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Archives: Jazz – A bis Z


Chris Jarrett hatte Glück. Denn ihren großen Ehrgeiz lebten seine Eltern beim ältesten Bruder aus. „Besonders Keith sollte etwas Besonderes werden. Bei mir war der Druck zum Glück dann schon etwas weg. Wenn Keith sich für Mathematik statt für Musik interessiert hätte, wäre er jetzt sicher einer der besten Mathematiker weltweit.“ So aber wurde Keith Jarrett eben einer der berühmtesten Jazzpianisten. Und spielen die Brüder manchmal zusammen? „Nein“, sagt Chris Jarrett nicht ohne Selbstironie, „dafür sind wir alle zu eigen und zu eitel.“

 

aus NEUE OZ (2011)

 
 
 

 
 
 

Seit 25 Jahren (Anm. inzwischen seit 32 Jahren) lebt der in den USA geborene Musiker und Komponist Chris Jarrett in Deutschland. In seinen Stücken lässt er Jazz, Klassik, Avantgarde und Weltmusik auf atemberaubende Art und Weise verschmelzen. Dafür wird er von Musikjournalisten auch schon mal als „Rebell“ gegen das Pianoestablishment bezeichnet.

„Ich bin in erster Linie Komponist, das würde ich schon sagen. Das hat sich eher aus Zufall ergeben, dass ich mich mit dem Klavier beschäftigt habe, was damit zu tun hat, dass Virtuosität anerkannt wird, eher vielleicht noch als kompositorisches Können.“

Vital und impulsiv ist sie, die Musik von Chris Jarrett, voller Brüche und Überraschungen und niemals so leicht einzuordnen in die üblichen Kategorien des Musikbetriebes. Frank Zappa etwa gilt ihm genauso als Vorbild wie die Meister des Barock oder der Moderne. Dementsprechend offen ist auch sein Repertoire, das von atonalen Miniaturen über Sonaten, Filmmusiken, Ballett bis hin zur Oper reicht. Stilistische oder gar geograische Grenzen lässt der gebürtige Amerikaner nicht gelten:

„Ein Stil, der irgendwie mit etwas Wahrhaftigem zu tun hat, der kommt aus einem selbst. Natürlich sind die Einlüsse da, denen kann man sich auch nicht verschließen. Wir haben ja Internetverbindungen zu Algerien, Ägypten und es gibt youtube. Man kann sich jetzt also viel einfacher reinhören. Da man aber in der westlichen Tradition eingebettet ist, bleibt es nicht aus, dass diese Elemente gemischt werden mit anderen. Ich meine jetzt nicht bewusst ‚Wir mischen jetzt etwas zusammen‘, sondern: Die Liebe zu der Musik, die man hört und dass irgendetwas funkt im Kopfe, diese Mischungen sind interessant.“

Es ist eine ungewöhnliche Künstlervita, auf die der Mittfünfziger mit jugendlicher Ausstrahlung zurückblickt. Die äußere Erscheinung – untersetzt und muskulös, ein Geradeaus-Typ mit kräftigem Händedruck – lässt ahnen, dass er sein Leben nicht nur auf dem Klavierhocker verbracht hat.

 
Lesen Sie bitte hier weiter …

Kongreßsaal – so darf man das seit 1996 nicht mehr schreiben. Duden empfiehlt „Kongresssaal“, lässt aber auch „Kongress-Saal“ zu („Konzert-Saal“ dagegen ist ein orthografischer Fehler). Mir sind drei s in Folge zuwider. Ich bin da nicht allein, wie man auf diesem Ticket aus dem Jahr 1977 erkennen kann.
 
