Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2021 8 Okt.

Hinübergehen mit Eberhard

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In seinen Ausführungen über das Spätwerk bedeutender Musiker „Hinübergehen“ hat Joachim-Ernst Behrendt sich sehr ausführlich mit den finalen Werken vieler Musiker über fünf Jahrhunderte hinweg auseinandergesetzt und versucht die Besonderheit, die ganz eigene Atmosphäre, die diese Werke gemeinsam haben, herauszuarbeiten. Das, was in ihnen in Erscheinung tritt und über die Begrenztheit des Lebens in irgendeiner Weise hinausweist. Er schreibt: „Eine Frucht fällt vom Baum, wenn sie reif ist. Dann ist sie am „Besten“, am süßesten. Aber dann fällt sie auch. Vielleicht gilt das auch für Musiker. Oder für alle Menschen? Es hat mit Reife zu tun. Sie fallen, wenn ihr Werk „am besten“ ist.“ und „Spätwerke sind Kulminationswerke – in einem Maße, das weit über das Zu-Erwartende und das in anderen Künsten, überhaupt in anderen menschlichen Tätigkeiten Erfahrbare hinausgeht.“ So auch bei Lyle Mays als er Mitte 2019 eine infauste gesundheitliche Prognose bekam und entschied ein Werk, das ihm besonders wesentlich erschien noch aufzunehmen: eine Hommage an den Bassisten Eberhard Weber mit dem er gemeinsam gespielt hat und dem er viele musikalische Impulse verdankte. Diese fasste er bereits 2009 in eine Komposition für das Zeltsman Marimba Festival, die er für seine letzte Studioaufnahme, bei der u.a. Bill Friesell, Alex Acuñha, Michael Forman und Steve Rodby dabei waren, noch einmal intensiv überarbeitete und weiterentwickelte. Er steckte seine ganze Energie hinein, um dieses Stück noch bis Januar 2020 fertig aufzunehmen und konnte das Ergebnis schließlich noch in den letzten Tagen vor seinem Tod hören. Zentraler Ausgangspunkt war das Bassspiel und der Kompositionsstil Eberhard Webers zu dem sich viele weitere Elemente, wie minimalistische, ethnische Einflüsse aus Indonesien oder Brasilien, aus dem Jazz und der orchestralen Musik gesellten. Er nahm einfache melodische, harmonische oder rhythmische Ideen und experimentierte mit ihnen bis er die ganze Formenvielfalt entdeckt und feinsten herausgearbeitet hatte. Seine Nichte Aubrey Johnson beschreibt „Some parts of the process occur very quickly and some are painstaking, but together I think the resulting music feels organic and interesting, as well as logical and connected.“

Das 13-minütige Stück beginnt mit einem Marimba-Ostinato, das das ganze Stück hindurchträgt, darauf steigt Mays mit einer leichten Pianomelodie ein, dann folgt der Basseinsatz, der weiter in ein tiefes und komplexes Gewebe hineinführt, das zwar auf einer gewissen Ebene fast zu seicht klingt, was den choralen Einsätzen nicht unwesentlich geschuldet ist, aber niemals darin stecken bleibt und eine große stilistische und kompositorische Vielfalt aus den Grundthemen entwickelt und sich in der Intensität immer weiter steigert. Eberhard kumuliert das musikalische Schaffen Mays auf kleinstem Raum und kulminiert schließlich in einem Tenorsaxophonsolo von Bob Sheppard. Danach öffnet sich ein unglaublich tiefer, leiser Raum, dem ein Subbass unterliegt und entlässt den Hörer … wohin? Das weiß nur Lyle Mays. Now, the music’s over. Was bleibt, ist Stille.

 

2021 7 Okt.

