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Archives: The Affair

Zunächst hatte Sarah Treem, die ausführende Produzentin von The Affair, nur drei Staffeln geplant, dann aber wurden es fünf und wie bei LOST gewinnt die Serie, je weiter die Geschehnisse fortschreiten und sich weiter verwickeln, an Tiefendimension. In der letzten Staffel, die im Jahr 2019 spielt, wird gar eine Zeitebene aus dem Jahr 2051 hinzugeschaltet und tatsächlich gibt es neben ein paar technischen Pannen und eher putzigen technischen Errungenschaften auch dann noch Menschen, die richtige Bücher lesen und solche, die sie schreiben. Im Lauf dieser Serie, dies als Mikroinfo, tauchen zwar immer wieder diverse „Affären“ auf; im Zentrum allerdings stehen die Folgen einer Affäre, die in der ersten Staffel begonnen und das Leben der beteiligten Familien auf den Kopf gestellt hat. Dieser Haupthandlungsstrang mit allerlei Verwicklungen dürfte eine erzählte Zeit von ungefähr acht Jahren umfassen. Das große Thema dieser Serie berührt letztlich die Epigenetik, also die Wissenschaft davon, wie sich beispielsweise Traumata auf spätere Generationen auswirken können. Die Dialoge sind hochintelligent, immer wieder überraschende Wendungen, Haken schlagen, aber auch Witz und Humor. Ich dachte immer, flash mob sei eine politische Underground-Aktionsform. Wer The Affair gesehen hat, weiß, dass es auch ein zeitgenössischer und doch ur-amerikanischer Gruppentanz ist, mit Elementen von hochgestreckten Armen und auf den Handtellern balancierenden Pizzen und Gesten von Knutschern. Man kann immer wieder feine Beobachtungen machen und Verflechtungen entdecken: Bücher spielen eine große Rolle; einmal erkannte ich Ginsbergs Howl im Regal in einer Buchhandlung und eine Autorin las im Flugzeug Joan Didions White Album. Am Ende wird es ein Buch mit dem Titel Montauk geben, und es hat mich überrascht, wer es geschrieben hat. Auch die Waldbrände in Kalifornien spielen eine wichtige Rolle. Einmal wird die wunderbare junge Whitney, die einen Job in einer drittklassigen Galerie in Los Angeles hat, auf einer Party gefragt, was sie sich wünschen würde, wenn sie alles haben könnte. Sie sagt: „Well… Somebody would give me the money to start my own gallery where I could foster new artists. Younger artists. So much what I see now feels recycled, redundant … built for an audience that already exists as opposed to in search for a new one. I’d want to promote artists that are digging deeper, that are looking for something amorphous that haunts them, that haunts me that I just don’t have the language for.” The Affair ist ein solches Kunstwerk. Und plötzlich wird ein Gemälde enthüllt, auf dem man selbst mit einer solchen Wucht von Wahrheit abgebildet ist, dass man erstarrt.