 
 

 
 

Ohne besondere persönliche Gründe gäbe es keinen Anlass, vom KONGRESS-SAAL IM DEUTSCHEN MUSEUM zu berichten. Dieser einst bedeutende Konzertsaal ist – man muss es so sagen – heruntergekommen. Vor wenigen Tagen war ich in München, an einem kühlen sonnigen Frühlingstag. Wir machten einen ausgedehnten Spaziergang, Wege, die ich zur Zeit meines Studiums und die Jahren danach oft gegangen bin: Musikhochschule, Brienner Straße, durch den Hofgarten an der Residenz vorbei, die den Herkulessaal beherbergt. Entlang der Isar gelangt man zum Gasteig, dann sind es nur ein paar Schritte und ich stehe vor den verschlossenen Türen des Kongreßsaals. Wenn ich an diesen Orten vorbei schlendere tauchen Erinnerungen an fantastische Konzerte auf. Den mächtigsten Eindruck hinterließ der Auftritt des Miles-Davis-Septets im Kongreßsaal des Deutschen Museums im Herbst 1971. Am Osterwochende brachte Ö1 den Mitschnitt des Auftritts dieser Band vom 5. November 1971 in Wien – ein weiterer Finger auf … nein, nicht eine Wunde, eher auf eine erogene Zone.
 

Hauptsächlich ging es mir gar nicht um Miles Davis, sondern um Keith Jarrett. Seit ich ihn auf Forest Flower gehört habe, bin ich unheilbar infiziert. Jetzt konnte ich ihn zum ersten Mal live hören, es war atemberaubend, natürlich nicht nur seinetwegen, sondern auch wegen der brachialen Energie, welche das Miles-Davis-Septet verstrahlte. Wir saßen vorne links in der ersten Reihe.
 
 
 

 
 
 

Ein paar Reihen hinter uns waren noch besetzt, dann gähnende Leere. Ich schätze, es waren circa 500 Besucher im Saal, der an die 2500 Plätze bot. Keine fünf Jahre früher habe ich im Kongreßsaal das Dave-Brubeck-Quartet und das Oscar-Peterson-Trio gehört – volles Haus! Vielleicht hatte Miles Davis mit Bitches Brew sein altes Publikum (zumindest in München) verschreckt.
 

Während jener Tournee spielte die Miles-Davis-Group häufig zwei Konzerte an einem Abend, die um 19 und 22 Uhr begannen. Wir hatten Tickets für die 19 Uhr Vorstellung. Nach dem ersten Auftritt kam ein Mitarbeiter des Veranstalters auf die Bühne und bot allen im Saal an, mit der 19 Uhr Eintrittskarte zur 22 Uhr Vorstellung zu kommen. Dafür seien noch deutlich weniger Plätze verkauft worden, das wäre ja ein Affront den Musikern gegenüber. Klar, wir blieben.
 

Ich musste nach beiden Aufführungen noch zurückfahren, bis nach Kronach, und bin wohl gegen 4 Uhr morgens ins Bett gekrochen. Am Vormittag war Schultag. Ich wohnte zur Miete bei einer Familie, deren Sohn Werner – er wurde ein guter Freund von mir – Schüler in der Abiturklasse war. Nachmittags schwärmte ich vom Erlebnis des Vorabends, offenbar eindrücklich. Denn als ich anfügte, das Miles-Davis-Septet spiele diesen Abend zu Frankfurt-Hoechst in der Jahrhunderthalle meinte er, man solle unbedingt dorthin fahren. Ich sei dazu wegen Schlafmangels nicht in der Lage sagte ich und lehnte ab. Werner rief seinen Freund Wolfgang an, der seit ein paar Wochen den Führerschein besaß. Er war bereit zu fahren, ab 18 Uhr – er leistete Zivildienst. Telefonische Kartenreservierung, kurz vor 22 Uhr trafen wir in der Jahrhunderthalle ein.
 

Innerhalb von 30 Stunden dreimal das Miles-Davis-Septet live hören – das muss man erlebt haben! Wolfgang hat uns in meinem VW-Käfer, der 2 Jahre später im Oktober 1973 verendete, sicher chauffiert.