Ein Zeit-Zitat

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„Ein Smartphone verbraucht schon geistige Ressourcen, wenn es nur in Sichtweite liegt – selbst wenn es ausgeschaltet ist. Denn wir müssen der Versuchung wider­stehen, uns mit dem Gerät zu beschäftigen, daran zu denken, welche Nachrichten eingehen könn­ten.“

 

(zeitonline)

 

For Mark Smotroff from „audiophile review“, and Mike from „Life in Surround“. Mike, I love your passionate reviews on youtube, you even made me buy the big „Dobbie Brothers in Quad“. And Mark, your enthisiasm  made me keen on Tomita‘s „Firebird“. I should have known better. Really terribly overblown stuff, both! But quite often, I agree with you. These days  I can even enjoy the 5:1-version of the Yes double album „Tales from Topographic Oceans“ without someone putting a gun to my face!


For starters: Side two (or song eight onwards for you digital kids) effectively reverts to type with sharp observations on being penniless, the pitfalls of marriage (Big Day), difficult romances, religion and death – hardly the stuff that music critics, pluggers and your average Joe and Joan wanted to hear around the campfire in the mid-’80s. Moulding’s Dying is possibly one of the bassist’s most personal songs, based on a true story, a real-life letterbox-format kitchen-sink drama that says a lot in its minimal two and a half minutes. As the expansive songwriter’s sleeve-notes explain, Moulding „likes writing about smallness“.

 

 

Some interesting things are just going to happen in my life, some fine, some not really, but every reader of this blog knows, I‘m keeping my private life strictly private. One of the things I like to frankly speak about, is the wonder healing of my electric cave. There seemed to be a severe damage in one or two of the loudspeakers, or even in the power station, but then again, and somehow over night, everything turned out fine, and into the best performance ever of my machinery.

 

Yesterday was final proof: I put on Steven Wilson‘s surround version of XTC‘s album „Skylarking“. Sitting in the „sweet spot“, and with no one  around, I could share this experience, I started the album with its bucolic sounds of nature, and then, one song after the other simply elevated me, literally, yogi-style. Forget Transcendental Meditation! I did a fabulous selfie, but I won’t give it away even when it looks so nice, too private, too disturbing anyway  for the uninitiated: me, scantily clad in a black kimono, ten (!) inches above a petrol coloured chaiselongue, oh, god! With all the endorphines floating, there’s something deep going on, existential matter all around, this is no entertainment, no nice killing of time at all, folks. This just keeps lingering on and on and on, oh me oh my. 

 

The albums of XTC and King Crimson must have waited decades to come to full blossom. This is not common opinion, but we who love 5:1 mixes cannot exaggerate the joys of listening to these works once coined „progressive rock“ in a way that places us mid-stage and inside a stellar mix that is true to the original, but offers unexpected levels of transparency and immersion. „Skylarking“ is such a fantastic album, and on par with my favourite XTC-In-Surround works, like „Drums and Wires“ and, how‘s the one called with the song „Towers of London“ … „Black Sea“, yes!  And to make this not a party for the happy few, Mr. Wilson‘s stereo mix is brilliant, too.

 

I can very well imagine how it may feel to make a journey to outer space and back, the new touristic thrill of the Bezos and Bransons of this world, but I would kindly  turn down the offer when paying the price would be, well, never being allowed again to fly away, away, and away with „Skylarking“ in surround.

 

