on life, music etc beyond mainstream
You are currently browsing the blog archives for the month Dezember 2022.
2022 8 Dez.
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
Irgendwann begannen sie, die nahezu Soloalben von John Surman – „Upon Reflection“ war wohl das erste, und jede dieser Multitrack-Exkursionen enthielt mindestens einen Ohrwurm. Auf „Road To St. Ives“ war es das Stück „Tintagel“, und auf „Salatash Bells“ war fast jedes Stück nah am Surrender-Faktor 10. Anouar Brahem geriet in den Sog von „Road To St. Ives“, und bald sollten sich Anouar und John in einem Studio in Oslo begegnen (Dave Holland gesellte sich noch dazu). Der Schriftsteller David Mitchell begeisterte sich während eines Interviews (in dem wir über „Die Knochenuhren“ und seine Liebe war zu Platten von ECM sprachen) für „Saltash Bells“, und ich erzählte ihm von meiner unvergesslichen Reise nach Cornwall.
Der Titel „Saltash Bells“, so bemerkt John Fordham, erinnert an die Geräusche, die Surman auf der anderen Seite der Saltash Church hörte, als er als Kind mit dem Schlauchboot seines Vaters unterwegs war, und sie finden sich in den computergenerierten Glockentönen und kreisenden Loops wieder. Das lange Finale, Sailing Westwards, hat die jazzigsten Passagen, deutet aber auch eine jubelnde, rhumba-artige Partystimmung an. Es ist weniger introspektiv als Surmans frühere Solowerke manchmal waren, und es ist voll von beschwingter, einnehmender Lyrik.
Etliche der Orte, die für die Strasse nach St. Ives titelgebend waren, kann man heute mittels Navi leicht ansteuern. Damals verwendeten wir noch Landkarten. Ich hatte, in einer Besprechung („Jazzthetik“) dem Fremdenverkehrsverein von Cornwall den Tipp gegegeben, mit diesem akustischen Trip Werbung zu betreiben. Tatsächlich machen die Namen neugierig, die in unzähligen historischen Roman auftauchen, Geschichten von Tod, Wahnsinn, Hexerei; Liebe, Licht Mythen, die in unseren Hinterköpfen rumschwirren, von König Artus bis zu den Nebeln von Avalon.
Es war Hochsommer, als John Surmans Platte der Soundtrack unserer Reise wurde. Wir scliefen in dem Haus, in dem Daphne de Mauriers Schreibzimmer unversehrt erhalten war: da hatte sie diesen berühmten Piratenroman geschrieben, den Hitchcock (?) später verfilmte. Wir gingen durch Tintagel, ich erinnere mich an den das Backsteinpflaster, die Ruhe am Meer, einen Fish’n’Chips-Laden, aus dem Scarborough Fair von Simon & Garfunkel ertönte. Wir wanderten lange Tage den Coastal Path entlang, von Klippe zu Klippe.
Einmal brachenwir auf zu Trethevy Quoit. Die Sonne stach vom Himmel, schließlich kamen wir an. Ein oller Steinhaufen, dem man nur mit viel Phantasie etwas Pittoreskes abgewinnen konnte. Ein Hund schlug an der Kette, neben dem keltischen „Power Spot“ hingen weiße Bettlaken im müden Wind. Der Ort hatte allen Zauber eingebüßt, aber einen dezenten Charme vom Verfall und Vergänglichkeit beibehalten. Ein power spot für Menschen mit britischem Humor. Das Stück von John Surman ist sehr kurz, ein wilder Furor übereinander geschichteter Saxofone. Ich habe ihn später einmal gefragt, wie er auf die Namen seiner Kompositionen gekommen sei. ich kann mich nicht genau erinnern, was er sagte, aber ich glaube, er hatte einfach Namen von Orten genommen, deren Klang ihm gefiel. Und flüchtige Erinnerungen spielten auch hinein, an Reise der Kindheit. Von Kent nach Cornwall.