2019 1 Dez

Eine endlose Affaire

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Das Schöne an Serien ist ja immer das Lesen der Reviews danach: man will jetzt wissen, wie es die Anderen sahen. Bei Amazon, diesem schamlosen Einzelhandelskonkurrenten und wundersamen Steuerdieb mit seinen verführerischen Qualitäten des Productplacements las ich eine Kundenrezension. Dort schrieb jemand, The Affair sei die beste Serie aller Zeiten. Das freute mich, entsprach es doch haargenau meinem Bauchgefühl. Seit Fassbinders Acht Stunden sind kein Tag sah ich selten etwas, das sich so dicht am eigenen Wirklichkeitsempfinden bewegt, ungeschminkt real und doch auch märchenhaft. Wobei „Angst essen Seele auf“ es in Momenten auch trifft. Ähnliches vollbrachten in der Literatur Max Frisch und auch Milan Kundera, dessen Buch Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins philosophisch wesentlich tiefer ging als seine Verfilmung, trotz grandioser Schauspieler. Die guten Darsteller sind es auch hier, dazu die exquisite, klare Bildästhetik, die an sich schon viel erzählt. Sie führt dich an der Hand, permanent am gegenwärtigen Moment entlang, der spannend ist und voller Raffinesse. Bilderpracht, schöne Menschen, tiefe Charaktere – man will nicht davon absehen. Nicht die Drogen sind berauschend, sondern frische Luft – die Cyclisten unter uns werden es wissen. In other words: reality does it. Im Kern aber war es das Grundthema der Serie, das mich persönlich so berührte: die Wirkung von Traumata, teilweise über Generationen hinweg vererbt, wie sie in Menschen wirken, in ihren Beziehungen, in ihrer Destruktivität. Auf einer fluchtartigen, geradezu apokalyptischen Wanderung fragt Helen Solloway ihren Ex-Mann Noah, warum er trotz grosser Empathie und Liebesfähigkeit manchmal so verletzend sein könne zu Menschen. Er habe sich das auch gefragt, es müsse an seiner Kindheit liegen. Seine Mutter sei immer sterbenskrank gewesen und der Vater entweder abwesend oder wütend. Sie habe ihn damals als Tochter der Oberschicht, die an seine kreativen Fähigkeiten glaubte, aus einer „Unterwelt“ ans Licht gezogen. Seinen Schatten aber wollte er ihr verheimlichen. Serienkenner fanden Ähnliches bei Mad Men. Heidegger soll gesagt haben, was der Leib des Menschen sei, wäre noch gar nicht gedanklich erschlossen – von Traumata aber schwieg der Mann ganz. Und als der jüdische Dichter Paul Celan nach einem Schlichtungsversuch gefragt wurde, wie es gewesen sei mit dem urdeutschen Meisterdenker, meinte der: „Es kam nur krudes Zeug.“ Vielleicht die essentielle Crux von The Affair: der Mensch kann sich ändern, aber es ist harte Arbeit an sich selbst. Manche schaffen es, die meisten aber stürzen ab. Die bezaubernde Alison hat es versucht. „I have only one thing to do and that’s: to be the wave that I am and then sink back into the ocean …“. Fiona Apples kongenialer Eröffnungssong gab ihrer Seele Klang.

Gelöstheit in einem vorgegenständlichen Sein heißt Gelassenheit: sie meint den Aufenthalt in einer Sphäre, die noch mehr eine seelische Kugel ist als eine Welt auskristallisierter fragmentierter Objekte. Sofern diese Seinsweise erwachsenen, im Konflikt gehärteten Subjekten noch möglich sein soll, dann nur, wenn sie sich in die Welt wie in einen Strom voranschreitender Geburt einlassen. Der Strom meines Zur-Welt-Kommens fließt stetig nach „vorn“, sowie der Zeitpfeil gelingender Therapien unbeirrt nach vorne weisen muß. In diesen Fluß steigen die glücklichen Naturen – William James nannte sie einst die ONCE BORN – nur einmal, die problematischen Naturen zweimal oder öfter. Je öfter man neu beginnen muss, desto besser weiß man Bescheid über Gründe, am Dasein Anstoß zu nehmen. Je mehr ein neuer Anfang gelingt, desto eher wird ein früheres Scheitern zum Anstoß einer anderen Geschichte.

(Peter Sloterdijk – „Welthaß und Neuanfang“, in: Weltfremdheit, 1993)

 
 

 
 

The Affair – Season Five: „Supermoon“ (Episode Six)

 
 