Ein Beitrag des Künstlers Dietmar Moews, den Lajla mir schickte, triggerte einige Erinnerungen, wirkte wie eine kleine Zeitreise. Dort ist von den Stones die Rede, ihren jüngsten Konzerten mit neuem Drummer und Bassisten. Es wird aber auch zurückgeblickt auf die damalige Beatlemania und wie sehr uns damals Rockmusik beeinflusst hat, auch Flucht und Ausweg, zumindest aber einen neuen Horizont bedeutete. Dass die Fab Four als „Teletubbies“ bezeichnet wurden, finde ich witzig, bei allem Respekt. Als ich heute mit meinem neuen Smartphone rumspielte, etwas unbeholfen im Vodafone-Shop erklärte, ich sei Neuling dieses digitalen Bioreservats, lächelte man altersgerecht verständnisvoll. „Tamagochi“ nenne ich das, was sich nun unausweichlich einschlich, nützlich zwar, doch auch Suchtgefahren bergend. Nun sagte Heidegger aber, das Bergende sei das Rettende, und sollte dies nicht stimmen, nehmen wir unseren Han zur Hand und denken an die analoge Zeit zurück. Der zentrale Triggerpunkt des Moews-Essays aber war die Bemerkung, wie sehr uns damals die Rockmusik zur Nachahmung anstachelte. Ich könnte hier tausend Geschichten erzählen, und heute mit mehr als sechzig Jahren behaupte ich: zumindest in dieser einen Sache bin ich jung geblieben. In jüngster Zeit war es eine Vorliebe für den Sänger, Gitarristen und Songschreiber John Mayer, den ich zunächst unterschätzte, dann aber auf wundersame Weise in tieferen Schichten seine Qualität entdeckte. Softrock ist nun nicht mein Ding, doch dass hier Schmalz trieft, ist nur vordergründig. Als Gitarrist sei er ein Meister, konstatierte Berufskollege Eric Clapton, und meine Wenigkeit bestätigt das, nach ausgiebiger Tiefensong-Recherche. Und hier wären wir wieder bei den Beatles: das Ahmungs-Fieber ist noch nicht erloschen. Das heutige Mitbringsel kleiner Fender-Exkursionen in die Höhlenwelt der Sound-Escapes brachte drei kleine Stücke ans Tageslicht, sie heissen: „Rock Solid“ (Grüsse an John Mayer), „In die Vollen“ (inspiriert von Lava-Impressionen) und „Evening Sky“ (denn die Sonne kam noch durch, am späten Nachmittag im Park).

2021 4 Okt.

FVTVRE SOVNDS

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Wie klingt die Zukunft? Wie klingt die Zukunft, wenn man in einem Land aufwächst, dessen Kultur und Gesellschaft nach dem 2. Weltkrieg in Trümmern liegen, wo Kultur im 3. Reich systematisch auf ein retrogrades infantil-atavistisches Kunst- und Musikverständnis runtergebrochen worden war und diese Stunde null scheinbar nie aufhören wollte. Sich musikalisch dann versuchsweise bei angloamerikanischen Produktionen zu orientieren liegt nahe, ist aber kaum mit dem deutschen Nachkriegslebensgefühl in Deckung zu bringen. Da musste etwas Neues her, etwas Ureigenes.

Hier hat sich Christoph Dallach, angeregt durch Gespräche mit Irmin Schmidt und seiner Frau Hildegard und Julian Cope’s „Krautrocksampler“, akribisch auf die Suche gemacht und Musiker und Kulturschaffende im In- und Ausland interviewt, um die Entstehungsmomente und Strukturen einer ganz neuen Musik in Deutschland zu ergründen. FVTVRE SOVNDS ist erzählte Geschichte, qualitative Feldforschung und äußerst spannende Lektüre bis zur letzten der fast 500 Seiten. Er benutzt dabei die Methode, die schon Jürgen Teipel mit seinem immer noch bissig-provokanten „Verschwende Deine Jugend“ und Rüdiger Esch mit „Elektri_City“ entwickelt haben, spart deren Themen vorsichtig aus, ohne etwas zu kurz kommen zu lassen und schlägt einen ganz weiten Bogen von der Vorgeschichte zum Höhepunkt experimenteller Musik in Deutschland bis zu den Spuren in der aktuellen Musikkultur. So umfangreich, wenn auch aus ganz anderer Perspektive hat das bisher nur Jan Reetze mit „Times & Sounds“ getan, wobei Dallach den Weg wählte, dieses höchst lesenswerte Stück Zeitgeschichte ausschließlich in den eigenen Worten der Protagonisten zu dokumentieren.

