Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: Juni 2018

„Das Drama ist nämlich, dass das Unvermögen zu schreiben einem noch keineswegs das Verlangen danach nimmt.“
 

Das Zitat, im Merve-Verlags-Prospekt 2003 entdeckt, stammt aus dem Buch von Marcel Bènabou „Warum ich keines meiner Bücher geschrieben habe.“

Ich habe mir das Buch antiquarisch gekauft – für 5 Cent. Davon bekommt der Autor einen eher geringen Anteil, und so wird deutlich, dass kein Vermögen zu besitzen direkt zum Unvermögen zu schreiben führen kann.

Die zweite Bedeutung des Satzes ist die klassische Schreibhemmung: das Schreiben fällt schwer, was irgendwie mit Komplexen und Psyche zusammenhängt. Der Schreibwunsch bleibt und hält uns davon ab, einfach etwas Ungehemmtes zu tun, zum Beispiel den Rasen zu mähen (falls keine Rasenmähhemmung besteht). Es kann aber auch daran liegen, dass ich eigentlich was anderes schreiben möchte als ich meine zu müssen.

Drittens könnte es einer Größenphantasie entspringen: ich habe kein Talent zum Schreiben, tue es aber trotzdem, oder ich tue so, als ob … . Vielleicht beklagt sich Bénabout über die vielen schlechten Bücher, die aller Schreibhemmung zum Trotz dennoch erscheinen.

Noch eine weitere Möglichkeit, den Satz zu verstehen: das Unvermögen sitzt im Körper, durch Krankheit, Unfall, Alkoholkonsum oder Behinderung bedingt. Davon habe ich neulich erzählt: von der Widerspenstigkeit der elektronischen Kommunikationsmittel. Meine Finger produzierten trotz nur minimaler Dysfunktionen in fast jedem Wort Fehler. Das Diktierprogramm hatte immerhin eine Quote von 1:4 Richtigen. Beim manuellen Korrigieren verzitterte ich noch mehr Buchstaben. Aus Ungeduld wurde Zivilisationskritik oder ehrlich gesagt Wut, bis ich in der Situation eine gewisse Albernheit entdecken konnte. Die Technik hatte sich selbständig gemacht.

Das Geschriebene sah sehr merkwürdig aus und ließ sich, wie die Tramschilder in Budapest, nicht im Gedächtnis behalten. Einzige Anker für Sinn und Verstand boten die von selbst entstandenen Worte DADA und DERRIDADA. Ich fühlte mich gleich kulturhistorisch ein bißchen zuhause. Zufällig fand ich heraus, daß sich der Text hervorragend rappen ließ. Also doch Stoff für das manafonistische (far) beyond.

Zwei reizende Kommentare fanden sich ein. Doch dann entdeckte ich, dass sich offensichtlich ein Korrekturprogramm an meinen Text herangemacht hatte. Alle einzelnen Wörter waren orthographisch richtig geschrieben; zusammen ergaben sie keinen Sinn. So hat mich die künstliche Intelligenz zweimal ausgetrickst; erst hat sie meine Ordnungsversuche hintertrieben, dann hat sie auch noch mein Chaos zerstört. Unvermögen! DADA und DERRIDADA blieben übrig.

Anmerkung: Marcel Bénabou war mit Georges Perec befreundet, dem großen Erzähler und Aufzähler. Während Perec in seinem Roman „La vie mode d’emploi“ Geschichten und Bildern aus einem Pariser Mietshaus sammelt, findet sich bei Bénabou die wohl längste Liste, was warum nicht zu schreiben ist – eine Fundgrube für Schreibgehemmte.

2018 4 Juni

Cary

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‘Life Of Emily’, for example, opens with Tibbetts playing in a sliding, vocalized style that, along with Marc Anderson’s hand percussion, evokes the sound of Indian classical music. But about 13 seconds in, the drone beneath those soothingly serpentine lines drops a minor third, and the mood shifts. Although Tibbetts continues to play slippery, string-bending filigrees, the rhythmic pulse quietly has become more insistent. It’s drama, but of a sort so subtle it easily can be missed without close listening. Pay close attention, though, and ‚Life Of‘ reveals a world of sonic surprises. […] It might be less than an hour long, but ‘Life Of’ will provide years of deep and rewarding listening.

J.D. Considine, Downbeat 

2018 2 Juni

Gregor öffnet seinen Bücherschrank

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Die Liste seiner Literaturpreise ist lang, aber einer dieser Auszeichnungen hat mich denn doch überrascht. David Mitchell bekam 2015 den World Fantasy Award für seinen vorletzten Roman Die Knochenuhren. Wir erinnern uns: der Roman zerfällt, wie bei Mitchell üblich – wir lassen Der Dreizehnte Monat einmal außen vor – in mehrere Teile, mehrere Geschichten, die zu unterschiedlichen Zeiten spielen, Bereits während der ersten vier Geschichten spürt der Leser, dass da etwas nicht stimmt, irgendwie fallen die Geschichten kaum merklich aus der Realität. Aber erst im fünften Teil lesen wir Fantasy pur. Mitchells Leser staunten nicht schlecht, das gab es bei ihm bisher nicht. Genau für diese Geschichte, Teil fünf der Knochenuhren, erhielt der Autor diesen Preis.