In jenen Tagen erschien auch Bob Dylans „Time Out Of Mind“. Wir kauften die Cd in Portsmouth und das Album war ein wunderbarer Kontrapunkt zu John Surmans Werk. In einem langen Song unterhielt sich der Sänger mit einer Frau in einer Bar am Ende der Welt, und ich spielte „Tintagel“ und „Highlands“ nacheinander, verbunden allein mit der kleinen Reisegeschichte, mit dem Steinhaufen von Trethewy Quoit, Daphne de Mauriers Himmelbett, und einer Ausstellung in der Tate Galery in St. Ives: als ich nichtsahnend durch die Gänge stromerte, erklang auf einmal leise Musik, die mir seltsam vertraut war, von Gavin Bryars.
2022 8 Dez.
Manafonistas | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 4 Comments
“‘World Record’s final piece, ‚Chevrolet’, allows the Horse to really gallop,” Talbot says. “If you’re galloping on a horse, you’re going up the hill, then down the hill, and around the hill. That’s how the Horse does it with Neil.” The track is a kind of testament, a perfect example of the unique thing that happens – that still happens – between Neil Young and Crazy Horse when they lock into it. “ It always sounds like it’s on the verge of falling off a cliff,” is how Rick Rubin explains it, after witnessing it happening up close.
2022 7 Dez.
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
Wäre dies ein Musikrätsel im multiple choice-Verfahren, mit der Frage, wem aus der folgenden Künstlerschar der Titel des Albums mit dem Tunnel unter dem Ocean Boulevard zuzuschreiben sei, Jan Reetze wäre der Favorit: nur ein flüchtiges Huschen über die Liste, und er hätte Lana Del Ray identifiziert. Passt einfach perfekt zu ihren Erkundungen amerikanischer twilight zones. Nun ist dies aber kein Quiz, sondern das erste bedachte „sequencing“ meiner „Klanghorizonte“ vom 27. März. 55 Minuten statt fünf Stunden. Prime time. 21.05 Uhr. Fast all diese Arbeiten werden zwischen Januar und März veröffentlicht, und sind hier bereits sinnfällig, zumindest traumlogisch, geordnet. Das gar nicht imaginäre Zentrum wäre eine Passage aus dem kommenden Album der Necks, die es ja bekanntlich selten unter 20 Minuten machen. Es muss schon noch verdammt gute Musik am Horizont auftauchen, um dieser Auslese den einen oder anderen Platz streitig zu machen. John Cale, James Yorkston, oder Robert Forster möglicherweise. Diese playlist in progress bleibt bis Ende März an diesem Ort.
Yo La Tengo*
Eluvium
Anders Jormin
Meg Baird
Ryuichi Sakamoto
The Necks
Lana Del Rey
Ralph Towner
Jan Bang
Stephan Micus
Biosphere
Robert Forster
* everything you‘d want from a Yo La Tengo record at this stage: noise, tunes, tenderness, regrets, sage advice, goofiness, smudgy motoric jams, yoyo moves, and an evening in Cologne in April.
2022 7 Dez.
Jochen Siemer | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Jonas Burgert, Kunst | 4 Comments
Als stünde man im Meskalin-Rausch auf einer Müllhalde: Jonas Burgerts Bilder erinnern an die Wiener Schule des Phantastischen Realismus, an Arik Brauer, Ernst Fuchs und Rudolf Hausner. Auch an Horst Janssen, Francis Bacon und Max Ernst, bei dem Grundierungen zur Bildfindung inspirierten. Hier jedoch brechen alle Dämme: bei Burgert ist es braun-grauer Modder-Schlamm, aus dem sich irrlichternd surreale Figuren herausschälen und in traumhafter Zwischenwelt agieren. Er malt mit virtuosem Furor, die Technik alter Meister kreuzt sich mit verspielter Abstraktion. „Stirb und werde“ auf der Leinwand, die ewige Metamorphose: wir sind gekommen, um zu gehen. Der kurzzeitige Philosophie- und Psychologiestudent fand Heimstatt letztlich nur im Schaffensprozess. Selbst eine Professur reizt ihn nicht, er will nur malen. Ihn interessiert der existenzielle Subtext seiner Bilder. Wer bist du, Mensch? Gnadenloses Diesseits, fernab von Transzendenz und jeglichem Heilsversprechen. Prinzip Hoffnungslosigkeit, die Magie liegt im Augenblick, in darwinistischer Emanation. Wer eingedenk solch explosiver Bilderpracht, die im Gedächtnis hängen bleibt wie ein verdammt guter Song, dann durch die Gegend zieht, auf moosbewachsenen Bäumen im trüben Novemberlicht plötzlich pink- und neonfarbene Trolle tanzen sieht, dabei an die Gnosis denkt, an Schopenhauers Schimmelpilz aus Menschtum auch, der sieht vielleicht das eigene Leben ebenso als immanente Urschlamm-Blüte: eine Kraft, die Höheres will, und sich doch stets im Niederen verrennt.