Es geht hier um Krautrock. „Der Begriff ist Quatsch“, sagt Holger Czukay, „ein idiotischer Begriff“ ergänzt Iggy Pop. „Wir machen elektronische Musik, weder Kraut noch Rock“ meint Klaus Schulze. Und Mani Neumeier rettet mit der simplen, wie wahren Feststellung, dass hier ja nicht von dem Kraut, das man isst, sondern von dem, das man raucht die Rede sei. Und Rock? „Rock steht für gar nichts … das machen auch Rechtsradikale“ stellt Jaki Liebezeit lakonisch fest. Kurzum: hier in Deutschland hätte sich niemand so bezeichnet. Wahrscheinlich stammt das Label „Krautrock“ aus der Feder des Musikverlegers Simon Draper bei Virgin Records, der einen knackigen, verkaufsfördernden Überbegriff für die damals in England sehr gefragte deutsche Musik suchte. Für die weitere Verbreitung tat dann John Peel im Radio was er konnte, denn diese Musik, die da aus Deutschland kam war innovativ, experimentell, auf das Wesentliche reduziert, streng und fokussiert, ganz anders als die angloamerikanische Musik zu dieser Zeit. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Musik außerordentlich heterogen war und aus einem weiten Spektrum von musikalisch hochgebildeten Musikern (Irmin Schmidt, Holger Czukay, Michael Rother etc.) bis zu musikalisch völlig unbefangenen Dilettanten, von Folk- und Weltmusikern bis zu psychedelischen Revolutionären ihre kreativen Zuflüsse bezog. Interessant war hierbei, dass diese Szene sehr viel mehr Einflüsse aus zeitgenössischen Kunstkonzepten bezog als aus der sonstigen Gegenwartsmusik. Doch dann gab es noch Stockhausen und den amerikanischen Minimalismus, sowie der freie Umgang mit Improvisation aus dem Free Jazz als wichtige Impulsgeber, aber auch den unbeirrbaren Willen etwas neues zu schaffen und das Kopieren bestehender Strukturen um jeden Preis zu vermeiden. Die Herangehensweise war dabei sehr unterschiedlich von kollektiven, alternativen Lebensformen in Kommunen (Faust, Amon Düül, Cluster) bis zu offenen Sessionformaten, wie sie im Berliner Zodiak oder bei Can gelebt wurden. Gemeinsam war aber allen, dass auf auch nur annähernd konventionelle Songstrukturen verzichtet wurde und lange, bisweilen ausufernde Sessions zentral zur Klangneufindung beitrugen. Die Ergebnisse waren einzigartig, überraschend und viele hören sich auch Jahrzehnte später noch überraschend frisch an.

Lange schon war dieses Buch angekündigt gewesen und Christoph Dallach hat sich keinen Augenblick zu spät an die Arbeit gemacht, denn viele seiner Interviewpartner leben inzwischen nicht mehr, wie Dieter Moebius, Holger Czukay, Jaki Liebezeit, Christian Burchard, Bernd Witthüser und Gabi Delgado-López. Allein schon an der Auflistung der inzwischen Verstorbenen kann man die enorme Spannweite der damaligen Kreativkraft nur erahnen. Was das Buch ebenfalls sehr spannend macht, ist dass Dallach auch nicht oder nur zum Teil beteiligte Musiker und Produzenten aus dem Ausland interviewt hat, u.a. Brian Eno, Steven Wilson, Jean Michel Jarre. Hier wird sehr deutlich, wie sehr die Rezeption im europäischen Ausland und in den USA dazu beigetragen hat, dass die deutschen Musiker überhaupt Anerkennung fanden, denn der Blick des großen Publikums war immer noch an den angloamerikanischen Charts orientiert. Klaus Schulze bringt das auf den Punkt: „Es klingt absurd, aber gerade wenn man als Deutscher etwas Eigenes machte, wurde man in Deutschland quasi selbst zum Ausländer und gerade dadurch fürs Ausland interessant“. Gerade diejenigen, denen gegenüber ein Kontrapunkt gesetzt werden sollte, haben also nicht unwesentlich zum Erfolg vieler deutscher Gruppen und Musiker in dieser Zeit beigetragen. Vermisst habe ich wirklich nur wenig, vielleicht wären Beiträge von Manuel Göttsching oder Eberhard Schoener noch interessant gewesen und eine Diskografie am Ende des Buches.