Für mich bleibt das schlechteste Musikstück der Welt „Jingle Bells“
(Wolfram Gekeler)

„Jingle Bells“ hat vor circa 2 Jahrzehnten eine marginale Rolle für mich gespielt. Das kam so: Ein ehemaliger Schüler leistete nach dem Abitur Sozialdienst im Krankenhaus Kronach. Der Chefarzt der Abteilung kannte ihn als Gitarristen der Voodoo Shakers, deren einziges Album – man glaubt es kaum – bei Spotify, Qobuz, Amazon und wer weiß wo noch kaum beachtet auf Hörer wartet. Weihnachten stand bevor, und der Arzt bat Chris, er möge doch die Weihnachtsfeier mit seinem Guitarspiel verschönern. Nun, Solospiel ist eine schwere und einsame Aufgabe. Chris suchte Helfer und sammelte auch mich ein. Schließlich waren wir ein Quartet und hatten dem Anlass gehorchend einige Weihnachtslieder im Programm, ausschließlich dieses anglo-amerikanische Zeug, dem ich nicht viel abgewinnen kann.

Hätte ich schon damals Wolframs Verdikt von „Jingle Bells“ vernommen, ich hätte sicherlich zugestimmt. Im vergangenen Jahr ist mir folgende Aussage in die Quere gekommen.

 

Der Spruch, es gäbe nur zwei Arten von Musik, gute und schlechte, ist Unfug.
(Josef Bulva)

Der Spruch ist mir geläufig, ich habe ihn aus dem Munde meines Violinprofessors an der Musikhochschule München vernommen, ich war gewissermaßen ein Anhänger dieser Auffassung, für mich war klar: Messiaens „Vingt Regards sur l’enfant-Jésus“ sind bessere Musik als der ganze anglo-amerikanische Weihnachts-Klingklang. Josef Bulvas Satz empfand ich als provokant, aber auch irgendwie sympathisch, weil er meine längst betonharte Meinung bröselig machte. Das schaffte der oben zitierte Satz nicht allein, sondern auch jene, die ihn begleiten, weshalb es nicht schadet, Bulvas Gedanken hier nachzulesen.
 
 
 
     
 
 
 

Unter den Jazzern diesseits meines Klanghorizontes, die „Jingle Bells“ überhaupt anfassen, finde ich nur Carla Bley. Ihr vertraue ich blind, ihre Musik hat mich nie enttäuscht. Ich war gespannt, wie „Jingle Bells“ – welches übrigens gar kein Weihnachtslied ist – auf ihrem 2009 veröffentlichten Album „Carla’s Christmas Carols“ zubereitet wird. Nach dem heiter-ernsten „Jesus Maria“ (für mich eine der schönsten Kompositionen Carlas) erklingt ein skurriles „Jingle Bells“, wie vom Dorfmusikantenquintett aus Kingston gespielt. Richtig gute Musik.

Jetzt, wo doch längst alle Schokoladenweihnachtsmänner zu Osterhasen umgegossen sind, ist mir das anglo-amerikanische Weihnachtslied „Santa Claus is Coming to Town“ zu Ohren gekommen. Gänsehaut läuft mir über den Rücken – das hätte ich (früher) diesem Song nicht zugetraut. Aber wenn es mit derart hinreißendem Groove, bar jeder Routine gespielt wird, dann ist es allerbeste Musik. Zu hören auf diesem am 2. März erschienenen Album.
 
 
 
     
 
 
 

Der Spruch, es gäbe nur zwei Arten von Brettspielen, gute und schlechte, ist Unfug. Ist Schach das bessere, ist Mensch ärgere dich nicht das schlechtere Spiel? Bestimmt würden nicht Wenige das so sehen. Es ist vielmehr so: Schach ist ein um Größenordnungen komplexeres Spiel als Mensch ärgere dich nicht.

Der Spruch, es gäbe nur zwei Typen von Sportarten, gute und schlechte, ist Unfug. Ist Fußball die bessere, Biathlon die schlechtere Sportart? Nein, Fußball ist einfach um Größenordnungen komplexer als Biathlon.

