Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

You are currently browsing the blog archives for the month Dezember 2016.

Archives: Dezember 2016

2016 20 Dez

Reflections on Westworld

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags:  3 Comments

Having just viewed the new HBO series, Westworld, I am struck by an enduring theme: the cruelty of humans as expressed by the evolution of consciousness in the inhuman. This idea goes back to the early days of science fiction, to writers like Asimov, Bradbury and Phillip K Dick. Always it is a way to reflect on what makes us human. The humans in Westworld, both the visitors and the creators, have little or no empathy for the „hosts“, the robots who people this artificial world. They are used, abused and as they begin to develop memories and self awareness, tortured by the knowledge of their existential condition. For they are living in a kind of purgatory, a kind of Groundhog day without redemption, where they are condemned to relive the same loops over and over without mercy, without end. It shouldn’t matter, as they are reset every night. However, it is the virus of memory that begins to wake them.

Without memory, perhaps we too would be soulless creatures, condemned to eternal repetition of the same mindless patterns, much like the player piano that begins each episode. Without memory we wouldn’t have self awareness because there would be no internal narrative to inform consciousness. Without memory to reflect on, there could be no empathy for ourselves or others. Without memory, empathy, or compassion, our lives too would drift aimlessly without purpose or direction. And without these, there would be no love.

Gurdjieff liked to say that most human beings aren’t human – they are mere automatons, machines driven by unconscious patterns formed through early experience. Most people sleepwalk through life, reacting to stimuli, programmed to act in knee jerk fashion to new experiences which unconsciously remind them of the past. According to Gurdjieff, only through the process of self remembering can we begin to break the cycle, to unshackle ourselves from William Blake’s „mind forged manacles.“

This waking up process that is the driving force behind Westworld and its predecessors, (Battlestar Galactica, and of course Bladerunner come to mind,) resonates deeply with many of us, because we recognize ourselves in these artificial humans: flawed, asleep, suffering our limiting conditioning, even more so upon coming to a glimmer of self awareness, and with that knowledge, the horror that we are still hopelessly caught in the loop of our own personal narrative.

It is no wonder the first impulse for these artificial humans upon waking up is rebellion against their maker. For indeed, what god has the right to create creatures who are condemned to purgatory?

2016 20 Dez

Oskar Sala – Die Vögel

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: , Comments off

Am Mittwoch, den 21. Dezember sendet ZDF neo Oskar Salas berühmten Film Die Vögel.

Wenn ich mich nicht irre, sind die Soundeffekte vom wenig bekannten Albert Hitchcook (so ähnlich heißt er, glaube ich).

 

„Oskar Sala – Ein Alchimist der elektronischen Musik“

 
 

 
 

2016 18 Dez

Stephen Dobyns

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 1 Comment

DETERMINATION
 
Cabbage—the first word put down
with his new pen, a trophy pen,
like a trophy wife, not cheap,
absurd to use a ballpoint pen

for a task like this, a challenge,
for which he’d also bought a new,
but ancient, rolltop desk recently
restored, with matching chair,

also not cheap, and for which he’d
renovated the attic room with
pine-panelled walls, bookshelves,
and good light for his new office

or weekend office, a place planned
for many years, even before college,
back in high school in fact, a resolve
rare in his life, but about which

he’d dreamed in free moments
at his office, and which kept him
sane during those tedious years
of doing the taxes of strangers,

but now at last begun, excitingly
begun, as he leaned forward with
pen raised to put down on paper
the first word of his first novel.

2016 17 Dez

DESTINATIONS von R. S. Thomas: Manafon

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off

 

Manafon in Wales wäre ein prima Treff für uns im kommenden Jahr. Was meint Ihr?

Ich verabschiede mich bis 4. Januar 2017 und wünsche Euch eine gute Zeit.

