Manafonistas

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Archives: Februar 2024

 

Zu Daniel Schreiber, „Allein“, Verlag Hanser Berlin, 160 Seiten

 

„Und wir vergessen“, notiert Daniel Schreiber, „vergessen, auch wenn wir es nicht wollen, wer wir einmal waren. Wir brauchen Menschen, die uns genau davor bewahren.“ (17) Ich blieb an diesem Satz hängen und dachte lange darüber nach, verdichtet er doch Haltung und Überzeugung des Buches. Stimmt die LeserInnen darauf ein, in welcher Weise der Autor sich uns zur Verfügung stellen, seine Erfahrungen als Messinstrument einsetzen wird, zur Analyse gesellschaftlicher Umstände, er verfolgt dabei ein ähnliches Anliegen wie einst Joan Didion. Dieses Buch kann ein so persönliches sein, weil es vor Verallgemeinerungen der verwässernden Sorte und jeglicher Wohlfühl-Rhetorik zurückschreckt, auch bei allen inneren Betrachtungen erstaunlich diskret bleibt. Uns nur mit Fragen behelligt, die den Autor selbst umtreiben. Und das doch kein pessimistisches ist, obwohl es uns auch einlädt, den eigenen „grausamen Optimismus“ (29, Lauren Berlant) aufzuspüren.

Eine ganz eigene Gefühlsmischung begleitete mich bei der Lektüre des Buches, im wesentlichen ein Mischung aus Dankbarkeit und Trauer, ich fand es tröstlich, verschiedene Spielarten von Unbehagen in so klare Worte gefasst zu lesen. Um dann schmerzhaft festzustellen, dass damit allein ja noch nicht viel anzufangen ist: Das erspart Daniel Schreiber uns LeserInnen nicht, wenn wir bereit sind, den Blick auf die Krisen unserer Zeit zu richten, zum Beispiel auf die „neoliberale Umverteilungsmaschine, die für viele der sozialen, ökonomischen und ökologischen Notlagen, verantwortlich war“ (132/133), dass „jene gefürchteten Kippmechanismen eingesetzt hatten, die dazu führen würden, dass die Erderwärmung mit ihren Extremwetterlagen (…) nicht mehr aufzuhalten war.“ (133). Der Blick darauf sollte uns bewusst machen, dass wir hinsichtlich dieses Planeten als Lebensgrundlage alle zusammen gehören, nicht ausweichen können. In politische Verhältnisse, in einen sozialgeschichtlichen und philosophischen Zusammenhang eingebunden sind, egal wie klug und differenziert wir uns dazu äußern.

Wichtigster Auslöser für Daniel Schreibers Betrachtungen in „Allein“ war offenbar die Corona-Pandemie: In der Isolation realisierte der Autor, dass seine Erzählungen und Fantasien über sich und sein Leben als „gutes“ nicht länger Bestand haben, er zitiert dazu das Konzept des „uneindeutigen Verlusts“ (79) der Psychologin Pauline Boss, ein Konzept, das Schreiber in der zweiten Hälfte des Buches immer wieder zur Veranschaulichung einsetzt, um der überzuckerten Beschwörung von Kontrolle und Selbstwirksamkeit in allen Belangen entgegen zu treten. Leben ist Vergänglichkeit und Ausgeliefertsein, an Umstände, die wir womöglich nicht beeinflussen können – als Gegenentwurf schildert Schreiber ganz zum Schluss des Buches die Pracht des Gartens von Derek Jarman, einem schwulen Maler und Filmemacher, einer kargen Landschaft und der eigenen Krankheit abgerungen.