Eine lesenswerte und zutiefst faszinierende Reise durch diese 10-15 Jahre bis Ende der 70er, in denen ein kriegsbedingtes Kulturvakuum füllend eine kreativste Musikexplosion stattfand, die die Popmusik bis heute noch nachhaltig beeinflusst. Und zum Schluß bleibt nur eine, fast etwas traurige Erkenntnis: Krautrock hat es nie gegeben.

 

 

Ich bin kein Freund von „food photography“, aber hier mache ich einmal eine Ausnahme, obwohl Ulrike bestimmt meckern wird. Aber durch sie habe ich „Robert“ entdeckt, meine Düsseldorfer Lieblingsärztin konnte ich damit natürlich nicht überraschen, Lajla kennt das sowieso, aber die ist jetzt in der kanarischen Küche zuhause, es sei denn, ein Koch ist da auf Rippchen mit Sauerkraut und Bayerischem Senf spezialisiert. Mit etwas Vulkanasche.

Robert jedenfalls: in bester Lage direkt am Rhein, sensationell mittelpreisig für die dargebotene französische Küche: beständige Qualität, kulinarische Überraschungen, gute Stimmung unter den Mitarbeitern. Robert selbst ist vor Monaten leider gestorben, aber das Restaurant wird in seinem Sinne weiter geführt. Und auch nach den letzten Coronawellen blieben grössere Preiserhöhungen aus. Der Laden ist natürlich gut besucht, und längst kein Insidertipp mehr: keine Reservierungen möglich, keine Sonderbehandlung von Schickimickis, die hier auch selten auftauchen.

Hier plaudern Ulrike und ich über neueste Lektüreerlebnisse, demnächst werde ich sie begeistern für Tana Frenchs „Der Sucher“. Leider ist sie keine Freundin von TV-Serien, sonst würde ich ihr in den Ohren liegen mit der dritten und vierten Staffel von „Goliath“ auf amazon prime. Nachdem die ersten zwei sehr guten Staffeln vorrangig in L.A.  spielten, in einem ähnlichen Klima der Korruption, wie es „Bosch“ auch stets leidvoll beschäftigte, mutiert die dritte Staffel ins Genre von „Southern Gothic“. Wie immer ganz und gar grossartig: Billy Bob Thornton und sein Team. Und da erlebt man sie hautnah, die Republikaner-Ärsche, die Trump wählen, und bald wieder wählen werden, die ganze verlogene Scheisse seiner Propaganda.

Aber ich schweife ab. Gebratene Blutwurst mariniert mit Senfkruste, Kartoffelstampf und Apfelkompott, unglaublich gut. Der Pfifferlingssalat (die Pilze pfannenwarm) köstlich, aber natürlich nur saisonal erhältlich. Wie das Wildschweinragout.  Das Hummersüppchen ist auch eine feine Vorspeise. Schauen Sie auf die Speisekarte auf der homepage von „Robert“ an. Keine(r) wage zu behaupten, ich versinke hier in lifestyle-stories, ich habe gerade ein, sagen wir mal, kleines existenzielles Problem zu lösen. Wobei ich die Lösung noch nicht mal ansatzweise kenne. Nicht gut. Aber bei „Robert“ kann ich die Gedanken aus Endlosschleifen lösen, als kleine Dunstwölkchen visualisieren, und über dem Rhein ihre Verflüchtigung in pures Nichts verfolgen. Feinfein.

