuch von einer Motorradfahrerin. Da fehlte etwas, alles Glück dünnes Eis, Heimat ein Wort aus dem Erdkundebuch, ich lebte in „a fucking village called Bergeinöden“, John Lennon wurde erschossen, und zwei Jahre lang lief eine sehr begrenzte Zahl an Schallplatten (Seelenfutter!) „on high rotation“, neben den üblichen Verdächtigen auch „Scary Monsters“, „Northern Song“ „Common One“ und „Colossal Youth“. Allison Statton war eine weitere Lieblingsstimme, die noch schneller verschwand als sie kam. Damals ging meine kolossale Jugend kolossal zuende. Crash & crack & break. 

Im folgenden Jahrzehnt wurde ich zum Jäger der verlorenen Stimme, und fand mich damit zurecht, Eno als notorischen „background singer“ zu erleben. Das Highlight im Bayerischen Wald war natürlich „Remain In Light“, ab und zu dann hörte ich ihn bei U2, die mich musikalisch überhaupt nicht packten, ein pathetischer irischer Katholik war wirklich das letzte, was ich brauchte. Einmal sang Brian Eno einen Coversong für einen Jonathan Demme-Film („Ring of Fire“), viel kam da nicht zusammen, bis er, irgendwann nach London zurückgekehrt, beim Staubsaugen die Lust am Singen wiederentdeckte, und sich mit John Cale ein Album lang das Singen der Lieder teilte. Das war der eigentliche „fünfte Streich“, nach den vier bereits erzählten „Streichen“ der vier Alben aus den Siebzigern, das Album „Wrong Way Up“. Damals traf ich Brian zum zweiten Mal, es wurde ein sehr langes Gespräch über Songs und Stimmen und Kindheit. Eine schöne Pointe, dass er in den letzten Jahren fast so viel singt wie einst in jungen Jahren. Damit endet die kleine Textreihe der „fünf Streiche“ – Kristiansand is calling!


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