Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

 

Die zentralen Anlagen auf Phoenix-West in Dortmund waren lange nicht zugänglich. Selbst eine immerhin schon ab und an stattfindende Führung über den Skywalk auf dem Gasrohr erschließt nur kleine Teile des Geländes. Im Oktober 2013 ergab sich für mich die äußerst seltene Gelegenheit, das sonst unzugängliche Hochofenwerk und den Skywalk im Rahmen einer etwa zweistündigen Sonderführung zu besichtigen. Der Gang über den Skywalk auf dem Gasrohr führte bis zu den Maschinenhäusern am unteren Ende der Schrägaufzüge und schließlich Treppe für Treppe, Ebene für Ebene auf den westlichen Hochofen 5. Mit zunehmender Höhe wurde die Gruppe immer kleiner, da einzelne Personen Probleme mit der offenen Höhe bekamen. Selbst die oberste Plattform bildete nicht das Ende, da sogar der höchste begrenzende Stahlrahmen (mit maximal acht Personen gleichzeitig, „bitte nicht stehenbleiben“) erklommen werden konnte. Weit reichte der Blick über das gesamte Phoenix-West-Gelände, die Innenstadt bis hin zu markanten Gebäuden am Horizont, von der Halde Großes Holz in Bergkamen über das Lanstroper Ei in Grevel oder dem Fernsehturm im Schwerter Wald bis zu den Lippekrafterken in Datteln und Lünen. Besonders gut sichtbar war auch das Westfalenstadion. Phönix-West. Später bitte Konzerte hier: Underworld live, es wird Zeit. Ich liebe diese Gegend. Heimat, sozusagen. Und hier werde ich geimpft, wenn bis dahin alles gut geht, im April und Juni.

 

2021 16 Apr.

Johns erstes Soloalbum

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Ganz solo natürlich nicht. Zu seinem 30. Geburtstag schenkte ihm Yoko Ono eine sensorische Box. Die Finger konnten in Löcher gesteckt werden, die verschiedene Materialien enthielten: Flüssigkeit zum Beispiel oder einen Stachel. Es war ein Hit, obwohl man meine könnte, dass das Geburtstagskind etwas weniger Überraschendes bevorzugt hätte. Immerhin war es ein turbulentes Jahr gewesen. Die Beatles waren vorbei. Lennon und Ono hatten sich auf eine Urschrei-Therapie eingelassen, in der Lennon seine Gefühle des Verlassenwerdens und seine Trauer über den Tod seiner Mutter erforschte. Zu allem Überfluss war er unerwartet mit seinem ihm unendlich fremd gewordenen Vater Alfred zum ersten Mal seit Ewigkeiten wieder zusammen gekommen; sie feierten diesen 30.  Geburtstag im Tittenhurst Park, ein Ereignis, und das endete damit, dass Lennon Jr. drohte, Lennon Sr. umzubringen. Zu diesem Zeitpunkt war John halb fertig mit der Arbeit an Opus 1 nach den Beatles, in vielerlei Hinsicht sein persönlichstes Werk, und verdammt radikal. A love it or leave it affair. Am kommenden Freitag erscheint, einschliesslich einer Surround-Version, die natürlich „ultimative Ausgabe“.

 

2021 16 Apr.

Prairie Stop, Highway 41

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In Hitchcocks Thriller North by Northwest (deutscher Titel: Der unsichtbare Dritte) gibt es eine Szene, in der fünfeinhalb Minuten lang nichts passiert: Der Werbefachmann Roger O. Thornhill steht im Anzug und weißem Hemd am Rand eines Highways zwischen Chicago und Indianapolis und wartet auf George Kaplan, einen Mann, von dem er noch nicht weiß, dass es ihn nicht gibt. An sich wollte Thornhill mit dem Auto anreisen. Kaplan ließ jedoch ausrichten, dass Thornhill den Bus benutzen soll, um zu gewährleisten, dass er allein ist. Der Prairie Stop ist umgeben von abgeernteten Maisfeldern. Von allen Seiten ist der Horizont zu sehen, flaches Land, öde Farbgebung braun in grau, manche Stellen, als wären es Reste von Schnee. Stacheldrähte singen lautlos im Wind. Unbarmherzige Geometrie. Die Szene, eine Leerstelle im Film, ist nach einer exakten Spannungskurve komponiert, durch die man ein Gespür für Zeit, wie sie verfliegt, gewinnt, bis sich die endlose Weite in eine Falle verwandelt. Hier der Link.

 

Mr. Bojangles

Dance

 

Klaus Theweleit hat jetzt den Adornopreis von der Stadt Frankfurt bekommen – das freut mich.