 
 
 

 

Es geht ja in der Kunst wie im Leben nicht immer darum (das wird jetzt nicht das Wort zum Sonntag!), neue Horizonte zu öffnen, aber es ist auch langweilig, permanent die gleichen Gewohnheiten des Sehens und Hörens zu pflegen. Eine Balance ist gefragt zwischen alten Vorlieben und neuen Entdeckungen. Es geht ja sowieso nicht „immer so weiter“, und das Brechen mit alten Mustern vergrössert existenzielle Spielräume

Es gibt Phasen, da überwiegen Rückschau, Ruhe und regelmässiger Schlaf. Dann wieder gewinnen Turbulenzen an Terrain, das Leben wird zur oft gar nicht so munteren Achterbahnfahrt. Musik, Bücher, Filme sind (solange sie Seelennahrung sind) ein „Trainingscamp“, das Staunen nicht zu verlernen, und den Schrecken zu überstehen.

In diesem Sinn kann auch ein und dasselbe Werk eine Art Rüstzeug darstellen, sich für das Unheimliche und das (unkomprimitierte) Schöne (das auch ausgehalten werden will, oder freigelegt) zu wappnen. In diesem Sinne mögen die Januarempfehlungen verstanden werden, die so nach und nach bis Jahresende auftauchen. Von Brian Eno bis Sun Ra, vom Klarträumen bis zum Krimi, und nicht zuletzt von „John From Cincinnatti“ („a gloriously bizarre TV-show, cut off in its prime“, Alan Jones, Uncut)

Eine Geschichte dazu: eines meiner Lieblingsthemen im Reich der Bewusstseinsveränderung ist das Luzide Träumen, oder, wie es in Deutschland oft genannt wird, das Klarträumen. Die Fähigkeit, im Traum zu erkennen, dass man träumt, und dann bei vollem Wachbewusstsein das Traumgeschehen aktiv zu gestalten (statt ohne Bewusstheit durch fremde Welten zu geistern), ist eine uralte Tradition des tibetischen Yoga, im Westen aber erst seit den Siebziger Jahren zum wissenschaftlichen Forschungsthema erhoben.

In den letzten zehn Jahren hat die „Neuroscience“ eine Reihe von Substanzen, Neurotransmittern, erforscht (keine Drogen, wie sie einst noch Castaneda einsetzte!), mit deren Hilfe man morgens, in der Phase der längsten Träume („extended REM-sleep“) vom ruhenden, realen Körper in den Traumkörper schlüpfen kann (eine abenteuerliche Transformation, wie ich aus drei Erfahrungen dieser Art berichten kann).

Und dann, in der Traumwelt, geht es ja erst richtig los, salopp gesagt: Sie wollen durch die Lüfte fliegen, zum Himalaya, über den Ozean, Sie wollen ein ernsthaftes Gespräch mit einem alten Freund führen, eine nie gehörte Musik hören, als gelernter Pianist ein paar neue Klänge erforschen? Machbar, und bewusstseinserweiternd. Nach einer längeren Pause bin ich jetzt wieder aktiv in einer Klartraumgruppe. Und warum? Weil eine kleine Achterbahnfahrt in den letzten Wochen es nahelegt, Muster aufzubrechen, und alte, brachliegende Ressourcen anzuzapfen. Wieder geht es um Staunen und Schrecken.

Wenn der Tempo mit dem Jukebox-Man kommt …

 