Schonungslos könnte man zu Daniel Schreibers Buch sagen, aber vor allem ist es voller Mitgefühl, das – wie der Autor überzeugend argumentiert – bei der eigenen Person beginnt: Er traut uns LeserInnen selbst große Empathie zu, wendet sich an den Teil unserer seelischen und körperlichen Ausstattung, der uns alle verbindet: Sollten wir nicht mehr darauf schauen, anstatt auf die Unterschiede? Sind diese nicht viel unbedeutender angesichts der drängenden Aufgaben unserer Zeit? – So macht uns der Autor Toleranz vor und fordert sie nicht nur. Er zeigt aber auch, welche Spuren an Körper und Seele Stigmatisierung und Marginalisierung hinterlassen und wie ideologisch das Gerede vom „guten Leben“ tatsächlich ist: „Bezeichnenderweise schlägt keiner der wiederkehrenden Propheten des sozialen Niedergangs vor, den Kampf gegen Einsamkeit mit dem Kampf gegen Rassismus, Misogynie, Antisemitismus, Homo-, Trans- und Islamophobie zu beginnen, gegen die gesellschaftliche Stigmatisierung von Menschen, die in Armut leben, gegen all die strukturellen Phänomene der Ausgrenzung (…) Die Antwort (…) liegt fast immer in der Beschwörung der Magie der Kernfamilie.“ (62)

Im Prinzip führt uns das Buch ein umfassendes und vielstimmiges Miteinander vor: Schreiber lässt eine Vielzahl von GesellschaftswissenschaftlerInnen und EssayistInnen zu Wort kommen – die Literatur-Liste im Anhang ist lang und vor allem im amerikanischen Sprachraum verwurzelt. Daniel Schreiber macht seine Gedanken als Ergebnisse von zum Teil jahre- und jahrzehntelangen Gesprächen und Lektüren sichtbar und legt somit auch nahe, dass sich die existentiellsten Erfahrungen der Unverbundenheit wohl außersprachlich abspielen und auch in diese erste Zeit des Menschen zurückführen (so muss es nicht verwundern, dass während der Pandemie bei so vielen Menschen solcherart schwer zu ertragende Grunderfahrungen aufgebrochen sind).

Wir brauchen einander, auf die vielfältigste Weise, und sollten das nicht vergessen, ruft Daniel Schreiber uns zu: Die von vielen heißersehnte und -beschworene Unabhängigkeit ist in Wirklichkeit an Privilegien geknüpft, der Herkunft, der Hautfarbe, der Veranlagungen – Und wie erstrebenswert ist es denn wirklich, fragt der Autor, immerzu tun und lassen zu können, was man möchte? Um welchen Preis? In unser aller Köpfen steckt die Erzählung, dass zum gelingenden Leben eine Liebesbeziehung gehört, und es lauert die Scham – sollte man keine haben – mit einem Makel behaftet zu sein, zuallererst in uns selbst. Aber wie kann man als Alleinlebender lebendig bleiben, der „Trockenheit des Herzens“ (96, Roland Barthes) entgehen?

Daniel Schreiber behandelt seine LeserInnen wie gute FreundInnen, er bietet seine Gedanken und Erfahrungen als Projektionsfläche an, als zählte allein, jeden Tag eine gute Tat zu vollbringen. Ein Apfelbäumchen zu pflanzen zum Beispiel, denn der Autor ist offenbar ein großartiger Gärtner.

 

 


 
 

Quellenangabe: Der bewegte Mann – Schwulencomix von Ralf König

Der schwule Norbert und seine Freunde Metzger und Waltraud gehen ins „Furzkino“ um einen besonderen Film zu geniessen, werden aber durch ein paar Honks gestört, die sich offenbar verlaufen haben.

Um welchen Film gehts?

 