Allerdings: man kann richtig schlecht Fußball spielen.


Im Jahr 1427 landeten die ersten Schiffe, aus den südlichen Meeren kommend, an den Küsten Portugals. Ihnen entstiegen bewaffnete dunkelhäutige Menschen. Damit begann die Versklavung europäischer Völker, verschleppt von afrikanischen Eroberern, um auf Feldern unter sengender Sonne zu arbeiten, um Gold und Silber aus …

 

Nein, diese Geschichte stimmt nicht. Manchmal jedoch werde ich verwickelt in Diskussionen über die Flüchtlingsströme nach Europa, und in solchen Gesprächen rege ich gerne an, sich diese „Fake History“ vorzustellen. Ich habe einfach Glück gehabt, dass ich nicht als armer Afrikaner in die Welt kam. Es ist ein glücklicher Zufall, in einem wohlhabenden Land zu leben, nicht hungern zu müssen, nicht von Kriegen heimgesucht zu werden. Ich gehöre nicht der „Paradise-Papers-Class“ an, genieße dennoch einen hohen Lebensstandard im Vergleich zu den meisten Menschen der Erde und weiß, dass für dieses „Wohlleben“ viele human beings geschuftet und gelitten haben, schon vor langen Zeiten und weit entfernt, und immer noch.

 

An diesem nichtswürdigen Geschäft mit Millionen afrikanischer Männer, Frauen und Kinder, die systematisch deportiert und vier Jahrhunderte lang brutal ausgebeutet wurden, waren die meisten der großen europäischen Nationen beteiligt. Diesem Geschäft verdankt sich der große Reichtum ganz Europas im 18. und 19. Jahrhundert. Aber die zivilisierten Nationen haben es bis heute nicht für nötig gehalten, allgemein um Verzeihung zu bitten oder eine (symbolische oder tatsächliche) Entschädigung für die von den Sklaven geleistete Zwangsarbeit anzubieten, die ja als Mobiliar (einfache „Werkzeuge“ ohne Seele) angesehen wurden. Ganz im Gegenteil, im Kielwasser des vier Jahrhunderte währenden Menschenhandels, in dessen Verlauf sich die wichtigsten europäischen Länder allmählich an den afrikanischen Küsten ansiedelten, haben sie Afrika „kolonialisiert“ – also als etwas betrachtet, was ihnen gehört. Als hätte Europa vom Ende des Mittelalters bis ins 19. Jahrhundert hinein beständig nur ein einziges Ziel verfolgt: alle Gebiete südlich des Mittelmeers nach und nach zu beherrschen.

 

Das schrieb Jordi Savall. Er ist weder Historiker, Politologe, noch ist oder war er ein Repräsentant der Befreiungstheologie. Jordi Savall ist Musiker, Mitbegründer und Leiter des Ensembles Hespèrion XXI. Im Juli 2015 fand in der Zisterzienserabtei Fontfroide im Südwesten Frankreichs ein Konzert statt, das im Januar 2017 auf DVD und zwei SACDs erschien, im opulenten Buchformat. Auf mehr als 500 Seiten sind in 6 Sprachen die Texte der Gesänge und zwischen die Musik eingebettete Rezitationen historischer Quellen mitgeteilt. Hinzu kommen Essays renommierter Historiker, die das Thema vertiefen – notabene nur im Buch.

 
 


 
 

Wo ist das „A“ des Jazz? Am 26. Februar 1917 nahm die Original Dixieland Jass Band zwei Titel auf, die, auf 78er-Schellack erschienen, als erste Jazzplatte in die Geschichte eingingen. Die Plattenfirma bewarb damals die ODJB als „Creators of Jazz“. Aber auch Jelly Roll Morton nahm für sich in Anspruch, Erfinder des Jazz zu sein. Es gibt den Einen sicher nicht. 1917 wurde Jazz zum ersten Mal greifbar dokumentiert, es sei denn, man erkennt den komponierten und notierten Ragtime, dessen Blüte sich ab ca. 1890 öffnete, als ersten Jazzstil an. Wie vor diesen Zeiten die Musik der Afroamerikaner geklungen hat, weiß man nicht. Aber mit Jordi Savalls Retrospektive habe ich ein Hörrohr, das eine mehr oder weniger begrenzte, gebrochene Anmutung vermittelt.