Ich war nur einmal in meinem Leben auf Wangerooge. Seltsam, dass mir von der Hinfahrt der kurze Zwischenstop damals, im Sommer 1975, in Husum, in Erinnerung geblieben ist, wo ich umstieg und mir das Leben in jenen Momenten eine Schwelle zu öffnen schien, ein Ende der Kindheit. Ein paar Abende später schlich ich an dem Zimmer der Pensionsbesitzer vorbei, klopfte bei ihrem Aupair—Mädchen Elke Marie an die Tür und verschwand in ihren Armen. Im Sommer darauf, oder waren es zwei Sommer später, traf ich Elke Marie wieder, zu meiner Überraschung, an der Rezeption des Nordseehotels auf Borkum, und voller Freude lief sie zu mir, obwohl wir uns schon länger keine Briefe mehr geschrieben hatten. Aber war das nicht ein Zeichen, dachte sie wohl, was ich wohl auch gedacht hätte, über diesen kaum glaublichen Zufall, wenn inzwischen nicht soviel geschehen wäre, und für ein paar Minuten kam ich mir vor wie in einem Film von Eric Rohmer. Als ich ihr sagte, ich sei mit meiner Verlobten hier, hielt das Empfinden, immer noch Teil einer „moralischen Erzählung“ des Franzosen zu sein, weiter an, doch blieb es bei diesem kurzen Wiedersehen und Verabschieden. Es tat mir kurz weh, aber es ging nicht anders. Im Sommer davor, oder waren es doch zwei Sommer, regnete es oft auf Wangerooge, und ausser meinem spätabendlichem Runterschleichen in Elke Maries Zimmer und der wunderbaren Wärme ihres Körpers, ihrem Duft nach englischem Moos, ihrem weichen wogenden Busen, erinnere ich nur noch einen Abend in jenen drei Wochen, an dem ich eine Jazzsendung von Michael Naura im NDR hörte. Ich hatte meinen Anorak angezogen, das Transistorradio in die Tasche gesteckt, und war trotz stetigen Regens runter zur Promenade gegangen. Nicht direkt ans Meer, wo die Musik untergegangen wäre. Naura schwärmte von einem brandneuen Album namens „Solstice“, von Ralph Towner, mit Jan Garbarek, Eberhard Weber und Jon Christensen. Dann spielte er die Komposition „Nimbus“, und ich kroch förmlich in die Lautsprecher des winzigen Metallradios hinein. Was für ein Tanz des Lebens!
1. Daniel Lanois: Player, Piano
2. Klaus Schulze: Deus Arrakis
3. Brian Eno: Foreverandevernomore
4. Esbjörn Svensson: Home.S
5. Björk: Fossora
6. Michael Wollny Trio: Ghosts
7. Stromae: Multitude
8. Wolfert Brederode, Matangi Quartet, Joost Lijbaart: Ruins & Remains
9. Steve Reich: Reich/Richter
10. Creedence Clearwater Revival: At Royal Albert Hall, April 14, 1970
Auch gut:
Weyes Blood: And In The Darkness, Hearts Aglow
Roger Eno: The Turning Year
Gong: Pulsing Signals
Jean-Michel Jarre: Oxymore
Geir Sundstol: The Studio Intim Sessions, Vol. 1
Wiederentdeckt:
Anouar Brahem: Blue Maqams (2017)
Redbone: Very Best (1991)
Yukihiro Takahashi: Neuromancer (1981)
V.A.: Festival Express (Film, 1970)
Die Doppel-DVD „rockumentiert“ die Tournee etlicher Gruppen durch Kanada, die 1970 stattfand: Grateful Dead, Janis Joplin, The Band, aber auch Acts, die heute so gut wie unbekannt sind, etwa Buddy Guy, die Flying Burrito Bros, Ian & Sylvia’s Great Speckled Bird, Mountain, Delaney & Bonnie & Friends. Das ist fast interessanter noch als der Woodstock-Film, wie erleben hier nicht nur die Konzerte, sondern auch die Zugfahrt von einem Festivalort zum jeweils nächsten. Dazu gibt es heutige Statements von einigen der beteiligten Musiker, auch dem Veranstalter.