2024 26 Feb

wo wir sind

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Gestern lernte ich ein neues Wort: „Präsenzerfahrung“. Es fand sich in einer Reflexion über das Älterwerden, zu lesen in der Taz, geschrieben von Dirk Knipphals unter dem Titel „Sixty, something“. Dieser Begriff beschreibt, neben einer gelungenen Definition für die Essenz des Yoga (we’re getting closer!) auch ein Phänomen im Hinblick kultureller Rezeption. Es gibt eine gewisse Flüchtigkeit, von der schon Goethe wusste: „Ach, Augenblick ….!“ Mich interessiert beispielsweise weniger, ob ein Album, ein Buch oder ein Film als gelungen oder misslungen bezeichnet wird, sondern vielmehr jener Moment, in dem mich etwas affiziert, berührt und irgendwie weiterträgt. Manchmal fürchte ich, das Interesse am Albumhören bereits verloren zu haben und dann ereignet es sich wiedermal ganz plötzlich: so geschehen jüngst beim Hören eines Werkes von Joshua Redman, das alle dort enthaltenen Songs nach amerikanischen Städtenamen benennt. Ich sickerte ein ins Milieu: the precious blues with every single note worth listening. Ein Ärgernis jedoch, wenn wir glauben, solche Zufallsmomente, die uns immer unverhofft zufallen, beliebig wiederholen zu können: die Repeat-Taste funktioniert hier oftmals nicht. Beim zweiten Mal dann heißt’s vielleicht: Kein Anschluss unter dieser Nummer! So hoffen wir darauf, dass es uns abermals geschenkt wird, irgendwann, irgendwo. Der Philosoph Alain Badiou nannte es das „unverfügbare Wahrheitsereignis“. Wäre diese Unverfügbarkeit nicht eine weitere treffende Definition für die Essenz des Yoga?

 

 
 

Gretchenfrage: Gibt die Mischung von beidem ein bekömmliches Getränk und wenn ja in welchem Mischungsverhältnis? Jeder von uns hat den spannenden Twist erlebt, als Charly Chaplin am Ende von Der grosse Diktator plötzlich die Ebenen wechselte: Der scheue jüdische Friseur wurde mit Diktator Hynkel verwechselt und soll nun vor grossem Volksaufgebot eine Rede halten. Das Publikum erwartet zunächst ähnliche Szenen bitterer Komik und Dekonstruktion Hitlers durch gekonntes Parodieren seiner Verrücktheiten und damit einen knallenden Showdown.

Plötzlich ändert sich aber Chaplins Mimik und Stimme, er verlässt seine Doppelrolle und tritt uns als Regisseur und anklagender Mensch entgegen. Ein starker Bruch im Film, den wir nun nach anderen Kriterien bewerten müssen, als wir Persiflage sonst bewerten, ein Sturz in die Realität, eine andere Art Beziehung zu dieser janusköpfigen Leinwandfigur. Ein Regisseur, der selbst auf der Bühne erscheint – nicht als Cameoauftritt, sondern als der der er ist – und erklärt was er rüberbringen wollte – das erlebt man nicht alle Tage. Zunächst ist man irritiert, verzeiht ihm aber den Stilbruch aufgrund seiner moralischen Botschaft, die das Medium breit zu streuen versteht. Und die Rede beginnt mit den magischen Worten, die Türen öffnen können und die Hitler selbst niemals ausgesprochen hätte: Es tut mir leid … !

Und das ist mehrdeutig: Der jüdische Friseur erklärt, dass er gar kein Diktator sein möchte, für den ihn noch einen Moment lang alle gehalten haben. Für einen kurzen Augenblick verharrt er noch in der Rolle, dann (Quantensprung) spricht er als Mensch, der empört das Kriegsgeschehen in Deutschland betrachtet und er ist klug genug, seine Botschaft nicht auf Deutschland zu reduzieren in dem Wissen, dass Faschismus und Angriffskriege ein ubiquitäres Phänomen sind.

Am Ende der Rede ändert Chaplin das Trägermedium – die message findet ihre Fortsetzung in getragener Musik, die letztlich auch seine weit entfernte Freundin Hannah erreicht, die gerade von einem SS-Mann zu Boden geschlagen wurde, sich nun wieder erhebt und die Botschaft von Herz zu Herz beziehungsweise durch die Lüfte empfängt. Wir sind plötzlich wieder im Filmgeschehen, die Beziehung Zuschauer – Protagonist ändert sich ein weiteres Mal. Momente der Verwirrung, nicht kognitiv, aber eine Stufe tiefer und damit die rationale Abwehr unterlaufend und ins Ungeschützte treffend, so arbeitet auch die Hypnotherapie.