Klaus Theweleit ist ein origineller Vielschreiber, der mit seinen „Männerphantasien“ Kultstatus erreichte. In dem Buch / den Büchern geht es um den „soldatischen Mann“, der aus Angst zu Gewalt neigt.

Gestern Abend hatte ich hier auf El Hierro das Vergnügen, einem Mann zuzusehen, der seine Angst mit dem Rhythmus seines Körpers kontrolliert. Oder war das gar kein Mann, sondern ein Instrument, das mit Körperteilen Klänge hervorzaubert? Jep Meléndez (1972-) heißt der Body Künstler, der mit seinen „piedes y manos“ jedes Schlagzeug ersetzt.

Doch der Reihe nach. Das Konzert wurde mit einer traditionellen, kanarischen Melodie eröffnet, mit Tomás Fariña (1985-) an der Gitarre. Hinzu gesellte sich der große Meister an der Timple, Benito Cabrera (1963-) mit einer einfachen Tanzmelodie. Das war eine sehr gelungene Einladung, den Tänzer nun auf die Bühne zu bitten. Mit Mütze und Maultrommel shuffelte sich Jep Meléndez über die Bretter, fängt an zu klopfen und zu schlagen. –  Ist das nicht Schuhplatteln, wer haut sich denn selber gern, frage ich mich einen Augenblick. Benito beginnt eine traditionelle Weise auf seiner Timple zu spielen, zu gefällig für den Body Performer, der jetzt nur beide Hände im Einsatz hat. Er klatscht, der Claqueur. Dann wird der Rhythmus lebendiger, ich höre Anleihen von Joni Mitchell‘s The Wind is in from Africa / (Carey). 

Jep am Tisch. Ah, so klingt es, wenn der Postmann Briefe stempelt. Leise kommen feine Töne von der Gitarre hinzu, vermischen sich mit dem Maschinengeräusch, das aus seinen Armen kommt! Benito spielt auf, schlägt die Timple. Jep nähert sich mit einem Sandsack, lässt die weißen Körner auf den Bühnenboden rieseln. Mit nackten Füßen reibt er gegen den Sand. Wir befinden uns nur 100 km von Afrika entfernt. Wer assoziiert da nicht das Naturgerassel einer Kalabasse. Tomás Fariña schaut entzückt hinüber zu Jep.

Das nächste Stück hat mir am besten gefallen. Benito beginnt mit einem Solostück. Jep nähert sich ihm steppend auf seinen schwarz-weißen Schuhen mit braunem hohem Holzabsatz. Die musikalische Kommunikation zwischen den beiden läuft perfekt. Das ist Fusion pur zwischen Tradition und Avantgarde. Jep stammt aus Andalusien, ist mit Flamencoklängen aufgewachsen, hat dann in New York Stepptanz, Jazz und afro-kubanisches Schlagzeug studiert. Er steppt großartig zu Benito‘s Timplesound. Und beendet es mit einem gewagten “Hop“. Ich habe zum ersten Mal einer body percussion beigewohnt. Beeindruckend wie der Körper dem traurigen Klangspiel mit schwerfälligen Gliedern‚ parallello ‚ bietet. Auch sehr gelungen, wie der Claqueur charmant dem Gitarrenspieler Beifall klatscht.

Als Zugabe gibt es ein Tanzstück. Das Publikum ist längst von den Sitzen aufgesprungen und begleitet klatschend die drei kanarischen Künstler. Es ist Jep‘s wunderbare Choreographie, die uns nach Hause begleitet. Das letzte Stück heißt „Polka de la guagua“. Wir nehmen den Bus = guagua Nr. 02 nach La Restinga.

 


„Die Funken fliegen, wenn Cary Grant und Katharine Hepburn in einem der schnellsten und lustigsten Filme, die je gedreht wurden, aufeinander losgehen – ein Hochseilakt der Erfindung, der die amerikanische Filmkomödie zu neuen Höhen der Absurdität führte.“
So bringt es Criterion auf den Punkt, und wer bis Juli wartet, kann den restaurierten Film in einer neuen Edition der amerikanischen Filmenthusiasten bestaunen, mit vielversprechenden Extras. Wer aber den schnellen Kick bevorzugt, wartet, bis es dunkel ist, und schaut sich diesen Film, im amerikanischen Original auf YouTube an. Viele alte Streifen, selbst von Cracks wie Herzog oder Truffaut oder Wenders, produzieren bei mir heute lang nicht mehr das Staunen, die Verblüffung, das Atemlose, von damals. Anders geht es mir, zumindest in bestimmten Aspekten des Wieder-Sehens und  Wieder-Entdeckens, mit Klassikern von Hitchcock, des film noir – oder solchen screwball comedies wie „Bringing Up Baby“. Warum, keine Ahnung (muss ich auch gerade nicht ergründen). Lieber her mit einem herrlich grasigen Sencha-Tee (grün, dekoeffiniert), dem Abenddunkel, und Katherine und Cary in Hochform!