Neben Savalls Ensemble spielen und singen bei dieser Produktion Musikerinnen und Musiker aus Mali, Madagaskar, Marokko, Kolumbien, Brasilien, Mexiko, Argentinien und Venezuela miteinander. Alte Musik aus der Kolonialzeit, mehrstimmiger Renaissance-Gesang, trifft auf westafrikanische Griot-Gesänge und auf Überlieferungen, die sich aus der Sklavenzeit bis heute in Lateinamerika erhalten haben. Das geschieht auf eine fast nüchterne Weise, denn es werden kommentarlos lediglich Dokumente vorgeführt, musikalische und literarische. Hinreißend musiziert. Berührend, wenn man sich dieser Geschichtsstunde nicht verschließt.

 

Dass ich – von der Klassischen Musik kommend – den klingenden Düften des Jazz erlegen bin, liegt bestimmt an J.E. Berendts Jazzbuch. Meine erste Jazzplatte war Erroll Garners Concert by the Sea. Sie rotierte einst fast täglich auf meinem Philips Plattenspieler (Auflagekraft ca. 11 pond), und von den in der Frühzeit der LP üblichen mindestens 150 g Vinyl haben sich bestimmt einige Gramm in Staub aufgelöst.

Ansonsten war ich damals abhängig vom Rundfunk, der nicht über die Reichweiten verfügte wie heutzutage. Für mich waren nur RIAS – allerdings veredelt von Walter Bachauer – und der Bayerische Rundfunk erreichbar, abgesehen von Sendern der DDR, die ich kaum beachtete. Beim Bayerischen Rundfunk war Werner Götze der Herr über den Jazzgeschmack – Limes beim SWING. Das ging mir nicht weit genug. Es führte gar zu einer Abneigung gegen Swing Jazz und ganz besonders gegen Big Band Jazz.

Aus dieser Taubheit erlöste mich Don Ellis. Ich weiß nicht mehr wie ich auf Don Ellis‘ Electric Bath gestoßen bin. Das war weiß Gott elektrisierende Big Band Music, ich wurde beim ersten Hören reingewaschen von meiner Abneigung gegen Big Band Jazz. Dieses Album gehört zu meinen wertvollsten.

Ich weiß nicht, ob das Andenken an Don Ellis, der anno 1978 im Alter von 44 Jahren verstorben ist, in diesen Tagen noch hoch gehalten wird. Im Jahr 2017 wurde sein bei MPS produziertes Album Soaring, das ich bis dato nicht kannte, auf Vinyl und CD wieder veröffentlicht. Vor ein paar Wochen habe ich zugegriffen. Überraschung: Track 1 hat den Titel WHIPLASH.

 

Claudio Monteverdi wurde am 15. Mai getauft, ein Datum, das zu merken mir leicht fällt. Im Jahr 1567 war das. Sein Geburtsdatum ist unbekannt. In diesem Jahr gedenkt man des 450. Tauftages dieses Komponisten. Es ist noch keine 100 Jahre her, dass man sich an diesen Großen der abendländischen Musik erinnert und seine Musik auch wieder aufführt. Carl Orff bearbeitete um 1923 Monteverdis Favola in Musica L’Orfeo. Nur wenige mehr machten sich ebenfalls verdient um Monteverdi. Erst mit Nikolaus Harnoncourts Schallplattenaufnahme des L’Orfeo aus dem Jahr 1969 begann die wahre Renaissance des Claudio Monteverdi.