Es fehlt noch eine Liste, nämlich die, die über die Schallplatten Auskunft gibt, die in den Jukeboxen meiner Kneipiers im Jahr 2016 am häufigsten gedrückt wurden. Interessiert haben mich allerdings nur die 2016 erschienenen Musikstücke. Das macht die Sache natürlich kompliziert, wie ich letztes Jahr um diese Zeit bereits erläutert habe. Die meisten meiner alten Boxen verfügen zwar über ein mechanisches Zählsystem, welches die zehn am häufigsten gewünschten Titel anzeigt, freilich natürlich nicht zwischen „Lady Madonna“ von den Beatles aus dem Jahre 1968 und „Surface“ von King Cresote aus dem Jahre 2016 unterscheidet. Ich bin also auf die Aussagen meiner Jukeboxpächter angewiesen. Es gibt deshalb auch keine Platzierungen, sondern nur gleichwertige Nennungen. Interessant dieses Jahr: es wurden überdurchschnittlich viele ruhige Stücke gewählt, Musik, die sich lonely woman oder lonely man an der Theke für sich sitzend zu später Stunde ausgeschaut hat und dazu einen guten Roten oder bestens gekühlten Weißen trinkt, vielleicht auch einen Talisker von der Whisky-Destillerie der Insel Skye in Schottland bestellt…Tanzbare Stücke finden sich selten in der diesjährigen Jukebox-Bestenliste, die neue CD von PJ Harvey, “The Hope Six Demolotion Project”, muss da wohl so eine Ausnahme gewesen sein, diese Scheibe soll regelmäßig die Kneipenbesucher zum Tanzen angeregt haben. In solchen Fällen will das Publikum ja immer, dass der Wirt die Box lauter stellt, was ja der normale Besucher nicht kann, da es keine Musikboxen mit Lautstärkeregler gibt, eben dieser befindet sich stets wohlversteckt hinter dem Tresen und ist mit einem Kabel mit der Box verbunden. Hier ein Bild eines solchen Reglers:

 
 
 

 
 
 

Ich erinnere mich noch gut, wenn ich als Schüler in dem Eiscafé meines Vertrauens, Venezia genannt, von meinem schmalen Taschengeld eine Platte gedrückt hatte, die Lautstärke aber auf ein Minimum eingestellt war, wie ich dann den Wirt angefleht habe, er möge doch den Lautstärkeregler hochziehen. Oh, hatte ich mir damals gewünscht, Herr über diesen Regler zu sein….Hier nun die Jukebox-Top-Twentyone; es sei noch erwähnt, dass Nick Cave gleich mit zwei Stücken genannt wurde.

 

Bon Iver: 8(circle) (22, A Million)

Paul Simon: Cool Papa Bell (Stranger To Stranger)

Phish: Breath and Burning (Big Boat)

Red Hot Chili Peppers: The Hunter (The Getaway)

The Jayhawks: Quiet Corners an Emty Spaces (Paying Mr Proust)

King Creosote: Surface (Astronaut Meets Appleman)

Leonard Cohen: If I Didn`t Have Your Love (You Want It Darker)

Darren Hayman: Culpho (Thankful Villages Vol 1)

Nick Cave and The Bad Seeds: I Need You / Distant Sky (Skeleton Tree)

Tindersticks: Follow Me (The Waiting Room)

David Bowie: Lazarus (Blackstar)

 
 
 

 
 
 

Lambchop: In Care of 8675309 (Flotus)

Anohni: Crisis (Hopelessness)

Wilco: If I Ever Was A Child (Schmilco)

PJ Harvey: The Wheel (The Hope Six Demolotion Project)

Building Instruments: Fall (Kem Som Kana Leve)

William Tyler: Highway Anxiety (Modern Country)

Dawes: Less Than Five Miles Away (We´re all gonna die)

Lucinda Williams: Faith & Grace (The Ghosts of Highway 20)

Willie Nelson: Summertime (Summertime: Willie Nelson Sings Gershwin)

Neil Young: Mother Earth (Earth)

 

 
 
 

Mit ihrem zweiten Album STAND UP kamen Jethro Tull auf den grossen Bühnen an, man entfernte sich von dem Blues, der lange Zeit das Ticket für kleine Clubs war, man suchte vor der Produktion händeringend einen neuen Gitarristen, der Ian Andersons verspielten und vertrackten Songideen in die geheimsten Winkeln folgen konnte.

Die ganz frühe Zeit war hart, als die Band sich von Tag zu Tag durchschlagen musste, und Ian Anderson sogar den vom Vater bekommenen Mantel nachts überstreifte, um 1967 durch den Londoner Winter zu kommen. Wenn er mit langen Haaren und Schlottermantel morgens in Hampstead Heath frische Luft schnupperte, konnte er entfernt an eine der Figuren der späteren Herumtreiber von AQUALUNG erinnern, ihrem ersten Meisterwerk.