 

Musikalische Empfehlungen nach einem Besuch bei „Robert“ : „Nancy & Lee“. Das Abschiedswerk von Jacques Brel. „Chamber Music“ von Ballaké Sissoko und Vincent Segal. Und, gerne auch „La Question“ von Françoise Hardy.

2021 2 Okt.

Dollar und Johnny, Archie und Mal

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„Abdullah Ibrahim’s Water from an Ancient Well has accompanied me for a long time.  My dad once said the trombone sounds like a bull elephant and it often makes me tearful when I hear it. Also Ibrahim’s duo as Dollar Brand with Johnny Dyani (Good News From Africa) will stay with me throughout my life, I’ve no doubt; it’s their liberated vocals and intuitive connection with each other, I love it.“

(Aby Vulliamy)

 

 

Gregor hatte mir mal erzählt, dass er einmal in Paris Archie Shepp getroffen habe, ich glaube, nach einem Konzert, aber ich weiss nichts mehr vom Inhalt des Gesprächs (an der Theke einer Bar). Ich hätte gerne auch, einst in Paris, Byard Lancaster III in „Harry‘s Bar“ getroffen, nach seinem Auftritt im „Theatre de Mouffetard“ (so habe ich den Namen des Theaters in Erinnerung, ich war da noch gerade so ein Teenager, und sein Auftritt hatte mich umgehauen).

 

Live habe ich Archie Shepp nur einmal erlebt, in Nürnberg trat er auf einem  grossen Jazzfest auf (Rosato war auch vor Ort), vor dem Keith Jarrett Quartett (mit Dewey, Paul und Charlie). Während jene Abende mit Keith und Byard zu meinen unvergesslichen Konzerterlebnissen gehören, empfand ich Archie damals nicht sonderlich inspiriert. Ich wäre auch der falsche Gesprächspartner, wenn es um herausragende Alben des Amerikaners ginge. Dazu kenne ich zuwenig. Ich weiss aber, dass er mit fortschreitendem Alter immer mehr Gefallen an Duo-Alben fand.

 

In der letzten Woche  bestellte ich mir „Left Alone Revisited“, nach dem Lesen einer begeisterten Besorechung in einem Magazin für Musik auf Vinyl.  Saxofon und Piano – eine meiner liebsten Kombinationen.  Eine als Doppel-Album „remasterte“ Vinylausgabe dieser beiden Legenden, ein Dokument ihrer Hommage an Billie Holiday vom 7. und 8. Februar 2002, aufgenommen in „la muse en circuit“, Paris. Das Album erschien zuerst bei Enja. ich habe  es es gestern in meinem etwas seltsam geordneten Archiv neben eine Sternstunde von Dollar Brand platziert, „Good News from Africa“, das einst auch bei dem Münchner Label rauskam (und mir von Aby Vulliamy  vor Jahren in Erinnerung gerufen wurde, s.o.).

 

Diese Aufnahme entstand ein Jahr vor dem Tod von Mal Waldron, der selbst mit Lady Day auf Tournee war. Das Album ist musikalisch und klanglich herausragend – Balladen können kaum intensiver sein. Manchmal bricht etwas ein im Sound des Saxofons, in den berüchtigten Bruchteilen von Sekunden, und es ist kein Aufnahmefehler, es ist kein Spielfehler, es wohl ein Reflex des vollkommenen Eintauchens in die Stimme der Sängerin. Julio Cortazar wäre von diesem Duo begeistert gewesen.