Da ist dieser Überraschungseffekt des unbekannten Neuen, der in gewissem Sinne auch ein Wiedererkennungseffekt sein kann: in uns wirkt eine Sehnsucht nach dem, was wesensnah ist und dennoch oftmals ungelebt bleibt. Man kann es dann in Identifikationsfiguren finden und in Geschichten, die andere erzählen. So geschah es mir oftmals mit den Fernsehserien, vor allem in der Pionierzeit, als alles unverbraucht war: wow und flow zugleich und Netflix war noch nicht in aller Munde. Eine solche Serie war The Affair. Zu Beginn ein Vorbehalt: Beziehungssülze, Seitensprünge, oh Gott! Doch dann diese Anfangssequenz: eine New Yorker Intellektuellenfamilie samt Kinderschar ist am Packen und auf dem Sprung in die grossen Ferien. Sogleich das Drama: der Sohn simuliert, er habe sich im Bad erhängt, nur um den Vater zu schocken. Nein, ganz anders: die erste Szene war eine üppig-muskulöse Beischlafszene, ich erinnere mich genau und wollte schon abschalten. Wie dem auch sei, die Quintessenz aus vier Staffeln: ein existenziell-erdiger Realismus auf der Höhe der heutigen Zeit, voller Eros, Spannung, Tiefgang, Herzblut. In der vierten Staffel beispielsweise eine tolle Darstellung davon, was Traumatherapie eigentlich ist, dann auch die Charakterskizze eines soziopathischen Lovers – als Variation der des emphatischen gegenübergestellt. Eine gesamte Staffel sah ich zum zweitenmal, weil mich schlichtweg die Sehnsucht packte, zu den Orten und Figuren zurückzukehren. Der Clou der Serie ist, dass die gleichen Vorkommnisse aus verschiedenen Sichtweisen erzählt verblüffend zeigen: jede Wirklichkeit ist variabel. War das nicht auch schon damals im Roman Stiller so, bei Max Frisch? Apropos: mag sein, dass die Attraktivität der Schauplätze New York und Montauk eine Rolle spielten, gewiss aber die der weiblichen Darstellerinnen: die zickig pubertäre Tochtergöre beispielsweise, gespielt von einer jungen Brasilianerin. Nun ja, ich könnte noch viel erzählen, das ist hier ja nur locker hinskizziert mit dem Ziel, das Beste nun schlussendlich zu promoten: die finale fünfte Staffel wartet, von mir bislang ungesehen. Wer die vorab bewertet oder was davon erzählt, dem drohe ich mit einer Festrede auf Peter Handke. 

 

2018 3 Nov

The Affair

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The Affair ist eine amerikanische Fernsehserie – wobei ja der Begriff leicht irreführend ist: „Serien“ stehen ja Filmen, etwa Kinofilmen, qualitativ in nichts nach, im Gegenteil. Gast war in einer deutschen Talkshow unlängst der renommierte, aus Hamburg stammenden Regisseur Wolfgang Petersen, bekannterweise mit Das Boot zu Weltruhm gelangt und seit langem in Los Angeles, also nahe Hollywood, ansässig. Auf die Frage, warum er keine neuen Filme drehe, ob es etwa an Angeboten fehle, war seine Antwort: „Das Entscheidende passiert heute sowie weniger in Filmen, vielmehr Serien.“ Bingo, da lacht das Herz des Bingewatchers. I started with Mad Men about three years ago and went on with True Detective, Fargo, Bloodline, Breaking Bad. So far and not that bad. Irgendwann kam dann die Affäre. Ich zögerte, denn problematische Beziehungsdramen und Rosenkriege sind nicht so mein Ding. Der Anfang: eine schwülstige Bettszene, muskulöser Männerkörper liegt auf nackter Frau. Finger schon am Off Button, doch schnell wendete sich das Blatt. Man kennt das Gefühl: urplötzlich ist man in etwas drin, dass sich realer anfühlt wie das Leben selbst. Als habe man nach langem grauen Rauschen nun den Sender scharf gestellt und es wird kontrastreich, witzig, inspirierend. Hier wird nämlich nicht auf Rosamunde Pilcher schöngeeicht und auch der nordische Ernst eines Ingmar Bergmann bleibt aus. Dann doch eher Polanskis durchtriebener Humor. Eine New Yorker Intellektuellenfamile, er Lehrer, sie die Tochter eines renommierten Schriftstellers, hierzulande wäre es wohl das gehobene Grünenmilieu. Auf dem Weg in die grossen Ferien Richtung Montauk und die Ostküstenfrische. Vier Kinder, zwei kleine, ein prä-pubertärer Sohn und eine genial-pubertäre Tochter. Zickigkeit on Top, gespielt von einer brasilianischen Elfe. So nimmt alles seinen Lauf und man findet sich in Atmosphären, in dem man gerne verweilt. Ein Indikator dafür, dass diese Serie von allen meine liebste ist: die gesamte zweite Staffel schaute ich ein zweites Mal, so wie ich einst Willemsens „Knacks“ auch dreimal nacheinander las. Season Four zählt ebenso zum Besten, was ich sah und wer das noch vor sich hat, der hat es gut. Postscriptum: Sie spiele ja eine sehr giftige, egoistische Person, wird der „Ehegattin“ (links im Bild) vorgehalten. „Well, we are all toxic persons.“ As always here the right dose turns a poison to a cure.

 

Season one started in front of a wonderful family home in Brooklyn, New York, a couple with four kids packing their stuff in the car for summer vacation and season three ended there, five years later, Christmas Eve. Life has totally changed for two families. Where are we going, buddy? “The affair” season 3 is No. 6 at Jochen´s list of top TV shows. Season one is the starter, season two a lecture in high suspense and season three a lecture in dream logic. Still I don´t get the trailer´s lyrics in the first three seasons events described. Show runner Sarah Treem did brilliant work with the narrative structure from different POVs and with time shifts. She said:

 

At the core of the show is – is just human relationships and the faultiness of memory, and the unreliability of our own personal narratives and the denial of objective truth.

 

Season three in Sarah Treem´s mind is a meditation on the following idea: If we believe that we all have a dark side that we´re not necessarily aware of, where is it and how does it influence our behavior? For the actors it was most challenging being seen by somebody else´s eyes. This includes their clothing, which differs in different POVs. Finally all versions are true.

Does anyone know if there will be a fourth season? In my POV there are some open questions left.

 

2017 15 Mai

Open To Space

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Noah Solloway took his time for his first novel A Person Who Visits A Place. I remember a short story titled “The Waiting Room” in one of the new literature magazines, For Starters, a few years ago, and found it again now as part of a well thought mesh in this ambitious first novel, published in 2014, that I spotted browsing the shelves in a library. Solloway studied at Columbia and works as a teacher for English and PE at a public school in Brooklyn, but his novel displays a strong European influence because of its metaphysical claims. The title itself sounds a bit abstract, but the story isn´t. There are 52 chapters, one of each describing, well, a person visiting a place, in a variety of sense. I cannot exactly say how many characters there were involved, because some of them have no names and others who have names do change them. It´s kind of a family structure, there is this young close-mouthed student who struggles for a new life, apart from poverty and loneliness, his mother works as a waitress, which is described from his and her and the father´s and the goldfish´s perspective. There is the student´s affluent girlfriend, there is this superego father-in-law, a famous writer living on an island, there are some close friends, there is a baby girl and several unborn, but persons, time and space are malleable, and page for page you lose control. In an online Interview Solloway said as a teenage boy he loved Moby Dick and I think there´s a crime element and through that you discover dark under-shade. Where is real life? What is memory like? What does liberty mean, hazard? Although the novel´s structure is quite experimental style (in one chapter the main character, a young writer, encounters Alain Robbe-Grillet in a coffee bar in Paris and talks about possible structures of novels) there are always meditative parts and it´s not an essay. “He thought of weather. How unpredictable it still was,” writes one of the narrators. “He looked down at his feet to watch the waves recede, leaving jagged little rivulets in the sand and took comfort that he could find no order in their paths either.” It´s not a sit-back-book, it´s a lean-forward-book. I just checked, the second novel by Noah Solloway, Decent, was released this spring and it will soon be made into a major motion picture.

 
 


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