Nach WAS, dem Debüt, suchten Ian Anderson, Clive Bunker und Glenn Cornick, und der noch nicht ganz als ihr Mann an der Gitarre akzeptierte Martin Lancelot (!) Barre, ihren ganz speziellen Pfad durch die verzweigte Welt der Rockmusik, sie wollten keine zweiten Beatles, Zeps, Stones, Who oder Kinks werden – und ein Typ, der vornehmlich Flöte, gerne auch mal auf einem Bein spielte, und von Jazzmagier Roland Kirk inspiriert wurde, war da schon mal ein Anfang.

Dortmund-Kirchhörde, Ort meiner seltsamen Teenagerjahre, anno 1969, ein Sommer, in dem wir immer wieder bis in den Abend Badminton wie die Verrückten spielten, im grossen Garten am Rande eines Waldes. Eines Nachmittags hatte ich mir die englische Hitparade gegönnt (es war die Zeit, in der man noch Singles kaufte), da rief mich die Schwester eines Kumpels an, sie war allein zuhaus und lud mich in den Flachdachbungalow ein, um eine „ganz tofte Platte“ zu hören (wie sie es ausdrückte), und den Weinkeller ihrer Eltern etwas zu plündern. Sylvia.

Ich werde den Moment nie vergessen, als sie mir die Schallplatte in die Hand drückte und ich das Cover, aussen wie innen, auf mich wirken liess. Man konnte es aufklappen, und die vier Popmusiker sprangen einem als Pappkameraden entgegen. So was kannte ich bislang nur aus Kinderbüchern. Ich werde den Moment nie vergessen, wie wir zusammen auf der Couch sassen, die Musik von STAND UP den Raum erfüllte, und wir eine Flasche „Kleinwinternheimers Geiershölle“ in einer Nachmittagsstunde leerten. Ich werde den Moment nie vergessen, als, zwei Jahre später, der Bruder mir, mit Tränen in den Augen, mitteilte, seine Schwester sei in der Nacht an Herzasthma gestorben (so wurde es genannt, ich kannte mich mit Asthma aus, aber das Wort hatte ich noch nie gehört).

Seltsam, seit dieser Nachricht habe ich mir diese Schallplatte (die ich stets nur in jenem Bungalow gehört und mir selbst nicht gekauft hatte) nie mehr angehört. Als wäre mit der Nachricht vom Tod einer nahezu Gleichaltrigen nicht nur ein Stück Zeit und Kindheit weggebrochen, sondern auch etwas von der Musik nach hinten gekippt, welche lange Zeit mit diesem einem besonderen Nachmittag verbunden blieb.

Ich kaufte mit die Platte auch später nicht, als ich mich in R.D. verliebt hatte, eine Pfarrerstochter aus Dortmund-Bittermark (ein paar Häuser weiter lebte der Violinist Zbginef Seiffert, in einem kleinen Haus im Grünen), die mir im Westfalenpark auf einer Decke ihre (komplett windschiefe) Version des des Bach-und-Tull-Hits BOURÉ vorspielte. Im Falle der über Nacht Gestorbenen galt eine kaum wiederholbare, geteilte Nachmittagssehnsucht ganz der Musik, im Falle der schönen Regina galt mein ganzes Sehnen einem Kuss und mehr, aber mehr als ein paar Küsse und verplemperte Sehnsuchtsszeit sprangen nicht heraus.

Natürlich kann ich STAND UP nicht begutachten von allen Seiten, ohne die Wellen zu erwähnen, die sich in mir anfangs zumindest ausbreiteten (die Schauer massierten einen Wirbel nach dem anderen), als ich beim ersten Wiederhören nach so langer Zeit wieder in das Wohnzimmer jenes Bungalows transportiert wurde – ich sehe das Panoramafenster zum Garten vor mir, Silvia, die mir die Platte in die Hand drückt – nahm sie da nicht Form an, die Zukunft, auf die wir so begierig waren, das volle Programm – und die Rockmusik war der Botengänger, die Zeitmaschine ins weit geöffnete, unbekannte Leben).