 

Monteverdi und Jazz? Jazz vor 400 Jahren? It don’t mean a thing (if it ain’t got that swing). Also durchgefallen (schon deswegen). Musikalische Gegenfrage:

 

 

Ist das Jazz? Ist das Klaviermusik des 20. Jahrhunderts in freier Atonalität? Ist das auskomponierte oder spontan improvisierte Musik? Letzteres müsste man wissen, denn man hört es der Musik nicht an. Jazz & Improvisation gelten als untrennbar. Im Großen und Ganzen stimmt das, wobei verschiedene Methoden des Improvisierens erkannt werden können: die freie Fantasie ohne Vorlage (Jarretts Solokonzerte), das Orientieren an einer Akkordfolge (Blues-Schema, Rhythm Changes, Harmonien eines Songs), in der Frühzeit des Jazz das Ausschmücken und Verzieren der Melodie.

 

I was embellishing around the melody. At that time (Anm.: vor 1920) I wouldn’t have known what they meant by improvisation. But embellishment was a phrase I understood.

Buster Bailey (1902-1967)

 

Zu Monteverdis Zeiten pflegten die Sänger diese Form der improvisierten Variation, ja man erwartete, dass sie diese als Diminution bezeichnete Technik vollendet beherrschten. Besucht man in unseren Zeiten Konzerte mit Sinfonischer Musik, mit Kammermusik oder Klavierabende, wo vorwiegend Werke der Klassik, Romantik und der gemäßigten Moderne aufgeführt werden, gewinnt man den Eindruck, dass Klassische Musik und Improvisation nicht zusammen gehören. Abgesehen vom singulären Fall der Pianistin Gabriela Montero scheint Improvisation im Konzertleben, das am klassisch-romantischen Repertoire ausgerichtet ist, ausgestorben zu sein. Wagt es ein Künstler, aus diesem Werkkanon auszubrechen, muss mit einem Eklat gerechnet werden.

Man darf jedoch nicht vergessen, dass Bach, Mozart, Beethoven großartige Improvisatoren waren, nicht die einzigen in ihrer Zeit. Im Solokonzert (für ein Soloinstrument und Orchester) gab es in der sog. Kadenz für den Solisten die Möglichkeit, neben seiner Virtuosität auch die Fähigkeit über das thematische Material des Satzes zu fantasieren, vorzuführen. Doch schon Beethoven schränkt ab seinem 4. Klavierkonzert diesen Freiraum ein.

Wie kann man Monteverdi und den Jazz näher zusammen rücken? Dem Madrigal Zefiro torna aus der Sammlung Scherzi Musicali liegt ein ostinater Bass zugrunde, die Ciaccona. Es gibt zahlreiche solcher Bassformeln in jener Zeit. Sie heißen Passamezzo, Romanesca oder Folia. Letztere ist hochberühmt und wurde von Vangelis in der Filmmusik zu Conquest Of Paradise aufgegriffen. Diese ostinaten Bässe entstammen vielfach der volkstümlichen Tanzmusik jener Zeit und sind die Grundlage für Improvisationen in einer schriftlosen Musizierpraxis.

Im folgenden ist eine Introduction zu Monteverdis Zefiro torna zu hören, die nicht im Notentext steht, sondern vom ausführenden Ensemble als (vermutlich vorbereitete) Improvisation gestaltet ist.

 

 

Von Gianluigi Trovesi erschien 2007 bei ECM das wunderbare Album Vaghissimo Ritratto, auf dem unter anderem auch Werke aus der Renaissance in „sehr vagen Bildnissen“ dargeboten werden. Und hier improvisiert der italienische Jazzmusiker über ebendiese Ciaccona. Das Beispiel ist einem anderen Album entnommen.

 

 

Improvisieren über einer ostinaten Formel könnte ein Grundprinzip vielerlei irdischen Musizierens sein.

 

 
 
 

       

 
 
 

Im April 2017 erschien bei ACT Music Monteverdi in the Spirit of Jazz, ein Album, das mehrere Tracks von Richie Beirachs bereits 2003 veröffentlichem Album Round About Monteverdi enthält.


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