Und die hübsche Paulette Goddard, die Ex von Remarque, sollte halt auch noch mal ins Spiel kommen, die Kamera liegt ohnehin während des ganzen Filmes vor ihr auf den Knien und natürlich Chaplin selber auch, waren ja gerade mal 4 Jahre verheiratet und haben sich erst 2 Jahre danach getrennt. Dabei gerät Chaplin in den letzten beiden Minuten deutlich in den Kitsch und man verzeiht ihm auch das. Hätte nicht sein müssen – aber schadete auch nicht.

 
 

 
 

Ist Kitsch erlaubt, wenn es um die gute Sache geht oder nicht doch qualitätsmindernd?Andersrum: Darf ein Katholik Das Leben des Brian gut finden, von vielen als blasphemisch empfunden? Dabei war der Streifen lediglich angenehm unaufgeregt-respektlos gegenüber christlichem Schwurbel, schreckte vor keiner Pausenhofblödelei zurück und ist heute Kult.

Darf ich Oppenheimer (Gähn! Der Gewinner des Barbenheimer-Duells stand für mich sehr rasch fest – zu wenig von den inneren Konflikten dieses Mannes kam bei der Zuschauerseele an, zuviel Getöse auf den äusseren Bühnen und unnützes Gewese um seine kommunistischen Umtriebe, viel Form, wenig Gefühl)  oder Im Westen nichts Neues als Film schlecht finden, obwohl sie Träger humaner Botschaften sind?  Darf ich Lolita (den Roman, nicht die beiden völlig danebengegangenen Verfilmungen) gut finden, obwohl er vom Leben und Empfinden eines pädophilen Triebtäters handelt, den man aufgrund der Art seines Sich-Darstellens zusehends noch sympathisch und amüsant findet und ihn als tragisch Liebenden erlebt? Zwiespalt … !

Beim Casting der beiden 1962 und 1997 gedrehten Filme spiegelte sich dieser Zwiespalt darin, dass man offenbar Schwierigkeiten hatte, die Rolle der Lolita adäquat zu besetzen. In der ersten Fassung wählte man eine kesse platinblonde Achtzehnjährige, in der zweiten eine weitgehend ausdruckslose magere Siebzehnjährige mit doofen Zopffrisuren, die eher in die hiesigen Trachtenumzüge gepasst hätte. Klar, dass man für diese Rolle keine Zwölfjährige einsetzen kann – aber dann sollte man’s eben halt einfach auch bleibenlassen. Irgendein kluger Mensch hat einmal vorgeschlagen, man sollte Preise vergeben für Bücher, die NICHT geschrieben wurden, das sollte man auch auf Drehbücher ausweiten.

Kämpfende Kunst hiess eine 1975 erstmalig erschienene Zeitschrift des Bundes „Sozialistischer Kunstschaffender“ (der KPD nahe stehend und sich scharf gegen die revisionistischen und konterrevolutionären etablierten Parteien DKP und KPDSU abgrenzend), die sich unter der Prämisse „Die Kunst gehört dem Volk“ zusammengefunden hatte. Wobei unter „Volk“ die kämpfende Arbeiterklasse gemeint war, die verstärkt agitiert werden sollte. Der Ansatz ist bekannt. Ob das eine spannende Kunst war? Brecht schaffte es oft noch, dichterische Eleganz und visuelle Faszinationen in sein revolutionäres Werk zu verpacken, die künstlerische Qualität anderer dichtender Agitatoren blieb mir weitgehend verschlossen. Das war ein Anfeuern zu Streik und zivilem Ungehorsam, völlig ok – aber Kunst?

 
 

 
 

Offensichtlich beisst sich hier was und es scheint von vielen verleugnet zu werden, dass es sich beisst. Aber muss es sich beissen oder ist es ganz gut dass es sich beisst? Dass Kunst nicht funktionalisiert werden kann … eine Überzeugung von so manchem Kunstschaffenden? Der Kunstschaffende möchte etwas zeigen, Assoziationsketten beginnen, erleben und miterleben lassen, den Rezipienten ermöglichen, dass sie sein Werk entdecken (wie die 7 blinden Mäuse den Elefanten) und sich vielleicht danach zu einer Synopsis zusammensetzen und nochmal etwas Spannendes entstehen lassen. Der Künstler, der eine Botschaft im Gepäck hat, möchte aufklärerisch-erzieherisch wirken.