 

2021 14 Apr.

„La Ola Interior“

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Lieber Michael!


Ich verfolge hier ja schon längere Zeit den Blog, auf dem mir in letzter Zeit, wegen der Frau aus dem Eric Clapton-Song, einiges spanisch vorkommt. Da lese  ich gerne die eine und andere Geschichte. Für alles Spanische, auch das Obskure, habe ich ein Faible, seit ich in jungen Jahren Paco de Lucia auf seiner Gitarre zaubern hörte, während grosser Ferien in Barcelona. Und 
weil ich selber oft  auf Fueteventura war, und mich an den entlegenen Küsten abseits des Rummels immer wohlgefühlt habe.

Über alles zu sprechen, was in Spanien auch nur vage gegenkulturell ist, von Mitte der 1970er Jahre bis zu den letzten Atemzügen des letzen Jahrhunderts, scheint einem Freifahrtschein für die Kunst des Bluffens nahezukommen: denn man kann alles – Empörung, Insularität, Multikulturalismus, gute Laune – als Produkt der Post-Franco-Ära wahrnehmen, wenn man so will. Ein kleines Loblied möchte man ich hier anstimmen auf die CD „La Ola Interior“.  Die Frage ist ja , wie haben diese Künstler getickt, die auf dieser neuen Compilation des global orientierten Schweizer Labels Bongo Joe abgedeckt werden?

Die hier versammelten 12 Acts sind ganz klar das Produkt erschwinglicher Synthesizer und kompakter Aufnahmetechniken. Es wird ein Licht auf eine Szene geworfen, die zwischen Ambient, der Berliner Art, gedämpftem  Industrial-Sound und loopbasierter Proto-Techno-Musik driftete, und größtenteils über ein DIY-Kassetten-Netzwerk verbreitet wurde (die Spanier scheinen bis in die 90er Jahre hinein an den Kassetten festgehalten zu haben, als die ursprüngliche Kassetten-Kultur ansonsten verschwunden war).

Wie in den Sleevenotes kurz eingeräumt wird, fällt die Zeitspanne dieser sehr bunten Mischung mit der Entwicklung des „balearischen Sounds“ auf Ibiza zusammen, aber am nächsten kommt diesem chilligen Sound allein der Track  „Trivandrum“ von Miguel A. Ruiz, mit einer Kernmelodie, die man entweder trillernd tropisch finden wird  – man kann auch an Möwen denke  während eines morgendlichen Katers.

Das schlendernde Tempo von ‚Hybla‘ und der Verschmelzen von Glocken, Shakern und Holzbläsern wirkt wie ein Cousin des Absurdismus von Current 93 oder das, was die Incredible String Band hätte werden können, wenn sie nie ihren Hardcore verloren hätte; ‚Hombres Lluvia‘ bietet eine kriechend-langsame arabische Instrumentierung, vergrabene und undeutliche Vocals und eine Art wässriger Feldaufnahmen, die immer wieder in den Vordergrund treten.

Zu jedem Stück fallen mir zahlreiche Referenzen ein: Spanien war nun nie der Nabel der Popkultur, aber dort entstanden eben auch seltsame, verrückte Töne, die dann tatsächlich etwas besassen von der Freiheit und den wunderbaren Möglichkeiten der Post Franco-Ära. Heute schiessen die Despoten wieder aus dem Boden, auch im Raum des  alten  Europas. Grund genug, die eigene Resilienz zu schulen, mit Fundstücken, die nie den Anspruch hatten, Meilensteine zu sein, und doch durchaus bezaubern können. Darum empfehle ich „La Ola Interior: Spanish Ambient & Acid 1983 – 1990“ sehr!

 

Herzliche Grüsse, Noel!

2021 14 Apr.

Abteilung Lieblingsfilme

von | Kategorie: Blog | | 2 Comments

Es gibt Filme, zu denen ich alle Jahre wieder gerne zurückkehre. Der Neo-Western „Silverado“ zählt dazu, und dieser Neo-Noir-Film namens „L.A. Confidential“ auch. Als er in die Kinos kam, stand er im Schatten dieses Blockbusters von der sinkenden Titanic, ein Film, der mich nie packte, nie rührte, weil ich überall die Spezialeffekte sah, und gezielte Angriffe auf die Taschentuchvorräte des Publikums. Gott, wie langweilig!