 

 
 

È una bella domanda cosa rimane dell’io più giovane quando è un io più vecchio, quali idiosincrasie evaporano o si solidificano, e invece di parlare dell’io più giovane e più vecchio, si potrebbe semplicemente saltare sempre nello stesso fiume, o sommare tutte le infatuazioni raccolte, punti di rottura, discrete illuminazioni, album preferiti, momenti di fallimento – invece di rubricare brevemente e succintamente una tale vita (anche le immagini di sé provengono da un archivio costantemente aggiornato e mai a prova di falsificazione), si potrebbe anche dissolvere completamente il proprio io, in, diciamo, 100 racconti, in cui si tirano fuori dalla memoria cento notti con cento donne (compreso qualche sogno ad occhi aperti), completamente incantati, come tutti gli amanti nell’estasi, nel sexus, tra preliminari e sigaretta dopo, tra sogno romantico e notte scopata attraverso, sempre cambiando, mai conformandosi.

 

2021 1 Okt.

Unheimlich Manoeuvre

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Der Heimlich-Handgriff (engl.: Heimlich-Manoeuvre) ist ein lebensrettender Handgriff, wenn die Atemwege einer Person durch einen Fremdkörper blockiert sind und diese deshalb keine Luft mehr bekommt. Er wird ausgeführt indem der Helfende mit beiden Armen den unteren Brustkorb des Betroffenen von hinten umfasst und einen ruckartigen Stoß in Richtung Zwerchfell ausführt, was natürlich auch nicht ohne Risiken für innere Verletzungen ist. Der Handgriff wurde von dem amerikanischen Arzt Henry J. Heimlich entwickelt, der ihn aber in seinem Arbeitsleben nie selbst einsetzen musste. Erst im Alter von 80 wendete er seinen eigenen Handgriff zum ersten mal in einem Restaurant an und dann noch einmal mit 96 (!) als sich in seinem Seniorenheim (vermutlich eher eine Seniorenresidenz) beim Essen eine 87-jährige Mitbewohnerin verschluckt hatte und er ihr damit das Leben rettete.

Um seinem Spiel zwischen Licht und Dunkelheit, dem Vertrauten und dem nicht fassbaren Unbegrenzten und zwischen dem Schönen und verführerisch Abgründigen wagte der norwegische Bassist Jo Berger Myrhe das Wortspiel des Unheimlich Manoeuvre als Titel für sein Debütalbum. Bekannt ist Myrhe als Teil des Trios Splashgirl und als Mitglied de Nils Petter Molvaer Quartetts mit dem er Buoyancy und Stitches eingespielt hat, sowie vielen anderen Kooperationen mit anderen norwegischen Musikern. Hier hat er sich nun erstmalig seinen eigenen musikalischen Vorstellungen zugewandt und mit einigen Kollaborateuren wie Kaveh Mahmudiyan, Jo David Meyer Lysne, Jana Anisimova, Morten Qvenild, und in einem zentralen Stück Olafur Björn Olafson und Viviane Wang in einer faszinierenden Gratwanderung zwischen Erhebendem und bedrohlichen Untiefen umgesetzt. Ausgangspunkt waren die Improvisationen mit seinem Bass, der in einer elektronischen Effektkette Klangeffekte weit jenseits des Erwartbaren hervorgebracht hat, die dann kongenial mit den anderen Gastmusikern zu etwas Neuem, fast Transzendenten transformiert wurden.

Aus dem Formlosen hebt sich zu Beginn Everything Effacing, hebt sich leise und mächtig bis der Bass einsetzt und dem unheimlichen Schweben nur einen weiteren Akzent verleiht, der sich erst im folgenden Stück sich langsam verdichtend an einer improvisierten, fast nur dahingetupften Pianolinie materialisiert, um sich gleich wieder aufzulösen. Erst in Aviary wird eine flüchtige Form gefunden, die sich traumverloren und schwermütig immer an der Grenze zur erneuten Auflösung entlangbewegt. Cynosure vertieft diese Stimmung, die scheinbar in der ewigen Zone der Dämmerung herumwandert und nur durch den gelegentlichen Klang einer Tombak nicht verloren geht. In Smallest Things Pt.2 trägt Vivian Wang ein Fragment aus einer Kurzgeschichte von Raymond Carver „I Could See The Smallest Things“, einer Nachtgeschichte mit offenem Ausgang, aber um so unheimlicherer Atmosphäre, vor. Fast wie eine programmatische Ansage für das Album. Gate Opens ist fast das fassbarste Stück des ganzen Albums, getragen von Jo David Meyer Lysne’s vorsichtig gezupfter Gitarre. Perils folgt dann mit einem gestrichenen Kontrabass, der erst perkussiv unterlegt wird und sich dann langsam in fremdartigen Räumen elektronischer Verlassenheit rhythmisch einfindet. Die letzten beiden Stücke Sustainer und Inner Relations sind auf unterschiedliche Weise sehr intim: das Erstere fließt in eine irgendwann kaum noch zu ahnende Unendlichkeit und Inner Relations spielt erneut über das Klangspektrum Myrhe’s Kontrabass mit freundlicher Abstraktion bis an den Rand eines musikalischen Niemandslandes.