Das freie Spiel der Assoziationen des Rezipienten, der sich auf dem Büffet nehmen kann, was er möchte, wird kanalisiert in einen pädagogischen Prozess zum Zwecke einer Verhaltens – oder zumindest Einstellungsänderung, das mag ein Korsett sein für Kunstschaffenden und Kunstwerk und ein schwieriger Parcours, auch für den Zuschauer.

Und ich hasse es, wenn ich in die Zwangslage komme, einen Film zu loben, weil dessen Meriten darin bestehen, dass endlich einmal dargestellt wird, wie der Landraub an der indigenen Bevölkerung seinerzeit ausgesehen hat – trotzdem fand ich Killers of the Flower Moon nur mässig spannend, entschieden zwei volle Stunden zu lang und DiCaprio als unterbelichteter und manipulierbarer Nichtsschnaller auch nicht gerade in Bestform und offensichtlich wenig begeistert von seiner Rolle – kein Tarantinosches Sprühen, kein Glanz und keine Hingabe an seine Rollen wie bei Christopher Nolans multiplen Verwirrspielen (jaaaaaa, ich weiss, aber ich mag den Leo halt!), sondern ein zweistündiges Herummuffeln mit permanenter 20-nach-8-Mimik, obwohl man ihm eine bezaubernde Filmehefrau zugesellt hatte. Das hätte unser Gesundheitsminister auch noch hingekriegt. Oder die Exkanzlerin …

 
 

 
 

Da entwickelt sich nichts bei mir, da wächst nichts im Zuschauer, da habe ich eher das Gefühl, es wird mir etwas reingedrückt, da ist mir eine Doku lieber, da bin ich auf Belehrung eingestellt, da entwickle ich Gefühle für die Opfer jedweder Machenschaften, da kann ich mich ohne Ablenkung mit Realitäten auseinandersetzen. Und natürlich kann man diesen braven Filmen die Bepreisung nicht verweigern, das wissen die Regisseure sehr wohl – Oscars, Goldene Löwen und goldene Palmzweige wurden reichlich auf deren Wegen ausgestreut.

Und manchmal zweifle ich auch an den guten aufklärerischen Absichten der Regisseure, mir wurde auch nicht bekannt, dass Herr Scorsese von seinem Gewinn etwas an die verelendeten Indigenen in ihren Reservaten abgetreten hat, das hat der schon selber eingesackelt und steckt es in das nächste caritative Projekt – mit Gänsefüsschen. Hoffentlich ist der Leo so schlau, sich rechtzeitig zu verkrümeln, hat sich so gut entwickelt von der herzensguten Titanic-Wasserleiche zum grandiosen Fiesling in Django Unchained. Da konnte er an seine umwerfenden Darstellung eines behinderten Jungen Irgendwo in Iowa von der Ausdrucksstärke her anknüpfen.

Das Kriegsdrama Im Westen nichts Neues startete mit einem Budget von 20 Millionen und spielte bis jetzt 2,3 Milliarden ein und der Siegeszug bei Netflix hat gerade angefangen – der Regisseur wollte zeigen, wie schrecklich Krieg ist, das hat er ja auch geschafft – allerdings mit dem Nebeneffekt, dass viele den Film nicht bis zum Ende durchstanden oder zumindest innerlich das Licht ausknipsten (ZQF so gegen 50) – ich selbst verbrachte die gesamte Filmzeit in einem Zustand der Duldungsstarre. Leider wurde dabei – sicher nur versehentlich – auch versäumt, einen Teil dieses sehr stattlichen Gewinnes an ein kriegsgebeuteltes Land abzutreten, etwa um das zerstörte Aleppo wieder aufzubauen oder zur Versorgung ukrainischer Flüchtlinge ein Scherflein beizutragen. Wenn ihnen schon so an der guten Sache liegt. Oder tuts das etwa doch nicht? Dann dürfte die Sache langsam zur Masche werden.