STAND UP war damals ein grosser Renner, Jethro Tull wurde Ende 69 vom NME hinter den Beatles zur zweitwichtigsten Rockband gewählt, noch vor den Stones. Das Quartett war damals in New York, als die Platte im Sommer 69 erschien, und ein gewisser Joe Cocker gratulierte den verdutzten Jungs im abgewrackten Hotel, dass sie es in England auf Platz 1 geschafft hätten. Das bedeutete nun unzweifelhaft, das sich die grossen Hallen und Open-Air-Räume für sie öffnen würden. Fillmore East, Fillmore West, die Royal Albert Hall, die Playbackscharaden von „Top of the Pops“ nahm man achselzuckend in Kauf. Es war alles ein wenig unwirklich: die Vier waren schlicht besessen davon, bessere Musiker zu werden.

Und so ging es auf Reisen, über den grossen Teich, auch Paris öffnete die Tore, und in kurzer Zeit begegnete die Band allen möglichen Grössen ihrer und vergangener Jahre. Ein schon beim Konzert den Faden, die Wörter, verlierender Elvis Presley wollte die Band in seiner Garderobe begrüssen, Ian lehnte freundlich ab, war nie ein Elvis-Fan, und wollte nicht vollends ernüchtert werden. In Kopenhagen traf er bei einer Pressekonferenz einen jungen, schüchternen, noch nicht von Drogen gezeichneten Jimi Hendrix – freundlich und gentlemanlike, so gar nicht das Bild des zornigen jungen Mannes, das die Presse gerne ablieferte. Hendrix war es auch, der dem deutschen Grossveranstalter Fritz Rau Jethro Tull empfahl, und so ging es alsbald auch durch Germanien.

Obwohl der junge Mr. Anderson rein äusserlich jedes Hippieklischee erfüllte (auch lange nachdem ihm sein Schlottermantel aus der Garderobe geklaut wurde), blieb er ein Skeptiker dieser Gegenkultur, mochte keine bekifften Hippies, und auch den grossen Zinnober drumherum nicht. Woodstock liess er einfach links liegen. Solcher Eigensinn macht unempfänglich für Imagepflegerei, und dieser Rigorismus befeuerte wohl nachfolgende Meisterwerke wie AQUALUNG und THICK AS A BRICK.

Aus der Distanz betrachtet, kommt der Zweitling nicht heran an die Klasse der gerade genannten Highlights (und auch A PASSION PLAY ist vertrackter, abgründiger). Ian Andersons Songlyrik war im Gegensatz zu späteren Werken noch leicht gestrickt – es ging um die Ablösung vom Elternhaus, schräge Vögel aus dem Bekanntenkreis, die gängigen Lovesongs, die noch nichts von Dylans Widerstand gegen rasche Deutbarkeit spüren liessen.

Was STAND UP aber wirklich jenseits privater Hörgeschichten zum gar nicht so gepflegten Sinnesrausch macht („Play it loud!“), ist die perfekte Mixtur aus fernen Bluesspiegekungen, Power-Flöten-Rock (no flowers in your hair, Mr. Anderson), feingesponnenen Balladen, urenglischer Vaudeville-Tradition, einer Prise Exotica als klingendes Fernweh (der Song mit der Balalaika, Fernöstliches, ein afrikanischer Moment – man kommt hier so schnell nicht an das Ende der Liste!) – ein lustvoller Eklektizismus macht sich breit, und die ohnehin gute Aufnahmequalität aus den Morgan Studios strahlt in den Stereo- und Surroundmixen noch heller: da wirbelt die Band um einen herum, dass alles Gerede von „wahrer Freude“ wahrlich wahre Freude wird (imitieren sie ruhig den Stil jener Jahre – ein verdunkelter Raum, Kerzenlicht, Räucherstäbchen, Wein, Weed, Couchknutschen!) – und Steven Wilson weiss genau, wie er die Spiellust all dieser Lieder steigern kann, ohne sich in Effekthascherei zu verlieren.