Redbone habe ich kürzlich durch Zufall wiedergehört — „The Witch Queen Of New Orleans“ haben wir vermutlich noch alle im Ohr, aber das war durchaus nicht alles, was die Jungs draufhatten.
Yukihiro Takahashi war der Drummer des Yellow Magic Orchestra und konnte es an Präzision mit Jaki Liebezeit aufnehmen. Neuromancer ist ziemlich dicht am YMO-Sound, aber kein Abklatsch.
Und Anouar Brahems Spiel ist einfach ein Genuss.
Re-Issues:
Ash Ra Tempel & Timothy Leary: Seven Up (1972)
Ash Ra Tempel: Join Inn (1973)
The Beatles: Revolver (Super Deluxe Edition)
Ob man bei den Beatles nun wirklich alle fünf CDs kennen muss, darüber lässt sich streiten. Die neue Abmischung ist es aber wert. Man hört tatsächlich Details heraus, die vorher kaum aufgefallen sind, zudem ist die Platte nun auch im Kopfhörer abhörbar, was bei der ursprünglichen Stereomischung schwer zu ertragen war.
Die beiden Ash Ra Tempels sind 50th-Anniversary-Editions (ja, so lange ist das schon wieder her), unter Manuel Göttschings Aufsicht neu vom Originalmaster geschnitten, und sie katapultieren einen direkt ins Jahr 1972 zurück. Entstanden ist Seven Up in einem Studio in Bern mit Timothy Leary, der aus Algier kommend in die Schweiz geflüchtet war. Der Titel bezieht sich sowohl auf Learys Lieblingsbrause wie auch auf eine von ihm entwickelte Mindmap, die die sieben Ebenen des Bewusstseins beschreiben sollte. Seine Idee war, dass dies musikalisch vielleicht eher möglich sein könnte als schriftlich. Join Inn ist die letzte Zusammenarbeit der Gruppe mit Klaus Schulze, den sie während der Sessions zu Walter Wegmüllers Album Tarot wiedertrafen. Das Treffen führte zu einer Endlosimprovisation der drei, „Freak ’n‘ Roll“ genannt, ein Ausschnitt daraus füllt die gesamte Seite 1. Schulze rührt hier sehr emsig in den Trommeln — zum letzten Mal. Die Seite 2, betitelt „Jenseits“ wird von Schulzes Keyboardspiel dominiert, zu dessen Klängen Rosi Müller in latent wirren Wortfetzen die Geschichte des Treffens mit Leary erzählt. Beide Platten zusammen bilden ein dichtes Spiegelbild dessen, was in jenen Jahren „Krautrock“ darstellte. Leary hat in seiner Autobiographie kein Wort über die Produktionen verloren, Manuel Göttsching fand zu seinem wirklich markanten, an ein akustisches Mobile erinnernden Gitarrenstil erst 1975 mit seinen Inventions For Electric Guitar. Sie erinnern aber auch an die Anfänge Klaus Schulzes, der dieses Jahr verstorben ist und mit Deus Arrakis ein wirklich verdammt starkes Abschiedswerk hinterlassen hat — so schließt sich ein Kreis.
Und nun kann der Nikolaus kommen.
2022 5 Dez.