James Ellroys gleichnamiger Roman zeigt „die Stadt der Engel“ als eine lebendige, atmende, sich windende Masse von Widersprüchen – eine glitzernde und glamouröse Fassade, die eine schäbige Schattenseite von Verbrechen und Korruption verdeckt. Das Buch ist dicht und ausufernd, ein echtes Epos über die dunklen Seiten Amerikas. Allerdings ist der Schreibstil von Ellroy gewöhnungsbedürftig.

Curtis Hansons Film hat die Erzählung stark gestrafft und zahlreiche Nebenhandlungen weggelassen, um sich präzise auf die wesentlichen Elemente der Geschichte zu konzentrieren. Das Ergebnis ist eine perfekte Adaption, die dem Geist und den Intentionen des Ausgangsmaterials treu bleibt, sich aber nicht scheut, größere Änderungen am heiligen Text vorzunehmen, damit sich der Film als eigenständiges Kunstwerk entwickeln und entfalten kann.

Das Drehbuch (von Hanson und Co-Drehbuchautor Brian Helgeland) ist brillant strukturiert und scheint auf den ersten Blick einen kompletten Anfang, eine Mitte und ein Ende zu haben – und das alles noch vor der Hälfte des Films, an dem der Film eine wichtige Wendung nimmt und einen noch fesselnderen Bogen über drei Akte spannt. Es gibt keinen einzigen verschwendeten Moment im ganzen Film. Mit einer Länge von fast 2 1/2 Stunden bewegt sich der Film wie ein Blitz.

Hansons erstklassige Regie hält geschickt die Balance zwischen gewichtigen dramatischen Momenten, reichhaltiger Charakterentwicklung und spannender Action. Der Film ist zugleich ein von Nostalgie unbelastetes Historienstück, ein polizeiliches Verfahren, das formelhafte Konventionen umgeht, und ein Film Noir ohne die üblichen stilistischen Klischees, die mit dem Genre verbunden sind. Und jetzt geht es nur noch darum: besorgen Sie sich den Film, einen guten Rotwein, und los geht‘s!

 

geschrieben von Michael Travers (4/5) und Michael Engelbrecht (1/5)


 
 

 
 

 
 

Es leuchtete ein schwarzes Licht. Schwebend leicht und unbeschwert kam eine Musik daher, aus deren Umfeld namens Tunng man vorher noch nicht einen Ton vernommen hatte, die also gänzlich unbekannt war, sodass man staunend innehielt: Ausweitung der Klangzone. Man setzte den Kopfhörer auf, nachdem die CD zunächst erstmal aus dem Briefkasten befreit wurde, dann aber auch von der Cellophanfolie und dem farblich schönen Karton. Endlich dann legte man sie in den Player, zur allabendlich ritualisierten Hörstunde in der Dämmerung, und liess sich überraschen. Vermutete man im schwarzen Raben auf dem Cover eine Reinkarnation von Aleister Crowley und assoziierte daher Black Light von Diagrams mit den Enneagrammen der gurdjeffschen Tiefen-Psychologie, so stellte man erleichtert fest: die Musik war völlig frei von Schwarzmagie und Esoterik. Sie kam eher fröhlich und sehr säkular daher. Von Alltäglichem wurde gesungen: „In the morning light, I was baking bread in the afterglow, of a long night spent …“, so klang es im Ohr mit angenehmer Gesangsstimme, klang mal wie Roxy Music, dann wie Kraftwerk (im Song „Tall Buildings“), wie die Folk-Rockband Amerika (auf „Night All Night“) oder wie die Gruppe Prefab Sprout. Feingewebt war der Gesamtklang. Lyrics und Gitarre waren wohl zuerst dagewesen, in bester Singer/Songwriter-Manier, dann fügten sich elektronische und hybrid-musikalische Sounds ein, ohne das Ganze zu überladen: das genau ist ja die Kunst. So wunderte man sich: nach kurzweiligen knapp vierzig Minuten war die Schallplatte schon durchgelaufen. Man drehte sie um und spielte sie erneut. Moment mal, wieso denn jetzt Vinyl – das war doch eben noch eine CD gewesen? Ein kalter Schauer lief über den Rücken: also doch Crowleys Schwarzmagie!

 

2021 12 Apr.

Sansibar Lockdown Memory

von | Kategorie: Blog | | Comments off

 

 


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