 
 
 

 
 
 

Am 15.Mai dieses Jahres erschien nun Slade House, der neue Roman von David Mitchell. Es sei gleich verraten, das ist nun ein ganzes Buch Fantasy pur. Das geheimnisvolle Slade House in der Slade Alley mit allem was drumherum passiert, alles Fantasy. Immerhin bleibt Mitchell sich und seinen bisherigen Büchern treu, wenn er auch diesen Roman in verschiedene Geschichten, die zu unterschiedlichen Zeiten spielen, zerfallen lässt, freilich spannt er den Zeitrahmen dieses Mal recht kurz: es beginnt im Jahre 1979 und schreitet im Neun-Jahres-Rhythmus bis zum Jahr 2015 fort. Die fünf relativ kurzen Geschichten werden dem Leser jeweils aus unterschiedlichen Ich-Perspektiven präsentiert: zunächst erzählt der Schüler Nathan Bishop, wie er und seine Mutter Lady Grayer und ihren vermeintlichen Sohn im Slade House besuchen. Die zweite Erzählung wird aus der Sicht eines Polizisten, die dritte aus der einer Studentin, die vierte aus der einer Journalistin und die fünfte von einem der Grayer-Zwillingen dargeboten. Die ersten vier Ich-Erzähler gelangen alle ins Slade House, aus dem es kein Zurück gibt, denn hier geht es darum, dass man ihnen die Seele nimmt. Thema ist also einmal mehr lebenswütige Menschen, die den eigenen Tod nicht akzeptieren wollen und auf Kosten des Lebens anderer ihr Dasein ins Unendliche ausweiten möchten.-

Von der Slade Alley führt ein nur alle neun Jahre im Oktober sichtbares Türchen in einen paradiesisch anmutenden Garten an dessen Ende das riesige, unheimliche Slade House aufragt. Hier leben die Grayer-Zwillinge, die alle neun Jahre Seelen-Nachschub brauchen. All das kommt der Mitchell-Leser-Gemeinde natürlich bekannt vor: genau um diese Thematik ging es in den Knochenuhren. Slade House könnte man ja auch durchaus als Fortsetzung dieses 816 Seiten Wälzers verstehen, wobei freilich, für Mitchell höchst ungewöhnlich, Slade House recht knapp ausgefallen ist: 233 Seiten kurz. Hier wie dort kämpfen die Horlogen für die Unantastbarkeit des Lebens und gegen die Gier nach Unsterblichkeit.

Obwohl ich gewiss kein Liebhaber von Fantasy-Literatur bin, gefällt mir auch dieser Roman Mitchells sehr gut. Die fünf Geschichten sind dermaßen gut erzählt, dass der Leser die Figuren und die Stories sehr schnell lieb gewinnt und sich nur schwerlich damit abfinden kann, dass die Erzählungen rasch abbrechen und er sich auf Neues einstellen muss, was allerdings wiederum im Handumdrehen gelingt. Wie immer legt Mitchell viel Wert auf die historische und kulturelle Situation der jeweiligen Zeit, in der eine Erzählung spielt: 2015 ist natürlich von iPhone als Kommunikationsmittel die Rede, 2006 vom Handy und den SMS, natürlich auch von Tony Blair, 1997 spielen die Eels ihr Novocaine for the Soul, Morrissey titt auf, Björk singt die Hyperballad und von Massive Attack gibt es Safe from Harm.

 
 
 

 
 
 

Auch freut den Mitchell-Leser, dass er Bekanntes aus früheren Romanen wiederfinden kann: So arbeitet die Jounalistin Freya im vierten Teil des Slade House für die Zeitschrift Spyglass Magazine, wir kennen es aus dem Wolkenatlas, dort arbeitete Luisa Rey für diese Illustrierte. Auch Dr. Marinus ist ein alter Bekannter, er spielt in den Knochenuhren eine wichtige Rolle. Ganz zu schweigen von Vyryan Ayrs, dem Robert Frobisher im Chateau Zedelheim dient (Wolkenatlas).

Nach Chaos, Der Wolkenatlas, Der dreizehnte Monat, number 9 Dream, Die tausend Herbste des Jacob de Zoet und Die Knochenuhren ist Slade House sicher nicht Mitchells stärkster Roman, aber der Freund der Bücher dieses Autors kommt auf seine Kosten und für den Entdecker von David Mitchells Bücher ist Slade House sicher ein guter Einstieg in seine Romanwelt.

 

2018 2 Juni

Simple truth

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The mayor of London, Sadiq Khan, has compared the language used by Donald Trump to rally his supporters to that of “the fascists of the 20th century” in an explosive intervention before the US president’s state visit to London that begins on Monday.