Manafonistas | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
Mein Abiturjahr. Beginn des Studiums. Viel freie Zeit. Warum war ich nicht in London im Sommer? Ich glaube, für dieses Konzert wäre ich ans Ende der Welt gereist. Wir holten das im I-Haus nach, auf dem Dach, im Sommer 1976. Dort lief TONIGHT‘S THE NIGHT, bis die Vögel es zwitschern konnten. Neil und das Verrückte Pferd sah ich erstmals am 3. September 1982. Nils Lofgren war dabei,und erinnert sich, an eines der verrücktesten Konzerze, auch seines Lebens:
„Tonight’s The Night“ war die Aufarbeitung des Todes unserer Freunde Danny Whitten und Bruce Berry, die beide an Drogen gestorben waren. Es war eine Art Konzeptalbum und eine Art Traueralbum. Es hat uns nicht den ganzen Schmerz genommen. Aber es war eine Reise, die half, vieles davon zu verarbeiten. Als es herauskam, nahm Neil es mit auf Tournee. Wir gingen nach Großbritannien und spielten im Rainbow Club in London. Er ließ sich nicht beirren und spielte einfach das Album. Das Publikum schrie nach seinen Hits – sie warfen Sachen nach uns. Wir hatten 16-Zoll-Glitzerstiefel an das Klavier geheftet und wir hatten einen Roadie mit einer Glühbirne auf einer Palme. Neil hat viel gerappt – er hat einfach auf das Klavier geschlagen und darüber gesprochen, wie Bruce Berry es sich in seinen Arm gepritzt hat. Er ließ seiner Wut, seinem Schmerz und allem anderen freien Lauf. Ich sprang mit meinen Kampfstiefeln auf das Klavier, Neil hämmerte auf die Tasten, schrie ins Mikrofon, die Band legte los – und das Publikum dachte: „Was. The. Hell’s. Going. On?‘ Es war einfach diese rohe Emotion, die wiederum sehr kathartisch war, um die Frustration von allem zu verarbeiten. „Wir haben das Album durchgespielt. Einer meiner Lieblingsmomente – denn das Album beginnt und endet mit ‚Tonight’s The Night‘ – war am Ende des Abends, wenn die Leute schrien, für ‚Old Man‘, ‚Down By The River’… ‚Komm schon, Neil!‘ Neil kam schließlich heraus, ging zum Mikrofon und sagte: „Wisst ihr was? Wir werden etwas spielen, das ihr alle schon mal gehört habt.‘ „Der Laden brach aus, die Leute schrien: ‚Oh, Gott sei Dank‘. Jeder hatte sein eigenes Lieblingsstück im Kopf, das er spielen wollte… und wir spielten wieder ‚Tonight’s The Night‘.“
Dass Roberts Stimme einzig ist und war, steht und stand ausser Frage, doch dann nach seinem Rückzug tauchten vermehrt Stimmen auf, die eine gewisse Nähe zu seinem so eigenartigen Gesangsorgan aufwiesen: Musikkritiker konstatierten das jedenfalls, bei den beiden Soloalben von Rustin Man, bei Daniel Rossens Soloalbum und, nicht zum ersten Mal, aber nun noch unüberhörbarer, was Simme UND Abseitigkeit der Musik betrifft, bei Richard Dawson. Der ätherische Schatten von Robert Wyatt. Und wir reden nicht von Imitaten oder Epigonen. Natürliche Nähe ist das Zauberwort. Es scheint ja fast eine Mutrobe zu sein, sich auf das Opus THE RUBY CORD einzulassen, speziell auf das 41 Minuten lange Eröffnungsstück dieses Werkes von Mr. Dawson. So viele Kritiker spielten das Spiel erst gar nicht mit, Pitchfork zeigte mit dem Daumen zur Seite, und dann nahm ich mir heute mal das Album vor, die Hälfte zumindest, und liess die knappe Dreiviertelstunde von THE HERMIT auf mich einwirken. Tja. Bleiben Sie ruhig, atmen Sie regelmässig. Es ist so ein Zwischenzonending zwischen The No Necks Blues Band, The Dirty Three, AMM, und Talk Talks späten Improvisationen. Und ganz anders. Und dann kommt die Stimme. Und dann der Chor. Und was für ein „Chor“! Und dann traust du deinen Ohren nicht. Und dann versinkst du. Und nennst es reine Magie, eine Mutprobe ist es immer noch. Du musst auch nichts Super-Kluges von dir geben, es reicht, wenn du sagst: Was ist denn hier los? Und die Frage ist tatsächlich ziemlich klug. Denn wie behäbig sind die Allwissenden, die gleich für jeden Johann einen Sebastian haben.
2022 5 Dez.
Martina Weber | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 3 Comments
Pan American: cloud room, glass room
Pan American: 360 business / 360 bypass
Pan American: The Patience Fader
Pan American: Son
Pan American: For Waiting, For Chasing
Pan American: White bird release
Pan American: Pan American
The photo is taken from the DVD, which is part of Quiet City. The blur belongs to original, this time it’s not due to my camera.