Zwei rote Fäden zogen sich durch Jonathans Leben, an denen sich die Perlen aufreihten wie in Indras Kette: Entdeckerfreude und Spätzündung.
Er dachte an den Sportuntericht in der Schulzeit, das Greuel der Bundesjugendspiele, an das Reckturnen, an den sadistischen Sportlehrer, der mit seinen Handballerarmen Marke Umfang Oberschenkel gerne Schuljungen mit dem Medizinball gezielt „abwarf“, als seien diese Dosen in der Bude auf dem Jahrmarkt. Dann aber kam die Kehre, an der selbst Heidegger, den er zwar las, jedoch bei weitem nicht verstand, seine Freude gehabt hätte: die späte Entdeckung der Freude am Schulsport.
Ein Highlight in der Fußballjugendmannschaft war es ja vormals schon gewesen, als er den Spielmacher der gegnerischen Mannschaft buchstäblich vom Platz gefegt hatte – nicht auf die feine Beckenbauerart, eher angelehnt an Katsches Grätsche und an Bertis Biß. Der Trainer hatte ihn heissgemacht: den lässt du gar nicht an den Ball kommen! So kam es: der Spielmacher des Gegners verliess noch vor der Halbzeit frustriert den Platz und man gewann das Spiel als Tabellenletzter gegen den Tabellenersten mit Elf zu Eins.
Dann brachte Langlauf frischen Wind, gerne nach der Schule, vor dem Fünfuhrtee mit den Hunden, die, ihn begleitend, über die Äcker jagten. Abermals die Jugendspiele, jetzt unter anderem Vorzeichen – und als Lateiner wusste er, dass Herumirren menschlich ist und Joggen glückbringend, vor allem aber: Alea iacta est.
Die Tausendmeterstrecke, zwei Leichtathleten liefen provokativ langsam: Langlauf zählt doch gar nicht. Jonathan aber liess sich nicht irritieren, war nicht zu schüchtern, die anderen frech zu überrunden. An der Ziellinie winkte die Sportlehrerin mit der Stoppuhr und der strahlenden Verheissung, dem Ersten sei die Urkunde sicher. Veni, vidi, vici.
Bemerkenswert, so dachte Jonathan rückblickend, war dabei der innerliche Shift: etwas hatte sich gewandelt, eine Blockade sich gelöst, eine Haltung sich geändert. Motivation wurde nicht als äusserer Zuspruch erlebt, sondern als eigene, innere Entdeckung gefeiert.
Jahre danach dann Ähnliches in einem anderen Bereich: sehr spät und unabhängig von schulischer Vorbildung, entdeckte er die Literatur und die Philosophie für sich – so wie er schon Gitarrespielen sich angeeignet hatte: als Autodidakt und geniessender Dilletant.
Bis heute blieb jene Freude an der Sprache selbst, ohne dass diese eine Botschaft mit sich bringen musste – ja gerade belehrungsfreie Äusserungen hatten es ja in sich. Hier war die Kehre auch eine Abkehr von abgedrehter Esoterik jeglicher Coleur gewesen und vom Halbwissen aller Parapsychologien hin zur Liebe am Text an sich.
Weil aller guten Dinge aber drei sind, nicht nur im Bremer Recht oder im Dreisprung, so resümierte Jonathan, kam in jüngster Zeit, neben der Lust am Schreiben noch eine neue Leidenschaft hinzu, verbunden mit Musik und dem Spielen seines Instruments: die Lust, schrittweise („step by step and on we go …“) das Feld neu aufzurollen in der Wunderwelt der guten Songs.
Es verwunderte ihn, warum er dies erst so spät für sich entdeckte: das entziffernde, analytische Hinhören und dann das Nachspielen, Antizipieren … – Ahmung als Antrieb. Würde er vielleicht einmal eine gediegene Auswahl von Coversongs als Programm zum Vortrag bringen, als wär´s erlesenes Porzellan aus der Geschichtsvitrine für die Gäste?