Writing in the Observer, Khan condemned the red-carpet treatment being afforded to Trump who, with his wife Melania, will be a guest of the Queen during his three-day stay, which is expected to provoke massive protests in the capital on Tuesday.

Khan said: “President Donald Trump is just one of the most egregious examples of a growing global threat. The far right is on the rise around the world, threatening our hard-won rights and freedoms and the values that have defined our liberal, democratic societies for more than 70 years.

“Viktor Orbán in Hungary, Matteo Salvini in Italy, Marine Le Pen in France and Nigel Farage here in the UK are using the same divisive tropes of the fascists of the 20th century to garner support, but with new sinister methods to deliver their message. And they are gaining ground and winning power and influence in places that would have been unthinkable just a few years ago.”

(The Guardian)

2018 2 Juni

Words with the shamans (preparation)

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Arrival at „Romantik Hotel Platte“. Moving to a place nearby. Two days of shamanism. Peruvian healer Don Agustin and his team. 50 clients. I heard before it would not be an easy ride. I think it was a good preparation to only listen to two records within the last three days, Santana‘s „Abraxas“, and Jon Hassell‘s forthcoming album „Listening to Pictures“. Both albums contain cover art by Mati Klarwein known for his magic realism, think of „Bitches Brew“, think of „Dream Theory In Malay“. Speaking of the music, I can only say that listening to Hassell‘s album can even take the most experienced lover of his music by surprise. It is one of those works of an old master that is not painting the world soft and sweet, but much more an invitation to surround oneself with cutting edges, distant echoes, and something unspeakable. Just an idea coming up for sequencing the first hour of my radio night in June: Jon Balke with Batagraf (one track, see Jazzland Records), Steve Tibbetts (three tracks), Brian Eno (three tracks), Jon Hassell (three tracks) Nik Bärtsch (one track). And yes, the two days in the green hinterland would not become an easy ride. But impressive in many ways.

 

2018 1 Juni

Apollo expanded …

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On 19th July an expanded version of Apollo will be released to mark the 50th Anniversary of the Moon Landings. Alongside the original Apollo album remastered by Abbey Road’s Miles Showell will be a new vinyl disc/CD/assemblage of audio data called For All Mankind – not the film, but eleven new instrumental compositions by Daniel Lanois, Roger Eno and Brian Eno, with Brian producing, co-writing and contributing to all the tracks:

 

„The End Of A Thin Cord“ (4:08) – Brian Eno
„Capsule“ (3:13) – Daniel Lanois
„At The Foot Of A Ladder“ (3:35) – Brian Eno
„Waking Up“ (2:29) – Roger Eno
„Clear Desert Night“ (3:11) – Brian Eno
„Over The Canaries“ (4:41) – Brian Eno
„Last Step From The Surface“ (3:58) – Daniel Lanois
„Fine-grained“ (3:34) – Daniel Lanois
„Under The Moon“ (3:10) – Roger Eno
„Strange Quiet“ (4:09) – Roger Eno
„Like I Was A Spectator“ (4:23) – Brian Eno

 

2018 1 Juni

Lob des Fusion

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Lange Zeit ging ein Gespenst um in der westlichen Musikwelt – das Gespenst des Fusion. Um es auszutreiben, hatten sich wissenschaftlich-akademische Mächte mit dem gemeinen Volk zu einer heiligen Allianz zusammengeschlossen: der Klassikliebhaber, der Jazzpurist und der globale Folkfan mit seinen Wurzeln in Irland, Schottland, England und der Bretagne; die Lateinamerika-Fraktion mit ihrerseits weltmusikalischen Auswüchsen. Mercedes Sosa, Violetta Parra und Inti Illimani seien hier exemplarisch genannt. Ferner die Klaren aus dem Norden (Jan Garbarek, Terje Rypdal, wobei, ähäm, herrje), die Bluespuristen … – ich könnt´ noch Hundert nennen. Dabei sind doch der Fusion-Sound und seine eng verwandte muskulöse Tante Jazzrock fest verwebt mit vielem, was geschmackvoll war und ist. Man denke an Gateway, die frühen Tage des Mahavishnu, an Chick Coreas Return To Forever. Auch Senora Flora Purim, Airto Moreira und Weather Report dürfen hier nicht fehlen. Folgerichtig spiegeln sich Slavoj Zizeks einleitende Worte seines Buches Die Tücke des Subjekts (The Ticklish Subjekt, 1999) auch in meinen neuen Anfang wieder – allerdings nicht bezogen auf die Rehabilitation des cartesianischen Subjekts (cogito, ergo sum) und einem berechtigten Misstrauen gegenüber New Age und den Obskurantismen der „Ganzheitlichkeit“, sondern bezogen auf ein Lob des Fusion. Möge sein Geist fortan frei walten, unbelastet von Vermaledeiungen der Vergangenheit – ich jedenfalls wähne mich frei von Stolz und Vorurteil.

 
 
Adam Rogers – DICE


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