Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: Dezember 2016

 

 
 
 
Katalog Metamusik-Festival Berlin, 1974 & 1976
 
 
A lost treasure, truly, denn bei einem Gang über die Marktplätze des Internets werde ich nicht fündig. Hinter einer verriegelten Tür – in Heidelberg – könnte man einen Blick darauf werfen.

Gut, dass das Buch schon eine Zeit lang in meinem Bücherschrank steht, ist es doch ein rares Dokument, in dem ab und an zu blättern und zu lesen sich lohnt. Walter Bachauer war Initiator dieses Festivals.

 

Metamusik

 

Nein, der Begriff ist keine Etikette für eine neue Schublade im musikalischen Sortiment der Zeit. Metamusik ist das genaue Gegenteil von Genre-Begrenzung, das „Meta-“ steht für „Über-„griff, für ein kasten-und kästchenloses Musikbewußtsein, dem die „Querlinien über der Weltmusik“ wichtig geworden sind. Als Titel über eine Serie von Konzerten bedeutet Metamusik nicht weniger als ein Programmkonzept, das thematischen Variationen unterliegt. 1974 war es der Einfluß Asiens auf Euroamerika, manifestiert in Meditationsklängen und mantrischen Melodieformeln, 1976 ist es die musikalische Kraft, die auf der Kehrseite des Meditativen wirkt, der geschlagene Rhythmus, die Percussion.

 

Walter Bachauer in: Metamusik-Festival 1 und 2, Berlin 1974 und 1976

 
 


 
 
 
1974 – Terry Riley / Tibetische Mönche des Gyuto-Klosters
 
 
 

 
 
1974, 15. Okt. – Steve Reich and Musicians
 
 
 

 
 
 
1976, 8. Okt. – Steve Reich “Music for 18 Musicians” (Europ. Erstaufführung)
 
 
Wie kommt es, dass Tibetische Mönche in Europa auftreten?
 

Die Fahrt beginnt in Pathankot, einer staubigen Stadt noch in der Ebene. Der bunt bemalte Bus, unterteilt von harten Holzbänken, windet sich im ersten Gang durch die Vorberge des Himalaya. Manchmal hält er an einem Wasserrohr, das aus dem Felsen ragt. Man sieht die Straße ganz hoch oben in einer Wand und kann sich nicht vorstellen, jemals dort anzulangen. Wenn Kurven auf künstlichen Trassen aus dem Berg hängen, sieht man, daß die Stützmauern, längst verwittert wie der Stein rundum, nur noch eine begrenzte Zahl bunter Busse verkraften werden. Daß sie diesen noch passieren lassen, indische Denkart wird daran nicht zweifeln. Nach acht Stunden kommen wir in Daramsala an. Es sind zwei Orte. Am Fuß des Berges wohnen Inder, auf dem Gipfelplateau Tibeter. Unten Hindus und Moslems, oben Buddhisten. Auf dem zentralen Platz von Upper Darashala drehen sich jede Stunde des Tages die bronzenen Gebetsmühlen mit der Prägung OM MANI PADME HUM. Jeder, der vorbeikommt, versetzt einen der Metallzylinder in Drehung. Hier residiert der Dalai Lama, weltliches und geistliches Oberhaupt aller emigrierten Tibeter, auf einem vorgeschobenen Hügel, außerhalb der Siedlung. Im Hotel Kailash, dem einzigen hier, miete ich ein Zimmer. Es ist von anderen Zimmern durch Bretter mit großen Fugen getrennt. Man wirft sich gutnachbarliche Blicke zu. Eine Woche warte ich auf die Audienz beim Dalai Lama. Ich will ihn bitten, Mönche des Gyuto-Klosters nach Europa reisen zu lassen und ihre esoterischen wie geheimen Rezitationen fremden Ohren preiszugeben. Der Dalai Lama entscheidet zu Gunsten der Reise und entläßt mich mit einem weißen Schal, der dem Bittsteller Segen verspricht. Das Gyuto-Kloster liegt in einem anderen Himalaya-Tal, nur auf dem Umweg über die Ebene zu erreichen. Oben in Dalhousie stehen Hotels im viktorianischen Stil, gebaut von Engländern, die das Wüstenklima der Gangesebene nicht ertrugen. Doch das Gyuto-Kloster bleibt unauffindbar in dieser Siedlung auf sieben verschiedenen Hügeln, deren Flanken in steile Täler führen.
„Die Klöster liegen höher in den Bergen, aber wir wissen so gut wie nichts über ihre Bewohner“, erzählt ein Inder, der sich ausnahmsweise zu einer Auskunft herabläßt. Der Weg führt in dichte Wälder. Wenn sich die Bäume lichten, sieht man im fernen Violett die schneebedeckten Berge der vorgeschobenen Himalaya-Kette. Ich erkenne das Kloster an kleinen ausgeblichenen Fahnen, die im Winde wehen. Der Abt Tara Tulku und die Ältesten versammeln sich und bewirten mich mit Keksen und gesalzenem Tee, auf dem eine Schicht Butter schwimmt. Die potentielle Reise wird in Klausur beraten. Dieweil reicht mir der Klosterarzt einen großen Karton mit deutschen Medikamenten, die ein Tiroler Chirurg gespendet hat. Ich soll dem tibetischen Mediziner übersetzen, wofür die Pillen taugen. In langen heiteren Debatten verständigen wir uns über die anatomische Lage von Organen, oder vielmehr Begriffen wie „Leber“ oder „Niere“, die die tibetische Heilkunde nicht ganz so exakt definieren will wie die westliche. Mehr als die Hälfte der Präparate sind gegen Blutdruckkrankheiten, an denen Tibeter grundsätzlich nicht leiden. Nach Ende der Klausur fällt Tara Tulku sein Urteil. „Wir sind ein aussterbendes Volk und wollen unsere Lehre weitergeben. In Europa werden wir Freunde gewinnen, auch wenn sie Text und Musik unserer Zeremonien nicht verstehen können. Und überdies schützt uns ihr Unverständnis vor dem Verrat jener wahren esoterischen Geheimnisse, die mit uns vergehen werden.“
 