Wie schon bei AQUALUNG, THICK AS A BRICK und PASSION PLAY. Das sind allesamt „elevated editions“. Seltsam, wie demgegenüber der Viertling, BENEFIT, verblasst, und zwar allein wegen der überwiegend durchschnittlichen Lieder – da war, vorübergehend, die Luft raus. Ich sah die Band einmal live – neben dem Bandleader agierte mittlerweile ein anderes Team. 1982 in Nürnberg boten sie in mittelalterlicher Kleidung brilliantes Entertainment, der Sinn fürs Skurille gab den Ton an, die doppelten Böden, Stolperfallen und Abgründe waren allerdings komplett verflogen.

Einmal, in ihren grossen frühen Jahren, spielten sie in London (ich habe den Namen des Clubs vergessen, und bin mir auch mit der Metropole an der Themse nicht ganz sicher, ich weiss auch, dass manch einer diese Story für erfunden halten wird, aber sie ist so wahr, als wäre ich selbst dabei gewesen). Die Band spielte inspiriert das Programm von STAND UP, und hier und da einen Song des in den Startlöchern der Fantasie schon gewaltig zuckenden Nachfolgers, improvisierte munter drauflos, mit dem Flötentänzer am Bühnenrand, dass es ein Glück gewesen sein muss für alle Anwesenden.

War es im Marquee Club, ich bin mir nicht sicher, war selbst nur zweimal in diesem Untergrundtempel der Londoner Szene, 1971 (?) sah ich dort (die Erinnerung kann den Zauber jenes Abends nie überflügeln, eine Inititiation!) Steamhammer, und 1982 (im schönschaurigen Liebeskummertaumel) Jah Wobble & The Invaders of the Heart. Zu der Zeit hörte Jah Wobble am liebsten DARK MAGUS von Miles Davis, und der ehemalige Bassist von P.I.L. trug einen langen Schlottermantel, der an den Schlottermantel des jungen Ian Anderson erinnerte.

Ich schweife ab, drehen wir das Rad der Zeit ein gutes Jahrzehnt zurück, lassen uns von genauen Zeit- und Ortsangaben nicht weiter ins Bockshorn rein historischer Betrachtungsweisen jagen, und tun einfach so, als wären wir vor Ort. Eine Tüte geht rum, Ian Anderson ist in seinem Element, und lässt den Blick schon mal übers Publikum schweifen, traut plötzlich seinen Augen nicht, und traut ihnen dann doch. Als sich ihre Augen treffen, hebt John Lennon seine rechte Hand und winkt zum Grusse. Ich glaube, Ian Anderson befand sich kurz in einem Zustand der Verwunderung (oder sollen wir es Ergriffenheit nennen). Es wäre ein leichtes gewesen, nach dem Konzert zu John Lennon zu gehen, aber Ian Anderson machte das nicht, zu sehr war er von dem Moment der zuwinkenden Hand beeindruckt, wollte diese Variante einer stillstehenden Zeit, einer unauslöschbaren Erinnerung (und Würdigung), nicht mit Small Talk und Schulterklopfen schmälern.

Wir sind wieder in dem mehrfach ins Spiel gekommenen Flachdachbungalow, es ist die Vorweihnachtszeit, die Sechziger Jahre haben nur noch drei Samstage vor sich, dann sind sie Geschichte. Im Partykeller hängen die Lampions jener Ära sturmfreier Buden, auf dem Plattenteller dreht sich der einzige grossartige Song von Iron Butterfly. Sylvia ist noch das blühende Leben und besorgt den Punsch, Manfred (der Bruder) schwärmt von Ten Years After, ein Raum voller Junghippies, die Girls haben noch Namen wie Sabine und Angelika, irgendwann singen Eric Burdon and the Animals vom „House of the Rising Sun“, die meisten werden den Wehrdienst verweigern, ein Mädchen wird bald schwanger sein und abtreiben. Jeder hat eine Lieblingsgruppe und ein Geheimnis.

