Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: August 2011

2011 7 Aug

Im Reich des Blauen

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An Tagen wie diesem sind die Wolkenformationen am Himmel betörend. Man fragt sich: „Sind die echt oder gemalt?“ – aber kein alter Meister hätte das so hinbekommen. Das ist ja überhaupt das Drama der Kunst: mit der Natur nie und nimmer konkurrenzfähig. Vielleicht sind Steely Dan deshalb auch TWO AGAINST NATURE und ziehen sich ins Studio zurück, um perfekte, hochstilisierte Gegenwelten zu kreieren. Und Alfred Adler hatte Recht: Mangel und Minderwertigkeitskomplex sind der primäre Lebens- und Schaffenstrieb.

Magnus Enzensberger schrieb sogar ein Buch über Wolken. Und Colin Walcott, John Abercrombie, Dave Holland und Jack de Johnette ließen sich sicherlich an Tagen wie heute (even swampytown looks beautiful) zu den schwebeleichten Songs von CLOUD DANCE inspirieren – über ihnen ein weiter Himmel zwischen hellblau, weiß und Nuancen von Grau changierend. Yukio Mishima schrieb in Decay of an Angel:

„Das Glück bestand für Toru darin, seine Blicke in solche Fernen zu schicken. Es gab für ihn keine vollkommenere Weise, sich selbst wegzuwerfen, als im Schauen. Die Augen allein brachten Vergessen – ausgenommen das Spiegelbild. Wie stand es um ihn, Toru? Ein Sechzehnjähriger, der ziemlich sicher war, dass er nicht zu dieser Welt gehörte. Nur eine Hälfte von ihm war in ihr. Die andere weilte im Reich des Blauen. Folglich gab es keine Gesetze und keine Regeln, die ihn beherrschten. Er gab nur vor, an die Gesetze dieser Welt gebunden zu sein. Wo gelten Gesetze für einen Engel?“

2011 7 Aug

Sorrow and Serres

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Created this: „O Sorrow“. Somehow it reminds me to the song „Sleep Safe And Warm“ by Kristof Komeda – one of my everlasting favourites. „Boranda“ by Maria Bethania is in a similar mood. Also thought about the music of Chet Baker, don´t know why. The sound and playing of young danish Stanko guitarist Jakob Bro inspired me as well – and of course the sound of good old Abercrombie. It´s in the mood of what brazilians call Tristeza.

Michel Serres, seines Zeichens Philosoph und Seefahrer, schrieb in Les cinq Sens:
„Der Sprachphilosoph möchte, das alles sanft bleibt. Soll er doch einmal bauen, zur See fahren, Steine zertrümmern, ein wenig ablassen von der strengen Mattigkeit, dem Filz, der Logik, dem ständigen Moll.“ Recht hat er – but: wat mutt dat mutt.
Und an fucking beach parties segelt unsereins doch ebenso gern vorbei wie an jedem Wohnungsbauprogramm für erzwungene Heiterkeiten. Bem Vindo!

2011 7 Aug

Wilderness

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Dieser Film ist von und mit Lily Baldwin. Als Tänzerin konnte man sie in Deutschland  an der Seite von David Byrne erleben.   Ich hatte das Vergnügen in Düsseldorf – ein erlebenswertes Dokument dieser Performance  mit den Songs von Byrne und Eno ist vor einiger Zeit als DVD erschienen („Ride, Rise, Roar“).  Aber jetzt, hier,  dieser wunderbare Kurzfilm von Lily Baldwin. Eine Phantasie über häusliches Leben und Wildnis? Joie de vivre im Alltag?  Ich kann mir den Film endlos anschauen. Wie auch immer:  have a nice cup of coffee! Nespresso könnte hier einen ganz neuen Werbefilm-Coup landen, der kaum hinter den Clips mit George Clooney anstehen müsste!  Ein Interview mit Lily Baldwin für Radio und Manafonistas ist in Vorbereitung.

https://www.youtube.com/watch?v=JZiS7NT2qfU&feature=related

Ich vermute, die Musik ist von Hauschka alias Volker Bertelmann.

P.S. Falsch vermutet: Lily Baldwin mailte mir, das Stück sei von Aphex Twin.

In 1968, Van Morrison was 22 years old and one album down, a Northern Irishman in New York, with a fledgling career built on garage rock, TB Sheets and Brown Eyed Girls. He was also involved in a contract dispute with his label, Bang Records, that prevented him from recording, and discouraged live venues from booking him.

In many ways Astral Weeks was born out of this frustration, and the accompanying financial anxiety, although little of that desperation seeps into the record; it is an album that sounds warm and rich and luxurious, and the urgency that runs through its eight songs has always seemed tethered to Morrison’s desire to articulate something – a longing, a desire, an essence.

This is an album heavy with yearning, with an aching for the streets of Belfast, for the „gardens all misty and wet with rain“, for being „conquered in a car seat“. It marries folk and rock and blues and jazz and gospel, flute, harpsichord, vibraphone – to create these eight songs that don’t so much play as wrap themselves around your legs, that get stuck beneath your fingernails.

Morrison himself described Astral Weeks as an opera of sorts, a story with definite characters, a song-cycle of „poetry and mythical musings channelled from my imagination“. And so we find memories of viaducts and slipstreams, ferry boats and cadillacs and cherry wine, mingling with talk of Huddie Ledbetter and little red shoes. We find the bewitching Madame George, the ecstatic Sweet Thing, the great knee-deep tangle of reminiscence that made up Cyprus Avenue. It was one of those albums that seemed to be about everything and nothing, the past and the now, the vital and the fleeting, and that somehow stood quite complete in its vision.

It was Lester Bangs who put it best: „Astral Weeks, insofar as it can be pinned down, is a record about people stunned by life, completely overwhelmed, stalled in their skins, their ages and selves, paralysed by the enormity of what in one moment of vision they can comprehend,“ he wrote. „Maybe what it boiled down to is one moment’s knowledge of the miracle of life.“

It baffled many upon its release, listeners thrown by its strange rhythms and peculiar lyrics, but over the following decades it would acquire towering cult status. Much of this is down to this record’s remarkable ability to prompt an overwhelming emotional response – the album’s producer, Lewis Merenstein, has described how, upon hearing the title track, he began crying. „It just vibrated in my soul,“ he said.

This is an album I grew up with, and that embodies everything I love about Morrison’s work – the great rich stew of it, the beguiling swarm of the music, lyrics that are proved on the pulses, a voice that sounds like rain against granite – dour and swarthy and half-grunted, barking and nickering its way through the „clicking, clacking of the high-heeled shoe“. It stands to me as a masterpiece, a maverick, a quite extraordinary creation.

(source: https://www.guardian.co.uk/music/2011/aug/03/van-morrison-astral-weeks-review)

2011 5 Aug

How To Kill A Memory

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The Marmalade – „Reflections Of My Life“

 

SWAPDELTA Inc. entwickelt eine Oldie-Zerstörungsmaschine. Wir alle kennen Songs, die wir lieben oder liebten, aus unseren jungen Jahren. Die Oldie-Zerstörungsmaschine  hilft, sich von einzelnen Episoden zu trennen, generell loszulassen. Sie kennen das Lied mit den Zeilen THIS WILL BE THE LAST TIME … (mit der Oldie-Zerstörungsmaschine wird es tatsächlich das letzte Mal sein). Sie speichern das jeweilige Lied ein (zum Beispiel obiges, der Höhepunkt von The Marmalade) – und mittels einer bestimmten Software hören Sie, wie das Lied immer mehr an Kontur verliert und letztlich in sich zusammenbricht, mit einem seufzenden Geräusch. Sir erleben hautnah die Zerstörung eines Lieblingssongs, die so lange dauert wie der Song selbst. Immer wieder schnappen Sie einzelne Fragmente auf, und dann – Ende Gelände. Warum sollten Sie so blöd sein, fragen Sie. Die Destruktion des Songs geht erstmal durchaus fantasievoll vonstatten, nicht umsonst kostet das Teil 430 Euro. Richard Brautigan hat mal eine Geschichte darüber geschrieben, wie er sein Radio in Brand setzte und die Lieder sich dann in Rauch auflösten. Aber wir leben in einer anderen Zeit, und wir stecken uns auch nicht, wie der Hippie-Poet, einen Gewehrlauf in den Mund. Wir fangen noch einmal an. Wir lassen nur etwas Gepäck zurück. Irgendwann müssen wir ja mal damit anfangen. Sie sind also gar nicht blöd, wenn Sie sich die Maschine von SWAPDELTA Inc. zulegen. Die Trauerarbeit dauert nur so lange, bis der Song zerstört ist. Danach sagt Ihnen das Lied nichts mehr, nie wieder. Sie haben sich ein Stück Gegenwart zurück erobert. You´re welcome!

2011 5 Aug

When We Were Old

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Who´s that woman? „Kino heisst, dem Tod bei der Arbeit zuschauen“, sagte Godard einmal. Nostalgie ermöglicht die Rückkehr an Orte in der Zeit, in denen die Gegenwart einen sehr langen Atem hatte,  Entdeckungen jeden Tag erfolgten,  alle  Dejavues noch geheimnisumwittert waren und selbst die Rituale des Alltags Angebote ferner, naher Welten enthielten. In der Jugend, die, wie ein tristes  Sprichwort sagt, an die Jugend verschenkt ist, kam das Wunderbare auch aus der Flimmerkiste. Es gab Fernsehserien, denen man entgegenfieberte, weil sie Tore in eine Welt aufsperrten, die vom kleinbürgerlichen Muff meilenweit entfernt waren. Nicht nur die Popmusik der 60er Jahre leistete diese Dienste, sondern auch jene Zwischenwelten zwischen „ich-trau-mich-nicht“ und „Trau-keinem-über-dreissig“, in denen das Fernsehen  Parallelwelten schuf, die sich bis in unsere Träume auswirkten. Wenn wir „Mit Schirm, Charme und Melone“ sahen, nahm uns schon die Filmmusik gefangen, „The Avengers“.  

Wir folgten Emma Peel und John Steed durch Welten voller Roboter, Psychotiker, und Laboratorien des Irrsinns, die später (mit erheblich mehr Science-Fiction-Elementen) von „Akte X“ in eine modernere Zeit transportiert wurden. Thrill und Mystery und britischer Humor waren eins  bei der Karate-kundigen Emma und dem archetypischen Gentleman John. Als vor Jahren die Serie neu aufgelegt wurde, war die Begeisterung gross: man konnte en detail referieren, wie Moden kreiert wurden, wie das Fernsehen alte Tabugrenzen brach, eine neue  Weiblichkeit listig auftrumpfte. Allein: die Nostalgie garantiert nicht mehr den alten Zauber; diese Filme wirken heute, trotz all ihren enormen Einfallsreichtums, seltsam altbacken, hochinteressant nur noch für den Historiker und ein restlos sentimentales Gemüt. Das Mitfiebern ist verschwunden. Es war einmal. Oder haben Sie Diana Rigg  gleich erkannt, auf diesem Foto? 

Der Soundtrack allein  erzeugt  noch den gleichen Schauer. Als würden  tief gelegte  Areale  unseres Gehirns angezapft, die alles Dazwischen ausschalten und uns unmittelbar in die Vergangenheit transportieren. Daran ist nichts Besonderes: gehen Sie mal nach Jahren und Jahren in Ihre alte Schule,  und nehmen Sie nur für einen Augenblick den vertrauten Geruch wahr (er verschwindet nie):  wenn die Glocken läuten, würden Sie, wie in Trance, ein altes Klassenzimmer aufsuchen, und sich, ganz kurz, wundern, wieso niemand sonst da ist. Geisterstunde.

https://www.youtube.com/watch?v=ZGvfDxnwUU4

Who´s that girl? Sie hat einige Männer verrückt gemacht, nicht, weil sie so verrückt war in jungen Jahren, sondern weil atemlose Schönheit mitunter enorme Anziehungskräfte, Projektionen, achaische Jagdinstinkte wecken kann. Flog Leonard Cohen nicht einst durchs halbe Zimmer, in seiner Kaschemme im Chelsea Hotel, als er Nico küssen wollte, eine Frau, die es hasste, immer die gleichen Reaktionen von Attraktion und Begehren auszulösen, und sich schliesslich körperlich absolut herunter wirtschaftete,  Drogen nahm, und später tot vom Farrad fiel. Das hat die Person auf dem Photo nie so weit kommen lassen. Sie entdeckte früh spirituelle Praktiken, makrobiotische Ernährung und konnte es mit Ironie nehmen, wenn die Männer wieder und wieder kamen, um ihr „den Hof zu machen“. Ich war damals zu jung, um in den Chor der Bewerber einzutreten. Ich war auch kein Musiker, und ich war einfach nie in ihrer Nähe. Nur einmal, tausend Jahre später, bei einem Interview. Ein faszinierendes Wesen allemal!  im Oktober  spiele ich wieder Musik von ihr, natürlich nachts!

Neulich gab es ja ein Porträt von Craig Taborn im Deutschlandfunk, das sehr hörenswert war. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie sich die Musik um so mehr erschließt, je mehr man über den Musiker weiß: seine Herkunft, seine Gedanken, seine Worte, Geschichten, Intentionen. Zur Übungspraxis eines Musikers gab Taborn einen Tipp: weniger spielen, sich kleine Fragmente herauspicken, damit arbeiten, sie ausbauen, sich nicht in Klischees und Stereotypen verlieren …

Habe jetzt ein portables Diktaphon, einen Handy-Recorder, mit dem man Natur- und Stadtgeräusche einfangen; Samplematerial sammeln; Interviews für Manafonistas machen; musikalische Ideen archivieren – oder wie im Folgenden auch mal ein kleines akustisches Streichholzkastanienmännchen präsentieren kann. Spontan eingefangen, das schüchterne Eichhörnchen.