Walter Bachauer in: Metamusik-Festival 1 und 2, Berlin 1974 und 1976

2016 11 Dez.

For Patti

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You stood like Cristo Rei
Still you stumbled
You sang like a stone
With your clenched fist aside
Still you appeared so fragile
So human
„I’ve been ten thousand miles in a mouth of a graveyard“
Children of Aleppo
We were only hundreds in front of the Russian Embassy
„Oh where have you been, my blue eyed son?“
We were millions while Vietnam
Patti, Bobby a harder rain’s gonna fall.

Let’s be with the people at Standing Rock.

 

Auf Ingos Hinweis habe ich inzwischen zwei Filme von Claire Denis gesehen: Trouble Every Day (englisch/französisch, youtube) und Les Salauds (auf deutsch, arte+7, läuft noch 4 Tage). Beide Filme entwickeln von der ersten Sekunde an einen ungeheuren Sog, bei beiden gibt es zwei Handlungsstränge, deren Verbindung bei Les Salauds im Lauf der Zeit und bei Trouble Every Day erst spät erkennbar wird, beide Filme sind trotz ihrer Spannung sehr ruhig, fast meditativ, und gleichzeitig verstörend. Da gibt es viel Traumlogik, Existenzielles, es blitzen Bilder wie Fotos auf, ohne Verortung. Nachts in völliger Dunkelheit im Auto fahren, in einer unbekannten kurvenreichen Landschaft, mit zwei anderen, die nicht wirklich Freunde sind, da ist eine untergründige sexuelle Spannung, gegenüber beiden, eine Bedrohung, ein klares Machtgefälle, der Wunsch, wichtig zu sein. Und während der Fahrt darfst du ans Steuer und schaltest einen Gang höher und machst die Lichter aus. Die Schnitte zwischen den Bildern. Das Nicht-Gezeigte. Die Kinderzeichnung an der Wand. Großzügige Treppenhäuser, und immer nass geregnete Straßen. Ein mysteriöses Haus auf dem Land. Die Auswegslosigkeit, Hoffnungslosigkeit und das Aufbegehren. Trouble Every Day endet – so habe ich es verstanden – versöhnlich, wobei dennoch der Atem stockt. Bei Les Salauds hätte ich darüber nachgedacht, die letzte Einstellung zu kürzen oder herauszuschneiden. Das war eine Erklärung von etwas, was schon mehrfach angedeutet war. Es ist natürlich ein Klassiker, irgendwann eine Pistole ins Spiel zu bringen, mit ungewissem Einsatz. Für mich ist Claire Denis eine Entdeckung.

2016 8 Dez.

The Now

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Das Jahr ward alt. Hat dünnes Haar.
Ist gar nicht sehr gesund.
Kennt seinen letzten Tag, das Jahr.
Kennt gar die letzte Stund.

Ist viel geschehn. Ward viel versäumt.
Ruht beides unterm Schnee.
Weiss liegt die Welt, wie hingeträumt.
Und Wehmut tut halt weh.

Noch wächst der Mond. Noch schmilzt er hin.
Nichts bleibt. Und nichts vergeht.
Ist alles Wahn. hat alles Sinn.
Nützt nichts, dass man s versteht.

 

 

1

Aber bevor der Leser mehr über diesen wunderbaren Autisten (oder Alien?) erfährt, der eine ganz grosse Nummer im Schneeräumen ist, verliert Fat Bob seinen Kopf, als er in einen Laster rast. Bald stellt sich heraus, das Fat Bob, der wegen seines Motorrades so genannt wird, auf seiner Fat Bob gar nicht das Leben gelassen hat, weil er es einem Kumpel geliehen hat. Ein Unfall, ein Verbrechen, eine Verwechslung? Der schwedische Kommissar in den USA, der öfter auf seine berühmten schwedischen Kollegen angesprochen wird, versucht, zusammen mit seinem vom Leben grundsätzlich frustrierten Partner, dessen einzige Sinnzuflucht in seiner geliebten Heim-Karaoke besteht, Licht ins dunkle Treiben zu bringen, und stösst dabei auf eine Gruppe, die Spendengelder sammelt, um Beagles vor dem Nikotintod im Labor zu bewahren. Meine Lieblingsfigur ist Connor, der sich in die scheinbare Ehefrau eines im Zeugenschutzprogramm befindlichen Gangsters verknallt, und ihr schliesslich tatsächlich mit einem Messer ihr Nachtkleid sorgfältig aufschnipseln darf. Das erotische Initiationsritual mit seiner Traumfrau nimmt allerdings einen keineswegs erträumten Verlauf (wie das so oft ist mit Traumfrauen im realen Leben). Man kann sich stattdessen natürlich auch über den grossen Deutschlandroman von Peter Prange hermachen, aber die Alternative gefällt mir, in aller Unbescheidenheit, besser: besorgen Sie sich die Taschenbuchausgabe von Stephen Dobyns unglaublichem Kriminalroman „Is Fat Bob Dead Yet?“, und lassen Sie sich von einem Sprachkünstler und Geschichtenerzähler par excellence in eine bizarre Halb- und Unterwelt entführen, die einen, allen Absurditäten zum Trotz, bis zur letzten Seite fesselt. Ganz grosses Kino, sagen manche an dieser Stelle. Ich sag es mal so: ganz grosses Kino.

 

2

 

Ich glaube, ich müsst bei Herrn Gregor noch etwas mehr Überzeugungsarbeit leisten, selbst wenn das Buch einmal übersetzt werden sollte (dann aber bitte kongenial!).

Tu ich jetzt mal: Stephen Dobyns ist auch ein ausgefuchster Lyriker, der die seltene Gabe besitzt, in jedem Genre, Witz und Tragik unserer endlos gezählten Tage (hach, was hat Lajla für wunderbare Gedichte ausgewählt!) zu kombinieren.

Das ist nicht einer dieser bloss grotesken Carlo Manzoni-Romane, die mancher mal gelesen haben wird, lang ist es her, im dtv-Taschenbuchformat.

Stephen Dobyns Roman hat unterschwellig (gar nicht so unterschwellig) eine existenzielle Dimension, im Sinne von: my god, what is this fuckin‘ life all about? Es erzählt vom Staunen und Wundern, von der Macht der Obsessionen und der Banalität des Bösen, von den kleinen Wundern und der Macht der Fantasie.

Es ist nicht ganz verkehrt, vor und nach den Abenden mit diesem Buch, die „wonder world“ von Sun Ra und seinen frisch ausgegrabenen SINGLES auf sich wirken zu lassen.

Ein Rezensent der SZ (nein, wir müssen jetzt nicht alles verlinken), der wohl zuviel Manafonistas liest, vermutet, man habe Sun Ras Gehirn immer wieder mal an eine JUKEBOX angeschlossen, und er hätte daraufhin, über Jahre hinweg, die wunderlichsten Skurrilitäten aus Funk und Jazz, aus Alien Exotica und Bebop-Pop aufs gute alte Single-Format pressen lassen. Die Auflagen waren gering.

Egal, egal! Wer Erich Kästner liebt, könnte Stephen Dobyns sehr, sehr schätzen lernen! Die Waisen aus dem Weltall greifen sowieso sofort zu!