 
 
 

 

2016 13 Dez

Der Jazz und die Malerei

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off

Gestern Abend sprach Beat Wismer, Generaldirektor des Museums Kunstpalast in Düsseldorf, über Jazz Musiker, ihre Labels und ihre Cover Designer. Das Rahmenprogramm gestaltete der New Yorker Trompeter Ryan Carniaux, der mit seinen 35 Jahren schon Musikprofessor an der Folkwang Hochschule in Essen ist. Mit dabei waren ein Pianist, ein Schlagzeuger und ein Kontrabassist. Sie spielten hauptsächlich Stücke von Ornette Coleman. Den hervorragenden Vortrag habe ich mitgeschrieben und versuche, ihn hier wiederzugeben. Ich kann nicht alle Covers zeigen, aber die wichtigsten stelle ich rein.

Camille Graeser (1892-1980) war ein Maler, der optische Musik malte, es gibt von ihm ein Cover für Bobby Few. 1939 malte Henri Matisse das wundervolle Cover „Jazz“ für Verve Records. 1955 malte Burt Goldblatt ein Cover für Carmen McRae (Jazzmusikerin 1922-1994) für Bethlehem Records, das ist ein kleines Label aus der Schweiz.

 
 

 
 

1958 malte de Chirico das Gemälde „Der Seher“ für das Cover von Thelonious Monk für Riverside Records. 1954 malten Reid Miles aus Chicago (1927-1993) und Andy Warhol z.B. für Kenny Burrell (Jazz Gitarrist 1931 -) für Blue Note. Überhaupt hatte das Label Blue Note exzellente Cover Designer. Neben Reid Miles, der Hunderte Covers machte, besteht auch Paul Bacon, Cover Designer und Jazz Musiker und besonders schön ist das Cover von Reid Miles und Andy Warhol, das sie für Horace Silver (amerikan. Jazz Pianist) „Blowing the Blues away“ gestalteten.

 
 


 
 

1964/66 ESP Disk Records haben Mike Snow als Cover Designer Bob Berg ist Cover Designer von Miles Davis´ „Bitches Brew“. Als Miles Davis einmal nach seinen drei Wünschen gefragt wurde, sagte er, er habe nur einen: er will weiss sein.

Esquire Label ist ohne die „Compositionen“ von Piet Mondrian (1930-43) nicht denkbar. Siehe auch sein Werk „Broadway Boogie Woogie (1943). Es war bekannt, dass Mondrian Jazz hörte, während er malte. Er lernte den Jazz Fan und Maler Jackson Pollock im New Yorker Jazzclub Eddie Condon kennen. 1960 malte Jackson Pollock das Cover von Ornette Coleman „Something Else“.

Richard Rodgers (1902-1979) war ein amerikanischer Musiker, Composer, dessen Werke bei Columbia Records erschienen. Die graphischen Covers von Columbia sind absolute Meisterwerke.

 
 


 
 

1958 / 1959 war der grosse Umbruch im Jazz und in der Malerei. Es gab den Informal Jazz. Peter Broetzmann war 1961 21 Jahre alt und Assistent von Nam June Paik. Er war zunächst nur informeller Maler. Mit dem Jazzmusiker Werner Luedi brachte er später die CD Wie das Leben so spielt heraus. Das Cover malte er selbst: „Gurkenzepp“. Als ich Herrn Wismer nach dem Vortrag fragte, warum er nichts von ECM gezeigt hätte, sagte er: „Stimmt. Das ist nicht mein Thema.“

 
 

 

 

»In diesem Gleißen glänzender Leere, in dieser ariden Intensität schierer Hitze, mitten im Herzen einer fremdartigen Einsamkeit, einer großartigen Stille und großen Verlassenheit, ziehen sich sämtliche Dinge in unerreichbare Fernen zurück, sie reflektieren das Licht, sind aber unmöglich zu berühren, sie machen alle Gedanken zunichte und alles Menschengemachte zerfällt zu einer Zuckung wirbelnden Staubs weit draußen in der goldenen Wüste.«

Edward Abbey: Die Einsamkeit der Wüste

 


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz