Manafonistas

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Archives: TV Serien

 

Das MHQ musste eigentlich schneller handeln, aber es dauerte Monate, bis das Team aus dem Elfenbeinturm reagierte. Man wollte es kaum glauben, man sichtete und sondierte, und es wurde immer klarer: die ganz und gar grossartigen TV-Serien der letzten Jahre haben Standards gesetzt, denen die Gegenwart hinterherhinkt. Natürlich wird es auch weiterhin immer wieder mal erstklassige Serien geben, aber kaum in der power spot-Häufung vergangener Jahre – sie werden wie „Ausreisser“ daherkommen. Keine einzige 5-Sterne anno 2018. Die letzten überragenden Serienabenteuer waren Little Big Lies, dann dieser unfassbar gute, siebteilige Western, dem John Ford aus dem grossen Jenseits salutieren würde, gewiss auch die bittere Abrechnung mit US-amerikanischer Klassenjustiz, und einem Detective Fish, der die grosse Ahnenreihe der Marlowes und Spades bereicherte – sowie, kleiner Kalauer, das Beste kommt am Schluss. Auch Stranger Things 2 war noch richtig gut, aber weiterhin und dauerhaft über „Zweitbestes“ berichten zu wollen, ist nicht so prickelnd. Darum verschwindet die Rubrik „TV Series of the Month“ ab August von unserer Empfehlungsliste, und singuläre Begeisterungen werden entpannter Teil des „Blogtagebuches“ sein. Sons of Anarchy, Mad Men, Game of Thrones, Lost, The Leftovers, Justified, Halt And Catch Fire etc etc – those were the days. Es gibt eine Ironie in dieser Geschichte. Die Revolution begann (um dann eine Zeitlang kreativ zu verschnaufen), mit Twin Peaks und The X Files – und sie endete, im Grunde, mit David Lynchs tollkühner Zumutung und Hammerserie Twin Peaks – The Return.

 

 

 

THE AMERICANS is one of the best American TV series ever. Located in the time of Ronald Reagan when the world was threatened to be set on fire (with some different circumstances and a slightly different agenda compared to today‘s scenarios of worst possible cases), there were Russian spies, of course, on American soil – and what could unfold as another decent spy story, turned out to be outstanding in every way. Even the vast majority of the critics were stunned (and some possibly wrote their best, inspired reviews, starting from season one onwards to season 6 and maybe 7) – and though I often trust my minority opinions, in this case I’m happy to be part of a general consensus, and hereby just want to share my uninhibited and, well, well-judged, enthusiasm. So just as reminder here, in „Joey style“, my favourite TV series of the 21st century (and, gosh, what do I have to leave out, from VIKINGS to HAPPY VALLEY, from highly impressive MINDHUNTER to nearly instant classic LITTLE BIG LIES (greatsoundtrack choices!), from THE OA to RAY DONOVAN :)) – some may call „Banshee“ a guilty pleasure, but that‘s the gist of lists, to be utterly sincere and don‘t deliver cultural correctness whatever the fuck that is …

 

 

01) LOST

02) THE LEFTOVERS

03) SONS OF ANARCHY

04) JUSTIFIED

05) TWIN PEAKS – THE RETURN

06) GAME OF THRONES

07) HALT AND CATCH FIRE

08) THE AMERICANS

09) GODLESS

10) MAD MEN

11) SEVEN SECONDS

12) BANSHEE

13) FARGO

14) THE DETECTORISTS

 

2018 17 Feb

Back to Babylon

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Die erste Staffel wäre geschafft … Babylon Berlin, die ersten acht Folgen, deutsch mit englischen Untertiteln im US-Netflix, selbstverständlich nicht etwa „set in Berlin of the Golden Twenties“ oder „in the Weimar Republic“, sondern „in pre-Nazi Germany“. Germany ohne Nazis ist hier einfach nicht vorstellbar. Dabei kommen in der ersten Staffel noch nicht mal welche vor. Interessant gleichwohl, dass die Serie hier zu sehen ist, lange bevor sie im deutschen Free-TV gezeigt werden darf — die ARD hat sich wohl irgendwie von Sky über den Tisch ziehen lassen. Immerhin ist sie an der Finanzierung nicht ganz unbeträchtlich beteiligt.

Ich habe mich in den letzten Jahren ziemlich intensiv mit den Zwanziger Jahren beschäftigt, unter anderem wegen hier, aber auch wegen eines Drehbuchs, weil ich stolzer Besitzer der 22-bändigen Tucholsky-Gesamtausgabe bin (Habt ihr gehört, Rowohlt? Ich bin das!), weil ich das stumme deutsche Angstkino der Langs, der Murnaus und der Wienes liebe, und überhaupt, einfach eine sehr spannende Zeit … Wenn Zeitreisen möglich wären: Berlin, Hamburg, New York, Paris und London der Zwanziger wären meine Stationen. Ein Trip in die Ära der Romantik käme erst danach.

Um es vorwegzunehmen, Babylon Berlin bekommt hiermit meine offizielle Empfehlung. In Babylon Berlin steckt ein für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich hoher Etat, und das sieht man. Die Serie gehört optisch zum Besten, was in Deutschland seit Edgar Reitz‘ Heimat fürs Fernsehen produziert worden ist. Vom ersten Moment an spürt man die wirklich exzellente Besetzung selbst kleiner Nebenrollen, die liebevolle Kostümbildnerei, die Ausstattung, die Kulissen — und zwar gerade dadurch, dass man sie eigentlich nicht bemerkt. Selten nur stolpert man über allzu raffiniert ausgetüftelte Kameraperspektiven, die den Zweck haben, nur möglichst kurze Straßenzüge nachbauen zu müssen, oder über Firmenschilder, denen man ansieht, dass sie über reale Firmenschilder gehängt wurden.

Die Dramaturgie der Serie setzt zunächst auf Verwirrung, Überwältigung und übermäßige Drastik. Alles wirkt irgendwie übertrieben und ziellos, ohne dass man den Finger auf wunde Punkte legen könnte. Streckenweise hat man das Gefühl, das Berliner Leben spielte sich hauptsächlich in dreckigen Toilettenkabinen ab. Drogenabhängige sind ständig am Zittern. Die Polizei prügelt. In der Pathologie wird mit Gammelfleisch nur so um sich geworfen. Wenn einer aus dem Krieg ein Blasenleiden mitgebracht hat, dann reicht keine Andeutung, sondern es muss durchgespielt werden, bis die Hose nass ist. Und war schon in Isherwoods Roman „Goodbye to Berlin“ die Darstellung der Arbeiterklasse unangenehm herablassend, so wird in Babylon Berlin in den elenden Wohnbehausungen der Arbeiter ständig nur gehustet, gerotzt, gesoffen, gepisst, geschlagen und in abgebrochenen Sätzen geredet — das soll dann wohl harter Realismus sein, hat aber eher denunziatorische Züge. Das Leben der Arbeiter und ihrer Familien war elend, mit Sicherheit kam es in diesen Wohnverhältnissen zu Aggression, und mit der Bildung war es nicht übermäßig weit her, aber es kann nicht ununterbrochen so elend gewesen sein. Döblins „Berlin Alexanderplatz“ ist in dieser Hinsicht aufschlussreicher. Auch die Art und Weise, wie die organisierte Arbeiterschaft dargestellt wird, nämlich misstrauisch und ständig aggressiv, wird den wirklichen Arbeitern der damaligen Zeit sicher nicht gerecht.

Gelegentlich fallen allzu schlaumeierische Zitate auf. An den Stummfilmklassiker Menschen am Sonntag (von dem sogar Originalausschnitte zu sehen sind) wird etwas sehr deutlich erinnert, oder Berlin, die Sinfonie der Großstadt. Über dem Abspann liegen Ausschnitte aus synästhetischen Animationsfilmen Walter Ruttmanns, wodurch der Abspann (ebenso wie der Vorspann) unlesbar wird. Die zentrale Figur, Charlotte Ritter, ist zu vieles auf einmal, Arbeiterkind, Polizeimitarbeiterin, SM-Prostituierte, Liebende und Emanzipierte. Der Kommissar Bruno Wolter erinnert arg deutlich an den jovialen Kommissar Lohmann aus Langs M und Das Testament des Doktor Mabuse, ohne allerdings dessen Anständigkeit zu besitzen. Auch Gereon Rath, die Hauptfigur, bleibt undurchschaubar. Natürlich sind die Regierenden sämtlich korrupte Knallchargen, die Gangster führen sich auf wie die Mafia in Chicago 1930. Es gibt keine klaren Sympathiefiguren, ich würde ernstlich mit keinem der Charaktere privat etwas zu tun haben wollen. Und nicht zuletzt sind die unvermeidlichen Show-Szenen ziemlich klischeehaft (weil so is det ja nu mal jewesen in Berlin!), auch die dargebotenen Chansons werden nicht besser dadurch, dass Bryan Ferry sie ausgewählt hat. Cabaret war in dieser Hinsicht besser.

Ab etwa der dritten Folge sortieren sich die Ereignisse ein bisschen, die Handlung fließt ruhiger, die einzelnen Charaktere werden ein bisschen genauer vorgestellt. Das Ergebnis ist aber, dass das, was in den ersten drei Folgen zu dick aufgetragen ist, in den Folgen 4 bis 8 dann fehlt. Da wird dann auch klarer, dass das Ganze ein Krimi ist, keine Sozialanalyse, und die Versatzstücke sind letztlich dieselben, die auch im Tatort oder irgendwelchen Soko-Folgen eingesetzt werden.  Zudem laufen die beiden Hauptprotagonisten am Ende in eine strunzdumme Cliffhanger-Falle, die man als Zuschauer wie ein offenes Scheunentor gähnen sieht.

Das macht aber alles nichts, denn irgendwie passt es am Ende doch alles zusammen, die Schauspielerinnen und Schauspieler reißen die Schwächen raus, und spätestens nach der dritten Folge ist man „drin“ in der Serie. Ich bin sehr gespannt auf die zweite Staffel. Heute abend geht’s los.

 

 
 
 

Today TWIN PEAKS „3“ will arrive in my yellow mailbox, and I did everything not to know anything about pot lines, ha ha, plot lines, or reviewers‘ spoiler-rich writings, except that two American friends normally sharing my tastes were totally enthusiastic about the new Lynch-fuelled drama from the mythical place of Twin Peaks that once set the standards for radically disturbing TV series. But what I heard again and again (by silent whispers): after Angelo Badalamenti‘s magic soundtrack of the first two seasons, this time around, the music would succeed again, and may put one spell and another on spectators in deep-watching mode. The most stunning four series I saw this year, were THE LEFTOVERS (1, 2, 3), HALT AND CATCH FIRE (1, 2, 3, 4), FARGO 3, and STRANGER THINGS 2. But now, the really big question is: will our hero still eat Donuts?

 

2017 17 Nov

Feuer gefangen

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Jeder kennt die Liebe auf den ersten Blick. Es gibt sie in persönlichen Begegnungen, aber auch bezogen auf Musik, auf Filme, Buchlektüren. Ein einzelner Akkord, ein Melodielauf, glasklare Evidenzen, etwas von Relevanz. Die ersten Minuten aus der Fernsehserie Halt & Catch Fire laufen ab und gleich ist klar: das Weiterschauen wird ein grosser Spass in den nächsten Wochen, ein entspanntes und bereicherndes Flow-Erlebnis. Man sieht einen Monitor, etwas wird eingetippt in neongrüner Schrift: HCF. Die Bedeutung dieses Computerbefehls wird sogleich erklärt. Ein riesengrosses Gürteltier krabbelt langsam über die Bildschirm, wie in einer Animation. Dann sieht man dieses fabelhafte Viech auf geteertem Strassenbelag, hört dazu das Motorengeräusch eines irrsinnig beschleunigten Sportwagens. Ein Porsche rast die Strasse herauf, dem Betrachter entgegen. Vollbremsung. Der Fahrer steigt aus und sieht sich den Schaden an: im Kühlerfrontgitter steckt ein blutiges Etwas. Diese in rhythmischer, bildwitziger Brillianz fotografierte Eingangssequenz könnte als Metapher gelten für Vieles, was dann folgt. Es um Veränderungen und Entwicklungen der digitalen Technologien. Wollte man dies aufhalten, so würde man überrannt. Es könnte auch Hinweis sein auf die forsche Rücksichtslosigkeit und den Ehrgeiz des attraktiven, bisexuellen, rhetorisch versierten Porschefahrers Joe MacMillan, einst Salesman bei IBM. Ein David Bowie der Computerbranche? Im Vorstellungsgespräch wird ihm Soziopathie unterstellt, zu Unrecht, denn er ist zu tiefen Emotionen fähig. Die Serie kommt aus gleicher Produktionsstätte wie auch Mad Men und Breaking Bad und das sieht man ihr an. Auch an Fargo erinnert einiges. Nichts ist hier zuviel und überflüssig. Dem Betrachter wird nicht Zeit gestohlen, vielmehr geschenkt. Figuren, mit denen man sich gerne identifiziert. Empathie, Katharsis. Eigene Lebenserfahrungen werden gespiegelt, nicht nur im Soundtrack. Eine hohe emotionale Intelligenz zeichnet die Serie aus. Ist das Ganze beendet, nach vier Staffeln, vierzig Episoden und dreissig Stunden Fernsehvergnügen, breitet sich Sehnsucht aus. Wie einst in verzauberten Sommernächten, die man allzu gerne zurückholte. Selbst ein Guru aus dem fernen Osten wäre davon nicht befreit. Denn Sehnsucht ist das Leben selbst. Wie Orpheus steige ich ein zweites Mal hinab in den Serien-Hades, beginne nach dem Abschied gleich von vorne. Schalte die Untertitel ab, geniesse den John-Bosworth-Sound in voller Konzentration. Wann hat man jemals so genial rappenden Texas-Slang gehört?

Der Anspruch steigt mit zunehmender Zahl: man „sucht“ eine neue Serie und keine will zunächst recht zünden. Es zeigt sich dabei ja immer eine gewisse Schwellenangst hinsichtlich der ausstehenden Entscheidung: Will ich bleiben oder gehen? Da wäre Mindhunter unter der Regie des renommierten David Fincher, von dem der Fight Club in positiver Erinnerung blieb und dessen Handschrift sofort unverkennbar ist: gesellschaftskritische, etwas theoriesteife Bezüge und irgendwann das Auftauchen einer attraktiven, dominanten Dame, die dem desorientierten männlichen Helden wichtige Lebensfragen beantwortet und den „true spirit“ einhaucht. Oder Preacher, das auf halber Strecke rohrkrepierte: technisch und visuell brillant, an einen Comic angelehnt, doch leider mit zu wenig Tiefgang und zu unsensibel. Kein Held auch, mit dem man sich identifizierte. Dann schaut man mal den einen oder anderen Tatort, zwar meilenweit hinter amerikanischen Klasseserien zurückbleibend, als entspannte Alternative. München Mord ist sehenswert, das bajuwarische Trio witzig, in anheimelndem Lokalkolorit an der Isar. Seniorkommissar Schaller (cool: Alexander Held) und seine junge Kollegin, die verzweifelt nach Selbstvertrauen sucht. Ermittlungsbedingt einen Callboy anheuernd fragt sie ihn: „Findest du mich als Frau etwa gut?“ Auch andere Möglichkeiten bieten sich, auf das „Randgeschehen“ (ein Lieblingswort aller peripheren Koryphäen) auszuweichen: eine Doku zu schauen über die Tschernobylzone, in der sich nun, da der Mensch notgedrungen fliehen musste, ein reiches Biotop neu bildete am Pripyat: mit Wölfen, Reihern, Bibern und Wildwuchs allerorten. Auch Martinas Manafonistas-Filmtipp wurde gerne gesehen: die herzergreifende Geschichte Biutiful mit Javier Bardem in einem wahrhaft düsteren Barcelona. Sahneserien wie die dritte Staffel Fargo werden auf den Winter verschoben: wenn der erste Schnee auf Zedern fällt, sieht man sowas besser. Schon ein bisschen vorgetastet: der Schauspieler Sylvester Groth (Schade, der schöne „Tatort“ Magdeburg!) in der Anfangssequenz. Frohlocken macht sich breit: dies ist die „wahre“ neue Fernsehwelt. Keinesfalls schweigen auch darf man von der grossartigen Serie Transparent, deren vierte Staffel die in Los Angeles ansässige jüdische Familie Pfefferman mit der Oberhäuptin Maura, vormals Mort, auf einem Besuch in Israel begleitet. Das Leben dort einmal aus einer feinen Erzählperspektive wahrzunehmen und nicht aus den täglichen Nachrichten, ist ein bildungs- und bilderreicher Hochgenuss. Ein Gänsehautmoment, als vor dem Frontfenster eines Reisebusses die zauberhafte Silhouette einer Stadt auftaucht, als sei es eine Frottage von Max Ernst: „And now: this is Jerusalem, the cradle of mankind!“ Vielleicht ahnt hier schon der Eine oder die Andere aus dem Stamm der Wohlstands-Wessis und der Besser-Ossis: solcherlei Fernsehkost kann mit „guten Büchern“ locker konkurrieren.

 

Season one started in front of a wonderful family home in Brooklyn, New York, a couple with four kids packing their stuff in the car for summer vacation and season three ended there, five years later, Christmas Eve. Life has totally changed for two families. Where are we going, buddy? “The affair” season 3 is No. 6 at Jochen´s list of top TV shows. Season one is the starter, season two a lecture in high suspense and season three a lecture in dream logic. Still I don´t get the trailer´s lyrics in the first three seasons events described. Show runner Sarah Treem did brilliant work with the narrative structure from different POVs and with time shifts. She said:

 

At the core of the show is – is just human relationships and the faultiness of memory, and the unreliability of our own personal narratives and the denial of objective truth.

 

Season three in Sarah Treem´s mind is a meditation on the following idea: If we believe that we all have a dark side that we´re not necessarily aware of, where is it and how does it influence our behavior? For the actors it was most challenging being seen by somebody else´s eyes. This includes their clothing, which differs in different POVs. Finally all versions are true.

Does anyone know if there will be a fourth season? In my POV there are some open questions left.

 

2017 25 Jun

The final season of „Broadchurch“

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Keine Frage, Patti Smith, die berühmteste Bingewatcherin englischer Kriminalserien jenseits des Atlantiks, hätte mitgefiebert in der dritten und finalen Staffel von „Broadchurch“. Das Ermittler-Duo Hardy (David Tennant) and Miller (Olivia Colman) gehört zu den gemischtgeschlechtlichen „Klassikern“ der jüngeren und älteren TV-Geschichte, und dürfte im „all-time-ranking“ einen Platz sicher haben knapp hinter Emma Peel und John Steed. Was einst makaber und surreal und exzentrisch war (und eine unschlagbare Titelmelodie hatte), schlägt in „Broadchurch“ ganz andere Tonarten an: zerrüttete Beziehungen, Gier, Kälte, und der unendliche Blues der Hinterbliebenen. Das pittoreske Dorset ist weitaus mehr geeeignet für das Zeug, aus dem die Träume von Rosamunde Pilcher sind, doch belegen Regie und Kameraführung stets aufs Neue, dass es nicht den ewigen Regen von Wales oder die karge Tristesse der Shetlands braucht, um der Nichtfarbe „noir“ neue, ungewohnte Schattierungen zu verleihen.

Jene britischen „crime series“, die sich fernab der grossen Städte abspielen, nutzen allesamt das Potential des Hinterlandes und seiner geographischen Verwitterungen, ob „Happy Valley“, „Shetland“ oder „Hinterland“ – letztere nicht nur ganz oben auf der Liste von Mrs. Smith, sondern auch Beleg dafür, dass sowohl die britische, wie natürlich auch die skandinavische Fernsehkultur, deutschem Serienstumpfsinn weit überlegen sind. Ich habe schon lange aufgehört, mich über das Münsteraner Idiotenduo amüsieren zu können, und selbst, wenn man mal „hard core“ versucht, wie beim Dortmunder „Tatort“, wiederholen sich einzelne Szenen und Muster, als wären die Drehbücher am Reissbrett entworfen worden. All diese biederen oder sozial furchbar betroffenenen „Tatorte“ werden in Punkto Dämlichkeit und/oder Sozialrealismus für Doofe nur noch von „Sylt-Krimis“ übertroffen.

Da ist „Broadchurch“, auch in der finalen Staffel, ein anderes Kaliber und vollkommen abnutzungsfrei. Und die Qualität gerät nicht einmal dadurch ins Wanken, dass wir es hier einmal mehr mit einem klassischen „whodunnit“ zu tun haben, mit gefühlten 175 Verdächtigen, und noch mehr falschen Fährten, die zwar selten der Wahrheit nahekommen, dafür aber einen Abgrund nach dem andern freilegen. Die Dialogschärfe, die Fähigkeit der Kamera, sich all Zeit der Welt für erstarrte und entgleitende Gesichtszüge zu nehmen, der homöopathisch dosierte Humor der trockenen Sorte: es gäbe einiges aufzulisten, was „Broadchurch“ ein besonderes Gütesiegel sichert.

Ohne Schwächen ist dieser finale Zehnteiler nicht, ich nenne es das „Lost-Syndrom“. Diese falschen Versöhnungsarien am Ende grosser Staffeln. Da kamen sie nun auch wieder in einer Kirche zusammen, um sich auf eine grosse Predigt einzulassen: cinematographischer Schmalz, der dann doch einmal einen Pilcher’schen Nachgeschmack hinterlässt, und der Klasse des Dramas in drei Staffeln unwürdig ist. Aber wer in Dorset lebt, ist wohl leichter für die Bergpredigt empfänglich. Sie vergeben etwas zu leicht, die Frauen von Broadchurch. Und sonst: die Abspannmelodie mag psychohygienisch ihre gute elegische Arbeit verrichten, sie ist allerdings auf Dauer allzu einlullend und sentimental. Das sind aber nur Kleinigkeiten, die von unserem gebannten Eintauchen in diese kleine Welt an der Südküste spielend absorbiert werden.

Noch ein paar Empfehlungen: lassen Sie sich, wenn möglich, auf die englische Originalfassung ein, die drei Staffeln gibt es seit kurzem in einer Box. Und geniessen Sie, bei Bedarf, die begleitenden Texte in „The Guardian“ (Google-Eingabe: z.B. Broadchurch, season 3, episode 1, recap, The Guardian). „It makes home cinema a less solitary experience. You’ll never watch alone!“ Und, wenn Sie Patti Smith irgendwo treffen, bestellen Sie ihr einen schönen Gruss und sagen sie ihr, sie möge sich rasch die gesammelten vier Hammer-Staffeln von „Line Of Duty“ besorgen. Da geht es dann allerdings ab in die Grosstadt!

2017 5 Mrz

Dr. House und Sneaky Pete

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„Everybody lies.“ Der Satz des Dr. House wirkt wie in Stein gemeisselt. Der geniale Arzt und agnostische Diagnostiker mag seine Patienten nicht: hier zwickt es und da tut es weh? Ach nein, wie uninteressant. Don´t tell me your stories. Leave me alone with my own worries! Kaputtes Bein, verunglückliche Liebe: der zynische House, dem schon so manches Übel widerfuhr, hat längst die Faxen dicke. Wären da nicht diese interessanten Fälle, denen nur Typen vom Karat des Sherlock Holmes auf die Schliche kommen. Unterhaltsam ist es, ihm dabei zuzuschauen – und so wie einst die Lektüre von Cioran und Schopenhauer war: heilsam und erhellend. Die Akzeptanz von Negativität wendet sich auf wundersame Weise ins Gegenteil: zu einem positiveren Lebensgefühl.

Auch Sneaky Pete ist so ein Mozart, nicht als Mediziner, vielmehr als Taschendieb und Trickbetrüger. Wie er sich gedankenschnell aus scheinbar ausweglosen Situationen windet, grenzt an Magie: den Zeitfluss auf Zeitlupe stellen und so in aller Ruhe das Mauseloch finden, durch das man entwischt. Eine jede Fernsehserie hat ihre Merkmale, die sie mit anderen verbindet, und solche, die sie unterscheidet. Erlesene Bildfotografie, schwarzer Humor, das Leben in disfunktionalen Familien, eine tarantinoeske Hemmungslosigkeit in der Darstellung von Gewalt, subtile Erotik, lebensnahe Figuren. Sneaky Pete erinnert hier an Breaking Bad, ein bischen an Fargo. Eines macht die Serie dennoch einzigartig: sie wirkt kaleidoskopisch, als eine Aneinanderreihung von Mikro-Kurzgeschichten, die wie kleine Knospen permanent aufspringen, in überraschenden Momenten und Wendungen.

„Immer fix, sonst kriegste nix!“ Was mir ein pfiffiger Spielkamerad in Kindheitstagen als Spruch ins Poesiealbum schrieb, liess mich schmerzlich erahnen: die Disziplin der Schnelligkeit war nicht mein Ding. Auch darin, skrupellos den eigenen Vorteil zu suchen, bestehen bis heute Defizite, die sich nur durch meditative Eigenschaften kompensieren lassen. Sneaky Pete ist so ein windiger Geselle, dem das, was unsereins versagt blieb, spielend leicht gelingt. Wo die Gefahr wächst, erkennt er stets das Rettende. Hierzu gehört die Kunst der schamlosen Lüge, die er übrigens auch mit jenem Typus teilt, der maskenhaft nur zu beherrschen trachtet: dem narzisstischen Psychopathen. Diesen Teil übernimmt, gespielt von Bryan Cranston, sein Gegenspieler Vince, kaltschnäuzig wie ein Krokodil. Wem schon Walter White verständlicherweise unsympathisch war, der findet hier die hardcore version. Charmant und fesch kommt er daher, dem anderen Komplimente machend, so wie man Blumen giesst, die man alsbald zu pflücken gedenkt.

2017 29 Jan

Serienblinzeln

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„Seht! Ich zeige euch den letzten Menschen. Was ist Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern? – so fragt der letzte Mensch und blinzelt.“

(F. Nietzsche)

 

Abstandnahme ist eine Technik der Wahrnehmung. Nach meinem Eintritts-Debut in die Schöne Neue Fernsehwelt im vorletzten Herbst mit vier Staffeln Mad Men drehte ich der Madison Avenue den Rücken zu, um dann nach einem Jahr zurückzukehren. Wie vertraut mir die Charaktere doch geworden waren, wie angenehm und erbaulich auch dieses Werk zu schauen war. Was sich aber verändert hatte, war der inzwischen möglich gewordene Vergleich mit anderen Serien – man kommt halt viel rum. Gestern nun der Anfang der finalen Staffel von Sons of Anarchy, wiederum nach längerer Pause. Back to Charming. Ich war sofort drin, erkannte die unzweifelhafte Qualität in allen Dingen. Aber diese extremen Gewaltdarstellungen hatten mich doch unterschwellig immer sehr gestört, wie eine Gräte in vorgeblich filletiertem Fisch: es blieb einem oft im Halse stecken. Auch fehlte ja die Distanznahme mittels ironischer Überzeichnung ins Groteske und Absurde, wie beispielsweise in den Filmen Quentin Tarantinos. Nein, das ist schon Shakespeare-Kost hier: Macbeth at its best. Und wie diese Gemma im Namen ihres persönlichen Gottes, des bedingungslosen Familienzusammenhalts (eine Alternative zum Grundeinkommen), über Leichen geht, das lasse ich mir bis zum Ende nicht entgehen. Man möchte sie genüsslich durch den Fleischwolf drehen. Selbstverständlich wird dieser Staffellauf abgeschlossen, hinter der Ziellinie winkt auch schon Sneaky Pete, die Serie der Stunde. Ich sah kürzlich die erste Episode, was zur Folge hat, dass ich mich auf die nächsten neun freue. Vorfreude zählt ja bekanntlich zu den angenehmsten Prä-Emotionen in postfaktischen Zeiten. Man trifft hier Walter White wieder, jenen Drogenbastler aus Breaking Bad, der im richtigen Leben ja immer noch Bryan Cranston heisst und von Beruf Schauspieler ist. Doch Max Frisch lässt grüssen: solch eine Paraderolle wird man schwerlich los, sie haftet einem auf ewig an. Warum aber ist Sneaky Pete so gut? Weil man sofort drin ist und ab geht der fliegende Teppich. Die Handlung macht Spass, perlt leicht und augenzwinkernd dahin, ist zudem spannend, jedoch nicht allzu aufreibend. Die Schauspieler sind klasse und die Bilder erlesen. Das alles und noch viel mehr erinnert verdammt an Breaking Bad. Und sowenig wie man der Gewaltdarstellungen wegen auf die anarchischen Söhne verzichten wollte, fiele es einem im Traum ein, eine grandiose Serie einer personalen Antipathie wegen zu canceln. Wobei, Rosamunde Pilcher hatte ich ja dereinst auch verworfen, aber da handelte es sich ja um einen ganzen Clan voller Abneigungen – von den Brutalitäten verharmlosender Klischeewelten ganz zu schweigen.


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