Das ist der Titel eines Albums von Stan Kenton, ein Album, erschienen in den frühen 50er Jahren, ein Titel, der sich dem Gedächtnis einprägt. Ich kenne ihn seit Jahrzehnten. Habe ich ihn in J. E. Berendts Jazzbuch aufgelesen? Keine Ahnung, egal.

Heute habe ich zum ersten Mal überhaupt Stan Kentons Album gehört. Natürlich war ich bereit, ‘Neue Konzepte rhythmischer Kunstfertigkeit’ aufzuspüren. Das ist mir irgendwie misslungen. Die Metren gehen nicht über den 4/4-Takt hinaus, in 23 Degrees North – 82 Degrees West erscheint der Clave Beat, Taboo gibt sich leicht afro-karibisch. Das ist um 1952/53 nichts Neues (Dizzy Gillespie, Chano Pozo, Mario Bauzá hatten den afro-kubanischen Ton da schon längst dem Jazz einverleibt). Aber eine Menge Artistries in Harmonics, in Polyphony, in Sounds, in Arrangement faszinieren mich. Das klingt in Mono frisch und blitzblank.

Eigentlich hatte ich gar nicht vor, mich Stan Kenton zuzuwenden …

 
 
 

 
 
 

New concepts of artistry in rhythm entdeckte ich während des letzten Waldspaziergangs in Begleitung meines Kopfhörers, als der mir WDR 3 Jazz & World vorspielte: 

Dawn of Midi – Dysnomia

ganz ausführlich

 

Amino Belyamani, piano

Aakaash Israni, bass

Qasim Naqvi, drums

 

01 Brian Eno (204)
02 David Bowie (163)
03 Hamasyan / Henriksen / Aarset / Bang  (161)
04 Bon Iver (127)
05 Leonard Cohen (81)
06 Lucinda Williams (75)
07 Jon Balke (74)
08 Nick Cave (65)
09 Radiohead (52)
10 Paul Simon (52) 
11 Daniel Lanois (47)
12 Vijay Iyer & Wadada Leo Smith (44)

 

2016 6 Dez.

2016 Subjektive Top 30

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01  David Bowie  ★
02  Nick Cave  The Skeleton Tree
03  PJ Harvey  The Hope Six Demolition Project
04  Tord Gustavsen, Simin Tander & Jarle Vespestad  What was said
05  Lucinda Williams  The Ghosts of Highway 20
06  Ian William Craig  Centers
07  A Tribe Called Quest  We got it from here … Thank you 4 your Service
08  Eliot Sumner  The Information
09  Ayumi Tanaka Trio  Memento
10  Anthony Johnson  Caribbean Roots

11  Michael Kiwanuka  Love & Hate
12  Sturgill Simpson  A Sailor’s Guide to Earth
13  Alicia Keys  Here
14  Erlend Apneseth Trio  Det Andre Rommet
15  Kuedo  Slow Knife
16  Kate Tempest  Let them eat Chaos
17  Anders Brørby  Nihil
18  Bon Iver  22, A Million
19  Exploded View  Exploded View
20  Thomas Köner  Tiento de la luz

21  Solange  A Seat at the Table
22  Kim Myhr  Bloom
23  Naqsh Duo (Golfam Khayam & Mona Matbou Riahi)  Narrante
24  Jenny Hval  Blood Bitch
25  Suede Night  Thoughts
26  Andrew Cyrille Quartet  The Declaration of Musical Independence
27  Årabrot  The Gospel
28  Katie Gately  Color
29  Sinikka Langeland  The Magical Forest
30  Nicolas Jaar  Sirens

Anm.: Einige Alben sind mir noch nicht gut genug vertraut oder liegen mir noch gar nicht vor, die gute Chancen auf eine Top20-Beteiligung haben, vor allem Leonard Cohens You want it darker, das ich mir bislang für eine gute Gelegenheit aufgehoben habe.

Als Bonus möchte folgende vier 2016 -Lieblingsalben unabhängig erwähnen:

Sektion „zeitgenössische Musik“: Tõnu Kõrvits The Mirror
Sektion „Klassik“: Andrew Nelsons / Shostakovich 5, 8 & 9  – Under Stalin’s Shadow
Sektion Filmmusik: Jóhann Jóhannsson Arrival
Sektion Re-Release/Remix/Rework: John Cale M:Fans / Music for a New Society


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