Dieser Rand des musikalischen Niemandslandes findet sich auch im Zentrum des Covers wieder fast wie ein schwarzes Loch, das alle Annäherungen leise in sich aufnimmt und einen zeitlosen Zustand in der magischen Mitte entstehen lässt. Das erinnert mich an das Kunstwerk Descent Into Limbo von Anish Kapoor, das aus einem kleinen Raum mit einem mit Vantablack (ein nicht mehr lichtreflektierendes ultraschwarzes Pigment) ausgemalten 8ft tiefen Loch besteht, von dem nicht mehr zu erkennen ist, ob es ein Loch oder eine Fläche ist, was fatalerweise dazu führte, dass bei einer Ausstellung trotz Warnung ein Zuschauer hineinstürzte. An der Wand wird nur angemerkt “the sculpture is an expression of Kapoor’s interests in the formal and metaphoric play between light and darkness, inside and outside, the contained and the infinite, which underpins his sculptural oeuvre.”  Gilt programmatisch auch für Jo Berger Myrhe, den es hoffentlich noch zu vielen Manövern in den unwegsamen Nachtgefilden der Un-Heimlichkeit ziehen wird.

 
 

2021 1 Okt.

Una Noche

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Llamó, abrió la puerta y la cerró tras de sí. Y mi corazón también latía. Eran las tres de la mañana y tenía las dos caras del álbum de Terje Rypdal „Whenever I seem to be far away“ sonando. Por un momento creí que estaba soñando, pero ella me había presentado a sus padres sólo unos días antes, cuando nos vimos por casualidad en la ciudad, con aspecto de inofensivos vagabundos que colocaban gnomos de jardín en su casa. Era completamente surrealista porque era tan impresionantemente bella como el joven Nico. Y aunque su naturaleza básica es amorosa, yo era demasiado tímido para hacerle insinuaciones. Su aspecto de india no coincidía en absoluto con su familia, y estaba segura de que había sido adoptada. Todo en ella me deslumbraba, tanto que me hubiera gustado ponerme gafas de sol por la noche mientras bebíamos vino de frutas en lo alto de nuestra ciudad universitaria. Nadie en el quinto piso de la residencia se quejó de la guitarra de Rypdal, en lo profundo de la noche, y mi música se infiltró en los sueños de mis compañeros de habitación. Sabía que a veces tenía asma alérgica por la noche en verano (la Ciudad del Valle, un caldero de polen), y tenía que tomar este medicamento con efedrina: al cabo de veinte minutos el aire siempre volvía, y yo estaba bastante colocado. Justo en ese momento de felicidad (aire, Rypdal, efedrina) llamó a la puerta, entró y la cerró. Aire, Rypdal, Efedrina, Andrea: un frenesí eufórico, porque llegó inesperadamente, como de la nada. ¿Estás bien de nuevo?, me preguntó, y yo exhalé mi sí en un aire tembloroso. Michael, me has dicho que escuchas música por la noche y he seguido el sonido. Quiero acostarme contigo.


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