No Overdubs, versteht sich – hope you like it .

Fragment 8-3

2011 3 Aug

Tinariwen: Tassili

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On their enthralling new album entitled Tassili, the renowned band TINARIWEN have set down their electric guitars and returned to the very essence of their art. Recorded in a protected region of the South-Eastern Algerian desert, the group returned to the roots of their music, with only acoustic guitars and unamplified percussion. During recording, the band was joined by Tunde Adebimpe and Kyp Malone of the band TV On The Radio. Later on, guitarist Nels Cline (Wilco) and the horns of the Dirty Dozen Brass Band contributed to create an album that reaches deep into the essence of TINARIWEN’s sound while simultaneously opening itself to the surrounding world.

“The music of Tinariwen is at once exotic and familiar– the scales and arrangements are as strange to our ears as the language they sing in, but there’s a force operating on a more subliminal level that unites it to something rattling around inside anyone who was brought up on blues or rock & roll. It’s music of longing and rebellion, weary wisdom and restless energy, and it sounds so, so good.” – Pitchfork on an older record of Tinariwen

„The new record also sounds so, so good. There are some of those softly killing songs you´ve never heared of them before. They don´t follow their formula, they follow very, very special routes. There are even some slowly burning brass arrangements that never overpower the songs. I never  thought they would ever  make such a tranquil record. It´s  touching me on a very deep level, and I´m not dreaming of deserts. This is not for a fucking Ibiza beach party.“  – manafonistas.de

listen to one song of the new album: https://www.guardian.co.uk/music/musicblog/2011/jul/06/tinariwen-tenere-taqqim-tossam

Jazz im Radio 
32er in der Schublade
Pinsel in der Hand 
Herz in trauriger Konfusion
Zeichnet er eine Frau
Das Saxophon sagt es besser
Jetzt also eine Frau auf Papier 
Jetzt sieht man Farben
Jetzt einen Schatten auf ihrer Hüfte
Er kennt sich aus mit sich
Kennt die Überraschungen 
von Geduld und Ärger mit Einsamkeit
Kennt das Stück 
Das sein Sender spielt
Wie ihn die Harmonien  
Die er nicht draufhat
Auf die bringen, die er kann, 
Und die Frau auf dem Blatt
Deren Schönheit nie Luft verdrängen wird 
Auch sie gehört hierher
Auch sie hat ihren Platz 
Im Keller des riesigen Museums
Nicht dass er damit angeben könnte 
Nicht einmal vor sich selbst
Nicht dass er wagen würde 
Von einem Pfad der Erkenntnis zu sprechen
Nie wird er entwirren 
Oder veredeln
Die Umstände, die ihn  an seine Einsamkeit ketten
Oder gebeugt unter der Last von Liebe
Die plötzliche Gnade begreifen
Die den Raum überschwemmt 
Und ihn nun auflöst
Im traditionell goldenen Licht 

 

Ich kannte diesen Text nicht, aber auch wenn es ein karges Gedicht flüchtiger Bilder ist, nicht durchkomponiert, rhythmisch fragmentiert, eine Rohfassung, so konnte ich mich ihm nicht entziehen. Es heisst „Tradition“, und Leonard Cohen hat es geschrieben. Wäre es der Originaltext, man könnte den Text lesen  – mit seiner Stimme im Ohr!  Wie viele Geschichten, Lebensgeschichten,  verbinden uns mit diesem Barden?  Mit seinen Songs? Vor Jahren traf ich Hakan Nesser, den schwedischen Kriminalromanschreiber, im Bahnhof Unna, zu einem Interview (mein Liebelingsthrller von ihm ist „Eine ganz andere Geschichte“);  in Kürze erscheint sein neuer Roman „Die Einsamen“. Irgendwann kamen wir auf Leonard Cohen zu sprechen, und er erzählte mir:  „Die erste Platte, die ich mir von Leonard Cohen kaufte, war “Songs from a Room”, und wir  spielten es auf einem dieser Grammofone, die man  auf einem Fahrrad transportieren konnte, ich erinnere mich nicht an das exakte Jahr, aber als die Platte rauskam, machte ich ich mit meiner damaligen Freundin eine Landtour, ich legte die Platte auf, wir sassen im Gras, hörten “Bird on a Wire” und “Tonight Will be Fine”; “Tonight Will be Fine” war mein absoluter Lieblingssong, und ich kannte jedes Wort, dass Leonard Cohen auf diesem Album sang.”

 

 


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