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Archives: Portico Quartet

 

Eberhard Weber ist mir in diesem Jahr einige Male begegnet, einmal nachts, als ich „The Following Morning“ auflegte, und später das erste Stück dieses Klassealbums aus den Siebziger Jahren für die erste Hälfte der finalen Stunde meine letzten Radionacht Klanghorizonte im Dezember auswählte, vor einem herrlichen Song aus dem nur aus herrlichen (oder „fraulichen“??) Songs bestehenden Album „50 Words for Snow“ von Kate Bush. Aber ich schmeisse gerne manch noch so gelungene Sequenz um, wenn eine andere Idee sich durchsetzt.

Dann hörte ich ein Solo-Konzert aus den Neunziger Jahren, aus einem Theater in Avignon, das jüngst bei ECM veröffentlicht wurde. Ich las von einer Eberhard Weber-Ausstellung, die gerade zuende ging – und, ja, Echos aus der Ferne: als ich das erste Stück der CD „Terrain“ des Portico Quartet hörte, kamen mir hier und da die luftigen repetitiven Wirbel der „ride cymbal“ von Eberhard Webers Album „Yellow Fields“ dachte! Ein weiterer ECM-Klassiker der frühen Jahre, den man auch  organische Puls-Musik“ nennen könnte (wenn das nicht zu sehr nach veganem Lebensstil klingen würde), und der bis heute nichts von seiner Magie verloren hat. 


„Terrain“ ist das beste Album, dass das britische Quartet je gemacht hat. Und es ist ein Album, dem man am besten von Anfang bis Ende lauscht, alles andere macht wenig Sinn. Es ist, nebenbei bemerkt, exzellent aufgenommen, und muss keineswegs laut gehört werden. Die Musiker leisten sich den Luxus, ihre Tableaus in oft recht hohen Tonlagen anzusiedeln, ohne schrill zu werden. Die Luft ist halt dünn in solch entlegenen Gebieten (und Nachtlandschaften), über welchen all diese Sounds schweben und entschweben, mitsamt ihren Perspektivwechseln, Eindunklungen, und Verwirrspielen. Das zweite Album, das die Band in diesem Jahr herausbrachte, „Monument“,  ist leichter und lichter als „Terrain“ und hält andere „Fascinosa“ bereit.

 

Wurzeln im Drahtkäfig. In Tagträumen versunken schaufle ich Löcher, versenke Käfige samt Inhalt, fülle frische Erde auf. Winterglocke, Koröser Weichsel, Hauszwetsche, Apfelquitte, Accolade. Werden die Käfige verrotten und die Bäume wachsen?

Genau: eine andere schwarze Welt. Dreimal tief in das Damon Albarn Album eingetaucht, dreimal um die Klänge herumgestreunt: gespenstisch-schwebende Partikel, ein seltsam in sich geschlossenes Album voller Spiegelungen. Musik der Dunkelheit.

Monument ist weniger ausufernd als Terrain, weniger unmittelbar, leichter zu hören. Portico Quartet haben dieses Jahr erst ein ganz und gar großartiges, danach ein gutes bis sehr gutes Album veröffentlicht – treibend, monochrom.

Groovemonster: Roots von Ian Carr’s Nucleus macht mir nicht nur unverschämt gute Laune, sondern auch Lust, tagelang Weather Report zu hören. Ein paar Mal war ich im Internet über diese Wiederveröffentlichung gestolpert, hatte aber immer den Eindruck, dass dieser 70er Jahre Fusionjazz nichts für mich ist. Beim dritten Reinhören konnte ich nicht verstehen, warum ich an dieser Musik gezweifelt habe. Das Artwork auf dem Cover ist ausserdem völlig durchgeknallt. Aber hey: Wer braucht nicht einen Roboter, der beim Stricken hilft? Wieso liegt da ein Staubsauger herum? Hat J.K. Rowling hier Inspiration für Harry Potter’s Zimmer bei den Dursleys gefunden? Dazu noch diese Farbgebung … ein quietschbuntes, fettes Groovemonster.

Staub im Mondlicht. Die Nacht wirft silbrige Muster über die Gedanken. Ich hänge der Zeit hinterher, verloren im kalten Strom der Daten – Magie in der Allgegenwart.

2021 7 Jun

Strandgut

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Lange bevor Hartmut Rosa sein Buch Unverfügbarkeit auf den Markt brachte (das übrigens ausgezeichnet ist – danke, Lajla), kannte ich den Begriff schon von dem französischen Philosophen Alain Badiou und seinem bonmot vom „unverfügbaren Wahrheitsereignis“ (danke, Slavoj Zizek). Daran musste ich neulich denken, als ich nach langer Album-Abstinenz und tiefer Hingabe an Gitarren-Workouts von Songs der Taylor Swift bei einer Entspannungsübung aufgrund einer lädierten Halswirbelsäule endlich mal zur Plattform Deezer griff. Auf dem Rücken liegend wie Kafkas Käfer versuchte ich, der zervikalen Symptomatik Herr zu werden. Die Rückenlage hat sich musiktechnisch seit langem bewährt, ich höre dadurch intensiver. Der Algorithmus ist ja kein Analphabet und so spülte er mir wundersam das Passende an Land: Terrain vom Portico Quartet. Genial, wie die hohen Töne mit meinem Tinnitus ein Konzert eingingen und ein Hörerlebnis brachten, dass nicht nur der Musik wegen grandios war. In einem Zuge durchgehört, nicht die Spur von Langeweile oder Gewohnheit, wollte ich gleich mehr vom Guten. Das besagte berechnende Zufallsprinzip bot mir Another Land vom Dave Holland Trio an. Es ging aus höchsten Höhen hinab zu einem satten, wuchtigen und völlig zeitgemässen Bassspiel (sag mal, wie alt ist der Typ eigentlich, sowas von frisch). Zunächst nahm ich den Gitarristen gar nicht wahr, sehr zurückgenommen, erkannte dann aber schnell Kevin Eubanks, dessen Präsenz auf dem Holland-Album Extensions wir einst feierten. Eubanks hat mich auch beeinflusst, weil er sehr funky spielt und die Saiten zupft. Anklänge an Walter Becker, John Abercrombie und Marc Ducret sind bei ihm zu finden. „Das ist ja Jimi Hendrix goes Funk, Jazz and Fusion!“ So war mein Gedanke, den ich am nächsten Tag in einer Rezension auch genauso wiederfand. Da dachte ich an Kant und seine Urteilskraft. Womit der Kreis sich schliesst, wir wieder bei den Philosophen wären.


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