Kunst heisst nicht, etwas zu lehren – sie soll im Menschen etwas wecken und zum Leben bringen, das vielleicht eigenständig weiterlebt und wieder etwas anderes hervorbringt. Er muss sich dessen nicht einmal bewusst sein. Aber Kunst zu definieren ist müssig, das lass ich jetzt lieber – zu schwer fassbar, zu individuell, zu prozessual, ich komme mir gerade wie ein Schullehrer vor und jetzt hör ich auf sonst wird’s dröge. Vielleicht soll Kunst ja überhaupt nichts, vielleicht sollte man sie betrachten wie das Wunder eines neugeborenen Kindes, das soll auch nichts ausser unser Herz erfreuen und meistens schafft es das sogar … ich glaube, das wäre eh das Beste und ich spar mir jetzt das weitere Blubbern hier. Oscar krieg ich eh keinen …

Also nur ein paar Gedanken, in die Kladde geredet.

 

2024 23 Feb

Und dieses?

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2024 21 Feb

Impact-Quiz

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Was ist das?

 

 

Wer schonmal Ski gefahren ist, der weiss: das ist wie guter Sex, manchmal besser. Die Piste runter, Hüftschwung hopp, muss man mal erlebt haben. Im Skiort diese eigentümliche Winterstille, der Schnee verschluckt die Geräusche, menschliche Stimmen klingen trocken, wie kleine Sensationen. Vom Ski zu Kurt, wie geht das? Sehr gut, denn kürzlich wurde mir eine besondere Abfahrt zuteil: zunächst das heitere Gespräch der beiden Gitarristen Rosenwinkel und Beato auf YouTube. Ich hatte wohl das Stück „Use of Light“ aus dem Album Deep Song angeklickt, weil mir an diesem regnerischen Februartag bewusst war, wie nutzbringend doch generell das Licht ist. Ich glaube an die Sonne, mehr als an jeden Gott, denn Dunkelheit drückt auf’s Gemüt. Nach dem Gesprächs-Uplift der beiden Genannten folgte die Abfahrt, Algorithmus-induziert: nach einer Session mit jungen Talenten der New Generation (Kurt Rosenwinkel ist seit langem schon auch Musikpädagoge) dann der Auftritt mit der immer wieder erstaunlichen Frankfurt Radio Bigband. Ja, Skifahren wäre eine angemessene Metapher, Kite-Surfen in den Kosmos aber auch. Immer schwingt in Kurt Rosenwinkels Spiel Lebensfreude mit und das Abfeiern der grenzenlosen Möglichkeiten kreativen Ausdrucks. Es ist im Wesentlichen ekstatisch, permanente Grenzüberschreitung. Ihm sitzt auch der menschenfreundliche Schalk im Nacken, wie sich einmal in einem Interview backstage mit einer etwas naiven französischen Jounalistin zeigte: Ob das auch teilweise improvisiert sei, was er spiele? Yes, occasionally there is some improvisation. Die Musikhistorie schwingt mit in seinen Soli: Bach, Brahms, die Stones, Samba, Jazz, Pop, Blues und Soul. Das sind Höhenflüge, die flinke Finger auf das Griffbrett zaubern. Wer zaudernd introspektive Seelenschau in Moll sucht, geht hier fehl. Nicht zu jeder Zeit passt jede Musik – umso schöner, wenn einen etwas plötzlich anturnt, tagesaktuell oder rein stimmungsmässig. Nimm es mit, take the a-train, catch the nightflight, down the slope!

 

2024 17 Feb

Zwischen zwei Welten

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Zunächst wie so oft skeptisch bezüglich der Investition kostbarer Lebenszeit, komme ich nun im Rückblick zu dem Schluss, dass The Americans zu den besten Fernsehserien gehört, die ich jemals sah. „Was interessieren mich denn sowjetische Spione im Amerika der Reagan Ära zur Zeit des kalten Krieges!“ war die Eingangsfrage. Alle guten Serien (der Spiegel schrieb hinsichtlich der neuen True Detective Staffel mit einer angeblich genial missgelaunten Jodie Foster vom „Hochamt“ des TV-Thrillers) verzeichnen ja gewisse Parallelen, also gemeinsame Qualitätsmerkmale: gute Schauspieler (nicht selten breathtaking), exquisite Kamerafahrten. Dazu Soundtracks, die wie akustische Geschmacksverstärker wirken, familiäre und epische Entwicklungsstränge, knisternde und vor allem geschmackvolle Erotik. In vielem erinnert The Americans an Breaking Bad. Diese sublim situationswitzige Art beispielsweise, mit der Leute ums Leben gebracht werden. Das ist das Gegenteil der Zurschaustellung von Gewalt. Da ist dieses hochattraktive, sportlich fitte, sympathische Spionage-Ehepaar, das eigentlich nach aussen hin mit den zwei Kindern eine Musterehe darstellt: an american dream. Beide sind so top ausgebildet, sodass man als Zuschauer weiss: egal, in welche irrwitzige Situation sie sich verstricken, ihnen passiert nichts, denn sie sind schlichtweg zu gut. Batman und Catwoman im Einsatz. Man muss also nicht auf den Bierdeckel beissen oder an den Nägeln kauen. Dann die Sache mit den Kids, man kennt das beispielsweise auch von Mad Men oder The Affair, wie die sich zu eigenständigen Persönlichkeiten entwickeln. Viele Gänsehautmomente, etwa wenn Tschaikowski-Klänge und Rückblenden in die Vergangenheit die russische Seele leibhaftig werden lassen. Dann die intimen Inneneinsichten in das Zentrum der Sowjetmacht, die „Residentura“ und das an Mad Men erinnernde Treiben in den Büros des CIA. Sehr reizvoll ebenso ist der Kontrast zwischen Dialog-Szenen im Kammerspiel und den Action-Szenen im Irgendwo. Sowohl in Russland als auch in Amerika werden schöne Bilder eingefangen, die im Kontast noch schöner wirken, geradezu einmalig sind, optisch vom Allerfeinsten. Der Soundtrack ist sparsam und einfühlsam. Die ganze Serie hindurch herrscht eine kontemplative Grundstimmung, durch Action-Spitzen garniert. Beim Schauen der Serie hat man das Gefühl, dass das eigene Gehirn geschult wird – und dies nicht nur der politischen Bezüge wegen, sondern auch aufgrund der tiefen emotionalen Intelligenz. Etwa, wenn sich Phil und Elizabeth für ihre Einsätze verkleiden: tausendundein Typ – und sie sehen immer gut aus. Allein das ist schon den Eintritt wert und eine Show. Zum enthusiastisch angehauchten Loblied hier passen dann natürlich die sparsam eingesetzten Songakzente, sie kommen umso mehr mit Wucht – etwa von Peter Gabriel, David Bowie, den Talking Heads oder von Depeche Mode. Die deutlichste Parallele zu Breaking Bad ist übrigens die, dass der nachbarliche Freund gleichzeitig der ärgste Feind ist: hier Sowjetspione und ein CIA-Mann, dort der FBI-Schwager und der Kartell-Boss. Und hieraus gründet die eigentliche Grundspannung der ganzen Serie: „Wann und wie fliegt das Ganze auf?“ Die Antwort, ohne viel vorwegzunehmen: auf grandiose Weise! Schade, dass man darüber nicht schreiben kann. Tränen in den Augen, Glücks- und Gänsehautmomente gab’s aber vorher schon zuhauf. Es ist auch die Geschichte einer tiefen Freundschaft, mit hohem menschlichen Anstand. Wenn solche Serien zu Ende gehen, bleibt leichte Melancholie: es ist ein bisschen wie das Ende einer Liebe.

 


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